Liste Femanzen Susanne Schneider (Liste Femanzen)
F2 Susanne Schneider geboren 1958 - Redakteurin Tempo, Süddeutsche Zeitung, SZ Magazin – Tochter von Wolf Schneider, der Journalist, Autor und Sprachkritiker war – Bruder Max Schneider (Bild-Redakteur) - Tochter Julia Landvogt (Redakteurin „Freundin“) – textchefin@szmagazin.de - http://sz-magazin.sueddeutsche.de/img/jetztstatisch/redaktion/susanne_schneider_neu1.jpg
Folge 26: Am Ende der Weisheit
Über Jahrhunderte hinweg hat der weiße Mann die Welt mit viel paffpaff und bummbumm an den Rand des Ruins regiert. Es wird Zeit, dass andere die Macht übernehmen. Island und die USA machen es vor.
Gestern also hat Barack Obama seinen Amtseid gesprochen. Aber unter seinen Worten lief unhörbar und dennoch unmissverständlich ein Subtext mit, der sagte: "Hiermit beende ich die Herrschaft des weißen Mannes". Genau so wird es kommen.
George W. Bush? Bis eben noch amerikanischer Präsident, ab jetzt nur noch eine unglaublich jämmerliche Figur. Das Prinzip "Weißer Mann", das zeigt die jüngste Geschichte, hat auf fast allen Gebieten abgewirtschaftet: Schnelle, große Autos haben in die Sackgasse geführt, überzogene Renditeerwartungen auch. Die Finanzkrise? Ein Produkt des Risikoverhaltens übersteuerter, kindischer Männer, die, besoffen von sich selbst, den Karren in den Dreck gefahren haben.
Wer soll jetzt das bankrotte Island und seine beiden größten Banken retten?
Zwei Frauen.
Das kann kein Zufall sein. Denn Umsicht, Vorsicht und Vorsorge, Eigenschaften, die man Frauen zuschreibt, sind die Eigenschaften des Augenblicks. In fast allen europäischen Ländern wendet Vater Staat nun mütterliche Prinzipien an: Kind, du hast blind vor Gier und Geifer Milliarden verloren, Mutti will dir helfen und ihn mit ihren Milliarden wieder rausziehen.
Und dabei haben wir noch nicht mal vom Krieg gesprochen. Paffpaff, bummbumm, Krieg gegen Taliban, Terroristen, Palästinenser, Georgier. Durch Frauenaugen gesehen, haben die Fernsehbilder vom Krieg und den wildgewordenen Männern mit ihren Gewehren und Panzern was unvorstellbar Lächerliches und Altmodisches. Was 3000 Jahre lang richtig war, kann heute nicht falsch sein? Doch, es kann. Und wie! Nur merken muss man es.
Der weiße Mann muss nicht nach China und Indien schauen, um zu sehen, dass dort die Zukunft liegt. Wem ein letzter Beweis fehlt, der sollte seinen Blick im Moment nach Australien richten: Im "Dschungelcamp" sind nämlich bisher nur Männer rausgewählt worden.
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Susanne Schneider, Textchefin des SZ-Magazins, unterstützt die Initiative „ProQuote“ und setzt sich damit für eine Frauenquote von mindestens 30 Prozent in redaktionellen Führungspositionen ein. Im Interview spricht sie über die Ursachen und Folgen des derzeit niedrigen Frauenanteils in deutschen Chefredaktionen.
Frau Schneider, wie erklären Sie sich den geringen Frauenanteil in journalistischen Führungspositionen?
Der Elitenforscher Michael Hartmann hat festgestellt, dass gleich immer gleich aussucht. In den Chefredaktionen ist es demnach genauso wie in allen anderen Firmen, in denen Männer an der Spitze stehen: Männer suchen Männer als Nachfolger aus, einfach weil sie ihnen ähnlicher sind.
Und die Frauen bleiben dabei natürlich auf der Strecke.
Frauen haben oft keine Lust, das Männerspiel in den Chef-Etagen mitzuspielen und flüchten dann lieber in das Mutterdasein.
Viele Frauen fürchten sich also davor, den Schritt in die Chefredaktion zu wagen?
