Interview mit Martin van Creveld (Allgemein)
Das Interview fand 2011 statt. Leider funktioniert der Originallink nicht mehr.
Worum geht es bei der Debatte um Frauen in der Armee tatsächlich? Der israelische Militärtheoretiker Martin van Creveld überrascht im DMZ-Gespräch mit einigen unorthodoxen Thesen.
DMZ: Herr Prof. van Creveld, in Deutschland tobt derzeit eine Debatte um Frauen bei der Bundeswehr. Junge – männliche – Offiziere stehen im Kreuzfeuer der Kritik, weil sie diese Frage offen diskutieren. Warum akzeptiert die Political Correctness keine Diskussion um die Vor- und Nachteile von weiblichen Soldaten?
Creveld: Wenn wir über die Political Correctness sprechen, dann ist die Debatte um Frauen bei der Bundeswehr wirklich das geringste der Probleme. Political Correctness, dieses grünäugige Monster, ist doch allgegenwärtig. Dieses Monster bekämpft das freie Denken überall dort, wo es um die möglichen Unterschiede von Menschen unterschiedlicher Rassen, die Unterschiede zwischen den Geschlechtern und den Zusammenhang von Gesellschaft und Biologie geht, um nur einige Beispiele zu nennen. Die Political Correctness versucht zudem die Unterschiede zwischen Objektivität und Subjektivität, zwischen Feigheit und Mut und sogar zwischen Gut und Böse aufzulösen. Um es mit Friedrich Nietzsche zu sagen: Die Political Correctness ist die Manifestation einer Sklavenmoral. Sie ist ein Kennzeichen einer niedergehenden Gesellschaft, die sich selbst in ihrem Niedergang für ihre Rechtschaffenheit, Freiheit und ihre angebliche Toleranz preist.
DMZ: Wagen wir einen Blick in die Geschichte: Seit wann spielen Frauen als Kombattanten auf dem Schlachtfeld überhaupt eine Rolle?
Creveld: Trotz einiger weniger Ausnahmen haben Frauen in der Geschichte nie an Schlachten teilgenommen. Wir finden dies auch nicht im Tierreich, wo die männlichen Tiere die Kämpfe ausführen. Und auch in sogenannten „tribalen“ menschlichen Gesellschaften genießen die Frauen oftmals eine Art Immunität und nehmen nicht an Kämpfen teil – egal, ob es sich dabei um arrangierte Gefechte oder um Überraschungsüberfälle auf andere Stämme handelt. Wir finden das nicht in den Imperien des Altertums und auch nicht in der klassischen Antike, nicht im Mittelalter, nicht bei den Azteken oder bei den Inka. Diese Liste ließe sich noch lange fortsetzen.
DMZ: Aber es gibt Ausnahmen, sagen Sie…
Creveld: Ja, es gibt einige. Einige wenige Frauen haben an Kriegen teilgenommen, sie waren bei Rebellionen, Aufständen und Revolutionen dabei. Es gibt auch Frauen, die Selbstmordattentate verübt haben. Eine Untersuchung über die französische, italienische, griechische, jugoslawische und sowjetische Widerstandsbewegung während des Zweiten Weltkrieges würde zeigen, daß etwa 15 Prozent der Angehörigen der Gruppen weiblich waren. Aber in praktisch allen Fällen waren diese Bewegungen von Männern geführt, die auch die oftmals nur spärlich vorhandenen Waffen hatten und die Kämpfe führten. Die Frauen waren meist als Krankenschwestern und in der Kommunikation tätig. Außerdem: Sobald das Ziel erreicht war, also die Befreiung, gingen die Frauen nach Hause.
DMZ: Was hat es eigentlich mit den sagenumwobenen „Amazonen“ auf sich?
Creveld: Zu den Amazonen müssen einfach vier Dinge gesagt werden: Erstens haben sie niemals existiert. Wie in vielen anderen griechischen Mythen diente die Geschichte der Amazonen dazu, eine Welt zu porträtieren, in der bestimmte Dinge anders sind als in der Realität. Zweitens handelt es sich bei den Amazonen um einen besiegten Stamm. Sie wurden der Sage nach von Theseus besiegt und verschwanden. Kein Grieche, egal ob Mann oder Frau, erwartete ernsthaft, irgendwann einmal auf eine leibhaftige Amazone zu treffen. Drittens nutzten die Amazonen als Hauptwaffe Pfeil und Bogen. Im antiken Griechenland war der Bogen ein Kontrast zum dort üblichen Speer. Der Bogen stand – als Distanzwaffe – für Feigheit. Man denke nur daran, wie Paris den großen Helden und Krieger Achilles mit einem Pfeil erschoß. Und viertens, so sagen es einige Versionen der Amazonen-Legende, mußten die Kriegerinnen ihre rechte Brust amputieren, um den Bogen bedienen zu können. In anderen Worten: Um Kriegerin zu sein, mussten sie sich das sichtbare Merkmal ihrer Weiblichkeit entfernen.
