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Feministische Filmkritik: Wonder Woman 1984 (Feminismus)

Wiki, Saturday, 27.02.2021, 18:32 (vor 1383 Tagen)

Für Feministinnen ist ja ALLES frauenausgrenzend und/oder frauenfeindlich. Wie sehen Feministinnen aber nun Filmheldinnen wie beispielsweise Wonder Woman?

Feministische Filmkritik: Wonder Woman 1984

Nach der ersten Verfilmung des Superheldinnen-Epos aus dem Jahr 2017 hat die US-Amerikanerin mit Wonder Woman 1984 nun den zweiten Teil der Filmreihe gedreht, der im DC Extended Universe angesiedelt ist. [...]

Held:innen

Wonder Woman 1984 schließt nicht nur was den Pathos und die Dramatik angeht direkt an seinen Vorgänger an, sondern erzählt natürlich auch die Geschichte der titelgebenden Heldin Diana (Gal Gadot) weiter. Nachdem sie ihre Origin-Story, ihre Emanzipation als mächtige Heldin, aber natürlich auch den schmerzhaften Verlust ihres Geliebten, nun schon hinter sich hat, steigt der Film selbstbewusst in eine Gegenwart ein, in der sich Diana in allen – wenigen – Facetten ihres Lebens etabliert hat. Weder in ihrer Rolle als Heldin, noch in ihrer Profession als Anthropologin am renommierten Smithonian Insititute muss sie sich noch irgendwem beweisen. Die Exposition des Films wird ausschließlich genutzt, um zu zeigen wie souverän und problemlos Diana ihre Doppelidentität meistert, und das vollkommen allein. Ihre Einsamkeit formuliert der Film allerdings als großes “Ja, aber …”. An ihrer Seite kämpfen kein Sidekick, keine Familie, keine Freund:innen – und erst recht kein Partner oder Partnerin. Es scheint als wäre Diana in den 70 Jahren, die seit dem ersten Teil vergangen sind nicht nur nicht gealtert, sondern auch wenig interessiert an einem Sozialleben gewesen. Ihr Leben besteht aus Verbrechensbekämpfung und der Erforschung antiker Artefakte und das ist es gewesen. An dieser Stelle hätten sich viele Gründe für diesen Umstand inszenieren lassen. Vielleicht hat Diana einfach keine Zeit und keinen Platz für ein soziales Umfeld in ihrem Doppelleben. Vielleicht fürchtet sie sich vor den Verlusten, die sie unweigerlich ertragen muss in einer Welt, in der ihre Mitmenschen im Gegensatz zu ihr rasend schnell altern. Vielleicht hat sie nach dem Erleben zweier Weltkriege auch einfach kein Vertrauen in die Menschen fassen können. Doch Himmel bewahre: der wahre Grund für Dianas Einsamkeit ist natürlich die stetig anhaltende Trauer über den Verlust eines Mannes – ihres seit dem Ende des ersten Weltkrieges verstorbenen Geliebten Steve Trevor (Chris Pine).

Als dieser durch den Einsatz göttlicher Mächte dann doch wieder zum Leben erweckt wird und in ihr Leben tritt, nimmt Dianas Einsamkeit ein plötzliches Ende. Dieser billige Trick, um ein etabliertes Ensemble nach dem Tod eines Charakters wieder zusammenzufügen, ließe sich einer protzerischen Comicverfilmung noch verzeihen, wenn diesem unvermittelten Twist nicht ein Rattenschwanz an unangenehmen Drehbuchentscheidungen für Dianas Figur folgen würde. Aber das Positive zuerst: Die Wiedereinführung von Steve, 66 Jahre nach seinem Tod, erlaubte es dem Film, Dianas Rolle der anachronistischen Fremden in einer modernen Welt, die sie noch im ersten Film innehatte umzukehren. Auf einmal steht sie an der Spitze der Wissenshierarchie in ihrer Beziehung und umsorgt den von der Ästhetik der 80er-Jahre vollkommen überforderten Steve. Dies befreit sie in letzter Instanz von der Naivität, die ihr als Figur noch als Altlast des Vorgängerfilms anhaftete. Andererseits drängt der Film Diana und Steve so schnell wieder in ein intimes Beziehungskonstrukt, dass es nicht nur unglaubwürdig ist, sondern Dianas individuelle Souveränität auch vollkommen überschattet. Dass Diana nach einer Dreiviertel Dekade Einsamkeit innerhalb weniger Stunden wieder ein vertrauensvolles Verhältnis aufzubauen vermag wird ihrer Figur und der Stärke und Unabhängigkeit, die ihr zum Start des Films angedichtet wurde, nicht gerecht. Fortan bemüht sich der Film mehr darum die Beziehung der beiden zu zentrieren, als Diana und ihrer neu errungenen Souveränität die Aufmerksamkeit zukommen zu lassen, die sie verdient hätte. Doch nicht nur die Ungeduld, mit der der Film Diana wieder in eine Beziehung zwingt, sondern auch die Art und Weise von Steves Wiederkehr sorgt für einiges an Irritationen. Sein Bewusstsein manifestiert sich im Körper eines fremden Mannes. Die Tatsache, dass der Film nie erklärt, was mit dem Bewusstsein dieses Mannes geschehen ist, nachdem Steve es aus seinem Körper verjagt hat, drängt Fragen nach dem Umgang mit körperlicher Autonomie und Übergriffigkeit auf, wenn Diana mit eben diesem Körper intim wird. Fans kritisierten diese problematische Uneindeutigkeit bereits mit großem Nachdruck.

