Liste Femanzen Bascha Mika (Liste Femanzen)
F19 Bascha Mika – geb. am 17.01.1954 in Polen – Studium der Philosophie, Germanistik und Ethnologie in Bonn und Marburg - Journalistin und Publizistin – ab 1988 bei der Berliner Tageszeitung (taz) – Chefredakteurin der taz von 1998 bis 2009 – Lebensgefährte Carsten Großeholz – Mitglied des Medienrates der Medienanstalt Berlin-Brandenburg – Verleihung des Emma-Journalistinnen-Preises 1994 – Buchveröffentlcihung: „Alice Schwarzer: eine kritische Biografie“ (rororo,1998); "die Feigheit der Frauen" (Bertelsmann,2011) – seit 2003 ist sie Mitglied des Medienrates der Medienanstalt Berlin-Brandenburg - seit 2007 nebenberuflich Honorarprofessorin an der Universität der Künste Berlin – kj-leitung@udk-berlin.de - http://www.taz.de/uploads/images/460x229/bascha.jpg
"Manche, die als Mann gegangen sind, kamen als Mensch zurück."
Das Zitat stammt von TAZ-Chefredakteurin Bascha Mika
und bezieht sich auf Kolegen, die Elternzeit in Anspruch genommen haben.
Die Journalistin Bascha Mika kämpft in einem Buch gegen die "Feigheit der Frauen": Zu viele gut ausgebildete Frauen würden sich einfach unterwerfen. Von Judith Luig
Welt Online: "Bascha Mika schäumt", so wurden Sie bei der Lesung ihres Buches "Die Feigheit der Frauen" (C. Bertelsmann) angekündigt. Warum die Wut?
Bascha Mika: Es ist eher Zorn. Wir Frauen bleiben ständig unter unseren Möglichkeiten und vergeuden unsere Potenziale. Im persönlichen Bereich wie im gesellschaftlichen. Das ist eine Schande.
Welt Online: Wir?
Mika: Die gut ausgebildeten Frauen. Wir wissen alles, wir können alles. Doch wir nutzen es nicht. Selbstverständlich hindern uns auch die Strukturen, die sind Mist. Aber wenn wir nicht die Perspek-tive wechseln und auch bei uns selbst ansetzen, dann wird sich nie etwas ändern. Wir haben jetzt vierzig Jahre nur an den Strukturen gearbeitet – passiert ist kaum etwas. Wenn ich dreimal gegen eine Wand laufe, dann überlege ich mir doch eine andere Richtung, um ans Ziel zu kommen.
Bascha Mika
Geboren 1954 in Komprachcice, Polen, kam Bascha Mika schon als Kind in die Bundesre-publik. Sie studierte Philosophie, Germanistik und Ethnologie in Bonn und Marburg. Sie war Redakteurin, Reporterin und insgesamt 21 Jahre lang bei der taz – elf davon als Chefredakteurin. Bascha Mika gehört zu den wenigen Frauen, die es in der Medienbranche an die Spitze schafften. Als sie die taz im Juli 2009 verließ, sagte sie in einem Interview: „Frauen haben sehr viel mehr Probleme mit weiblichen Führungskräften als Männer.“ Und „Ich hätte mir manchmal gewünscht, dass die Frauen in der Redaktion sich stärker einmischen.“ Mikas kritische Biografie von Alice Schwarzer löste 1998 eine heftige Kontroverse aus. Die „Feigheit der Frauen“ ist ihr zweites Buch. Als Honorarprofessorin an der Universität der Künste Berlin bildet Mika heute journalistischen Nachwuchs aus.
Welt Online: Könnte es nicht sein, dass die Frauen, die Sie ansprechen, vielleicht ganz glücklich sind, mit dem was sie haben? Versorger, Halbtagsjobs, Altbauwohnung und Putzhilfe?
Mika: Die Frauen, die so ein Leben tatsächlich wollen, denen finanzielle Unabhängigkeit nichts bedeutet, die gar nicht auf Augenhöhe mit ihrem Partner sein wollen, die meine ich auch nicht. Ist toll, wenn die glücklich sind. Mir geht es um die Frauen, die für sich den Anspruch formulieren, ich will frei, unabhängig und selbstbestimmt sein. Mich interessiert die Feigheit der Frauen, die eigent-lich mutig sein wollen.
Welt Online: Drückt der Titel Ihren Wunsch aus, so richtig drauf zu hauen?
Mika: Den Vorwurf hat mir auch eine Freundin gemacht. Meine These sei ein Tabubruch weil sich das nach Sarrazin geradezu anbietet. Unsinn. Ich habe bereits vor fünf Jahren einen Vortrag über "feige Frauen" gehalten. Das Thema beschäftigt mich seit langem. Ich will auch nicht draufhauen, sondern überspitze und polemisiere, um das Problem deutlich zu machen. Dass Frauen sich freiwillig unterwerfen, freiwillig ihren Lebensentwurf aufgeben, sich nicht durchsetzen, weil sie den Konflikt scheuen. Kategorien wie Mut und Feigheit sind zwar so ein bisschen aus dem Abenteuerroman entlehnt, ich finde sie aber notwendig. Denn obwohl Frauen inzwischen alle Chancen und Wahlmöglichkeiten haben, brauchen sie auch heute noch Mut, denn der Sog und der Druck der alten Rollen ist sehr stark.
Welt Online: Aber sind Sie nicht ein Gegenbeispiel für Ihre These. Haben Sie nicht extrem viel erreicht? Jahre lang die einzige Chefredakteurin einer deutschen Tageszeitung. Auch noch einer überregionalen?