DMZ: Israel hat vor allem in Europa den Ruf, daß in seiner Armee (Israel Defence Force, abgekürzt IDF) schon lange Frauen in der Truppe dienen. Ist das wirklich so? Welche Erfahrungen hat man in Israel damit gemacht?
Creveld: Israel ist der einzige Staat dieser Erde, der von Anfang an die Wehrpflicht für Frauen hatte und diese in Uniformen steckte. Angenommen, das Ziel eines Krieges ist, jene zu verteidigen, die sich nicht selbst verteidigen können, bleibt diese Praxis in meinen Augen dennoch zweifelhaft.
DMZ: Warum?
Creveld: Diese Geschichte ist einfach viel komplexer, als sie auf den ersten Blick scheint.
DMZ: Was ist daran komplex?
Creveld: Das hat mit der Geschichte Israels zu tun. Bevor sich der Staat Israel im Jahre 1948 gründete, machten Frauen in den bewaffneten Untergrundgruppen, die gegen die Briten kämpften, etwa 15 Prozent aus. Nur wenige von ihnen trugen aber tatsächlich Waffen, die meisten Frauen dienten als Kuriere, da die Briten an Kontrollpunkten diese weniger gründlich durchsuchten, als sie es mit Männern taten. Frauen überbrachten Informationen, sie waren in der Logistik tätig, sie dienten als Führerinnen und sammelten geheimdienstliche Informationen. Schon am ersten Tag des Unabhängigkeitskrieges, der Ende 1947 ausgebrochen war, wurde eine gemischte israelische Patrouille von Beduinen in der Negev-Wüste überwältigt und auf grauenvolle Art und Weise zugerichtet. Die „Hagana“-Miliz – der Vorgänger der heutigen israelischen Armee – hat sofort darauf reagiert und den Befehl ausgegeben, daß alle Frauen die Kampfeinheiten verlassen sollten. Doch da man in jenen Tagen verzweifelt nach Kämpfern suchte und die Organisation allgemein nicht besonders gut war, folgten viele Gruppen diesem Befehl nicht. Einige Frauen kämpften also weiter. Von den 2.000 gefallenen Angehörigen der Palmach-Truppe, einem Elitekampfverband, waren nur 19 Frauen. Bei der Schlacht bei Latrun im Mai 1948, nicht weit entfernt von Jerusalem, fielen 300 Israelis, darunter nur drei Frauen. Zwei von ihnen waren als Krankenschwestern tätig, eine diente als Funkerin. Wenige Wochen später wurden aber auch die letzten verbliebenen Frauen aus den Kampfeinheiten entfernt. In den Jahren von 1949 bis 1973, also der erfolgreichen Zeit der israelischen Armee, war die Rolle der Frauen dort gering. Die Waffenausbildung für Frauen hatte allenfalls symbolischen Charakter, sie waren weder in Kampfeinheiten zu finden noch nahmen sie an Kämpfen teil. Immer, wenn ein Krieg ausbrach, stellte das Hauptquartier sicher, daß nirgendwo Frauen in der Nähe der Front waren. Von den 2.700 israelischen Soldaten, die während des Jom-Kippur-Krieges 1973 getötet wurden, waren weniger als zehn Frauen.
In den späten 1970er Jahren veränderte sich aber die Situation. Der Umfang der israelischen Streitkräfte wurde um 150 Prozent erhöht, was allerdings mit dem Problem einherging, hierfür genügend Soldaten zu bekommen. Auch der Feminismus wurde in jenen Jahren stark, daher machten dann die Frauen in der israelischen Armee zwischen 25 und 30 Prozent aus. Und trotzdem gilt weiter: Wo immer Schüsse fallen, sind keine Frauen, und wo Frauen sind, fallen keine Schüsse. Während des Libanonkrieges im Jahre 2006 fielen 130 israelische Soldaten, eine einzige Frau war darunter.
DMZ: Sieht man deshalb auf Aufnahmen von IDF-Operationen im Libanon oder in den Palästinensergebieten kaum Frauen?
Creveld: Wie ich bereits sagte: Die Vorstellung, daß israelische Frauen mit der Waffe in der Hand an den Fronten kämpfen, ist falsch.
DMZ: Doch warum hält sie sich dann so hartnäckig und dient vielen Befürwortern von Frauen in der Armee als wichtiges Argument?
