Wollen wir so leben? Heute: Die Familienhinrichter (Politik)
Die Familienhinrichter
Wird hierzulande die wirtschaftliche Krise diskutiert, so redet man über zu hohe Löhne, Sozialabgaben, Steuern und ein erdrückendes System vom Bürokratie und Vorschriften. Auch die demografische Katastrophe rückt langsam ins Bewusstsein, wenn auch die ökonomischen Folgen von Kinderfeindlichkeit und schlechter schulischer Ausbildung der Kinder kaum registriert werden. Ein bislang nur juristisch und sozialwissenschaftlich interessierendes Thema entzieht sich vollständig der ökonomischen Diskussion: Scheidungen.
Wenn jede dritte Ehe in Deutschland scheitert und mindestens jede zweite Scheidung unfriedlich verläuft, so hat mindestens jeder zehnte Leistungsträger in diesem Land gute Chance, mindestens einige Jahre lang einen Rosenkrieg zu erleben, der Leistungsfähigkeit und Motivation in die Nähe der Nulllinie katapultiert. Besonders übel wird es, wenn Unterhaltszahlungen den Druck von Steuern und Sozialabgaben so verstärken, dass gutverdienende Hochleister ein Leben am Rande des Existenzminimums führen müssen.
Die Chancen dafür sind hoch. Denn Scheidungsopfer machen in der Regel zwei schwere Denkfehler. Sie glauben, in einem Rechtsstaat zu leben. Und sie unterstellen, dass Familienrichter dank einer guten Ausbildung so professionell arbeiten wie ihre Opfer. Sitzen sie dann aber vor einer Richterin, die im Unterhaltsverfahren Verbindlichkeiten in der Gewinn- und Verlustrechnung sucht, dann ist es oft schon zu spät.
Familienhinrichter müssen Juristen sein, um Paragrafen richtig anwenden zu können. Ökonomen, um eine sachgerechte wirtschaftliche Trennung vollziehen zu können. Pädagogen und Psychologen, um sachgerecht beurteilen zu können, was dem Wohl des Kindes entspricht. Doch tatsächlich findet anwendungsorientierte Ausbildung außerhalb der Paragrafenwelt praktisch nicht statt. Hat sich ein Familienhinrichter auf eigene Initiative so weitergebildet, dass er Umsatz nicht für einen Tanzschritt hält, hätte er aber kaum noch Zeit, professionelle Arbeit abzuliefern. Denn selbst ein gutwilliger Familienhinrichter kann heute Scheidungen nur noch am Fließband abwickeln, weil seine Kollegen die Scheidung für leistungsunwillige, konsumorientierte Ehepartner äußerst attraktiv gemacht haben. „Reich durch Scheidung“ titelte jüngst die Zeitschrift Bunte.
Sie haben es recht einfach: Kind schnappen und abhauen. Klappt bei Kleinkindern gut, denn sie werden praktisch automatisch den Müttern zugesprochen. Bei größeren Kindern reicht es, ordentlich Druck zu machen und Fakten zu schaffen, damit sie bekunden, bei der Mutter leben zu wollen. Auch wenn die wahre Meinung der Kinder eine völlig andere ist. Hat man erst die Kinder, so ist üppiger Unterhalt sicher.
Eigentlich ist das strafbar. Kindesentziehung in Tateinheit mit Freiheitsberaubung, Nötigung, Kindesmisshandlung und Prozessbetrug. In jedem Rechtsstaat würden das für mindestens drei bis fünf Jahre Knast reichen. Doch kaum ein deutscher Polizist wird eine Strafanzeige überhaupt nur aufnehmen. Denn an seiner Polizeischule lernt er den Unfug, Kindesentziehungen seien für Mütter nur strafbar, wenn sie die Gören ins Ausland schaffen. Ansonsten hätten Mütter Sonderrechte. Strafanzeigen gegen diese Polizisten wegen Strafvereitelung im Amt werden von der Staatsanwaltschaft ohne Ermittlung eingestellt. Renommierte Strafrechtkommentatoren wundern sich, warum diese Straftaten gegen Kinder praktisch nicht verfolgt werden. In der Kriminalitätsstatistik werden sie erst gar nicht separat aufgeführt.
Was Polizei und Staatsanwalt nicht verfolgen, ignoriert der Familienhinrichter. Der Täter hat Erfolg. Und Kinder lernen von Familienhinrichtern: Wer die Regeln bricht, gewinnt. Das Ergebnis dieser Verantwortungslosigkeit landet oft wenige Jahre später vor den Jugendstrafkammern. Der hohe Anteil von Scheidungskindern an jugendlichen Kriminellen spricht Bände.
