Wer macht so etwas? (Allgemein)
Empörung in Thüringen: Ukrainer werfen Lebensmittel der Tafel in Mülleimer
Skandal im thüringischen Gera: Frische Lebensmittel der örtlichen Tafel landeten ungeöffnet im Müll, entsorgt von ukrainischen Tafel-Nutzern. Das löst eine Debatte in der Bevölkerung aus – und wirft ein Schlaglicht auf die steigende Überlastung der deutschen Tafeln.
Mittwoch, 14.02.2024, 16:27
Skandal im thüringischen Gera: Frische Lebensmittel der örtlichen Tafel landeten ungeöffnet im Müll, entsorgt von ukrainischen Tafel-Nutzern. Das löst eine Debatte in der Bevölkerung aus – und wirft ein Schlaglicht auf die steigende Überlastung der deutschen Tafeln.
Käse, Salat, Joghurt, Gewürze– tadellos verpackte und genießbare Lebensmittel der Tafel im thüringischen Gera fanden sich Mitte Dezember in einer Mülltone um die Ecke wieder– scheinbar mutwillig entsorgt. Anwohner im Stadtteil Zwötzen trauten ihren Augen kaum: „Wer macht so etwas?“, empörte sich etwa Winfried Stecker, der die Lebensmittel in der gelben Tonne entdeckte. Dem Täter auf der Spur, beobachtete Stecker die Tonne den restlichen Tag– mit Erfolg.
„Am Straßenrand hielt ein Auto mit ukrainischem Kennzeichen. Ein Paar kam mit etwa fünf schwer bepackten Taschen“, erzählte der Anwohner der „Ostthüringer Zeitung" (OTZ). „Bevor es diese einlud, sortierte es noch auf der Straße Dinge aus. Der Mann lief mit einem vollen Beutel zur nächsten Tonne und warf alles dort hinein. Die Müllentsorgung war gerade durch, sonst hätte man diese Sauerei gar nicht mehr nachweisen können.“
Das Pärchen war, wie sich dann herausstellte, Nutzer der Geraer Tafel, die nur drei Häuser weiter ihre Ausgabestelle hat. Die Wegwerfaktion sei, so Giselda Schädlich, Leiterin der Geraer Tafel in Zwötzen, kein Einzelfall: „Wir kennen das Problem. Leider ist es mittlerweile gar nicht so selten“, ärgert sich Schädlich.
Sie erkannte die Lebensmittel eindeutig als Waren ihrer Tafel wieder – und stellte das Pärchen bei der nächsten Ausgabe zur Rede: „Dafür habe ich den Mann mit einem Foto von der Tonne und den weggeworfenen Lebensmitteln konfrontiert“, berichtete Schädlich der „OTZ". „Er äußerte sich nur dahingehend, dass er nichts verstehe. Er bekam noch ein letztes Mal Ware mit und dann schickten wir ihn nach Hause." Seine Bezugskarte habe sie als ungültig gekennzeichnet.
„Wer etwas nicht mag, soll es uns zurückgeben"
Schädlich und ihr Team sind sich bewusst, dass viele Bedürftige leer ausgehen, weil die Lebensmittel nicht für alle ausreichen: „Bei uns fragen ständig Leute nach, ob wir wieder neue Bedürftige annehmen können. Von denen würde keiner das Angebotene, das wirklich in tipptopp Zustand ist, einfach wegwerfen“, so die Tafelleiterin erbost. „Wer etwas nicht mag, darf es gern auf unserem Tisch liegen lassen oder uns sofort zurückgeben. Die Nachfrage ist so groß. Leider kann ich nur so viele Bedürftige annehmen, wie ich auch Ware vorrätig habe und ausgeben kann. Wir helfen gern, wo wir können.“
Einige Leute hätten ihr jedoch schon berichtet, dass Lebensmittel der Tafel „einfach irgendwo entsorgt werden“. An Bus- und Bahnhaltestellen, unter Brücken und sogar auf dem Friedhof. Solch einen Missbrauch ihrer Lebensmittel kann die Tafelleiterin nicht verstehen. Wer die Lebensmittel nicht benötige, müsse doch gar nicht erst zu ihnen kommen. „Dinge, die man nicht essen mag, kann man von vornerein hierlassen.“
Nachfrage bei Tafeln um über 50 Prozent gestiegen
Die Geraer Tafel versorgt Monat für Monat mehr als 5000 Menschen, Tendenz steigend. Durch den Ukraine-Krieg ächzen Deutschlands Tafeln unter starker Überlastung. Seit dem Angriff Russlands sind die Nachfragen bei den sozialen Essensausgaben über 50 Prozent gestiegen.
