Wenn der Mensch zur MenschIn wird - oder:

Wieviel »Gleichberechtigung« verträgt das Land?

How much »equality« the country can stand?

Homepage - Archiv 1 - Archiv 2 -- Hilfe - Regeln für dieses Forum - Kontakt - Über uns

126852 Einträge in 31173 Threads, 293 registrierte Benutzer, 384 Benutzer online (2 registrierte, 382 Gäste)

Entweder bist Du ein aktiver Teil der Lösung, oder ein Teil des Problems.
Es gibt keine unbeteiligten Zuschauer!

    WikiMANNia
    Femokratieblog
Avatar

Heute Abend auf SWR Odysso: "Frauen bekommen mehr Psychopharmaka" (Frauen)

Kurti ⌂ @, Wien, Thursday, 07.03.2013, 21:54 (vor 4123 Tagen)

Ärzte mit Vorurteilen
Frauen bekommen mehr Psychopharmaka
Die Psychofalle
in der Sendung am Donnerstag, 7.3. | 22.00 Uhr | SWR Fernsehen
Antidepressiva, Beruhigungsmittel, Schlaftabletten: Solche Medikamente erhalten Frauen häufiger als Männer. Medizinisch ist dies nicht zu erklären. Vielmehr scheint das Geschlecht ihrer Patienten die Ärzte beim Verschreiben zu beeinflussen.
Risiko der Abhängigkeit wird ausgeblendet

Unproblematische Therapiemethode? Anti-Depressiva sind schnell verschrieben.
Die 30-jährige Anja Klein* hat es vor rund zwei Jahren am eigenen Leib erlebt. "Ich bin zum Arzt, weil ich körperliche Symptome gespürt habe wie Herzrasen, Herzstolpern, Unruhe. Ich konnte nicht richtig schlafen. Aber man konnte nichts finden bei mir, und dann hat der Arzt mir einfach ein starkes Beruhigungsmittel gegeben", erzählt sie. Am Anfang war die Dosis klein, dann steigerte sie sich mit der Zeit. Zum Schluss schluckte Anja Klein morgens, mittags und abends Tabletten, weil die Wirkung nachließ. "Ich musste einfach mehr nehmen", sagt sie. Das Besorgen sei nicht schwierig gewesen. "Ich musste nur in der Praxis anrufen, dann habe ich ein Rezept bekommen. Dass die Tabletten abhängig machen, habe ich zu dem Zeitpunkt nicht gewusst."
Das Risiko der Abhängigkeit erwähnte der Hausarzt nicht - dabei wäre eine Warnung mehr als angebracht gewesen. Denn die Tabletten, die Anja Klein vor zwei Jahren gegen ihre Schlafschwierigkeiten und Ängste bekam, waren sogenannte Benzodiazepine. Das sind starke Beruhigungsmittel, das schon nach acht bis zwölf Wochen abhängig machen können.
Frauen gelten als psychisch labil
Nach einem scheinbar harmlosen Besuch beim Hausarzt wird Anja Klein in den nächsten Wochen Stück für Stück tablettenabhängig. Ein typisches Schicksal, das sie mit bis zu 900.000 Frauen in Deutschland teilt. Das belegt eine Arzneimittelstudie, die Fachleute 2012 im Auftrag der Krankenkasse Barmer GEK machten.

