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Ferda Ataman ver­liert vor Gericht gegen Nius - Der Staat gegen Reichelt oder Der Staat gegen die Meinungsfreiheit... (Genderscheiss)

Marvin, Saturday, 27.07.2024, 10:50 (vor 117 Tagen)

Mit der Antidiskriminierungsstelle versuchte erneut eine Regierungsstelle, dem Medium "Nius" Aussagen verbieten zu lassen. Wieder erfolglos. Nius, geleitet von Julian Reichelt, siegte vor Gericht zum Thema Transfrauen in Fitnessstudios.

Wieder einmal hieß es "Der Staat gegen Julian Reichelt" – und erneut hat der Staat vor Gericht verloren. Erst im April siegte Reichelt vor dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) gegen das Bundesentwicklungsministerium. Das BVerfG betonte dabei die Bedeutung der Machtkritik am Staat. Dies hielt die Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) allerdings nicht davon ab, gerichtlich in einer anderen Sache gegen das Medium "Nius" vorzugehen, dessen Geschäftsführer und Chefredakteur Julian Reichelt ist. Die ADS unter der Leitung von Ferda Ataman beantragte die Unterlassung von Aussagen in einer Nachrichtenmeldung der Redaktion sowie in einem Kommentar, beide veröffentlicht am 30.05.2024.

Der Antrag der ADS wurde zunächst vom Landgericht (LG) Berlin zurückgewiesen (Beschl. v. 18.06.2024 - 27 O 157/24); auch die sofortige Beschwerde der ADS beim Kammergericht (KG) ist nun erfolglos geblieben (Beschl. v. 15.07.2024 - 10 W 56/24).

Der Hintergrund der Nius-Artikel: Eine Inhaberin eines Fitnessstudios für Frauen lehnte es ab, eine Transfrau mit männlichen Geschlechtsmerkmalen dort trainieren zu lassen; die ADS sah darin eine Diskriminierung und schlug der Inhaberin des Studios vor, dass sie die Transfrau mit 1000,- Euro entschädigt (LTO berichtete).
Welche Äußerungen wollte die ADS verbieten lassen?

Es waren drei Aussagen von Nius, deren Unterlassung die ADS vor Gericht beantragte:

1. "Regierung will 1000 Euro Bußgeld für Frauen-Fitnessstudio, weil es einen Mann nicht in Dusche lassen will"

Die ADS hielt dies für eine unzulässige Falschbehauptung, weil sie nicht Teil der "Regierung" sei und auch kein "Bußgeld" im juristischen Sinne gefordert habe. Dagegen wies das LG Berlin darauf hin, dass die ADS durchaus dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend eingegliedert sei. Mit Blick auf das "Bußgeld" ließ das KG es genügen, dass im Artikel klargestellt wird, dass es juristisch um eine "Entschädigung" ging. Nach dem KG werde mit dem Begriff "Bußgeld" zwar etwas Unwahres in den Raum gestellt. Die Meinungsfreiheit erlaube es aber nach der Rechtsprechung des BVerfG nicht, Medien auf das zur Kritik am Rechtsstaat Erforderliche zu beschränken. Nach diesem Maßstab müsse ein Medium Rechtsbegriffe wie "Bußgeld" auch laienhaft verwenden dürfen, solange die Fakten im Kontext deutlich werden.

2. "Frauen, die nicht mit Männern duschen wollen, sollen Strafe zahlen"

Laut ADS sollen nicht Frauen die Strafe zahlen, sondern das Fitnessstudio. Für das LG Berlin und das KG spielen die "jeweils skandalisierenden und auf den ersten Blick irreführenden Überschriften" isoliert gesehen aber rechtlich keine maßgebliche Rolle. Auch hier sei der weitere Kontext heranzuziehen. Der mache deutlich, dass nicht Nutzerinnen des Studios die Entschädigung zahlen sollen, sondern dies allein der Inhaberin des Fitnessstudios empfohlen werde.

