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Unternehmer stellt nur noch Ü60 ein (Allgemein)

Pack, Tuesday, 27.02.2024, 10:22 (vor 269 Tagen)

"Wenn man jung ist, versteht man das nicht"

Ein italienischer Molkerei-Inhaber schwört auf die Alten und stellt nur Menschen über 60 ein. Hinter der Idee steckt ein ernstes Problem.

Wenn Roberto Brazzale von den Neuen in seinem großen Molkereibetrieb erzählt, hat er ein Strahlen im Gesicht. Als Goldmine bezeichnet er das etwas andere Team, das er zusammengestellt hat. Der Italiener, der mit seinen zwei Brüdern eine der ältesten Molkereien des Landes betreibt, erregt derzeit mit einer ungewöhnlichen Personalentscheidung Aufsehen. Denn für einen bestimmten Unternehmenszweig stellt er nur Menschen über 60 Jahre ein. Von den Jungen ist er nach eigener Aussage einfach enttäuscht.

Für ein neues Projekt suchte Brazzale vor einiger Zeit Angestellte. Neben den traditionellen Produkten wie der klassischen Butter und den Käsesorten Mozzarella, Grana Padano oder Scamorza wollte er spezielle Feinschmecker-Butterprodukte vermarkten. Tatsächlich habe er dafür einige Personen um die 30 zum Probearbeiten vor Ort gehabt. Allerdings mit enttäuschenden Ergebnissen: Ihnen hätten Tatkraft und Energie gefehlt, sagt er. Die Jobs haben deswegen letztlich nur acht Männer und Frauen ab 60 Jahren aufwärts erhalten.

"Für mich sind sie alle irgendwie jung, denn das Alter zählt nichts im Vergleich zum Enthusiasmus und auch zur Energie, die man mit über 60 Jahren noch haben kann", sagt Brazzale im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur. Er führt das für Butter und Käse bekannte Traditionsunternehmen in Zanè in der norditalienischen Region Venetien.
Der Geschäftsführer des Molkerei-Unternehmens Brazzale AG, Roberto Brazzale: Der Unternehmer stellt nur noch Menschen über 60 ein.
Brazzale: "Sie haben verstanden, wie wichtig die Arbeit ist"

Seine Entscheidung habe er nie bereut. Im Gegenteil: Seine neuen Mitarbeiter brächten viel Energie und Leidenschaft mit. "Sie haben eine ganz andere Erfahrung als die Jungen. Sie haben verstanden, wie wichtig die Arbeit ist. Wenn man jung ist, versteht man das nicht – man versteht es erst später", so Brazzale, der selbst Anfang 60 ist.

Bei seinen Neuen handelt es sich größtenteils um alte Bekannte und Freunde, die sich allesamt entweder aus der Schulzeit oder – typisch italienisch – von der zentralen Piazza der 6.000-Einwohner-Gemeinde Zanè kennen. Nach der Jugendzeit schlugen sie unterschiedliche Wege ein. Sandro etwa war als Goldhändler tätig, Sonia führte mit ihrem Ehemann lange Zeit ein Restaurant.

"Wir sind alle Freunde und kennen uns gut", betont Brazzale. "Deswegen herrscht auch ein stärkerer Teamgeist." Heute kümmert sich das Ü60-Team am Hauptstandort in Zanè um die Vermarktung von speziellen Buttersorten. Ugo ist beispielsweise mit einem Foodtruck unterwegs und Sonia, mit der Brazzale früher gerne die Schule schwänzte, ist für die Verwaltung zuständig.
Ideal einer kinderreichen Familie überholt

Was auf den ersten Blick kurios wirkt, hat einen ernsten Hintergrund. Der demografische Wandel belastet Italien; die Einwohnerzahl schrumpft. Aktuelle Daten der Statistikbehörde Istat haben es in sich: Die Geburten fielen erstmals seit Beginn der Aufzeichnungen im 19. Jahrhundert unter die Schwelle von 400.000 und lagen im Jahr 2022 bei knapp 393.000. Italien hat immer weniger "bambini" – obendrein wird die Bevölkerung immer älter. Das Ideal einer kinderreichen Familie ist in Italien inzwischen überholt.

Über die niedrige Geburtenrate in Italien und ganz Europa zeigte sich sogar Papst Franziskus besorgt. Er beklagte vor einiger Zeit eine Kultur, die Haustiere über menschliche Kinder stelle. Franziskus berichtete von einer Frau, die ihren Hund – ihr "Baby" – von ihm segnen lassen wollte. "Ich hatte keine Geduld und schimpfte mit der Frau", sagte der Pontifex. Tatsächlich gilt Italien als Land der Haustiere. Auch die rechte Regierung Italiens will sich des Problems annehmen. Seit mehr als einem Jahr gibt es sogar eine "Geburtenministerin".
Italienische Bevölkerungszahl geht stetig zurück

Konkret bedeuten die Istat-Zahlen: sieben Neugeborene, aber mehr als zwölf Todesfälle pro 1.000 Einwohner. Dieser Trend wird auf Dauer die Wirtschaft stark belasten. Überhaupt ist die italienische Bevölkerungszahl seit 2014 stetig zurückgegangen. Italien schafft es inzwischen nicht einmal mehr über die 60-Millionen-Marke. Erste Folgen sind in Schulen und Kindergärten zu spüren, in die immer weniger Kinder gehen. Der Bildungsminister warnte, dass die Zahl der Schüler im kommenden Jahrzehnt um eine Million schrumpfen werde.

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