Die Lage sei „äußerst angespannt“, berichtete auch die Gefas, die Gesellschaft für Arbeit und Soziales in Brandenburg, dem „rbb“. Seit Beginn des Angriffskrieges auf die Ukraine Anfang 2022 sei der Druck auf die Tafeln überall in Deutschland immer mehr gestiegen, so Geschäftsführer Siegfried Unger. Es gäbe „immer weniger Lebensmittel, aber immer mehr Menschen. Wir haben sehr viele Bürger aus der Ukraine. Die nutzen fast alle die Tafeln."
Immer wieder kommt es hier auch zu Konflikten. So sah sich die Essener Tafel im November 2023 schweren Vorwürfen ausgesetzt, als sie aufgrund von Überlastung einen zeitlich begrenzten Aufnahmestopp verhing. Manche Bedürftige hätten das hingenommen, so der Vorsitzende der Essener Tafel, Jörg Sator, andere hätten dies jedoch nicht akzeptiert:
„Nach der Flüchtlingswelle 2015 gab es Probleme mit den Iranern und Irakern, weil sie dachten, dass die Tafel staatlich und somit verpflichtet ist, ihnen zu helfen. Jetzt haben wir das gleiche Problem mit den Ukrainern, weil sie das System nicht verstehen oder nicht verstehen wollen“, klagte Sartor gegenüber „DerWesten“. Viele Ukrainer hätten den Aufnahmestopp als diskriminierend wahrgenommen.
Ukrainerin: „Ich empfinde Scham für meine Landsleute"
Der Vorfall in Gera aber hat bei den ukrainischen Einwohnern der Stadt große Bestürzung und Scham gegenüber der örtlichen Bevölkerung ausgelöst. „Das Geschehene bei der Geraer Tafel ist äußerst bedauerlich, und ich empfinde Scham für meine Landsleute. Ich werde dies in der Gruppe der Ukrainer in Gera, die etwa 2400 Mitglieder umfasst, mitteilen und ihre Meinungen dazu wiedergeben“, sagte beispielsweise die schockierte Elena Chernetskaya aus Odessa.
Und auch Wladimir Kononenko, der im April 2022 nach Gera kam, ist bestürzt: "Ich bin Deutschland zutiefst dankbar, dass man uns hier aufgenommen hat und uns unterstützt. Ein solcher Umgang mit Lebensmitteln ist für mich inakzeptabel.“
Tafel findet konstruktive Lösung
Auf die Nachricht von Elena Chernetskaya in der Chatgruppe wurde auch erwidert, dass Lebensmittel, die von ukrainischen Kunden der Tafel nicht gewünscht oder benötigt werden, dennoch von den Tafelmitarbeitern ausgegeben würden. Das sei aber trotzdem kein Grund, die Lebensmittel wegzuwerfen: „Wir ukrainischen Geflüchteten schätzen die schwere Arbeit der Tafelmitarbeiter und entschuldigen uns öffentlich für das Fehlverhalten einiger Landsleute“, erklärten die Ukrainerin. „Doch von diesen sollte man nicht auf alle ukrainischen Kriegsflüchtlinge schließen.“
Damit so etwas nicht noch einmal passiert, hat die Geraer Tafel nun eine konstruktive Lösung für das Problem gefunden, erklärt Leiterin Schädlich im Gespräch mit FOCUS online: Es würden jetzt speziell gekennzeichnete Körbe für die Lebensmittel hingestellt, die nicht benötigt oder gegessen werden.
Zudem werde auf Schildern mehrsprachig darauf hingewiesen, dass die Ausgabe jeweils nur einmal pro Familie erfolgt und nicht mehrmals an einzelne Familienmitglieder. „Jetzt läuft alles wunderbar“, so Schädlich. Ein weiterer Fall von Lebensmittelmissbrauch sei seitdem nicht mehr vorgekommen.