Naja, im Laufe ihrer Karriere sagen die Frauen vielleicht: ‚Ich will ja gar nicht’, und meinen das auch so. Tatsächlich aber wird es vielen Frauen bereits als junges Mädchen anerzogen, gar nicht so weit nach oben zu wollen und die Ellenbogen einzusetzen. Das gilt häufig als unweiblich.
Wenn das so ist, gibt es dann überhaupt genügend Frauen, die eine Führungsposition wollen?
Das ist eine typische Männerfrage. Früher dachten die Männer, Frauen wären nicht fähig genug, um eine hohe Position auszuüben. Heute würde sich kein Mann mehr trauen, so etwas zu sagen. Stattdessen hört man dann: ‚Wir würden wahnsinnig gerne, aber Sie sind ja nicht da.’ Mittlerweile haben wir Frauen gemerkt: Reden hilft nichts, überzeugen hilft nichts, betteln hilft nichts, hoffen hilft nichts. Also hilft nur der Beschluss, dann wird man ganz bald 30 Prozent Frauen in den Chefredaktionen haben.
Also ist eine verpflichtende Quote tatsächlich der einzige Weg, um mehr Frauen in die Chefredaktionen zu bekommen?
Ein Zitat des polnischen Schriftstellers Tadeusz Borowski lautet: ‚Hoffnung macht feige.‘ Solange man Hoffnung hat, unternimmt man nichts. Und wir Frauen haben jahrzehntelang gehofft, dass die Gesellschaft sich ändern würde und die Männer den Frauen von sich aus Platz machen. Aber nichts ist passiert. Also hören wir auf zu hoffen, handeln wir.
Frauen sind “nicht das Problem, sondern die Lösung”, sagte Handelsblatt-Chefredakteur Gabor Steingart. Die Lösung wofür?
Frauen sind die Lösung für vieles (lacht). Unternehmen mit gemischten Vorständen erzielen immer bessere Ergebnisse als Firmen, die alleingeschlechtlich geführt werden. Das hat Ursula von der Leyen kürzlich bestätigt. Schon aus diesem Grund wird auch jede Zeitung, jeder Radio- und Fernsehsender erfolgreicher, wenn es eine Frauenquote gibt.
Welchen Nachteil hat es für weiblichen Leser einer Tageszeitung, beispielsweise der Süddeutschen Zeitung, dass der Inhalt fast ausschließlich von Männern bestimmt wird?
Die Süddeutsche Zeitung ist eine unglaublich männliche Zeitung. Auf dem Titel oder auf der Seite Drei werden fast nur Männer portraitiert. Schauen sie sich mal an, wie wenig Portraits über Frauen es in der SZ gibt. Das Feuilleton wird nur von Männern gemacht und zu 80 Prozent von Männern geschrieben. Der weibliche Blick auf die Dinge vergeht dabei total.
Sind Frauenthemen in den deutschen Zeitungen demnach total unterrepräsentiert?
Ja, auf jeden Fall. Nach jeder Themenkonferenz muss ich feststellen, dass neun von zehn Themen Männerthemen sind. Wenn es beispielsweise um das Thema Kriegsberichterstattung geht, wollen Männer permanent über Panzer, Penis abschlagen, Soldaten, Aids in Afrika oder ähnliches schreiben. Wenn ich als Frau keine Frau als Thema vorschlage, dann tut es niemand. Deswegen müssen Journalistinnen eigentlich immer Frauenthemen einbringen, ansonsten kommen Frauen in männlichen Redaktionen gar nicht vor.
Haben die Männer Angst, dass es zu viele Frauenthemen gibt, wenn mehr Frauen eine führende Position haben?
Klar, genau.
Wurden Sie als Frau in ihrem Beruf schon häufig diskriminiert?
Ich habe das Gefühl, das passiert mir jeden zweiten Tag. Leider fällt mir gerade keine konkrete Situation ein.
Waren Sie schon immer eine Befürworterin der Frauenquote?
Ja, schon immer. Allerdings wäre ich nicht gerne die erste Quotenfrau in meinem Job. Auf diesen Kampf mit den Männern hätte ich keine Lust.
