Kanzler Scholz spricht Klartext
"Die finanziellen Folgen spürt jeder von uns"
Der Kanzler gibt dem Finanzminister Rückendeckung für sein Vorgehen im Haushaltsstreit der Koalition. Er will aber nicht alle Karten auf den Tisch legen.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat sich im Haushaltsstreit seiner Koalition vorerst an die Seite von Finanzminister Christian Lindner (FDP) gestellt. "Der Finanzminister hat den Ressorts Limits genannt – das war mit mir abgesprochen. Nun beginnt der übliche mühsame Prozess, Wünsche und Wirklichkeit in Einklang miteinander zu bringen", sagte Scholz dem Magazin "Stern". "Ich setze darauf, dass sich alle ihrer Verantwortung bewusst sind und wir das gemeinsam hinkriegen."
Er habe zu möglichen Einsparungen seine Vorstellungen, sagte Scholz, ohne konkreter zu werden. "Die finanziellen Folgen des Ukraine-Kriegs spürt doch jeder von uns, die Kosten für Flüchtlinge, Waffenlieferungen und Aufbauhilfen. Wer sagt, das mache sich im Haushalt kaum bemerkbar, irrt", erklärte er und machte dann zwei Vorgaben: "Wir dürfen uns weder am sozialen Zusammenhalt versündigen noch darauf verzichten, das Wachstum anzukurbeln."
Auf die Frage nach erneuten Ausnahmen von der Schuldenbremse, gegen die Lindner und die FDP sich sträuben, antwortete Scholz: "Wir sollten uns das Leben nicht zu leicht machen. Jetzt ist erstmal Schwitzen angesagt." Ob er darauf vertraue, dass sein Finanzminister alles im Griff habe? "Ich vertraue all meinen Ministerinnen und Ministern", so Scholz.
Die laufenden Verhandlungen zum Bundeshaushalt für das kommende Jahr werden für die Koalition abermals zur Belastungsprobe (hier lesen Sie mehr). Mehrere Bundesministerien wollen sich nicht an die strikten Sparvorgaben von Lindner halten – was dieser wiederum scharf kritisiert. Ziel ist es, bis Anfang Juli eine Einigung hinzubekommen.
Scholz fordert Erhöhung des Mindestlohns
Auch zu einer möglichen Anhebung des Rentenalters äußerte Scholz sich. "Ich jedenfalls neige nicht zum Rumheulen, sondern werbe dafür, anzupacken", sagte er. "Eine Anhebung des Renteneintrittsalters wird es mit mir nicht geben." Scholz sprach sich zudem für eine schrittweise Erhöhung des Mindestlohns auf 15 Euro aus. "Ich bin klar dafür, den Mindestlohn erst auf 14 Euro, dann im nächsten Schritt auf 15 Euro anzuheben", sagte Scholz dem "Stern". Gleichzeitig übte er Kritik an der Mindestlohnkommission. "Die Arbeitgeber haben nur auf einer Mini-Anpassung beharrt." Außerdem hätten sie mit der Tradition gebrochen, einvernehmlich zu entscheiden, so der SPD-Politiker. Aktuell ist vorgesehen, den Mindestlohn im kommenden Jahr von derzeit 12,41 Euro auf 12,82 Euro anzuheben.
Die Forderung nach einer Lohnuntergrenze von 15 Euro war zuvor auch aus den Reihen von Grünen, Linken sowie der Gewerkschaft Verdi gekommen. Damit alle mit ihrem Einkommen auskommen könnten, sei ein gesetzlicher Mindestlohn noch in diesem Jahr von 14 Euro und im nächsten Jahr von 15 Euro geboten, sagte die Grünen-Politikerin Katrin Göring-Eckardt kürzlich. Auch aus der SPD wurde Kritik laut, die geplante Anhebung sei zu niedrig.
Scholz: "Größte Gehaltsverbesserung seit Jahren"
Der Mindestlohn wird von einer dafür zuständigen Kommission festgelegt, in der die Sozialpartner vertreten sind. Im Jahr 2022 hatte ihn die Regierung in einem bisher einmaligen Schritt per Gesetz auf 12 Euro angehoben – ein zentrales Wahlversprechen von Scholz vor der vergangenen Bundestagswahl.
"Damit haben wir die größte Gehaltsverbesserung seit Jahren für Beschäftigte im Niedriglohnsektor geschaffen", sagte Scholz dem "Stern" weiter. Alle Warnungen vor Jobverlusten hätten sich als haltlos erwiesen.
Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger hatte die SPD bereits im Dezember bezichtigt, beim Mindestlohn den nächsten Wortbruch vorzubereiten. Scholz habe nach der Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns auf 12 Euro zugesagt, dass dies eine einmalige Aktion gewesen sei. Die SPD aber bereite bereits den nächsten Eingriff in die Autonomie der Kommission vor. Auch die FDP-Bundestagsfraktion sprach sich zuletzt gegen politische Eingriff in die Unabhängigkeit der Mindestlohnkommission aus.