Wenn der Mensch zur MenschIn wird - oder:

Wieviel »Gleichberechtigung« verträgt das Land?

How much »equality« the country can stand?

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Liste Femanzen Sybille Hamann (Liste Femanzen)

Oberkellner @, Wednesday, 05.06.2013, 10:21 (vor 3981 Tagen)

F12 Sybille Hamann AUT - geb. am 14.08.1966 in Wien – Studium der Politikwissenschaft, Geschichte, Ethnologie – verschiedene journalistische Tätigkeiten für „Kurier“, „Profil“, „die Presse“, das Wiener Stadtmagazin „Falter“ sowie Gastbeiträge in „Emma“ und „die Zeit“ – seit 2006 Lehrbeauftragte am Institut für Publizistik der Universität Wien – Dip-lomarbeit zum Thema „Frauenarbeit und Wirtschaftsreformen in der VR China“ (1989) – Buchveröffentlichungen: „Schwarzbuch Männer – Weißbuch Frauen“ (2008); „Saubere Dienste“ (2012) – Chefredakteurin der „Liga Zeitschrift für Menschenrechte“ - www.sybillehamann.comwww.liga.or.at http://images.derstandard.at/t/12/2008/03/12/1204646184348.jpg - http://foto.oegbverlag.at/web/V01/Webalbum_Saubere_Dienste/content/bin/images/large/_5978577776.jpg - sibylle.hamann@aon.at

Zwitscherfeminismus, yeah!
Hier ein Pograpscher, dort ein anzüglicher Witz vom Chef: Tausende Frauen deponieren auf Twitter ihre Erfahrungen mit Alltagssexismus. Die Anatomie einer Erregung.
1. Ist es grundsätzlich wichtig, über Sexismus zu reden? Ja. Sexismus hat, anders als das Wort vermuten ließe, wenig mit Sex zu tun, aber viel mit Macht. Die einen (meistens Männer) versuchen dabei, anderen (meistens Frauen) eine Rolle zuzuweisen, in der sie gefallen und jederzeit zur Verfügung stehen sollen. Frauen, ihre Körpermerkmale und Verhaltensweisen werden taxiert, bewertet, benotet. Schlüpfrige Witze, zweideutige Angebote, unerwünschte Berührungen – all das dient, um Hierarchien zu zementieren. Solche Übergriffe und Grenzüberschreitungen kommen im Alltag täglich tausendfach vor.
2. Warum reden Frauen normalerweise so wenig darüber? Gute Frage. Früher, als Sexismus noch nicht „Sexismus“ hieß, sondern normaler Bestandteil des patriarchalen Geschlechterverhältnisses war, war die Anwort klar: Weil sie Angst hatten. Wer aus der Rolle fiel, musste damit rechnen, bestraft zu werden. Recht geschieht ihr, hieß es dann. Die Serie „Mad Men“ gibt uns eine kleine Ahnung von diesen Mechanismen.
Heute ist die Antwort komplizierter. Wahrscheinlich lautet sie: Weil viele Frauen fürchten, als prüde, verklemmt und unsouverän dazustehen. Wer cool ist, lässt sowas abtropfen. Man will kein Opfer sein. Man will nicht als hysterisch gelten. Und will man sich wirklich über eine Berührung, eine blöde Be-merkung aufregen, solange anderswo Frauen vergewaltigt, gesteinigt, ermordet werden? Nein. Der antifeministische Diskurs der vergangenen Jahre hat eines geschafft: Dass Frauen sich zu Dank verpflichtet fühlen, nicht unter den Taliban zu leben. Denn, klar: Männer könnten auch noch ganz anders. Und daran erinnern sie einen gern.
3. Warum dann #Aufschrei, gerade jetzt? Gerade jetzt ist der ebenso passende Zeitpunkt wie vor drei Wochen oder in drei Monaten. Weil beinahe jede Frau 1. und 2. schon erlebt hat, manchmal hat man sich gewehrt, manchmal nicht, jedes Mal blieb ein Rest an Zorn. Man ahnt zwar, dass man damit nicht allein ist. Aber erst wenn alle gleichzeitig damit rausrücken, fühlt man sich sicher. Was in der Semi-Anonymität von Twitter besser geht als in anderen Foren der Öffentlichkeit: Hier muss man nicht unter eigenem Namen sprechen, hier sieht man sein Gegenüber nicht, hier wird man nicht rot, und man muss nicht antworten, wenn man nicht will. Der Schneeballeffekt sorgt dafür, dass aus tausenden Einzelfällen eine Lawine wird.
4. Warum interessieren sich plötzlich auch Fernsehen, Talkshows, konservative Zeitungen und Mainstream-Magazine dafür? Das ist tatsächlich interessant – und verrät mehr über das Weltbild konventioneller Medienmacher als diesen lieb sein kann. Wer in einer Redaktion Sexismus oder sexuelle Belästigung zum Thema machen wollte, musste bisher stets damit rechnen, in die feministische Ecke gestellt – und dort auf ewig eingemauert zu werden. Es galt als Sache für „Emma“. Für alternde, lustfeindliche Frauen. Für beamtete Genderbeauftragte in der Gleichstellungsbürokratie. Jedenfalls nicht für die junge, schicke, allzeit flirtbereite Leserschaft, die Chefredakteure herbeiphantasierten, wenn sie über ihre werberelevanten Zielgruppen nachdachten.
Wahrscheinlich lagen die Medienmacher mit diesen Phantasien immer schon daneben. Doch erst Twitter, dieses neue, rätselhafte Medium, hat sie mit der Nase drauf gestoßen: Womöglich denken die jungen Frauen dort draußen ganz anders als wir hier drinnen meinen? Wie ist es möglich, dass bei ihnen ein Thema brennt, dessen Relevanz wir seit Jahren hartnäckig bestreiten? Die Erkenntnis muss ein ziemlicher Schreck sein: Die werbereleventen Zielgruppen sind dem Feminismus inhaltlich wahrscheinlich viel näher als vermutet. Aber weil sie in den Medienhierarchien zu wenig zu sagen haben, kriegt das halt keiner mit.
5. Wie sollen wir mit Alltagssexismus künftig umgehen? Jedenfalls nicht mit obrigkeitsstaatlicher Kontrolle, Überwachung und Strafe. Anders als polemische Kommentare unterstellen, geht es nicht darum, zwischen jeden Mann und jede Frau eine Tugendwächterin zu stellen oder ein generelles Flirtverbot zu verhängen. Es geht um Respekt. Darum, ein Gespür dafür zu entwickeln, welche Arten der Annäherung erwünscht sind und welche nicht.
Das ist, wie so vieles, vor allem eine atmosphärische Frage. Auf einem marokkanischen Marktplatz gelten andere Regeln als auf einem schwedischen, und in einem Büro andere als in einem Nachtclub. Die Etikette zwischen den Geschlechtern, das Gefühl dafür, was okay ist und wo ein Übergriff beginnt, verändert sich ständig. Sie bildet sich im gelebten Alltag heraus – durch tausende tägliche Bemerkungen, Beobachtungen, Handlungen, durch die stete Abfolge von Aktion und Reaktion, Belohnung und Zurückweisung. Diese Feedbackschleife bedeutet: Jeder Mensch, der einen Übergriff zulässt, ohne sich zu wehren, trägt dazu bei, dass der Täter sich bestätigt fühlt und weitermacht. Jahrhundertelang hat das – siehe 2. – funktioniert. Im Zeitalter der Gleichberechtigung gibt jedoch keinen Grund mehr, sich damit abzufinden.
Womit wir, 6., beim Anlassfall wären. Beim FDP-Politiker Rainer Brüderle, der „Stern“-Journalistin Laura Himmelreich, an der Stuttgarter Hotelbar vor einem Jahr. Dass ein 67jähriger den Brustumfang einer 29jährigen begutachtet, ist in seiner Alltäglichkeit eher banal. Aber der Fall zeigt auch, wie brüchig die Hierarchien im Geschlechterverhältnis bereits geworden sind: Ein alternder Politiker muss sich gegen eine übermächtige Kanzlerin beweisen. Eine Journalistin geht beruflich auf ihn zu und weist ihn sexuell zurück. Eine Pressesprecherin schließlich schickt ihn mit mütterlicher Rüge ins Bett.
Vielleicht hat Brüderle es in jenem Moment gespürt: Der geschützte Raum für Anzüglichkeiten, sexuelle Machtspielchen und Herrenwitze ist verdammt eng geworden. Überall stehen neuerdings Frauen herum und geben Feedback. Was für alle, inklusive der Herren, eigentlich eine gute Nachricht ist.