Creveld: Das kommt vor allem von der Publicity, die gerne israelische Soldatinnen auf Paraden mit Waffen zeigt. Das hat aber wenig mit der Realität zu tun, wie ich bereits anmerkte. Es gibt beispielsweise gemischte Patrouillen, die finden aber an der jordanischen Grenze statt, die sehr friedlich ist. In 40 Jahren wurde dort kaum geschossen. Soldatinnen dienen in der Administration, Ausbildung und Logistik. Sie arbeiten beim Geheimdienst und in der Kommunikation. Einige von ihnen steuern auch ferngelenkte Drohnen, die in der modernen militärischen Aufklärung zunehmend eine wichtigere Rolle spielen. Als Pilotinnen richtiger Flugzege findet man sie hingegen kaum. Man mag es für einen Höhepunkt des Absurden halten, daß in Israel und auch woanders heute weibliche Soldaten in der Aufstandsbekämpfung eingesetzt werden – und zwar, um andere Frauen an Kontrollpunkten zu durchsuchen oder Verhöre mit ihnen durchzuführen.
DMZ: Warum ist das absurd?
Creveld: Ich kann Ihnen ein Beispiel nennen. Vor einigen Jahren zwang eine israelische Soldatin eine palästinensische Frau an einem Checkpoint, eine giftige Flüssigkeit zu trinken, die die Palästinenserin bei sich trug. Und das nennt man dann Frauensolidarität…
DMZ: Gibt es andere internationale Beispiele?
Creveld: Ja. Bei den US-Streitkräften gibt es zwischen sieben und 16 Prozent Frauen, und das blieb die letzten drei Jahrzehnte konstant. Bei den US-Truppen im Irak machen sie etwa sieben Prozent aus, unter den Gefallenen US-Soldaten dort allerdings nur zwei Prozent.
DMZ: Frauen, so ist immer wieder zu lesen, werden im Militär diskriminiert…
Creveld: Frauen beim Militär werden alles andere als diskriminiert! Sie genießen alle Vorteile!
DMZ: Das ist erklärungsbedürftig!
Creveld: Auf der einen Seite haben sie alle Privilegien der Soldaten. Sie werden gleich bezahlt, sie haben eine kostenlose medizinische Versorgung, günstige Unterkünfte und Beförderungen. Auf der anderen Seite sind sie aber nicht der gleichen Todesgefahr ausgesetzt wie Männer. Im Gegenteil: Sie werden beschützt, vor Gefahren abgeschirmt, geradezu verhätschelt. Während die männlichen US-Soldaten bei 48 Grad Hitze durch Bagdad patroullieren, befinden sich die meisten Frauen geschützt in der sogenannten „Grünen Zone“ der irakischen Hauptstadt. Dazu kommt noch, daß die Frauen unter gar keinen Umständen von ihren männlichen Kameraden angegangen werden dürfen. Kein Wunder also, wenn die männlichen Veteranen, nachdem sie die Fesseln der Disziplin hinter sich gelassen haben und ein paar befreiende Biere getrunken haben, fast immer ihre Verachtung und gleichzeitig auch ihre Furcht vor ihren „Kameradinnen“ ausdrücken…
DMZ: Warum wollen Frauen dann überhaupt beim Militär dienen?
Creveld: Ich persönlich glaube, daß Siegmund Freud mit seiner These Recht hatte: Was Frauen wirklich bewegt, ist ihr Penis-Neid.
DMZ: Ist das Ihr Ernst?
Creveld: Wie Freud selbst sagte, kann man das wortwörtlich verstehen als biologisch motiviert oder aber auch als ein Ergebnis der sozialen Verhältnisse. Das männliche Geschlecht, reduziert auf das Geschlechtsorgan, symbolisiert dann die angeblichen Privilegien des Mannes.
DMZ: Doch was hat das mit dem Militär zu tun?
Creveld: Wie es auch immer sei, der ganze moderne Feminismus ist so etwas wie ein gigantischer Beweis für diesen Geschlechtsneid. Wie sollte man sonst Dinge erklären, warum Frauen plötzlich ihre Haare kurz tragen, Hosen statt Röcke anziehen, Karriere machen wollen und Fußball spielen? Und nun geht es darum, an bewaffneten Auseinandersetzungen teilzunehmen, der furchtbarsten und brutalsten menschlichen Aktivität, die bislang sozusagen den Männern „vorbehalten“ war. Doch ist das Führen von Kriegen wirklich eine Notwendigkeit für die „Befreiung der Frau“? Ein israelisches Sprichwort sagt, daß, wenn Männer damit anfangen, von den Dächern zu springen, die Frauen auch dies sofort nachmachen würden.
DMZ: Der Krieg als „Selbstverwirklichung“?