Letztendlich stellt sich Steves Wiedererweckung als Basis für ein moralisches Dilemma heraus, in dem Diana die übliche Superheld:innen-Entscheidung treffen muss: das eigene Glück oder die Welt retten. Da weder Wonder Woman 1984 noch der erste Film der Reihe je einen Zweifel an ihrer moralischen Integrität hat aufkommen lassen, wundert es natürlich nicht, dass sich Diana für die Welt entscheidet. Was allerdings verwundert sind die pastoralen Durchhalteparolen, die sie ihrem Widersacher Maxwell Lord (Pedro Pascal) an den Kopf wirft. In einer nie enden wollenden Aneinanderreihung von pathetischen Sprüchen erklärt sie ihre Liebe zur Welt und zur – nie näher definierten – “Wahrheit”. Spätestens hier wird offensichtlich, dass Dianas Moralität vollkommen motivationslos ist. Hat sie vorher noch erklärt, dass Steve das “einzige ist, was ich je wollte”, formuliert sie ihre Priorität hier inhaltsleer und ohne auf irgendeine Charakterentwicklung zurückzuführen. Diese Mischung aus der Verweigerung sich Dianas Figur ohne Steve zu widmen, sowie diesem unerklärten Stoizismus lässt ihren Charakter dermaßen unterkomplex zurück, dass er fast schon wirkt wie eine unfertige Version.

Gegenspieler:innen

Als charakterlicher und stilistischer Gegenentwurf zu Diana präsentiert Wonder Woman 1984 mit Barbara Minerva bzw. Cheetah (Kristen Wiig) erfreulicherweise auch eine weibliche Bösewichtin. Als neue Arbeitskollegin im Smithonian Institute freunden sich die beiden zwar zuerst zaghaft an, doch erweist sich eben diese Bekanntschaft schnell als Motor für Barbaras Transformation zur Handlangerin des die Welt bedrohenden Maxwell Lord. Ist Barbara am Anfang noch unsicher, unscheinbar und tollpatschig, beschwört sie die gleiche göttliche Macht, die schon Steve wieder zum Leben erweckt hat, um das Selbstbewusstsein und die Stärke zu erlangen, die sie an Diana bewundert. Überwältigt von ihrem neuen Ich stellt sie sich Diana schließlich entgegen, denn Dianas Triumph würde unweigerlich zum Verlust Barbaras neuer übernatürlicher Kräfte führen. Diese egoistische Motivation und der negative Wandel macht aus Barbara eine deutlich spannendere Frauenfigur als Diana. Wehmütig ist aber auch zu beobachten, dass sie sich für ihre eigenen Interessen dem Willen von Maxwell Lord unterwirft, was ihrer Figur leider wieder einen Teil ihrer Autonomie nimmt.

Allgemein schafft Wonder Woman 1984 es leider nicht, seine Frauenfiguren unabhängig von ihren männlichen Gegenparts in Szene zu setzen. Dabei hätte die Konkurrenz von Diana und Barbara großes Potential gehabt, um ein bombastisch inszeniertes Fest von weiblicher Stärke abzuliefern. Dass es stattdessen immer männliche Bösewichte sein müssen, die eine extreme Bedrohung wie den Weltuntergang herbeiführen, sorgt letztendlich dafür, dass selbst weibliche Bösewichte wie Barbara dem Klischee des “sanften Geschlechts” und seiner Unfähigkeit zu Radikalität nichts entgegenzusetzen haben.

