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Die Führer der SPD und CDU, scheinen lupenreine Kämpfer für die freie Meinungsäußerung zu sein (Allgemein)

Pack, Thursday, 09.02.2023, 19:09 (vor 657 Tagen)

Daniele Ganser tourt als Star der verschwörungsideologischen Szene durch Deutschland. Nach Absagen in Nürnberg und Dortmund gibt es auch in Kiel Protest.

Rostock, Aachen, Offenbach und München sind nur einige der Städte, in denen Daniele Ganser mit seiner Tour gerade Halt macht. "Warum ist der Krieg in der Ukraine ausgebrochen?" ist die Frage, die er beantworten will – doch in immer mehr Städten formiert sich Widerstand gegen seine Veranstaltungen. In Nürnberg und Dortmund wurden die Shows schon abgesagt. Auch in Kiel wird der Aufschrei immer lauter, und Landespolitiker berichten t-online von ihrer an den Veranstalter gerichteten Forderung, Ganser auszuladen.

In gut einem Monat will Ganser mit seinem Programm in der Wunderino-Arena in Kiel auftreten. Keine gute Idee des Betreibers der Halle, findet Kai Dolgner von der SPD im schleswig-holsteinischen Landtag. "Herr Ganser und sein Geschäftsmodell sind nun seit seinen kruden 9/11-Thesen lange bekannt", sagt Dolgner, der innenpolitischer Sprecher seiner Fraktion ist. Ganser schaffe es, "Verschwörungsgeraune in einem pseudowissenschaftlichen Kontext zu vermarkten und hilft dabei, Verschwörungstheorien zu verbreiten."

"Auch unter Hinnahme juristischer Risiken absagen"

Kai Dolgner fordert von den Betreibern der Arena, der Citti Handelsgesellschaft und den "Kieler Nachrichten", dass sie "den gleichen Mut" besitzen wie die Dortmunder Westfalenhalle "und seinen Auftritt auch unter Hinnahme juristischer Risiken absagen".

Damit ist er nicht alleine. Schon vor zwei Tagen äußerte sich der CDU-Politiker Tobias von der Heide zu diesem Thema. Von der Heide ist Staatssekretär im Wirtschaftsministerium und war bis vor Kurzem Landtagsabgeordneter – ein politisches Schwergewicht. Auch er fordert in einem Instagram-Post, dass die Show abgesagt wird. Den Instagram-Post verfasst er aber als Kreisvorsitzender der CDU in Kiel.

Der Historiker Daniele Ganser kommt aus der Schweiz und ist in der Vergangenheit immer wieder mit fragwürdigen Aussagen zur Corona-Pandemie und anderen Themen aufgefallen. So verglich er die "Angst vor der Pandemie" mit der "Angst vor der Diktatur."
"Eine Form des Antisemitismus"

Gansers Veranstaltungsagentur widerspricht: Der Schweizer setze sich für "Frieden, Völkerverständigung und ein gewaltloses Miteinander in einer ehrlichen, offenen Gesellschaft" ein. In seinen Vorträgen betone Ganser immer wieder, "dass jeder Mensch zur Menschheitsfamilie dazugehört. Er lehnt jede Form der Abwertung, Unterdrückung, Benachteiligung, Ausgrenzung und Rassismus entschieden ab!"

Im Rahmen einer Dokumentation zur Corona-Politik sprach Ganser davon, es herrsche "weltweit Wahnsinn" – eine Einschätzung, die er mit einem Holocaust-Vergleich untermauert. Dessen Wahnsinn, so Ganser, sei lokal gewesen. "Die Logik seiner Aussagen lautet, wenn man es zu Ende denkt: Die Ungeimpften sind die neuen Juden. Auch das ist eine Form des Antisemitismus", sagt die Sozialpsychologin Pia Lamberty.

Lambertys Einschätzungen folgen auch Vertreter jüdischer Gemeinden. Jo-Achim Hamburger von der Israelitischen Kultusgemeinde Nürnberg wirft Ganser vor, er relativiere die Verbrechen der Nazis. "Deswegen ist dieser Mensch auch kein harmloser Verschwörungsunterhalter." Rebecca Seidler, Geschäftsführerin der Liberalen Jüdischen Gemeinde Hannover, attestiert Ganser "krude Verschwörungserzählungen, die häufig in antisemitischen Sprachbildern enden". Mehr dazu lesen Sie hier.
Ganser vergleicht sich mit Sophie Scholl

Ganser selbst weist die Kritik von sich: Er sei kein Antisemit. Doch angesprochen auf die t-online-Berichterstattung über die Absagen seiner Vorträge, reagiert Ganser am 8. Februar in einem YouTube-Interview mit einem Sophie-Scholl-Vergleich. Er wird gefragt, wie er trotz der Berichterstattung noch den Mut habe, weiterzumachen. "Der Mut braucht unbedingt die Wahrheit als Stütze. Sophie Scholl hat sich im 'Dritten Reich' gegen Hitler gewendet. Sie haben gesagt, dieser Krieg ist einfach ein Wahnsinn. (...) Sie hatten die Wahrheit auf ihrer Seite, der Krieg war auch damals ein Wahnsinn, wurden dann aber festgenommen und wurden enthauptet. Auch wenn du die Wahrheit auf deiner Seite hast, kann es sein, dass du getötet wirst."

Dass der Protest die Landespolitik beschäftigt, ist außergewöhnlich, weil die Wunderino-Arena nicht im Besitz des Landes oder der Stadt ist. Trotzdem äußert sich auch der Vorsitzende des Innen- und Rechtsausschusses des schleswig-holsteinischen Landtags dazu. Jan Kürschner (Grüne) meint, dass Ganser mit seinen Vorträgen "mit einer perfiden Masche irrationale Ängste schürt". Kürschner sieht vor allem die Gefahr, dass die Vorträge zunächst sehr vernünftig wirkten, "dann wählt er ganz absichtlich Abzweigungen in die Welt der Verschwörungsmythen. Verboten ist das erst mal nicht." Die Meinungsfreiheit sei ein wichtiges Gut, das zu schützen sei. "Aber die Veranstalter müssen für sich selbst entscheiden, ob sie solchen Tendenzen Vorschub leisten wollen oder nicht."

Citti hält Vertrag für bindend

In ein ähnliches Horn stößt Kai Dolgner, ehemals Vorsitzender der Arbeitsgruppe Innen und Recht der SPD-Landtagsfraktion und weiterhin Mitglied des Kieler Landtags: Meinungsfreiheit bedeute nicht, dass jeder eine Bühne bekommen sollte, um seinen "Blödsinn möglichst unwidersprochen verbreiten zu dürfen – und dabei auch noch Geld zu verdienen."

Die Citti Handelsgesellschaft antwortete auf Nachfrage von t-online bislang nicht. Gegenüber den "Kieler Nachrichten" sagte der Geschäftsführer der Wunderino-Arena vor einigen Tagen: "Wir haben im Herbst 2022 einen Vertrag für eine Vortragsveranstaltung mit Dr. Ganser geschlossen, der für uns bindend ist".

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