Von Pisa haben die Familienhinrichter sicherlich schon gehört. Mancher wird im Urlaub den schiefen Turm besichtigt haben. Aber die gleichnamige Studie der OECD, die das Desaster im Wissenstand unserer Kinder im internationalen Vergleich offenbart, haben die Herrschaften in den schwarzen Roben sicherlich weniger oft gelesen als italienische Reiseführer.
Erst recht wohl kaum das Kapitel, in dem der enge Zusammenhang zwischen sozialer Stellung der Eltern und Fähigkeiten der Kinder beschrieben ist. Klare Sache: Wer im Leben viel geschafft und erreicht hat, musste sich dafür zwangsläufig eine Menge Kenntnisse und Fähigkeiten aneignen. Und ist daher leicht in der Lage, diese Kenntnisse und Fähigkeiten an seine Kinder, auch schon im Alltag, weiterzugeben. Zum Vorteil der Kinder, die es damit im Leben leichter haben. Aber auch zum Vorteil der Gesellschaft, denn so gehen diese Kenntnisse und Fähigkeiten nicht verloren.
Ein Argument für die sorgerechtliche Verhandlung? Im Gegenteil: Wer so argumentiert, läuft eher Gefahr, sich eine Zurechtweisung von der Richterbank wegen Beleidigung des Prozessgegners einzufangen. Und so landen die Kinder überwiegend bei dem Elternteil, der weniger Kenntnisse und Fähigkeiten zu transferieren hat. Dem anderen Elternteil bleibt häufig nur das Zahlen und die Feriengestaltung. Falls der Kontakt, begünstigt durch Untätigkeit der Familienhinrichter, nicht völlig zerstört wird. Der schulische Absturz von Scheidungskindern hat sicherlich nicht nur psychische Ursachen...
Abgesehen von sozialen und psychischen Folgen hat dieser schulische Absturz natürlich gewaltige wirtschaftliche Folgen, über die man durchaus auch einmal nachdenken darf. Denn Kenntnisse, Fähigkeiten und Persönlichkeitsstärke unserer Kinder sind das Fundament der Wirtschaftskraft von morgen, von der Renten, Kassenbeiträge und Staatsausgaben einschließlich der Schuldentilgung finanziert werden müssen.
Nehmen wir einmal ein zehnjähriges Mädchen als Beispiel. Vor der Trennung ist sie auf klarem Gymnasialkurs mit guten Chancen, anschließend eigen akademischen Abschluss zu erreichen. In 15 Jahren, nach Ende von Gymnasium und Uni, dürfte sie 40 Jahre lang jährlich im Schnitt 100.000 € verdienen. Also ein Lebensarbeitseinkommen von rund 4.000.000 €. Kommt sie durch die Trennung der Eltern vom Gymnasialkurs ab, so bringt ein ordentlicher Realschulabschluss vielleicht noch ein Lebensarbeitseinkommen von 1.500.000 €. Stürzt sie gar auf schwaches Hauptschulniveau ab, dürfte sich bei den heute schon sichtbaren Folgen der Globalisierung kein nennenswertes Lebensarbeitseinkommen ergeben. Allein dieses Kind könnte durch die Trennung der Eltern im schlimmsten Fall 4 Mio. € verlieren.
Nun geht nicht jedes Kind aufs Gymnasium, nicht jedes Kind stürzt so dramatisch ab. Nimmt man statt 4.000.000 € pro Scheidungskind nur ein durchschnittliches Risiko für das Lebensarbeitseinkommen von 250.000 € (also nur 6.250 € pro Arbeitsjahr) an, so würde sich für die 170.256 minderjährigen Kinder, die allein im Jahre 2003 Scheidungskinder wurden, ein Schadenvolumen von über 42,5 Mrd. € errechnen. Umgerechnet auf alle Scheidungskinder wäre man bei der gigantischen Schadensumme von 750 Mrd. €. Inhaber volkswirtschaftlicher Leerstühle können das gern genau nachrechnen.
Aber vielleicht reicht schon die Besinnung auf ethische Werte. Ehe und Familien sollen ja bekanntlich unter dem besonderen Schutz von Statt und Verfassung stehen. Doch, um Kindern das Elternhaus zu nehmen, reicht eine einfache Willenserklärung. Wer eine Imbissbude eröffnen möchte, braucht hingegen ein Gesundheitszeugnis. Wer ein Auto fahren will, einen Führerschein. Wer ein Kind abtreiben lassen will, der braucht einen Beratungsschein. Das wäre doch was: Wer eine Ehe mit minderjährigen Kindern scheiden lassen will, braucht einen familientherapeutischen Beratungsschein...
Die Projekte „Reichtum durch Scheidung“ wären dann erheblich erschwert. Fallzahlen könnten sinken. Jugendämter und fächerübergreifend erstklassig ausgebildete Familienrichter könnten sich bemühen, Schäden zu begrenzen. Vor allem für die Kinder.