Geschlechterrollen allgemein

Neben seinen vier Hauptrollen hält sich Wonder Woman 1984 auffällig zurück, was das Ensemble angeht. Deswegen ist es umso erfreulicher, dass die wenigen benannten Nebenrollen hauptsächlich aus der Riege der Amazonen stammen. Zwar ist die Screentime von u.a. Königin Hippolyta (Connie Nielsen) oder General Antiope (Robin Wright) kaum der Rede wert, doch sorgt ihre kurze matriarchale Präsenz zumindest für einen kleinen empowernden Moment, der komplett ohne Männer auskommt.

Daneben fügen sich Frauen- und Männerrollen relativ klischeegerecht in die dargestellten Hierarchien ein. Am wissenschaftlichen Institut arbeiten neben Diana, Barbara und ihrer Chefin Carol (Natasha Rothwell) hauptsächlich Männer, Maxwell Lord hat eine weibliche Assistentin, aber einer männlichen Geschäftspartner, der kurz vorkommende Präsident der USA und sein militärischer Stab sind ausschließlich männlich. Hier lehnt sich der Film nicht weit aus dem Fenster, aber er räumt diesen Figurenkonstellationen auch sehr wenig Zeit und Raum in seiner Handlung ein.

Intersektionalität

Wonder Woman 1984 ist weiß, heterosexuell und normschön.

Dresscode und Sexappeal

Auch in der zweiten filmischen Auflage bleibt Wonder Woman ihrem übertrieben knappen signature outfit treu – zumindest für die meiste Zeit. Diana als Privatperson ist dagegen um einiges abwechslungsreicher gekleidet: mal elegant im Abendkleid, mal pragmatisch im blauen Overall, und stets authentisch 80er. Und spätestens wenn sie zum Ende des Films im Superheldinnen-Modus ihren Minirock doch noch gegen eine goldene Ganzkörperrüstung tauscht, beweist der Film, dass er sich endgültig gegen die Verhaftung seiner Heldin auf ihr oft kritisiertes Outfit entschlossen hat.

Leider besteht er dennoch weiter auf die Makellosigkeit seiner Heldin, was vor allem dann albern anmutet, wenn Diana im Vollsprint nicht einen Gesichtsmuskel verzieht, um bloß nicht unvorteilhaft auszusehen. Selbst beim Kämpfen in der Wüste bleibt ihr Äußeres vollkommen unangetastet, ihre Frisur perfekt, Haut und Outfit sauber. Dieser Perfektionsfetisch geht eindeutig zu Lasten eines möglichen emanzipatorischen Wertes, denn in diesem Status der Unantastbarkeit wirkt Diana nicht nur dem Menschlichen entfremdet, sondern absolut unwirklich. Auch Barbara bzw. Cheetah bleibt davon nicht verschont. Dass ihr Wandel vom “grauen Mäuschen” zur selbstbewussten Frau auch ästhetisch mit einem Wechsel von Alltagsklamotten und Brille zu sexy Kleidern und knappen Outfits begleitet wird, löst unangenehme Assoziationen mit unangebrachten Rollenklischees aus, die eigentlich schon lange vergessen gehören. Wenn die beiden Widersacherinnen letztendlich im Kampf aufeinander treffen, wirken ihre Bewegungen und ihre Choreographie eher wie ein Tanz denn einer körperlichen und aggressiven Auseinandersetzung. Mit Pirouetten und synchroner Dynamik geht dieser Szene zugunsten einer standhaften Verweigerung von allem was als “unweiblich” gilt die Energie vollkommen flöten.

Dramaturgie

Wenigstens in dieser Hinsicht gelobt Wonder Woman 1984 etwas Besserung zu seinem Vorgängerfilm. Die Handlung wird hier zum größten Teil durch die beiden weiblichen Hauptfiguren und ihre – manchmal heroischen, manchmal undurchdachten – Entscheidungen und Motivationen getrieben. Beide Frauen haben ihre eigene Agenda, die das Geschehen trägt. Dabei ist es natürlich vor allem Diana, die handlungsweisend ist, das Schicksal der Welt und der beiden zentralen Männer in den Händen hält. Es bleibt allerdings dabei: Da sich die Dramaturgie auf Basis von Motivationen entwickelt, deren Nachvollziehbarkeit zu Wünschen übrig lässt, bleibt auch hier ein bitterer Beigeschmack.

Gesamtwertung: 3

von 0 (Sexistische Kackscheiße) bis 10 (emanzipatorisch wertvoll)
- https://filmloewin.de/blockbuster-check-wonder-woman-1984/

Meine Frage in die Runde lautet, wie wohl ein "emanzipatorisch wertvoller" Film im Sinne des Feminismus auszusehen hätte.


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