http://www.sibyllehamann.com/2013/01/zwitscherfeminismus-yeah/


Halbe-halbe? Aber gern!
SIBYLLE HAMANN (Die Presse)
Eine Männerpartei fordert Gleichberechtigung. Die können sie haben.
Übermorgen gibt es in Wien eine Männerdemo. Das Wort „Männerbewegung“ kannte man bisher nur aus der katholischen Ecke. „Männerparteien“ waren eh alle. Dass Männer jedoch „halbe-halbe“ fordern wie einst die Frauenministerin – das ist neu.

Natürlich ist es super. Am besten fangen wir sofort damit an. Halbe-halbe bei den Einkommen, den Aufstiegschancen und den Führungspositionen in Österreich – jede Hilfe der Männerpartei ist hier willkommen! Halbe-halbe in der Arbeitswelt macht nämlich halbe-halbe im Famlienleben erst möglich. Wenn Mann und Frau gleich viel verdienen, können sie gleich gut in Karenz oder in Teilzeit gehen. Und wenn sie gleich häufig in Karenz oder Teilzeit gehen, können sie gleich gut befördert werden.

Womit wir bei den „Väterrechten“ wären. Dass Scheidungskinder derzeit meist bei der Mutter bleiben, liegt nicht am Männerhass der Gerichte, sondern simpel daran, dass sich Mütter meistens mehr um die Kinder kümmern. Die fünf Prozent männliche Alleinerzieher halten sich mit den fünf Prozent Karenzväter bisher ziemlich genau die Waage. Doch hier, liebe Männerpartei, gibt es für Sie jede Menge zu ändern: Kämpfen Sie in den Betrieben für Papamonate, für Teilzeitarbeitsplätze, für familienfreundliche Arbeitszeiten! Die Energie, die manche Väter nach der Trennung in einen Obsorgestreit investieren, könnten sie vor der Trennung ihren Kindern und dem Haushalt widmen – wer weiß, wie viele Trennungen sich dann erübrigen.

Weiter in der Forderungsliste. In der professionellen Kinderbetreuung fehlen männliche Bezugspersonen? Absolut richtig! Also melden Sie sich gleich morgen an den Pädaks an, werden Sie Kindergartenpädagogen, Volksschullehrer und Hortbetreuer.

Bleiben die einzigen gesetzlichen „Priviegien“ von Frauen, das frühere Pensionsalter und die Wehrpflicht. Auch hier kein Widerspruch: Die gehören in einer geschlechtergerechten Welt selbstverständlich weg. Qualifizierte Frauen, die zwangspensioniert werden, empfinden das ohnehin nicht als Privileg, sondern als Diskriminierung. Und ein Gesellschaftsbild, in dem die Frauen daheim das Feuer hüten, während die Männer draußen mit der Waffe das Land verteidigen, ist von vorgestern. Es gibt verschiedene Arten, eine Armee zu organisieren, und es wird immer Menschen geben, die als Soldaten nichts taugen. Von vornherein zwischen Männern und Frauen einen Unterschied zu machen, ist jedoch ein Anachronismus.