Creveld: Man muß Freud weiterlesen. Die traditionelle Lösung für das Problem, keinen Penis zu haben, war, ein Kind auf die Welt zu bringen. Dies war der Vorteil, den die Frauen gegenüber den Männern hatten. Männer können keine Kinder gebären, dazu sind nur Frauen in der Lage. Heute bekommen immer weniger Frauen immer weniger Kinder – daher scheint für viele Frauen diese „Lösung“ des Geschlechterkonfliktes nicht mehr länger praktikabel. Es kommt einem fast so vor, als würden die Frauen sich selbst aufgeben, indem sie heute immer mehr versuchen, wie Männer zu werden – und das bedeutet aufgrund der biologischen Unterschiede: Männer zweiter Klasse.
DMZ: Ein Argument der „Frauen-Befürworter“ bei Kampftruppen lautet: Die moderne Armee ist heute so technisiert und computerisiert, daß es nicht mehr (nur) auf die körperliche Fitneß bzw. die körperlichen Fähigkeiten ankommt. Stimmt das?
Creveld: Nein. Im Großteil aller Situationen des Krieges sind die Soldaten den Strapazen ausgesetzt, über die bereits Clausewitz schrieb. Und die Operationen in der Aufstandsbekämpfung sind noch anstrengender. Schauen Sie sich doch nur einmal die schwerbepackten US-Marines an, die im Irak oder in Afghanistan auf Patrouille gehen. Sie sehen dann, wie hoch deren Last und Risiko ist und warum – allen feministischen Forderungen zum Trotz – keine einzige Frau dabei ist.
Das Argument, daß die moderne technische Kriegsführung auch ohne große physische Belastung zu meistern ist, stimmt natürlich bis zu einem gewissen Punkt. Aber in Wahrheit bedarf jede militärische Arbeit – sogar meine, die darin besteht, Bücher zu schreiben – einer gewissen physischen Ausdauer. Und die einfache Tatsache, daß Frauen weniger darüber verfügen als Männer, mag erklären, weshalb in allen Ländern, von denen Daten verfügbar sind, die Leistung von Frauen um etwa ein Drittel geringer ist als die ihrer männlichen Kameraden.
DMZ: Frauen bei Kampftruppen: Welche Gefahren birgt das für die Kampfkraft der Truppe?
Creveld: Wie in jeder anderen Organisation muß sich auch das Militär stets auf die schwächsten Mitglieder einstellen. In Situationen, die hohen körperlichen Einsatz erfordern – und davon gibt es beim Militär viele! – kann der Einsatz durch die Anwesenheit weiblicher Soldaten daher gefährlicher werden und sogar zum Verlust von noch mehr Soldaten führen. Anstatt zu kämpfen oder sich geordnet zurückzuziehen, müssen sich dann die männlichen Kameraden mit dem Handicap herumschlagen, daß sie auch noch auf die Frauen achtgeben müssen.
DMZ: Worum geht es denn Ihrer Meinung nach bei der aktuellen Debatte in der Bundeswehr tatsächlich: um die Steigerung der militärischen Kompetenz, oder um das „Recht auf Selbstverwirklichung“ von Frauen?
Creveld: Die Bundesrepublik Deutschland lebt – wie auch alle anderen sogenannten „fortschrittlichen“ Staaten – in der Situation, daß eine solche Debatte nur deshalb möglich ist, weil man dort schon lange keinen richtigen Krieg erlebt hat. Eine Folge ist, daß man sich dort mit allerlei sozialen Experimenten beschäftigt, und viele davon sind so bizarr, daß man es gar nicht glauben kann. Um es mit anderen Worten zu sagen: Die steigende Präsenz von Frauen beim Militär hat nichts mit der Emanzipation zu tun, sondern sie ist ein klares Zeichen dafür, daß man das Militär dort eigentlich gar nicht mehr braucht.
DMZ: Herr Professor van Creveld, einige Kritiker werden Sie als „Frauenfeind“ beschimpfen…
Creveld: Man mag den Eindruck gewinnen, ich sei generell gegen Frauen beim Militär. Das stimmt aber nicht. Sehen Sie, seit Tausenden von Jahren, seit wir Menschen uns vom Affen weiterentwickelten, haben Männer ihr Leben dafür geopfert, daß ihre Frauen weiterleben können. Betrachtet man es so, wäre es doch für uns Männer wunderbar, wenn man die Rollen einfach tauschen könnte. Mit anderen Worten: Wenn Frauen dafür sterben, damit ich leben kann. Warum müssen es immer die Männer sein, die ihr Leben für die Frauen opfern? Da die Feministinnen immer nur von ihren Rechten, nie aber über die Pflichten sprechen, wird das niemals geschehen. Ich habe keinen Zweifel, daß im Falle eines richtigen Krieges auch die „fortschrittlichen“ Gesellschaften schnell wieder in das traditionelle Geschlechterrollenbild zurückfinden werden – oder sie werden schnell besiegt sein.
DMZ: Herr Professor van Creveld, vielen Dank für das Gespräch.
Rainer
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