3. "In einem normalen Land müsste die Frauenministerin Lisa Paus […] ihre eigene Mitarbeiterin sogar wegen Kompetenzüberschreitung abmahnen, denn die Antidiskriminierungsbeauftragte ist ihrem Ministerium direkt unterstellt"

Während die ADS diese Aussage mit Verweis auf ihre Unabhängigkeit für falsch hielt, wies das LG Berlin darauf hin, dass die ADS nach § 26a Abs. 2 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) der Rechtsaufsicht der Bundesregierung unterstellt ist. Deswegen sei die Aussage nicht übermäßig verzerrend. Für das KG liegt eine klare Meinungsäußerung vor. Der Durchschnittsleser verbinde die Rechtsbegriffe "Abmahnung" und "Unterstellung" nur mit der Möglichkeit der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, mit der Bundesbeauftragten für Antidiskriminierung zu kommunizieren und dabei ihre gegebenfalls abweichende Ansicht darzustellen.
LG und KG im Einklang mit dem BVerfG

Das KG und das LG Berlin verweisen in ihren Beschlüssen immer wieder auf die Entscheidung des BVerfG vom April in einem ganz ähnlich gelagerten Fall: Die Bundesministerin Svenja Schulze (SPD) verlangte vom Journalisten Julian Reichelt vor Gericht, dass er bestimmte Aussagen unterlässt. Vor dem KG war das Ministerium damit noch erfolgreich. Doch dann gewann Julian Reichelt vor dem BVerfG; dieses hob die vom KG erlassene einstweilige Verfügung auf (LTO berichtete).

Die Botschaft aus Karlsruhe ist offenbar in der Berliner Justiz angekommen. Im Einklang mit dem BVerfG betonen das KG sowie das LG Berlin, dass das Gewicht des für die freiheitlich-demokratische Ordnung schlechthin konstituierenden Grundrechts der Meinungsfreiheit besonders hoch zu veranschlagen sei, "da es gerade aus dem besonderen Schutzbedürfnis der Machtkritik erwachsen ist und darin unverändert seine Bedeutung findet" (mit Verweis auf BVerfG, Beschl. v. 11.04.2024, 1 BvR 2290/23 Tz. 29).

Juristischen Personen des öffentlichen Rechts sei zivilrechtlicher Rechtsschutz gegen herabsetzende Äußerungen deswegen lediglich in eingeschränktem Umfang eröffnet. "Der Staat hat grundsätzlich auch scharfe und polemische Kritik auszuhalten", so das KG mit Verweis auf BVerfG, Beschl. v. 11. April 2024 – 1 BvR 2290/23 Tz. 28.
KG: Voraussetzung "nicht mal ansatzweise" erfüllt

Das KG beschreibt sodann die zentrale Voraussetzung dafür, dass der Staat die Unterlassung einer Meinungsäußerung verlangen kann: "Ein Ehrenschutz kann daher nur dann geltend gemacht werden, wenn die konkrete Äußerung geeignet ist, die juristische Person des öffentlichen Rechts schwerwiegend in ihrer Funktion zu beeinträchtigen". Diese Voraussetzung sei "nicht einmal ansatzweise" erfüllt; die angegriffenen Äußerungen seien "ersichtlich in keiner Weise geeignet, die Funktionsfähigkeit der Bundesregierung schwerwiegend zu beeinträchtigen".

Zusammengefasst scheiterte die ADS mit ihrem Antrag gegen Nius, weil die Gerichte erstens zwar auf den ersten Blick irreführende Aussagen in den Nius-Artikeln erkannten, diese aber aufgrund des klarstellenden Kontextes als zulässige Meinungsäußerung einordnen, und zweitens weil auch die besondere Voraussetzung für einen Anspruch des Staates auf Unterlassung einer Meinungsäußerung – nämlich die "Beeinträchtigung der Funktionsweise des Staates" – nicht einmal ansatzweise erfüllt sei.

Ferda Ataman zeigte sich nach dem Beschluss des KG uneinsichtig: "Ich finde es bedenklich, dass unzutreffende, skandalisierende Behauptungen verbreitet werden können. Wir werden die Entscheidung prüfen und sind von unserer Rechtsposition weiterhin überzeugt", so die Leiterin der ADS.

https://www.lto.de/recht/nachrichten/n/ataman-antidiskriminierungsstelle-nius-lg-berlin-27-o-157-24?utm_source=pocket-newtab-de-de

Mann könnte auch sagen Staatsfrauen gegen die Meinungsfreiheit

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