Womit eigentlich nur noch das Seniorenticket der ÖBB übrig bleibt. Das bekommen Frauen fünf Jahre früher als Männer, was tatsächlich unfair ist.

Ich würde vorschlagen: Seniorenticket für alle, Alt oder Jung, männlich oder weiblich! Gegen halbe-halbe in allen Gesellschaftsbereichen tauschen wir dieses Privileg gern. Ist das ein Deal?

Sibylle Hamann ist Journalistin in Wien.

meinung@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.10.2009)

Buch „Scharzbuch Männer – Weißbuch Frauen: warum wir einen neuen Geschlechtervertrag brauchen“ (Sibylle Hamann, Eva Linsinger)

Die Frauen haben ihren Teil für die Emanzipation getan. Sie haben sich zu Alphamädchen entwickelt und Universitäten und neue Berufsfelder erobert. Die Hälfte der Welt, die Hälfte der Macht gehört der Frau deshalb noch lange nicht. Jetzt ist es an der Zeit, dass sich die Männer bewegen. Die Aufgaben wurden nicht neu verteilt, die Frauen haben sich nur zusätzliche aufgehalst. Die Grundformel, nach der die Welt funktioniert, ist nach wie vor in Kraft: Frauen leisten global gesehen zwei Drittel der Arbeit, verfügen über zehn Prozent des Einkommens und ein Prozent des Vermögens. Sibylle Hamann und Eva Linsinger zeigen auf harten Zahlen und Fakten basierend klar und pointiert, dass Gleichberechtigung der Geschlechter möglich, ja notwendig ist, da uns aus wirtschaftlicher, gesellschaftlicher und demographischer Sicht gar nichts anderes übrig bleibt und wir einen neuen Geschlechtervertrag brauchen."

http://www.amazon.de/Wei%C3%9Fbuch-Frauen-Schwarzbuch-M%C3%A4nner-Geschlechtervertrag/dp/3552060731

Was ist mit dem Vater los? Wer Oliver Hoffmann gegenübersitzt, muss den Eindruck bekommen, er ist ganz arm dran: Erst dient er als Samenspender. Dann will er sich um seine Kinder kümmern, aber er darf nicht. Die Frau hindert ihn daran, in Karenz zu gehen, und zwingt ihn zum Geldverdienen. Als sie seiner überdrüssig wird, „entsorgt“ sie ihn, diffamiert ihn als Gewalttäter, nimmt ihm die Kinder weg und benützt ihn bloß noch als Bankomaten. All das mit dem Segen des Staates. Denn „die Feministinnen haben die Macht übernommen“, sagt Hoffmann, der deswegen jetzt die österreichische Männerpartei gegründet hat. „Eine Frauenlobby hat Gesetze durchgedrückt, die ausschließlich ihren Interessen dienen. Väter sind da bloß noch ein Störfaktor.“

Was ist mit dem Vater los? Wer Jonni Brem gegenübersitzt, bekommt einen Befund, der sich nicht viel besser anhört. Bei ihm, in der Männerberatung, gehört der erwähnte „entsorgte Vater“ zur typischen Klientel. „Er fühlt sich ausgebeutet, und kämpft mit allen Mitteln um Besuchsrecht oder Obsorge“, so der Psychotherapeut: „Das kann zur fixen Idee werden.“

Überforderung beobachtet Brem in seinen vielen Vatergesprächen, Orientierungslosigkeit, Stress, und die Unfähigkeit, Fehler einzugestehen. „Fast jeder Vater will anders sein als der eigene Vater. Und rutscht dann doch immer wieder in die alten Muster hinein.“

Was ist los mit dem Vater? Wer schließlich die Chronikseiten der Zeitungen liest, kann ahnen, wie viel Frust und Aggression sich in ihm aufgestaut haben muss. Beinahe jede Woche wird von einem Scheidungskrieg berichtet, der in Gewalttätigkeiten ausartet. Es gibt Mord- und Selbstmorddrohungen, Kindesentführungen samt wilder Verfolgungsjagd. Mitunter Schüsse im Gerichtssaal oder am Jugendamt, manchmal sogar Tote.

Vom „Zorn“ der Väter ist dann die Rede, von ihrer „Verzweiflung“, ihrer „Ohnmacht“.

Ist der Zorn gerechtfertigt? Haben wir tatsächlich Ämter und Gesetze, die Männer gegenüber Frauen systematisch benachteiligen? Haben Väter keine Chance?

Wer sich im eigenen Freundeskreis umschaut, wird für diese These Beispiele finden. Jeder von uns kennt mindestens eine Alleinerzieherin, die ihr Kind dem Vater vorenthält – manchmal aus guten, manchmal aus weniger guten Gründen.

In vielen europäischen Ländern haben sich Väterrechtsgruppen gebildet, die, mit Bezug auf die Kinderrechtskonvention, das „Recht des Kindes auf beide Eltern“ einfordern. In einschlägigen Internetforen tauschen Leidensgenossen strategische Tipps für den Rechtskrieg aus (www.vaterverbot.at), lassen ihrem Hass gegen Richterinnen und Sozialarbeiterinnen freien Lauf (www.genderwahn.at) oder spenden einfach nur Trost und Rat. Mehrere Fälle von Diskriminierung trugen sie bereits vor die Höchstgerichte – mit Erfolg. Im österreichischen Justizministerium haben sie ein offenes Ohr für ihre Anliegen gefunden – dort erkennt man bereits „Änderungsbedarf bei der Rechtslage“. „Die Eignung einer Frau zur Mutter wird niemals hinterfragt“, beschreibt Männerpartei-Gründer Hoffmann das Grundproblem. „Als Vater hingegen stehst du unter Generalverdacht.“

Die österreichischen Zahlen scheinen seiner Analyse auf den ersten Blick Recht zu geben. Lediglich 20.000 alleinerziehende Männer gibt es hierzulande, das sind nur zwölf Prozent aller Alleinerziehenden. Aber was beweist das?