Werden es die ersten Quotenfrauen schwer haben?
Die Ersten werden nichts zu lachen haben. Sie werden sich permanent rechtfertigen müssen, über sie wird hinterrücks geredet und getuschelt. Sie müssen deswegen ein großes Selbstbewusstsein haben. Das bewundere ich sehr. Ich glaube nicht, dass ich dieses Selbstbewusstsein hätte.
Hochhausbrand in New York, die Menschen retten sich auf das Dach, die Feuerwehr kommt, Feuerwehrleute halten Sprungtücher bereit. Auf dem Dach steht ein dunkelhäutiger Mann und sagt zu seinem Nachbarn: »Die da unten, das sind sicher Rassisten, die reißen das Tuch weg, wenn ich springe.« Plötzlich ruft ein Feuerwehrmann von unten: »Spring, Spanier!« – »Super«, sagt der Mann auf dem Dach, »die halten mich ja für einen Spanier, da kann ich beruhigt springen.« Er springt. Kurz bevor er unten ankommt, reißen die Feuerwehrleute das Sprungtuch zur Seite und rufen: »Olé!«
Kommt ein Mann zum Bäcker: »Grüß Gott, ich hätte gern sechs Semmeln.« Sagt der Bäcker: »Nehmen Sie doch sieben, dann haben Sie eine mehr.«
Der junge Scheich betrachtet durch eine Glaswand die Babys in der Entbindungsstation. Eine Schwester: »Welches ist denn Ihr Kind, Hoheit?« Der Scheich: »Die ersten zwei Reihen!«
Was sagt eine langjährig verheiratete Ehefrau, wenn sie morgens in den Spiegel schaut? »Geschieht ihm recht!«
Jesus geht durch die Wüste. Dort trifft er auf einen alten blinden Mann, der weint. »Was weinst du, guter Mann?«, fragt Jesus. »Ich weine, weil ich meinen Sohn verloren habe.« – »Wie sieht dein Sohn denn aus?«, fragt Jesus. »Er hat Löcher an Händen und Füßen.« Da ruft Jesus begeistert: »Vater!« Und der alte Mann entgegnet: »Pinocchio!«
Ein Mann kommt zum Arzt, auf seinem Kopf sitzt ein Frosch. »Du meine Güte, was ist denn mit Ihnen los?«, fragt der Arzt. Antwortet der Frosch: »Ich hab da was am Hintern.«
Sagt ein Mann zum anderen: »Weißt du, was mir neulich passiert ist? Ich wollte Tickets für meine Frau und mich nach Pittsburgh kaufen. Dann stehe ich vor der Dame im Reisebüro, die riesige Brüste hat. Und ich sage: Zwei Pickets nach Tittsburgh.« Sagt der andere: »Weißt du, was mir passiert ist? Ich sitze mit meiner Frau beim Frühstück und will sagen: Schatz, den Zucker, bitte. Und ich sag: Du alte Hexe, du hast mir mein ganzes Leben versaut.«
Wie lautet die E-Mail-Adresse des Papstes? urbi@orbi
Karl Marx kommt in die Hölle und macht sofort Revolution. Die Bewohner der Hölle sind begeistert, der Teufel ist verzweifelt und ruft Gott an: »Bitte, Gott, kannst du den Marx eine Weile bei dir im Himmel aufnehmen? Nur kurz. Ich verspreche, ich nehme ihn wieder.« Gott ist einverstanden. Zwei Wochen vergehen, und der Teufel hört nichts von Gott. Er greift zum Hörer und ruft im Himmel an: »Gott, willst du denn den Marx nicht wieder loswerden?« Sagt Gott: »Welcher Gott?«
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JOURNALISTENFAMILIE Wolf und Susanne Schneider über Härte, Spracherziehung, Luther, erste Sätze und letzte Fragen
INTERVIEW DAVID DENK
taz: Herr Schneider, Sie sind mittlerweile 85 Jahre alt, schreiben immer noch Bücher und Artikel und geben Seminare für Journalisten, Pressesprecher, Redenschreiber. Wie lange wollen Sie sich das noch antun?