Mika: Nein, ich kenne diese Feigheit bei mir selbst. Der einzige Unterschied ist vielleicht – ich leide meist mehr darunter, feige zu sein, als wenn ich die Konsequenzen tragen muss, wenn ich mich wehre. Deshalb bin ich ungern feige.
Welt Online: Tatsächlich kenne ich diese Feigheit, die Sie beschreiben, im Privaten und auch im Beruflichen, aus meinem eigenen Umfeld. Aber ich glaube nicht, dass Ihre Analyse stimmt, dass Frauen sich aufgrund alter Rollenbilder vor Konflikten scheuen. Die Frauen zwischen 35 und 45, um die es ja geht, sind doch längst mit anderen weiblichen Vorbildern aufgewachsen.
Mika: Laut einer aktuellen Studie sagen mehr als 60 Prozent der Mütter, sie fühlen sich alleine für die Kinder verantwortlich. Das Ideal der Vollzeitmutter, die nichts anderes als Kinder im Kopf haben soll und darf, existiert nach wie vor.
Welt Online: Interessant ist, dass die Väter sogar noch ein Stück zurückgegangen sind. Viele fügen sich ja noch nicht mal mehr in die klassische Rolle, viele der Latte Macchiato Mütter aus den deutschen Szenevierteln machen mittlerweile die Erfahrung, dass die Männer sich irgendwann selbst finden wollen, und dann die Familie einfach im Stich lassen. Auch finanziell. Dieses Beispiel gibt es ja auch in Ihrem Buch. Wie ist das passiert?
Mika: Das ist keine neue Entwicklung. Männer haben heute die Möglichkeit ihre Rolle an den Stellen anders zu definieren, wo sie ihnen nicht mehr passt. Frauen haben in den vergangenen Jahrzehnten insgesamt mehr Aufgaben übernommen. Zum Bespiel eigenes Geld zu verdienen. Frauen überfordern sich. Wir glauben, eine moderne Rolle übernehmen zu können, ohne uns gleichzeitig von der alten zu verabschieden, während sich Männer in den letzten vierzig Jahren systematisch entlastet haben.
Welt Online: Wollen Frauen vielleicht deswegen nicht streiten um Kinderbetreuung und Hausarbeit, nicht weil sie feigen wären, sondern weil sie ihrer modernen Rolle nicht widersprechen wollen? Zeternd mit dem Nudelholz den säumigen Gatten zu erwarten, welche Frau will schon so sein. Das wäre ein Eingeständnis der Abhängigkeit und gilt außerdem als unsexy. Passt das zu unserem modernen Selbstbild als Frau? Soll eine Frau riskieren zu sagen, um fünf kommt Lea aus der Kita, und ich hole sie nicht ab. Und dann einfach abwarten, was passiert?
Mika: Ich würde das aushandeln, bevor das Kind auf der Straße steht. Mit dem Nudelholz schwenken, ist unproduktiv. So ein Gespräch muss zu einem sehr viel früheren Zeitpunkt passieren. Längst bevor es überhaupt Kinder gibt, ordnen sich manche Frauen den Wünschen ihres Partners unter. Sie haben das Gefühl, ohne Mann sind sie nicht vollständig.
Welt Online: Gibt es eine Mütter-Mafia?
Mika: Nein. Aber ich glaube, dass Frauen ein sehr starkes Bedürfnis haben, dass andere Frauen genau so sein sollen wie sie. Frauen halten Differenzen und Dissidenzen schlecht aus. Wenn eine Frau ein anderes Lebensmodell als sie selbst entwickelt, haben sie schnell das Gefühl, die verrät mich.
Welt Online: Wie sähe denn Ihrer Meinung nach der natürliche Anteil von Frauen in der Führung aus, wenn es keine strukturellen und gesellschaftlichen Zwänge gäbe?
Mika: 50 zu 50.
Welt Online: Was ist für Sie eine Quotenfrau?
Mika: Die gibt es gar nicht. Der Ausdruck ist unsinnig. Der tut so, als gäbe es keine Quotenmänner. Die kommen schließlich auch nicht einzig und alleine durch ihre Qualifikation an die Jobs. Da gibt es Männerbünde, gemeinsame Seilschaften, strategische Bündnisse.
Welt Online: Die Telekom hat die Frauenquote für sich eingeführt, damit das Unternehmen wirtschaftlich profitabler wird. Es geht in der Wirtschaft oft darum, dass Frauen eine spezi-fisch weibliche Fähigkeit zur Kommunikation hätten. Wenn Sie aber Recht haben, und Frauen feige sind, wozu nützte dann diese vermeintlich spezifisch weibliche Fähigkeit? Wohl nicht zum Verhandeln sondern nur zum Labern.
Mika: Quatsch, gerade im gemischten Team kann man voneinander lernen. Haben Frauen qua Sozialisation eine bessere Kommunikations-Fähigkeit und eine höhere soziale Kompetenz, können Männer das von ihnen lernen, Frauen lernen dann die Konfliktfähigkeit.
Welt Online: Sind wir von Machos umzingelt?
Mika: Ja. Die Machos sehen heute nur nicht mehr so aus, sie reden auch nicht mehr so. Aber verhalten sich noch genau so. Wenn noch nicht mal ein Fünftel der Männer unter 19 Jahren sagt, wir wollen eine gleichberechtigte Beziehung mit unserer Partnerin, dann wissen wir doch, was uns erwartet.