Es beweise jedenfalls nicht, dass Frauen bevorzugt würden, meint die auf Scheidungsverfahren spe-zialisierte Anwältin Brigitte Loacker. „Bei Obsorgeverfahren geht es nicht um die Befindlichkeit der Eltern, sondern ausschließlich um das Kindeswohl“, erklärt sie. „Die Obsorge bekommt norma-lerweise, wer die engere Beziehung zum Kind hat; und die engere Beziehung hat, wer sich mehr um das Kind kümmert.“

So gesehen ist an den 88 Prozent Alleinerzieherinnen nicht der Feminismus schuld, sondern – im Gegenteil – die sehr traditionelle Rollenverteilung in den österreichischen Familien: Nur sieben Prozent der Männer arbeiten Teilzeit (hingegen 41 Prozent der Frauen), der Männeranteil unter den Kindergeldbeziehern ist über fünf Prozent nicht hinausgekommen.

Selbstverständlich spiegeln sich in Gerichten und Jugendämtern die allgemeinen gesellschaftlichen Normen; und auch unter den dort arbeitenden Beamtinnen und Beamten wird es die – oft unhinterfragte – Grundannahme geben, ein (kleines) Kind sei im Normalfall bei der Mutter am besten auf-gehoben. Doch gerade bei diesen Gewissheiten sei in den letzten Jahren einiges ins Rutschen geraten, stellt Loacker fest.

„Früher war eine Scheidung ein klarer Schnitt, und Eindeutigkeit das oberste Prinzip“, hat sie beobachtet. Heute hingegen setze sich immer stärker die Erkenntnis durch, wie wichtig für ein Kind die langfristige Beziehung zu beiden Elternteilen sei. Sogar dann, wenn sich einer als unzuverlässig erweist: „Es kann für ein Kind besser sein, wenn es sieht: Der Papa hält nie, was er verspricht“, sagt Loacker, „statt ihn aus der Ferne zu idealisieren und nicht zu verstehen, warum die Mama ihn verlassen hat.“

Wegen der Bedeutung der Nähe zu beiden Elternteilen bleibt in Österreich daher seit 2001 die gemeinsame Obsorge nach einer Scheidung aufrecht. Allerdings nur, wenn beide Eltern einverstanden sind – und nur, wenn sie sich einigen können, bei wem das Kind wohnt.

Die deutsche Familienrechtsreform 2009 ging einen Schritt weiter. Dort kann ein Kind zwischen Vater und Mutter pendeln; das Gericht kann die gemeinsame Obsorge auch gegen den Willen eines Elternteils anordnen. Das Gesetz war wild umstritten, aber es sendet ein klares Signal an alle Eltern: Ihr werdet euch irgendwie einigen müssen, also einigt euch!

Eltern bleiben, obwohl man die Paarbeziehung beendet hat: In der Theorie klingt das einfach. Im Alltag ist es manchmal zu viel verlangt. Es setzt guten Willen und Rücksichtnahme voraus. Doch kaum eine Familie bricht ohne Kränkungen, Verletzungen und Rachegelüste auseinander; beinahe immer gibt es ökonomische und emotionale Abhängigkeiten. Und gerade da, warnen Anwälte, kann die Obsorgefrage als Machtinstrument eingesetzt werden, um dem Expartner das Leben schwerzu-machen.

Jonni Brem teilt diese Befürchtung aus seiner 25-jährigen Erfahrung als Männerberater. „Männer können mit Kontrollverlust oft sehr schwer umgehen“, meint er. „Viele glauben, sie kriegen mit der gemeinsamen Obsorge die Kontrolle über ihre Ex zurück.“

Das Kind ist dabei oft bloß Mittel zum Zweck. Nicht erst einmal, erzählt Brem, habe er erlebt, wie ein Vater einen erbittert geführten Obsorgestreit gewann, um das Kind anschließend eher desinteressiert zu Verwandten abzuschieben. „Weil es weniger um das Kind ging, sondern mehr ums Prinzip. Ums Gewinnen. Ums Rechthaben.“

Auch Brem hält gleichberechtigte Elternschaft für das Ziel. Aber nach einer Trennung sei definitiv der falsche Zeitpunkt, um damit anzufangen, meint er. Getrennte Eltern zu sein gelinge generell jenen besser, die schon in der Beziehung gelernt hätten, gleichberechtigt Verantwortung zu übernehmen. „Da hat man geübt, wie man die vielen kleinen Alltagsdinge verhandelt und Kompromisse schließt. Und man ist materiell weniger voneinander abhängig.“

Verantwortung in der Familie zu erstreiten, bevor sie zerbricht – wäre das denn nicht ein lohnendes Betätigungsfeld für die Väterrechtsbewegung? Etwa, wenn es um die bessere Vereinbarkeit von Vaterschaft und Beruf geht, um Väterkarenz, Männerteilzeit, Auszeiten?

„Dafür haben wir im Moment keine Zeit und keine Ressourcen“, sagt Oliver Hoffmann. Der Kopf der Männerpartei ist ein kleiner, drahtiger Informatiker, der flink denkt, forsch formuliert und in jeder Sekunde unbändige Freude am Rechthaben ausstrahlt. Aber ein Mann, dem sein Vatersein wichtig ist, müsse doch darum kämpfen wollen, mehr Zeit mit seinen Kindern zu verbringen? „Ich kann keinem Mann raten, Fleißaufgaben zu machen, solange wir nicht die gleichen Rechte haben“, sagt Hoffmann.

„Es geht ums Prinzip“, sagt Hoffmann. Es ist einer jener Sätze, die Jonni Brem aus der Männerberatung bekannt vorkommen dürften.

Hoffmanns wichtigstes Argument ist damit jedoch noch nicht beantwortet. Gibt es im österreichischen Familienrecht tatsächlich Bestimmungen, die Männer diskriminieren?