Wolf Schneider: Was wäre denn die Alternative? Ich werde oft beim Frühstück schon pro-voziert durch den Klassikradio-Spruch "Bleiben Sie entspannt". Das ist eine Idiotie ohne-gleichen. Erstens kann ich nicht entspannt bleiben, weil ich nicht entspannt bin, zweitens will ich gar nicht entspannen, weiß auch gar nicht, wie man das macht, und drittens weiß ich überhaupt nicht, warum man das tun sollte. Ich stehe unter Dampf, will unter Dampf stehen, und wenn der Dampf raus ist, will ich tot umfallen. Wie Molière auf der Bühne sterben - das wär's.
Wie weit planen Sie?
Wolf Schneider: Das nächste Buch ist in Planung. Daran werde ich anderthalb bis zwei Jahre arbeiten. Und dann stellt sich die alte Frage, bei der wir uns ein bisschen entzweien: Soll ich vor dem ersten Durchhänger von mir aus aufhören - oder soll ich auf den ersten warten? Ich möchte nicht erleben, dass ich mal einer Situation mit jungen, ziemlich streitlus-tigen Kollegen nicht mehr gewachsen bin. Nur: Wer sagt einem, wann das passiert?
Gütige, weißhaarige Vaterfiguren mögen die Deutschen.
Wolf Schneider: Das Wort "Güte" höre ich nicht so gern im Zusammenhang mit meiner Person. Es mag eine gewisse hintergründige menschliche Güte in mir walten, aber primär bin ich ein Pauker, ein Drillmeister, jemand, der Leistung erzwingen will.
Warum kultivieren Sie den Drillinstructor in sich so?
Wolf Schneider: Den brauch ich nicht zu pflegen, so bin ich. Das ist mein unbedingter Leistungswille. Es war ganz klar das Konzept von Henri Nannen und mir, dass man in anderthalb Jahren nicht mehr lernen kann als auf unserer Schule. Ohne Leistungsdruck, ohne Tempo, ohne Härte wäre auch die Zeit meiner Seminare zur Hälfte verschenkt.
Qualität kommt von Qual.
Wolf Schneider: Richtig.
Frau Schneider, hat Ihr Vater je "Bäh" an den Rand Ihrer Deutschaufsätze geschrie-ben oder wie bei seinen Schülern einen Galgen gemalt?
Susanne Schneider: Nein, nein. Das durften nur meine Lehrer.
Wolf Schneider: Die Aufsätze habe ich gar nicht zu lesen bekommen. Da habe ich mich auch nicht drum bemüht.
Haben Sie sich besonders bemüht, Ihre Kinder für die deutsche Sprache zu begeis-tern?
Wolf Schneider: Wir haben Sprachspiele gemacht. Wenn Susanne und ihr jüngerer Bruder Curt bei uns waren, gab es zum Beispiel die Regel, dass derjenige, der einen Satz beim Frühstück grammatisch nicht korrekt zu Ende bringt, ein Zehnerl in die Kasse zahlen muss. Es war mein Bestreben, in einem sportlichen Umfeld mit großer Heiterkeit zur Sprachdisziplin zu erziehen. Oder das Franz-Josef-Strauß-Spiel: Das beruhte auf meiner Fernseherfah-rung, dass Politiker einem nie Zeit lassen, eine Frage zu stellen. Also muss man die Kraft haben, gleichzeitig zu reden - und zu hoffen, dass das Gegenüber früher aufhört als man selbst. Davon inspiriert, habe ich dann das Spiel erfunden, dass alle durcheinanderreden, und wer zuerst aufhört, hat verloren.
Während Ihrer Tumorerkrankung, Frau Schneider, hat eine Freundin Sie als "Mensch mit starken Wurzeln" beschrieben. Wie viel hat das mit Ihrem Vater zu tun und in welcher Hinsicht?
Susanne Schneider: Das kann ich Ihnen nicht sagen. Sie hat das geschrieben.
Haben Sie mit dieser Beschreibung etwas anfangen können?
Susanne Schneider: Das ist eine Formulierung, die jeden freut, mich natürlich auch.