Bascha Mika: "Die Feigheit der Frauen: Rollenfallen und Geiselmentalität. Eine Streitschrift wider den Selbstbetrug", C. Bertelsmann Verlag, 256 Seiten, 14,99 Euro.
taz: Guten Tag, Bascha.
Bascha Mika: Wollt ihr mich quälen?
Später. Erst mal eine unverfängliche Frage. Du bist elf Jahre lang Chefredakteurin der taz gewesen - viel länger als alle deine Vorgänger. Warum?
Weil ich gut bin. Und weil ich Respekt vor den tazlern habe, die hier für einen Hungerlohn arbeiten. Den Redakteuren gehört ja die Zeitung. So wollen sie behandelt werden und nicht als Untergebene.
Du kannst auch kaum Journalisten von außen holen und denen dann einen Haufen Geld geben.
Das geht gar nicht.
Also hast du geführt, indem du der Redaktion das Gefühl gegeben hast, dass es um sie geht?
Klar. Das ist auch ein Machtinstrument. Wer in der taz 11 Jahre Chefredakteurin ist, muss guten Journalismus mit sozialer Kompetenz und ganz viel Kommunikationsvermögen verbinden.
Überschätzt du dich nicht ein wenig? 1998 war doch die Zeit einfach reif für Kontinuität - weil die taz selbst keine Lust mehr auf den Dauerclinch zwischen Redaktion und Chefs hatte.
Sehr freundlich! Und typisch, dass bei Frauen der Erfolg nicht ihr eigenes Verdienst sein soll. Die taz hat sich von einem linksalternativen Projekt in ein modernes Unternehmen verwandelt. Für diesen Prozess, von null Hierarchien zu flachen Hierarchien, gab es ja kein Vorbild. Dieser Prozess war harte Arbeit und ist längst noch nicht abgeschlossen.
Du warst, für taz-Verhältnisse, ungewohnt freundlich und hast den Redakteuren oft erst mal recht gegeben. Genau das ist aber manchen auf die Nerven gegangen. Was ist dir denn bei der Redaktion auf die Nerven gegangen?
Es gibt diese seltsame Sehnsucht nach jemand, der führt - aber keine unangenehmen Entscheidungen treffen soll. Das blitzt immer mal wieder auf. Es gibt ein frei flottierendes Bedürfnis in der Redaktion nach autoritären, aber unverbindlichen Gesten. Ich finde das merkwürdig gerade bei Leuten, die von sich behaupten, nicht autoritär strukturiert zu sein.
Das erinnert an die Grünen, die basisdemokratisch begannen und in den 90er-Jahren von Joschka Fischer autoritär regiert wurden - informell, denn Parteichef war er ja nie.
Ja, so ähnlich. Gegen formale Hierarchien gibt es in der taz ein ausgeprägtes, teilweise auch gesundes Misstrauen. Doch in den informellen Hierarchien gibt es genau diese Geste freiwilliger Unterwerfung. Ich habe kürzlich aus der Redaktion gehört, dass die taz eine starke innere Führung brauche. Aber hallo - das ist ein Begriff aus der Bundeswehr.
Diese Zwiespältigkeit Macht und Autorität gegenüber stammt doch aus der linksalternativen Szene, die so doch längst nicht mehr existiert.
Das ist ja das Erstaunliche. Die Redaktion hat sich in den 21 Jahren, in denen ich hier arbeite, zigmal umgekrempelt. Trotzdem gibt es bestimmte Haltungen, die bleiben. Es gibt in der taz ein prägendes kollektives Gedächtnis, das Verhaltensweisen tradiert.
Die taz hat sich, so sehen es jedenfalls viele andere Zeitungen, in den letzten zehn Jahren von links in die Mitte der Gesellschaft bewegt. Sie ist etablierter und auch von anderen Medien akzeptiert. Welchen Preis hat die taz dafür bezahlt?
Die taz soll keine linke Zeitung mehr sein? Was ist das denn für ein Quatsch! Mir war es wichtig, dass die taz sich auf Augenhöhe mit anderen Zeitungen bewegt. Dass die Kollegen anderer Blätter gerne schreiben, dass die taz nicht mehr richtig links, nicht mehr bissig und gemein ist, das ist doch eine Projektion. Sie brauchen uns als die, die immer ganz anders sind, die sich immer trauen, was sie sich selbst nicht trauen. Und bitte: Dass die taz lügt und ihre Ideale verrät, das stand in Kreuzberg schon vor 25 Jahren an den Häuserwänden.
Mag sein. Aber die Frage war, ob die taz, politisch und publizistisch, auf dem Weg in die Mitte etwas verloren hat.
Nein. Für mich war und ist die taz eine linke Zeitung, die intelligent, unterhaltsam und respektlos ist. Es gab immer Bestrebungen in der Redaktion, der taz irgendwie eine einheitliche Blattlinie zu geben. Aber wir sind ein pluralistischer Laden. Und das heißt: Jeder hier muss eine Menge Positionen ertragen, die ihm ums Verrecken nicht passen. Mein Ziel war es immer, diese zum Teil sehr heterogenen Ansätze in der Zeitung zu halten. Es wäre der Tod der taz, wenn sie sich in die linksalternative Nische zurückzieht. Das würde manchem vielleicht passen, aber dort wird die Zeitung nicht überleben. Weil ihr das Publikum fehlt.
An wie viele Putschversuche gegen dich kannst du dich erinnern?
An keine. Aber als ich 1998 gemeinsam mit Michael Rediske und Klaudia Brunst die Chefredaktion bildete, gab es enorme Aggression gegen uns. Ich war richtig schockiert, denn vorher als Reporterin war ich Everybodys Darling. Alle mochten meine Reportagen, alle mochten mich.