Im Prinzip nicht. Gesetze sind generell geschlechtsneutral formuliert – von den Unterhaltsbestim-mungen über die Karenzregelungen bis hin zum Gewaltschutz. Es gibt allerdings eine wesentliche Ausnahme, und Hoffmann hat Recht, dass diese weitreichende Folgen hat: Für ein Kind, das unehelich zur Welt kommt, hat die Mutter automatisch die alleinige Obsorge (siehe Randspalte).

Ob sie vom Vater bloß den Vornamen kennt oder mit ihm bereits seit 20 Jahren in einer Beziehung lebt; ob er sich fürs Kind interessiert oder nicht, macht dabei keinen Unterschied: Rechtlich gesehen ist sie Alleinerzieherin. Ohne ihre Zustimmung geht nichts.

Randgruppenphänomen ist das keines. Mittlerweile kommen 30 Prozent aller österreichischen Kinder unehelich zur Welt. Zwar kann die Mutter mit dem Vater gemeinsam zum Bezirksgericht gehen und dort die gemeinsame Obsorge beantragen – doch das geschieht so gut wie nie. In den allermeisten Fällen hängt der Vater rechtlich völlig in der Luft – und kann bei einer Trennung nur auf den guten Willen der Mutter hoffen.

Ist das gerecht? Ist es gut für die Kinder? Torpediert es das Engagement der Väter? Und wie kann man diese Ungleichheit argumentieren, ohne der Meinung anzuhängen, Frauen wären „biologisch“ oder „natürlich“ für Kinder zuständig? Eine schwierige Frage. Hilfreich für ihr Verständnis ist ein historischer Rückgriff: Bis zur Familienrechtsreform 1975 war der Vater der alleinige Vormund seiner ehelichen Kinder. Bei unehelichen Kindern übernahm diese Vaterrolle die Bezirks-hauptmannschaft. Einer unverheirateten Frau die Vormundschaft für ihre Kinder von Geburt an zuzugestehen, war da ein großer emanzipatorischer Fortschritt. Doch ähnlich entmündigt wie die Mütter damals fühlen sich heute manche unverheirateten Väter.

Soll der Staat, um der Gerechtigkeit willen, hier eingreifen? Rechtsanwältin Loacker gefällt diese Idee nicht sehr. „Jede Familie ist unterschiedlich“, gibt sie zu bedenken, „und was prinzipiell gerecht ist, kann im Einzelfall verheerendes Unheil anrichten.“ Auch die Anwältin möchte sich der gleichberechtigten Elternschaft nicht in den Weg stellen. „Aber eine Neuregelung müsste differenziert, durchdacht und im Alltag lebbar sein. Eine punktuelle Änderung bringt nur neue Probleme.“

An dieser Stelle stoßen wir an ein grundsätzliches Dilemma in der Gleichbehandlungspolitik: Sind gesetzliche Regeln dazu da, die Wirklichkeit, so wie sie ist, bestmöglich zu organisieren? Oder sol-len sie ein Ziel definieren, und den Menschen einen Weg weisen?

Der Männerberater Jonni Brem etwa sieht innerhalb der bestehenden Rechtslage genügend Spielraum für Männer, um zu zeigen, wie ernst sie es mit der Vaterschaft meinen. Spielraum, der bis heute ungenützt bleibt. „Um gleichberechtigt zu sein, müssen Männer ihre Bilder von Männlichkeit hinterfragen“, meint er. „Sie müssen sich ernsthaft damit auseinandersetzen, was es zu gewinnen und zu verlieren gibt, wenn man sich aus den traditionellen Geschlechterrollen löst.“ Es läge an einer echten emanzipatorischen Männerbewegung, diese Leerstellen in der öffentlichen Debatte zu füllen. In Skandinavien gibt es diese seit den 70er-Jahren – mit ausdrücklicher Ermunterung von staatlicher Seite. In Österreich hingegen klebt sie hartnäckig an der rechten Seite des politischen Spektrums fest. BZÖ und FPÖ sind zur Stelle, wenn mit dem Feminismus abgerechnet werden soll – und links der Mitte herrscht gähnendes Schweigen.

Auch Oliver Hoffmann fühlt sich nicht wirklich angesprochen, wenn es um echte Gleichberechtigung der Geschlechter geht. Er sieht in der Frauenbewegung keinen logischen Verbündeten, sondern einen Feind.

Warum eigentlich? Die Frage irritiert ihn. „Weil ich die Gesellschaft nicht verändern will“, sagt er dann.

http://www.falter.at/web/print/detail.php?id=1126

Sibylle Hamann über eine neue alte Urangst: Je erfolgreicher eine Frau, desto eher bleibt sie allein. Ist das der Fluch des Feminismus oder die Rache des Patriarchats?
Es gibt Frauen, die sind klug und schön, und solche, die sind dumm und hässlich. Die einen sind erfolgreich, weil sie klug sind, die anderen, weil sie schön sind, die anderen, obwohl sie klug sind. (Es gibt auch viele, die hässlich, klug und erfolglos sind, aber über die wird nicht so viel geschrieben.)

Maureen Dowd, 53 Jahre alt, hat von allem so ziemlich das Beste erwischt. Sie ist sehr klug, sehr schön und sehr erfolgreich. Sie ist Starkolumnistin der „New York Times“, der vielleicht besten Tageszeitung der Welt, die einzige Frau auf der renommierten Meinungsseite „Op-Ed“, die maßgeblich darüber bestimmt, worüber die liberale Ostküsten-Elite jeden Tag am Frühstückstisch diskutiert. Sie bewohnt eine geräumige Wohnung in Manhattan, mit einer Sammlung von Martini-Shakern und einer Sammlung von Meerjungfrauen. Sie hat eine Garderobe, die, wie sie sagt, „von Siegfried und Roy stammen könnte“. Sie ist so stolz auf ihren extravagant schlechten Geschmack, dass es schon wieder Stil hat.