Wolf Schneider: Wir wussten immer voneinander, wer wir sind und wo wir sind. Oder?
Susanne Schneider: Ja, schon.
Sie haben über die sieben Monate im Krankenhaus einen mehrfach prämierten Text geschrieben: "Hurra, ich lebe noch!". Wann war Ihnen klar, dass Sie ihn schreiben würden?
Susanne Schneider: Sobald ich wieder klar denken konnte. Was sollte ich denn sonst ma-chen den ganzen Tag?
Hätten Sie auch darüber geschrieben, Herr Schneider?
Wolf Schneider: Ich hoffe doch sehr. Wenn mich schon so etwas Langweiliges, Statuarisches wie der Kölner Dom zum Schreiben reizt, dann solch eine extreme Situation erst recht. Darin äußert sich die journalistische Grundgesinnung: Alle Wechselfälle des Lebens sind nur dazu da, in Geschichten umgemünzt zu werden. Ich erinnere mich noch gut daran, wie meine Tochter mir stolz ihren ersten Satz präsentiert hat. Auf dem Krankenbett. Das ist eine schöne Familie!
"Wer möglichst unbemerkt auf einer deutschen Intensivstation sterben will, sollte dies gegen 14 Uhr tun." Zuerst wollten Sie jedoch Schauspielerin werden. Nach der Ausbildung haben Sie sich aber gegen die Bühne entschieden. Warum?
Susanne Schneider: Mangelndes Talent. Vielleicht war es auch eher die Leidenschaft, die mir gefehlt hat. Als mir klar wurde, dass ich keine ganz Große werde, habe ich beschlossen, noch das Diplom zu machen und dann aufzuhören. Ich wollte nicht nach Krefeld oder Heil-bronn. An solchen Theatern beginnen ja nicht nur die meisten Karrieren, die meisten enden da auch. Auf der Suche nach einem neuen Beruf für mich sind mein Vater und ich dann relativ bald aufs Fernsehen gekommen. Da hat man mich allerdings erst mal ins Zeitungs-praktikum geschickt, zur Süddeutschen Zeitung in Erding.
Wolf Schneider: Und dann hat sie die Deutsche Journalistenschule in München besucht. Es war klar, dass sie meine Schule nicht besuchen durfte. Erstens hätte man ihr nicht geglaubt, dass sie die Prüfung bestanden hat. Und zweitens wäre sie eine Spielverderberin gewesen. Wenn der Lehrer nicht da ist, müssen die Schüler den Lehrer ein Arschloch nennen dürfen.
Haben Sie Ihren Vater je als Hypothek betrachtet?
Susanne Schneider: Wenn man es nicht anders kennt, kennt man es nicht anders. Ich weiß, das Gespräch hätte jetzt interessanter verlaufen können, aber ich habe nie unter meinem Vater gelitten. Im Gegenteil: Ich war vor vielen Enttäuschungen gefeit, weil ich eine realistische Vorstellung von diesem Beruf hatte.
Wolf Schneider: Wo wirst du denn auf mich angesprochen?
Susanne Schneider: Ach, immer wieder, häufig ganz am Schluss meiner Journalisten-schulenkurse, kurz bevor ich rausgehe.
Wolf Schneider: Tatsächlich, ja?
Welchen Eindruck haben Sie von Journalistenschülern heute im Vergleich zu Ihnen?
Wolf Schneider: Ich bin ja als abgerissener Soldat in den Beruf reingetorkelt. Das ist also schwer vergleichbar. Wenn ich mir die heutigen Lebensläufe ansehe, was diese 23-Jährigen schon alles gemacht haben - Weltreise, Studium an der Columbia - das ist schon enorm. Aber bergab geht es mit Allgemeinbildung, Grammatik, Rechtschreibung, Zeichensetzung. Ich verlange von einem Journalisten universale Halbbildung. Zumindest die Witterung, dass etwas nicht stimmen kann, die musst du haben.
Ist auch was besser geworden?
Wolf Schneider: In puncto Weltkenntnis nicht, die ideologische Verblendung hat aber zum Glück abgenommen. Als ich 1979 an der Henri-Nannen-Schule anfing, war die Klasse voller Leistungsverweigerer. Ein ekelhafter Lehrgang, lauter verkorkste, zu spät gekommene 68er.