Und dann?
Dann kam ich in die Chefredaktion - und wurde von einem Tag auf den anderen gehasst. Es war, als hätte jemand einen Schalter umgelegt. Damals hatte ich bei jeder Redaktionskonferenz, die ich leitete, das Gefühl: Die wollen dich am liebsten absägen.
Warum kam es nicht so weit?
Weil Michael Rediske und Klaudia Brunst gingen und ich dann ein Dreivierteljahr allein Chefin war - ohne Stellvertreter. Da ist diese Aggressionsfront in sich zusammengebrochen. Denn gegen eine einzelne Person, die versucht, den Laden zusammenzuhalten, braucht man solche Abwehrmechanismen nicht. Da muss man lernen zusammenzuarbeiten.
In der Redaktion gibt es manche Frauen, die nicht allzu gut mit dir zurechtgekommen sind. Es gab allerdings auch Männer …
… danke.
Aber manche Redakteurinnen lehnen dich besondern heftig ab. Warum?
Frauen haben sehr viel mehr Probleme mit weiblichen Führungskräften als Männer. Männer verhalten sich eher wie im Rudel, wenn sie einmal ein Leittier akzeptiert haben, dann haben sie danach kein Problem mehr mit Führung. Frauen reagieren anders. Sie sehen in einer weiblichen Führungsperson stärker sich selbst gespiegelt. In Jungsgruppen gehört Wettbewerb selbstverständlich dazu. Die sportliche Auseinandersetzung, das Kämpfen, das Rivalisieren, ohne dass das zu Feindschaft und Hass führen muss. Wenn ein Mädchen aus seiner Gruppe den Kopf rausstreckt, mögen die anderen das überhaupt nicht. Und diese Phänomene setzen sich im Verhältnis zu Chefinnen durch: Sie ist ja nur eine von uns, sie will aber was Besseres sein.
Klingt enttäuscht.
Ich hätte mir manchmal gewünscht, dass die Frauen in der Redaktion sich stärker einmischen. Es gibt viele taz-Frauen, die machen einen tollen Job, aber sie wollen sich aus bestimmten Auseinandersetzungen heraushalten. Weil sie sagen: Das sind doch Jungsgeschichten. Wir wollen an diesen Hahnenkämpfen nicht teilnehmen. Das war für mich wirklich eine große Enttäuschung.
Chefinnen sollen emotional sein, nicht bedrohlich auftreten - aber auch Macht und Führung repräsentieren. Das passt alles eigentlich überhaupt nicht zusammen. Wie hast du das gelöst?
Na ja, diese Männlich/weiblich-Zuschreibungen sind doch Klischees. Ein moderner Führungsstil, so wie ich ihn verstehe, ist eine Mischung aus sogenannten männlichen und sogenannten weiblichen Elementen. Und das heißt, mit Respekt und freundlich aufzutreten, aber in der Sache sein Ding durchzuziehen. Und zwar mit Härte, auch dir selbst gegenüber.
Was bedeutet Härte dir selbst gegenüber?
Ein Indianer kennt keinen Schmerz, und eine Indianerin auch nicht. Wenn ich ein Weichei gewesen wäre, dann wäre ich in dem ersten Dreivierteljahr als Chefin schreiend aus der Redaktion gelaufen. Dieses Gefühl: Da ist ein System, zu dem du gehört hast und das dich jetzt abstößt, war brutal. Am Marterpfahl zu stehen ist kein besonders schönes Gefühl.
Das klingt so, als hättest du hier keinen Spaß gehabt.
Nein, im Gegenteil, ich hatte schon eine glückliche Zeit. Im Frühsommer meines fünften Jahres in der Chefredaktion hieß es eines Tages, ich solle auf den Dachgarten kommen. Da standen Unmengen von Leuten aus Verlag und Redaktion und haben eine Überraschungsparty für mich gemacht. Das war klasse. Da sind mir echt die Tränen gekommen.
Wenn tazler die Zeitung verlassen, folgt oft eine Phase der Verbitterung. Später kommt Verklärung. In welchem Stadium befindest du dich gerade?
Ach, ich habe alle Phasen schon mehrfach durch. Enttäuschung, Bitterkeit, Wut bis hin zu Hass, aber auch Phasen von Begeisterung und Leidenschaft und wirklich großer Liebe zu dieser Zeitung. Im Moment ist es eine Mischung aus Melancholie und großer Sorge um die Zukunft der taz. Aber auch innere Unruhe, weil für mich etwas Neues ansteht. Zwischen-durch blitzt schon mal eine Ahnung von Freiheit auf. Aber das ist längst noch nicht das dominierende Gefühl.
"Im privaten Umfeld etwas ändern"
Ex-taz-Chefredakteurin Bascha Mika hat ein Buch über feige Frauen geschrieben. Sie meint: Über das Patriarchat wissen wir alles, nun müssen wir den Blick auf unsere Liebesbeziehungen lenken.INTERVIEW: S. SCHMOLLACK UND I. KAPPERT
taz: Frau Mika, in Ihrem Buch sagen Sie, Frauen seien feige, bequem und vermaust. Für wen haben Sie das Buch geschrieben?
Bascha Mika: Ich wende mich an die gut ausgebildeten Frauen. Sie haben heute die größ-ten Wahlmöglichkeiten und damit auch eine größere Verantwortung für ihr Leben.