Außerdem ist Maureen Dowd gefürchtet für ihre scharfe Zunge. Obwohl sie ein durch und durch politischer Mensch ist, hat sie nie davor zurückgeschreckt, das Politische als Persönliches zu beschreiben. Aus einer hochtrabend präsidialen Handlung macht sie in wenigen präzisen Federstrichen eine Szene aus einer zweitklassigen Telenovela – wobei sie mit sich selbst ähnlich respektlos umgeht wie mit den Mächtigen. Maureen Dowd hat Glamour, ein stattliches Einkommen und Meinungsautorität. 1999 erhielt sie für ihre Kommentare zur Clinton-Lewinsky-Affäre die höchste Auszeichnung ihrer Branche: den Pulitzer-Preis.

Trotzdem hat sie nicht alles.
Sie hat keinen Mann.

Man kann sich das ungefähr so vorstellen: Broadway, Midtown Manhattan, die Premierenparty eines Musicals. Ein stadtbekannter Produzent rückt an der Bar jovial mit einem Geständnis heraus: Er habe nach seiner letzten Scheidung („between marriages“, wie das in abgeklärten New Yorker Kreisen heißt) überlegt, mit ihr auszugehen. Ihr Job und ihre Prominenz hätten ihn jedoch davon abgehalten – Frauen, die formbar und leicht zu beeindrucken sind, seien eben attraktiver. Schließlich schiebt der Mann noch einen gut gemeinten Ratschlag nach: Was Männer am allermeisten fürchteten, sei eine Frau, die ihre kritischen Fähigkeiten nützt. Wenn Dowd so weitermache, raunt er, werde sie wohl unbemannt bleiben.

An der Szene verblüfft allenfalls die unverblümte Ehrlichkeit. Glaubwürdig klingt sie durchaus. Und weil Maureen Dowd glaubt, nicht die einzige erfolgreiche Frau zu sein, die Derartiges erlebt, leitet sie daraus eine These für das Geschlechterverhältnis insgesamt ab: „Das Aroma männlichen Erfolgs wirkt auf Frauen wie ein Aphrodisiakum. Aber das Parfüm weiblicher Macht wirkt auf Männer abtörnend. Wir haben Jahrzehnte gebraucht, um zu merken: Alles, was wir tun, um uns im Konferenzraum durchzusetzen, sabotiert unsere Chancen im Schlafzimmer.“

Ist „der Fluch der Frauenbewegung“ also die Einsamkeit? Hätte Dowd tatsächlich, wie sie halbironisch anmerkt, ihre Paarungschancen beträchtlich vergrößert, wenn sie – wie die meisten ihrer irischstämmigen Vorfahren – ein Dienstmädchen geblieben wäre?

Es muss sich um eine tief sitzende, universell verbreitete Urangst handeln – anders ist das Echo nicht erklärbar, das Dowd auf ihre launigen Ausführungen bekam. „What’s a Modern Girl to Do?“, ein Essay, der Ende Oktober im „New York Times Magazine“ erschien, gehört zu den am öftesten per Mail weiterverschickten Artikeln aller Zeiten. Ihr nachgeschobenes Buch „Are Men Necessary?“ wird in den USA so leidenschaftlich – und bisweilen gehässig – diskutiert wie zuletzt die Frage, ob der Mensch vom Affen oder doch vom lieben Gott abstammt.

Es mag ein Zufall sein, dass das Thema auch andernorts seinen Kopf in die Höhe reckt. In der deutschen Wochenzeitung „Die Zeit“ legte eine anonyme Hochschullehrerin jüngst dar, wie sie von ihrem Ehemann verlassen wurde, weil sie zu klug, zu erfolgreich, schlicht: „zu gut für ihn“ war – und er sich bei einer neuen, jüngeren Freundin, die andächtiger zu ihm aufblickte, besser aufgehoben fühlte. „Es ist immer dieselbe Geschichte“, schreibt die Autorin bitter. Aber „keiner der involvierten Herren scheint in der Lage zu sein, den trivialen Zuschnitt des Geschehens zu erkennen“.

Und da es zu jedem Trend auch immer irgendwo auf der Welt eine passende Studie gibt, wird zur Unterfütterung des Anekdotischen noch Neues aus der Welt der Wissenschaft nachgereicht. An der University of Michigan wurden in einer Studie Probanden gebeten, Fotos, die angebliche „Vorgesetzte“ und „Untergebene“ zeigten, nach ihrer sexuellen At-traktivität zu bewerten. Das Ergebnis – Männer fühlen sich, wenn sie an einer langfristigen Partnerschaft interessiert sind, signifikant stärker zu Untergebenen hingezogen – fand sei-nen Weg nicht nur in das angesehene Wissenschaftsmagazin „Science“, sondern auch in die Massenmedien.

Die biologische Erklärung für das Phänomen: Männer mit ökonomisch unabhängigen Frauen müssten eher fürchten, betrogen zu werden und ihrer Vaterschaft nicht sicher zu sein.

Von anderen empirischen Daten gelangt Christiane Dienel, Familienforscherin an der Universität Magdeburg, zu ähnlichen Schlüssen: Wenn sich 95 Prozent der 18-jährigen Studienanfängerinnen eine Familie wünschen, aber mit 35 Jahren nur 40 Prozent der Akademikerinnen schließlich eine haben – dann liege das daran, dass ihnen dazwischen die Partner dafür abhanden kommen. Da „mindestens die Hälfte aller akademisch gebildeten Männer unstudierte Frauen wählt“, sei „der Partnermarkt für Akademikerinnen enorm eng“, schreibt Dienel im „Handelsblatt“; der Mann, der sich an eine gebildete 35-Jährige binden wolle, sei so schwer zu finden „wie die Nadel im Heuhaufen“. Nur zwei letzte – etwas unbeholfen anmutende – Tricks fallen der Forscherin da noch ein: entweder jung heiraten (solange noch genügend Männer auf der Matte stehen) oder sich mit „einem Bohemien, einem Künstler“ aus der Verlegenheit retten.

