Ein Piks alle sechs Monate (Allgemein)
"Herzinfarktspritze" mit RNA-Wirkstoff
Hohe Cholesterinwerte können einen Herzinfarkt auslösen. Ein neuartiger RNA-Wirkstoff soll helfen, dem vorzubeugen. Doch nicht jeder Patient bekommt die "Herzinfarktspritze".
Erhöhte Cholesterinwerte zählen zu den größten Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Insbesondere hohe Werte des LDL-Cholesterins (Low Density Lipoprotein) steigern das Risiko für Herzerkrankungen. Lagert es sich an den Gefäßwänden ab, kommt es zu Verkalkungen (Arteriosklerose). Gemeinsam mit anderen Risikofaktoren steigern diese Verkalkungen das Risiko für Herzinfarkte und Schlaganfälle.
Cholesterinsenkende Mittel können helfen, der Gefahr vorzubeugen. Ein neuer, gentechnisch hergestellter Wirkstoff namens Inclisiran könnte einen Durchbruch für die Dauertherapie bedeuten. Er muss per Spritze nur zweimal pro Jahr verabreicht werden.
"Herzinfarktspritze" mit RNA-Wirkstoff
"Das Besondere an der neuen Substanz ist, dass sie direkt und hochspezifisch in den genetisch programmierten und über RNA vermittelten Produktionsprozess des Enzyms PCSK9 eingreift", erklärt der Kardiologe Professor Ulrich Laufs vom wissenschaftlichen Beirat der Deutschen Herzstiftung und Direktor der Klinik und Poliklinik für Kardiologie am Universitätsklinikum Leipzig. Im Herzstiftungs-Podcast erklärt der Experte, dass das Erbgut der DNA dabei nicht berührt oder verändert wird.
Senkung des LDL-Cholesterins um rund 50 Prozent
Bisherige Studienergebnisse zeigen, dass eine Therapie mit Inclisiran die LDL-Werte um etwa die Hälfte absenkt. "Wir könnten rechnerisch mit so einer 50-Prozent-Senkung des LDL-Cholesterins die Arteriosklerose zu 60 bis 90 Prozent verhindern", sagt Laufs.
Allerdings sollte die Therapie in jungen Lebensjahren beginnen und dauerhaft durchgeführt werde. Nebenwirkungen scheinen kaum relevant zu sein. Bisherige Studien konnten nur leichte bis mäßige Reaktionen an der Injektionsstelle beobachten, die rasch ohne Folgeschäden abklangen.
Ein Piks alle sechs Monate
Nach einer initialen Dosis – und einer weiteren nach drei Monaten – wird Inclisiran in der Dauertherapie alle sechs Monate gespritzt. Die Verabreichung erfolgt in der Arztpraxis und kann in die regelmäßige Routineuntersuchung integriert werden. Laufs wertet diese lang anhaltende Wirkung als großen Vorteil der Therapie.
"Das größte Problem bei Dauertherapien – sei es gegen Bluthochdruck, Diabetes, aber insbesondere auch gegen zu hohes Cholesterin – das sind nämlich die vergessenen Tabletten. Und in dem Moment, wo eine Tablette vergessen ist, kann natürlich die Wirkung nicht da sein."
Wer erhält die "Herzinfarktpritze"?
Das Medikament Inclisiran (Handelsname Leqvio) ist zwar schon seit Dezember 2020 zugelassen, die Verordnung auf Kassenrezept ist jedoch derzeit nur für bestimmte Patientengruppen möglich: Erwachsene mit Hypercholesterinämie oder mit gemischter Dyslipidämie, wenn eine Unverträglichkeit für andere Cholesterinsenker (Statine) besteht oder cholesterinsenkende Therapien nicht angeschlagen haben. Bei der Erstverordnung muss ein Facharzt die zuvor ergriffenen, erfolglosen Behandlungsmaßnahmen über mindestens zwölf Monate dokumentieren.
Endpunktstudie steht noch aus
Bis die "Herzinfarktspritze" einer größeren Patientengruppe angeboten werden kann, sind weitere Studien notwendig. "Wir brauchen bei allem Optimismus natürlich auch sorgfältige klinische Prüfungen zu Sicherheit und Wirksamkeit des Medikaments, die bis zur breiten Anwendung von Inclisiran bei hohen LDL-C-Werten noch durchzuführen sind", so Laufs.
In einer klinischen Endpunktstudie soll geprüft werden, ob es neben der Cholesterinsenkung auch zu einer Verminderung von Herzinfarkten und Schlaganfällen kommt. Entsprechende Ergebnisse soll die Orion-4-Studie mit 15.000 Patienten liefern. Die Auswertung der Daten bezüglich eines Schutzes vor Herzinfarkt und Schlaganfall wird 2024 erwartet.
Spritze ersetzt nicht gesunden Lebensstil
Aufgrund der langen Wirkdauer des Medikaments sollten Arzt und Patient im Austausch bleiben, sagt Laufs. Bei aller Euphorie, die diese Therapie in Zukunft zum Schutz vor Arteriosklerose und damit Herzinfarkten bieten könnte, sei die Prävention stets in das Gesamtkonzept mit einzubinden. Arzt und Patient sollten dies gemeinsam besprechen. "Und das umfasst an erster Stelle den Lebensstil und dann erst Medikamente. Das muss bleiben."
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