Frauen verbauen sich viele Chancen, weil sie sich freiwillig unterordnen. Das geht schon sehr früh los, bereits zu Beginn einer Liebesbeziehung übernehmen sie häufig die Prioritäten ihrer Männer. Beispielsweise indem sie fast immer die größere Verantwortung für den gemeinsamen Haushalt schultern. Oder dass es Frauen sind, die ihren Männern folgen, wenn die in einer anderen Stadt einen Job bekommen.
Das trifft sicher nur auf wenige Frauen zu.
Schön wär's. Was Hausarbeit angeht, sprechen alle Untersuchungen eine andere Sprache. Und mir geht es ja um Frauen, die ein selbstbestimmtes Leben führen wollen, die unabhängig, frei und gleich sein wollen. Aber diesem Anspruch an sich selbst werden sie häufig nicht gerecht.
In Ihrem Buch sprechen Sie von "allen Frauen".
Von allen Frauen spreche ich nur im Zusammenhang des männlichen Systems. Weil wir alle dieses System auf die ein oder andere Art stützen. So eine Verallgemeinerung ist notwendig, um die überindividuellen Muster in unserem Verhalten aufzudecken. Dabei geht es mir um eine Ansprache auf Augenhöhe. Das "Wir", das ich im Buch häufig verwende, ist also ein Angebot zu einem Dialog untereinander.
Mit wie vielen Frauen haben Sie gesprochen? Mit dreißig oder mit hundert?
Um Himmels willen, ich habe doch keine Umfrage gemacht. Aber da ich mich seit fast fünf Jahren mit dem Thema beschäftige, habe ich - auch öffentlich - bestimmt mit hunderten Frauen diskutiert und geredet. Die Geschichten, die ich erzähle, sind ein kleiner Ausschnitt daraus. Sie sind nicht repräsentativ im Sinne einer wissenschaftlichen Erhebung, sondern stehen beispielhaft. Das ist ein Unterschied.
Tatsächlich?
Selbstverständlich. Denn es sind individuelle Geschichten, an denen sich aber überindivi-duelle Muster zeigen.
Was war der Ausgangspunkt Ihrer Recherche?
Vor einigen Jahren wurde ich von einer Uni zu einer feministischen Ringvorlesung eingeladen. Bereits damals nannte ich meinen Vortrag "Feige Frau". Ich hatte erwartet, dass ich von den Zuhörerinnen Schläge kriege, aber das Gegenteil war der Fall: Viele Studentinnen sagten mir, dass meine Thesen sie nicht aufregen, sondern zum Nachdenken anregen.
Sie beschreiben in Ihrem Buch Mittelschichtsfrauen aus dem Westen. Ostfrauen, die vielfach anders leben, kommen bei Ihnen nicht vor.
Im Osten sind die Frauen meistens tatsächlich anders gestrickt. Ich habe mich aber bewusst dagegen entschieden, sie als besondere Gruppe zu beschreiben, weil sie rein quantitativ leider nicht so sehr ins Gewicht fallen.
Die Protagonistinnen im Buch sind anonymisiert. Warum?
Das war der Wunsch der meisten Frauen. Hier geht es ja um sehr persönliche Geschichten. Und da ist es verständlich, wenn die Protagonistinnen nicht mit ihren privaten Erlebnissen in der Öffentlichkeit stehen wollen.
Warum haben Sie nicht mit Männern gesprochen?
Hab ich ja. Unter anderem mit den Experten, die ich zitiere. Aber Männer interessieren mich in diesem Zusammenhang kaum. Wir wissen doch fast alles über das männliche System.
Sie sagen, Frauen rücken freiwillig hinter Männer. Wäre es nicht interessant, zu erfahren, wie Männer das sehen?
Es ging mir um das, was Frauen über ihr Leben erzählen, was sie selbst als ihre Wahrheit und ihre Realität beschreiben. Die will ich nicht von Männern hören.
Entlassen Sie die Männer aus ihrer Verantwortung?
Quatsch! Wenn sich Frauen in ihrem persönlichen Umfeld der traditionellen Rolle verweigern, werden sich Männer noch umsehen. Aber das sind zwei völlig verschiedene Aspekte. Ich will ja die Frauen erreichen und nicht die Männer.
Haben Sie ein klassisches Frauenbuch geschrieben?
Wenn Sie so wollen, ja.
Wird es die Republik verändern?
Es wäre schon toll, wenn es eine Debatte auslöst, die wir meiner Meinung nach dringend führen müssen. Ich rechne damit, dass ich mir jede Menge Widerspruch einhandle. Aber auch der ist wichtig. Wir haben lange über die Strukturen geredet, das müssen wir auch weiterhin tun. Aber wir brauchen darüber hinaus eine neue Perspektive. Denn der subjektive Faktor spielt eben auch eine Rolle. Er ist einer der Gründe dafür, dass sich die Verhältnisse so wenig geändert haben.
Der Gleichstellungsbericht der Bundesregierung, der gerade veröffentlicht wurde, zeigt deutlich, dass es Strukturen sind, die Frauen daran hindern, Karriere und Familie zu vereinbaren.
Richtig. In bestimmten gesellschaftlichen Bereichen, zum Beispiel wenn es um den Aufstieg im Beruf geht, sind die Strukturen so stark, dass Frauen da kaum etwas machen können. Aber es gibt eben auch ihr privates Umfeld, da können sie durchaus etwas ändern.
Was?
Es geht immer um die Frage: Sind Frauen und Männer in ihrer Partnerschaft auf Augenhöhe oder folgen sie den traditionellen Mustern? Im modernen Diskurs zwischen Paaren heißt es, dass man alles gerecht teilen will. Aber heraus kommt dann doch immer wieder die alte Kiste.