Das grollt alles bedrohlich, und man täuscht sich nicht, wenn man meint, es schon einmal gehört zu haben. Wurden die „Blaustrümpfe“ der ersten Frauenbewegung denn nicht schon im 19. Jahrhundert gewarnt, sie würden mit ihren Zicken niemals unter die Haube kommen? Die Feministin, die verhärmt und sexuell frustriert in ihrer Dachstube vertrocknet, ist eines der ewigen Lieblingssujets in der Geschichte der frauenfeindlichen Polemik.

Dass Feministinnen Haare auf den Zähnen haben, ist heute vielleicht keine ganz ernst zu nehmende Drohung mehr. Doch die moderne Version erscheint nicht viel barmherziger: Passt bloß auf, Mädchen! Es wird euch nicht viel Freude machen, euch gegen das Patriarchat aufzulehnen. Denn das Patriarchat hat eine wirksame Strafe bei der Hand: Liebesentzug.

Allem Anschein nach tragen diese Warnungen heute Früchte. Maureen Dowd muss sich nur in ihrer allerengsten Umgebung umschauen – überall sieht sie Indizien dafür, wie sich Frauen zu ducken versuchen, sich klein machen, ihre Intelligenz und ihren Erfolg verbergen, um geliebt zu werden. Da ist die Freundin, die sich über ihren eben erhaltenen Pulitzer-Preis gar nicht richtig freuen kann, weil sie fürchtet, dass jetzt gar niemand mehr mit ihr ausgehen will. Da sind die Studentinnen der Eliteuniversität Harvard, die beim ersten Flirt schamhaft verschweigen, wo sie studieren, um den armen Mann nicht einzuschüchtern.

In Design, Stil und Kleidung machen sich die fünfziger Jahre breit, die Püppchen mit falschen Wimpern und Stilettos (die Dowd übrigens sehr gern selbst trägt). Gleichzeitig ist da der Schlampenkult in der Popkultur, der brave Buchhalterinnen dazu bringt, im Fitnessstudio Animiertänze zu lernen, um ihre „innere Nutte“ rauszulassen.

Auf den Ratgeberseiten der Frauenmagazine beobachtet Dowd, wie die alten Verführungsspielchen aus der Zeit ihrer Elterngeneration wieder zu prallem Leben erblühen. Da sind sie wieder, die „100 besten Tricks, sich einen Mann zu angeln“: mit einer Locke spielen, schnurren, so tun, als sei man schwer zu kriegen. „Selbst wenn Sie Chefin Ihres eigenen Unternehmens sind – wenn Sie einem Mann gegenüber sitzen, bleiben Sie still und geheimnisvoll, schlagen Sie die Beine übereinander, und lächeln Sie“, empfahl 1995 der Bestseller „The Rules“ („Die Regeln“).

Dazu kommt der Zwang zu körperlicher Perfektion – weil nicht nur die Ansprüche, sondern auch die technischen Möglichkeiten gestiegen sind. Reichte es in den fünfziger Jahren noch, sich in ein Mieder zu zwängen, um die natürlichen Körpermaße zu optimieren, muss man sich heute schon unter Vollnarkose auf den Operationstisch legen. „Jede Frau kann heute wie eine aufblasbare Puppe ausschauen“, lästert Dowd. „Vierzig Jahre nach der Morgendämmerung des Feminismus ist das Ideal weiblicher Schönheit rigider und unnatürlicher denn je zuvor.“

Jede dieser Beobachtungen ist, für sich genommen, irgendwie richtig, und die Autorin hat sie zusammengetragen, weil sie ehrlich empört ist. „Es findet ein Backlash statt“, meint sie und malt in schrecklich bunten Farben den Eroberungszug der anpassungswilligen Kätzchen, die nach Botox statt nach Gleichbehandlung rufen – und sich mit eiskalter Berechnung anschicken, die Betten der Männer und die öffentliche Wahrnehmung zu besetzen.

Dennoch macht die Diagnose bei näherer Betrachtung misstrauisch. Gäbe es für jede Anekdote aus den intellektuellen Schicki-Kreisen Manhattans nicht auch eine Anekdote aus Brooklyn oder New Jersey, die das Gegenteil beweist? Und wie authentisch sind eigentlich die Fakten, auf denen die Analyse beruht?

Um bei der so seriösen „New York Times“ zu bleiben: Vor einigen Wochen erschien dort, prominent auf Seite eins platziert, ein Artikel mit dem Titel „Viele Frauen in Eliteuniversi-täten streben eine Karriere als Mutter an“. Sechzig Prozent der Yale-Studentinnen hätten demnach vor, ihre Diplome im Kasten zu verräumen und Vollzeit-Hausfrauen zu werden. Wer sich die Mühe machte, der Behauptung auf den Grund zu gehen, stieß auf viele Unge-reimtheiten: falsche Zitate, suggestiv formulierte Fragebögen, verzerrende Interpretationen der Anworten. Megan Urry, eine der zitierten Professorinnen für Physik, machte ihrer Em-pörung öffentlich Luft und konterte mit der Gegenprobe in ihrer Klasse: Von 45 Studentin-nen wollten genau zwei Hausfrau und Mutter werden. Der Artikel sei Hype, Quatsch, pure Erfindung.

Die wirklich interessante Frage dabei: Warum schafft es so etwas auf die Titelseite der „New York Times“? Wer versucht hier, einen Trend herbeizureden, der offenbar gar nicht existiert? Und mit welchen Motiven?