Prof. Gerd Glaeske: Frauen bekommen bis zu drei Mal so viel Antidepressiva verschrieben wie Männer.
Wie Arzneimittelexperte Prof. Gerd Glaeske und seine Kollegen herausfanden, bekommen Frauen doppelt bis dreimal so oft Beruhigungsmittel verschrieben wie Männer. Die Gründe, die sie dafür fanden, bestätigen auch andere Studien - zum Beispiel des Robert-Koch-Instituts: Ärzte legen bei Frauen und Männern unterschiedliche Maßstäbe an. "Frauen gelten aus der Sicht der Medizin als psychisch labiler, werden als hysterisch dargestellt, Frauen haben Schlafstörungen, Frauen haben hormonelle Störungen. Das alles spricht dafür, dass man angeblich das Richtige tut, wenn man Frauen Psychopharmaka verordnet, die sie dann beruhigen, die sie wieder ausgleichen", sagt Pharmakologe Glaeske, der sich für die Universität Bremen schwerpunktmäßig mit Versorgungsforschung und Gesundheitsökonomie auseinandersetzt. "Insofern ist die Verordnungshäufigkeit natürlich abgeleitet von dem Bild, was die Medizin sich über Frauen gemacht hat." Es gebe sogar entsprechende Werbung von Pharmaherstellern. Darin klage die Frau zum Beispiel über Magenschmerzen und der Arzt sage: "Nach zwei Minuten wusste ich, sie braucht etwas für die Psyche."
Diese Vorurteile, und dass Frauen bei Ärzten offener über Probleme sprechen, haben gravierende Folgen: Von den rund 1,2 Millionen Menschen, die von Beruhigungsmitteln abhängig sind, sind etwa 80 Prozent Frauen. Davon sind viele betroffen, weil Ärzte ihnen Medikamente geben, die sie abhängig machen.
Falscher Einsatz von Benzodiazepinen
Für Gesundheitswissenschaftler Glaeske ist das ein unhaltbarer Zustand: "Wir sehen, dass bei Frauen besonders häufig sogenannte Benzodiazepine eingesetzt werden, und wir sehen gleichzeitig, dass diese Mittel besonders häufig in Bereichen eingesetzt werden, wo sie gar nicht hingehören, also bei Stress, bei Alltagsbelastungen, bei Unpässlichkeiten, bei Schlafstörungen. All das ist keine Indikation für diese Mittel. Wir sehen aber auch, dass diese Präparate auf Dauer verordnet werden, so dass Frauen in die Abhängigkeit hineinrutschen."
Auch Anja Klein geht es so. Aus ihren zuvor alltäglichen Ängsten wird mehr und mehr eine ausgewachsene Panikstörung, gegen die Tabletten immer weniger helfen. Mit Herzrasen und Todesangst sucht sie immer häufiger die Hilfe von Ärzten. Doch nicht nur ihr Hausarzt, auch andere verordnen ihr dieselben Medikamente, obwohl sie deutlich macht, dass sie die Pillen schon seit Monaten mit wenig Erfolg nimmt. "Die Beschwerden wurden immer stärker, ich musste auch dadurch mehr Beruhigungsmittel nehmen und irgendwann hat gar nichts mehr gewirkt. Mir ging es körperlich immer schlechter und ich hatte immer mehr Angst", beschreibt sie ihren damaligen Zustand. "Ich bin dann häufiger ins Krankenhaus in die Notaufnahme gefahren. Die haben mir wieder Beruhigungstabletten gegeben. Ich sollte eine nehmen, danach würde es mir wieder gutgehen."
Gesprächstherapie statt Beruhigungsmittel

Das beste Mittel gegen Ängste: Gespräche und keine Pillen.
Doch Anja Kleins Zustand verschlechtert sich stattdessen so sehr, dass schließlich nur noch ein sechsmonatiger Tablettenentzug hilft. Zur Therapie meldet sie sich selbst in der darauf spezialisierten Rhein-Jura-Klinik an der deutsch-schweizerischen Grenze an. Für die Experten hier ist ihre Geschichte ein typischer Behandlungsfehler. Denn das richtige Mittel gegen Ängste wie die von Anja Klein seien Gespräche, nicht Pillen, hat Klinikleiter Prof. Michael Berner festgestellt. Das Wichtigste für jemand mit einer Angstproblematik sei, dass er jemanden findet, der ihm zuhört und hilft, die Angst als unbegründete Angst einzuordnen. Berner: "Bei Ängsten sind Medikamente kontraindiziert." Sie verschärften das Problem massiv. "Die Angst wird immer stärker, und der Betroffene muss immer mehr von dem Medikament nehmen."
Trotzdem schickt kaum ein Arzt seine Patientinnen zu spezialisierten Beratungsstellen oder zur Gesprächstherapie. Ein Fehler mit System, urteilt Experte Glaeske. "Ärztinnen und Ärzte möchten aus meiner Sicht gerne die Patientinnen in ihrer Praxis behalten. Im Prinzip ist eine Arztpraxis natürlich auch ein ökonomisch orientierter Betrieb. Es müssen Kunden in der Arztpraxis sein, damit ich abrechnen kann. Das bedeutet eben auch, dass man die Patientinnen nicht verlieren will. Das mag ein Grund sein, weshalb relativ leichtfertig über längere Zeit solche Präparate verordnet werden."
Mit einem Entzug aus der Abhängigkeit
Ein Teufelskreis, aus dem Anja Klein nur durch eine monatelange Therapie herausfindet. In der Klinik lernt sie, wie Gespräche, Bewegungs- und Entspannungsangebote ihr helfen können. Gerade noch rechtzeitig entkommt sie so einer Abhängigkeitskarriere, die für viele andere Frauen in einen jahrzehntelangen Kampf mündet. Verläufe von 20 Jahren sind dabei keine Seltenheit. Doch Anja Klein hat es anders geschafft. "Der Entzug von den Beruhigungsmitteln war ein sehr schwerer und harter Weg, aber der Weg hat sich gelohnt, weil ich in der Klinik auch Leute hatte, die mich unterstützt haben. Mir geht es heute besser, ich brauche diese Beruhigungsmittel nicht mehr und bin sehr froh, dass ich den Weg in die Klinik gegangen bin."

http://www.swr.de/odysso/-/id=1046894/nid=1046894/did=10912480/1bf0ppr/index.html

Gruß, Kurti


gesamter Thread:

 RSS-Feed dieser Diskussion

powered by my little forum