Die eigentlichen Probleme beginnen, wenn Kinder kommen.
Ja. Aber warum stecken denn immer die Frauen zurück? Warum sagen sie nicht: So, Schatz, jetzt reduzieren wir beide von Vollzeit auf Teilzeit?
Warum machen Frauen das nicht?
Aus Angst vor Konflikten. Konflikte stören die Harmonie, möglicherweise die Versorgung und die Liebesbeziehung. Das alles könnten Frauen im Ernstfall verlieren.
Sie waren elf Jahre lang Chefredakteurin der taz und stehen damit für einen anderen Lebensentwurf.
Ich war nie ausschließlich auf den Beruf konzentriert. Zwar habe ich immer viel gearbeitet, aber meine Beziehungen waren mir sehr wichtig.
Können Sie uns ein Beispiel geben?
Ich habe nicht laut "Hier!" geschrien, als es um die Besetzung der taz-Chefredaktion ging. Sondern gewartet, bis ich gefragt wurde. Obwohl ich davon überzeugt war, dass ich es konnte.
Waren Sie feige?
Ja. Nicht über den eigenen Schatten springen zu können ist für mich Feigheit. Ich dachte damals, ich mache mich angreifbar, wenn ich mich hinstelle und sage: Ich will!
Warum?
Wer sich in den Ring begibt, fordert auch die Gegner heraus. Ich kann nur sagen: Mein Verhalten war typisch weiblich. Und typisch weiblich reagiere ich auch an anderen Stellen.
Haben Sie Ihre "weiblichen Elemente" während Ihrer taz-Zeit hinter sich gelassen?
Ich habe viel gelernt. Ich stand damals in der ersten Reihe, da blieb mir nichts anderes übrig, als zu sagen: Entweder ich mache den Job, dann bin angreifbar und muss das aushalten. Oder ich verzichte. Es war eine der größten Mutproben meines Lebens, die taz-Chefredaktion war damals ein Kamikaze-Unternehmen. Und es gab kaum jemanden aus meinem Umfeld, der mir zugeraten hat. Fast alle, vor allem meine Freundinnen, haben mich gewarnt. Häufig mit dem schönen Frauenspruch: Warum willst du dir das antun?
Bestätigt die Zeit in der taz Ihre These, dass Frauen feiger sind als Männer?
Nicht feiger. Ich setze Frauen nicht ins Verhältnis zu Männern.
Zu wem setzen Sie "die Frauen" dann ins Verhältnis?
Zu ihren eigenen Ansprüchen. Und die taz ist ein Ausschnitt der Gesellschaft. Aber es gibt Abweichungen: taz-Väter gehen überdurchschnittlich oft in Elternzeit und taz-Frauen überdurchschnittlich oft in die Chefredaktion. Die taz ermöglicht es wesentlich mehr Frauen, mutig zu sein. Trotzdem ist die taz kein Hort der Emanzipation. Die männlich dominierten Strukturen sind dort genauso spürbar wie anderswo. Und es gibt auch taz-Frauen, die freiwillig zurückstecken.
Wie sieht denn die Frau aus, die nicht feige, bequem und vermaust ist?
Ich habe keinen Ratgeber geschrieben, ich kann also auch keine Tipps geben. Aber es würde mich sehr freuen, wenn eine Frau sagt: Ich will eine gleichberechtigte Beziehung auf Augenhöhe führen. Und wenn es um Entscheidungen geht - selbst bei so alltäglichen Dingen wie Hausarbeit -, versuche ich, so zu handeln, dass ich meinen Ansprüchen gerecht werde. So was ganz Schlichtes.
Der heimliche Rückzug der Frauen
Bascha Mika: Die Feigheit der Frauen: Rollenfallen und Geiselmentalität
Von Astrid Prange
Bascha Mika, die ehemalige Chefredakteurin der taz, beklagt die weibliche Feigheit. Denn: so ihr Vorwurf: Die Frauen träumen von einem Reihenhaus statt die Chefetage für sich zu beanspruchen. Sie wollen kuscheln, nicht kämpfen.
Keine Frau sagt: Ich will einen Beruf, mit dem ich mich, meine Kinder, meinen Mann, ein Haus, zwei Autos und den Urlaub für die Familie finanzieren kann. Sie sehen sich also unbewusst an der Seite von je-mandem, der genug Geld verdient. Wissen Frauen noch immer nichts Besseres mit ihrem Leben anzufangen, als sich hinter dem Rücken ihrer Männer zu verkriechen? Und was hat diese Verkrümel-Mentalität mit ihrem Anspruch auf ein selbstbestimmtes Leben zu tun?