Die „New York Times“ steht mit der Beschwörung schiefer Trends nämlich keineswegs alleine da. Hier wird die „neue Häuslichkeit“ ausgerufen, da das „Neo-Biedermeier“, dort die „neue Lust an der Mutterschaft“. Mehrere Hollywoodfilme zeigen derzeit Liebesgeschichten zwischen frustrierten Ehemännern und ihren Kindermädchen/Haushälterinnen. (Die Ehefrauen sind im prototypischen Fall nervtötende, verklemmte Quasseltanten, die Kindermädchen leidenschaftlich, herzlich und der englischen Sprache nicht mächtig. )

Die Trendforscherin Marian Salzman, die der Welt vor drei Jahren den Begriff des „Metrosexuellen“ schenkte, erklärt diesen inzwischen für tot und ruft stattdessen die Ära des „Alpha-Mannes“ aus – eines Mannes, der sich nach den Sicherheiten der präfeministischen Ära zurücksehnt und seine unrasierte Männlichkeit, wie einst seine Großväter, bevorzugt an der frischen Luft, am Lagerfeuer oder beim Angeln auslebt. Seine Gefährtin rührt inzwischen daheim, der neuen Trendsportart Kochen gemäß, das vietnamesische Fondue.

Hier wird offenbar nicht bloß ein So-Sein beschrieben, sondern ein Soll-Sein propagiert. Die Trendforschung, ohnehin ein seltsamer Zwitter aus Kartenlesen und Produktvermarktung, ist von blanker Ideologie-Erzeugung heute kaum mehr zu trennen – in feministischen Fragen sowieso.

Männer sind so, Frauen sind anders; die einen kommen vom Mars, die anderen von der Venus; die einen können nicht zuhören, die anderen müssen immer zu viel lieben; die einen können biologisch nicht treu sein, die andern biologisch nicht einparken. Der Generation Ally folgten die vier, die immer über Sex redeten, und dann die verzweifelten Hausfrauen: Es ist eine massenmedial gehypte Typenparade, die zusehends ermüdet. „Der Kampf der Geschlechter gleitet ins Karikaturistische ab“, bilanziert die Schriftstellerin Katie Roiphe knapp.

Der Erkenntnisgewinn aus den Stereotypisierungen, anfangs noch ein unterhaltendes Partyspiel, tendiert mittlerweile gegen null. Nüchtern betrachtet, besteht er aus einer einzigen, immer gleichen, sehr altmodischen Botschaft: Am Ende geht es doch immer bloß darum, den Richtigen zu finden.

Es schmerzt einige amerikanische Feministinnen zu beobachten, wie sich Maureen Dowd, wenn auch vielleicht unbeabsichtigt, in diese Parade einreiht. Jahrelang war sie, als rothaariger feuerspeiender Drache vom Dienst, ein role model für alle Unerschrockenen und Unkonventionellen. Nun, wo es um Beziehungen geht, verfällt sie jedoch in einen neckischen Tonfall: „Eigentlich brauchen wir Männer heutzutage weder für die Fortpflanzung noch für den Bankkredit. Da fragen wir uns: Werden wir uns trotzdem noch mit euch abgeben? Die Antwort ist: Na ja, wir brauchen euch eher in der Art, wie wir Vanilleeis brauchen. Ihr werdet eher ornamentale Funktion haben.“ Es klingt wie das herzig-altkluge Flirten eines halbwüchsigen Mädchens.

Dowd habe ohne jede Notwendigkeit die weiße Fahne der Kapitulation gehisst, kritisieren Feministinnen. Gloria Steinem, mit 71 Jahren die große alte Dame der amerikanischen Frauenbewegung, nennt das schlicht „läppisch und destruktiv“: „Maureen beschwert sich über Benimmregeln beim Rendezvous – so als ob es beim Feminismus um gar nichts anderes gegangen wäre.“ Jessica Valenti, Proponentin der jüngeren Generation, teilt diese Ansicht: „Feminism is no fucking dating service!“, ruft sie Dowd zu.

Und eigentlich hat die Gescholtene genau das ja schon längst gewusst. Ihr eigenes Leben ist das beste Beispiel dafür, wie weit eine Frau kommen kann, wenn sie sich nur wenig genug darum schert, was andere von ihr erwarten. „Ich habe ein sehr erfülltes Privatleben“, sagt sie in einem Interview mit der britischen Zeitung „The Observer“: „Ich kenne eine Menge Männer, die starke Frauen mögen.“ Dowds – keineswegs geheime – Beziehungsbiografie umfasst Prominenz aus der Glitzerwelt zwischen Wall Street, Hollywood und „People“-Magazin: den Filmproduzenten Aaron Sorkin, Schöpfer von Erfolgsserien wie „West Wing“, „New York Times“-Herausgeber Howell Raines oder Filmschauspieler Michael Douglas (der die Journalistin erst für Catherine Zeta-Jones sitzen ließ).

Sie flirtete mit George Bush senior, während dessen Stabschef schwor, sie „zu vernichten“. Sie zog öffentlich über Bill Clintons Sexualmoral her, während sie mit dessen Stabschef poussierte. Sie wurde gehasst, bewundert, gefürchtet, und gleichzeitig „kann ihr keiner widerstehen“, wie einer ihrer Ex-Lebensgefährten sagt.

„Die feministische Revolution hatte die unerwartete Folge, die Verwirrung zwischen den Geschlechtern zu verstärken. Sie hat die Frauen zu Beginn des 21. Jahrhunderts in ein Gewirr aus Abhängigkeit und Unabhängigkeit verstrickt“, schreibt Dowd. Genau danach lebt sie bis heute. Sie hat über die Stränge geschlagen, übertrieben, sich öffentlich entblößt, ihren Spaß gehabt. Bloß eines hat sie, nach allem, was man von ihr weiß, niemals getan: sich klein gemacht.

Warum also hat Maureen Dowd keinen Mann? Eine nahe liegende Vermutung: weil Unabhängigkeit und Lebenserfahrung anspruchsvoll machen.

Denn wenn es tatsächlich einen Fluch des Feminismus gibt, dann diesen: Irgendeinen Mann braucht keine.

http://www.profil.at/articles/0548/560/127531/frauen-wer

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