Susanne Schneider: Es ist auch etwas besser geworden. Die jungen Leute schreiben heute besser. Eine wichtige Qualität eines journalistischen Textes besteht darin, dass er schnell ist. Schnelle Texte sind meist gute Texte. Die ersten 30 Seiten der "Buddenbrooks" erträgt man heute nicht mehr. Das wirkt altmodisch, langweilig, einschläfernd. Die Zeiten sind schneller geworden und damit ist auch das Schreiben schneller geworden. Ob das den Zeiten gut tut, weiß ich nicht, aber dem Schreiben tut es gut.
Wolf Schneider: Gelesen zu werden, ist heute statistisch unwahrscheinlicher denn je. Schon in der reinen Printzeit mussten Zeitungsjournalisten damit leben, dass höchstens 20 Prozent einer Ausgabe gelesen werden. Deswegen halte ich mein jüngstes Buch "Deutsch für junge Profis" auch für modern, weil es Ratschläge für schnell zu lesendes, lebendiges Schreiben gibt.
Wie viele Bücher Ihres Vaters haben Sie gelesen?
Susanne Schneider: Alle bis auf eins, aber ich weiß nicht, welches. Viele kenne ich ja auch schon als Manuskript.
Wolf Schneider: Meine Frau ist meine erste Gegenleserin, meine Tochter die zweite. Das ist manchmal hart, aber da ich einen großen Ehrgeiz habe, gelesen zu werden, haben Gegenleser tendenziell recht. Als ich Susanne mein Sorgenkind über den Kölner Dom schickte, sagte sie nur: Bisschen viel Gotik - bisschen wenig Menschen. Eine messerscharfe, ver-nichtende Diagnose in einem Satz.
Ganz der Vater eben. Spielen seine Bücher in Ihrer Arbeit eine Rolle, Frau Schneider?
Susanne Schneider: Wie prägend sie sind, merke ich vor allem bei jungen Kollegen. Aber auch für mich sind sie unbewusst immer da. Wenn jemand einen umständlichen Satz hingeschrieben hat, dann bitte ich ihn etwa, die Flughafendurchsage "Aus Sicherheitsgründen bitten wir Sie, Ihr Gepäck nicht unbeaufsichtigt zu lassen" für einen amerikanischen Freund, der nicht gut Deutsch spricht, zu "übersetzen". Was sagen Sie?
"Passen Sie auf Ihr Gepäck auf"?
Susanne Schneider: So muss man schreiben. Und eins mach ich auch immer: alle Wörter runterkochen. Wenn von "Damen und Herren" die Rede ist, mache ich "Männer und Frauen" draus. Oder "speisen". Wer speist denn? "Essen". Darauf bin ich gekommen, weil du sagst: "Ich mache das Fenster zu" ist besser als "Ich schließe das Fenster".
Wolf Schneider: Ja, "zumachen" ist besser. In der Bibel heißt es: "Klopfet an, so wird euch aufgetan", "aufgemacht", würden wir sagen. Luther hatte das Wort "öffnen" zur Verfügung, aber er mochte es nicht.
Bert Brecht hat jeden Tag eine Stunde in der Luther-Bibel gelesen. Lesen Sie auch viel darin?
Wolf Schneider: Ich bin einer der wenigen Atheisten, die die gesamte Bibel gelesen haben. Ich habe auch schon mal für eine evangelische Zeitschrift die Sprache Jesu analysiert und im Oktober einen Vortrag zur Sprache deutscher Pfarrer gehalten - mit dem traurigen Fazit: Was immer ihr tut - ihr bleibt hoffnungslos hinter Luther zurück. Also schweigt ihr am besten.
Susanne Schneider: Wenn ich mal nicht in einen Text hineinfinde, gehe ich zum Bücherregal und suche ein Buch, von dem ich denke, dass es mir den passenden Ton vorgibt. Ohne den kann ich nicht anfangen. Häufig lande ich bei Kafka.
http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=fl&dig=2010%2F12%2F24%2Fa0058
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