Für die "Flucht in die Komfortzone", wie die Autorin den heimlichen Rückzug der Frauen in traditionelle Rollenbilder nennt, gibt es viele Gründe. Drei erscheinen Bascha Mika besonders wichtig: Die mangelnde Bereitschaft von Vätern, für die Familie auf die berufliche Karriere zu verzichten; die unzureichende Versorgung mit Kindertagesstätten, und die freiwillige Unterwerfung der Frauen, die ihre Liebesbeziehung als Lebensversicherung missverstehen und folglich ihren Beruf vernachlässigen. Doch wer der ehemaligen taz-Chefredakteurin vorwirft, ihre Geschlechtsgenossinnen zu beschimpfen oder gar einen neuen Frauenkrieg anzuzetteln, liegt falsch. Bascha Mika geht es vielmehr darum, die anscheinend so selbstsichere Generation junger Frauen wachzurütteln und sie vor den typischen "Fallen" zu warnen. Sie will, dass Frauen auch beim Thema Kinder einen kühlen Kopf bewahren:
Ich würde mich freuen, wenn Frauen an biografischen Schnittstellen vielleicht einen Moment innehalten und darüber nachdenken, was für Konsequenzen ihre Entscheidungen haben. Jutta Allmendinger, die Soziologin, hat dafür einen sehr schönen Begriff. Sie sagt, Frauen müssen lernen, ihr Leben von hinten her zu denken. Dass ich mir dann einen Moment überlege, wie ist es denn, wenn ich jetzt Mitte 50 bin? Wo möchte ich dann als Frau stehen? Wenn ich dieses Ziel vor Augen habe, kann ich vielleicht heute besser Entscheidungen treffen, damit ich dort auch wirklich ankomme, wo ich in 25 oder 30 Jahren sein will.
Liegt die wahre Emanzipation also in einer strategischen Lebensplanung? Ist der vermeintliche Kampf der Geschlechter schon lange vorbei? Bascha Mika reißt Frauen aus ihrer Opferrolle und macht sie zu Täterinnen. Sie konfrontiert sie mit ihren eigenen Idealen und stachelt sie an. Kampfgeist und Mut statt Selbsttäuschung und faule Ausreden lautet ihr Motto.
Junge Frauen wollen Beruf und Familie unbedingt miteinander vereinbaren. Doch schon vor zehn Jahren gab es sehr viele gut ausgebildete Frauen. Auch sie wollten alles. Und was haben diese heute 30 - bis 40-Jährigen erreicht? Sind sie nicht scharenweise aus ihren Berufen geflüchtet, haben ihre Kinder zum Lebensziel erklärt und lassen sich von ihren Männern versorgen? Ich kann heutzutage als junge Frau mit einem typisch weiblichen Verhalten ein Spitzen-Abi machen. Ich kann auch ein sensationell gutes Studium hinlegen. Doch keiner sagt mir, dass mich dieses typisch weibliche Verhalten anschließend massiv benachteiligt.
Die Bilanz ist also bitter. Noch immer arbeiten Mütter in Westdeutschland auch zehn Jahre nach der Geburt ihres letzten Kindes nur rund 25 Stunden pro Woche. Noch immer werden Frauen schlechter bezahlt als Männer. Noch immer ist ihr Anteil an Führungspositionen in Großunternehmen minimal, so minimal, dass selbst die siebenfache Mutter und Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen nun gegen den Willen der Kanzlerin eine Quote forderte. Doch Bascha Mika will nicht alle Mütter zu Managerinnen machen. Sie will, dass Frauen sich endlich von überzogenen Erwartungen freimachen.
Sie müssen sich hundertprozentig um die Kinder kümmern, sie müssen einen ganz tollen Haushalt führen, sie wollen ihren Beruf irgendwie auch sehr gut machen, und dann wollen sie natürlich auch noch die beste aller Ehefrauen sein. Und alles zusammen geht einfach nicht. Ich glaube, Frauen überfordern sich sehr schnell, wenn sie das Gefühl haben, sie müssten einer traditionellen Rolle gerecht werden und gleichzeitig versuchen, in einer modernen Frauenrolle auch noch alles hinzukriegen.
Als besondere Belastung empfindet die Autorin den deutschen Muttermythos. Danach können weder der Vater noch eine Tagesmutter und auch keine Kita das Kind im gleichen Maße umsorgen und fördern wie die leibliche Mutter. Dieses Verständnis von Mutterliebe, so argumentiert die Autorin, mache Frauen zu Sklavinnen. Bascha Mikas Vorbild ist ihre Mutter, die fünf Kinder großgezogen hat und sich dennoch in einem stressigen Job behauptete.
Wir brauchen den Beruf für uns. Wenn wir uns in das alte Muttermuster pressen lassen, verabschieden wir uns von der Vielfalt, die wir als Frau leben können. Dann frist uns die
Mutter auf. Wir müssen der Angst, nicht geliebt zu werden, nicht nachgeben. Warum bleiben wir nicht stolz und vertrauen darauf, dass wir liebenswürdig und liebesfähig sind?
Bascha Mika provoziert. Sie legt den Finger auf die wunde weibliche Seele. Sie ruft Schuldgefühle und Empörung hervor. Sie warnt vor unnötigem Warten auf bessere Zeiten. Doch ihre Streitschrift ist kein Pamphlet, ihre Argumente beruhen auf Fakten. Mikas Buch beweist, dass in jeder Beziehung der Keim für gesellschaftliche Veränderung steckt.
http://www.dradio.de/dlf/sendungen/andruck/1382855/
"Rudelverhalten ist typisch männlich"
Viele Frauen würden gerne Spitzenpositionen einnehmen, doch es gelingt ihnen nicht, sagt Bascha Mika, die klar für eine gesetzliche Frauenquote votiert. Im Interview erklärt die Journalistin und ehemalige taz-Chefredakteurin, warum trotz der bereits zehn Jahre währenden Selbstverpflichtung der Unternehmen, mehr Führungspositionen mit Frauen zu besetzen, Chefinnen noch immer Mangelware sind.
ARD.de: Frau Mika, an der Spitze großer Unternehmen gibt es noch immer kaum Frauen. Liegt das, wie der Titel Ihres Buches "Die Feigheit der Frauen" vermuten lässt, hauptsächlich an den Frauen?
Quotenfrau für die Quote: Bascha Mika, ehemalige taz-Chefredakteurin.
Bascha Mika: Nein! Wer sagt das? Ich nicht! Gerade in den Spitzenpositionen der Wirtschaft sind die männlich dominierten Strukturen wahnsinnig stark. Da zerschellen Frauen massenweise an der gläsernen Decke.
Aber warum ist das so, warum schaffen es Frauen nicht in die Spitzenpositionen?
Weil Männer auch eine Quote haben, nach der sie sich ständig selbst rekrutieren. Die heißt bei ihnen natürlich nicht Quote. Aber sie haben ihre Netzwerke, sie haben Ihre Kanäle, ihre gegenseitigen Unterstützungszirkel, spezifische Kommunikationssysteme und eigene Selbstverständniscodes. Das sind alles Rituale, die meiner Meinung nach genau denselben Effekt haben wie eine fast 100-prozentige Männerquote. Und gerade in Spitzenpositionen der Wirtschaft steht die Bastion.
Und das zu ändern, geht nur über die Quote?
Ja, wobei natürlich 30 Prozent [die Forderung von Ursula von der Leyen, Anm. d. Red.] zu wenig sind. Es muss so lange eine 50-Prozent-Quote geben, bis wir sie als Instrument wegschmeißen können, weil sie ja nur eine Krücke ist. Wir versuchen es seit Jahrzehnten mit anderen Methoden. Vor zehn Jahren wurde diese berühmte Selbstverpflichtungserklärung der Wirtschaft abgegeben. Und wir merken doch, es bringt nichts. Deswegen finde ich es richtig erschütternd, was Angela Merkel sagt. Sie tut so, als käme man jetzt auf die Idee, der Wirtschaft eine Selbstverpflichtung anzutragen, als hätten wir nicht schon viele Jahre grottige Erfahrungen damit gemacht.
Jetzt kann man dem entgegenhalten, dass das Ganze kulturgeschichtlich gewachsen ist. Frauen haben bestimmte Aufgaben, Männer haben bestimmte Aufgaben. Frauen wollen sich dem Wettbewerb nicht stellen, sie wollen diese Opfer nicht bringen.
Sind in Skandinavien nicht auch Jahrtausende alte Männerstrukturen aufgebrochen worden? Und zwar mit Erfolg? Selbstverständlich wollen nicht alle Frauen in Spitzenjobs, selbstverständlich wollen nicht alle Frauen diese Opfer bringen.
Wenn man sich Statistiken anguckt, dann kann man grob sagen, ein Viertel der Frauen in den westlichen Ländern will sich hauptsächlich um Familie und Kinder konzentrieren. Dann gibt es die Mitte, von fast 50 Prozent, die sagen, wir wollen Familie, Kinder, den Liebsten und den Beruf verbinden. Das sind die Frauen, mit denen ich mich in meinem Buch beschäftige. Dann gibt es aber noch das letzte Viertel, das sind Frauen, die sich hauptsächlich auf den Beruf konzentrieren wollen. Und zumindest unter ihnen werden sich relativ schnell sehr gute Frauen finden lassen, die Topjobs nicht nur können, sondern auch wollen.
Sorgte bereits vor Erscheinen für Zündstoff: Bascha Mikas Streitschrift "Die Feigheit der Frauen".
In Ihrem Buch schreiben Sie aber, dass viele Frauen zu bequem sind, dass sie sich mit den Strukturen zufrieden geben, so wie sie sind.
Das stimmt. Aber da geht es um die Frauen, die sagen, wir wollen ein selbstbestimmtes Leben führen - und dann trotzdem in den traditionellen Rollen landen. Diese Frauen treten für ihren Lebensentwurf nicht genügend ein, scheuen die Konflikte, ihn durchzusetzen und verabschieden sich von Unabhängigkeit und Eigenständigkeit, weil das Stolpern in die alte Rolle so bequem erscheint.
Haben Sie eine Erklärung dafür?
Die Tiefenpsychologie versucht, Erklärungsmuster dafür zu finden. Es gibt psychoanalytische Deutungen, warum Frauen eher als Männer bereit sind, sich im Geschlechterverhältnis unterzuordnen. Warum sie in Liebesbeziehungen freiwillig die männlichen Bedürfnisse zu ihren Bedürfnissen machen.
Nehmen wir so ein schlichtes Beispiel wie Hausarbeit. Alle Untersuchungen zeigen: Frauen wollen, dass man sich in der Partnerschaft die Hausarbeit teilt. Alle Untersuchungen zeigen auch: Männer wollen das nicht. Und statt dass die Frauen sagen: "Liebster, so geht das nicht!", übernehmen sie brav den Haushaltsbrösel. So kommen dann diese üblen Zahlen zustande, die man im Bericht des Familienministeriums nachlesen kann: Dass zwei Drittel der deutschen Frauen die gesamte Hausarbeit fast allein erledigen. Noch immer!
Was müssen Frauen tun, wenn sie an die Spitze wollen. Müssen sie männlicher werden?
Unsinn. Um es ganz klar zu sagen: Weder alle Frauen, noch alle Männer wollen an die Spitze. Wir alle brauchen einen Beruf, weil wir so im öffentlichen Raum präsent sind, weil wir Selbstbestätigung bekommen, weil Arbeit einen Lebenssinn stiftet und weil er finanziell unabhängig macht. Ich halte es für völligen Quatsch zu sagen, Frauen müssen werden wie die Männer. Warum hat denn die Wirtschaft erkannt, dass die Betriebsergebnisse besser werden, wenn auch Frauen in Entscheiderpositionen vertreten sind? Frauen bringen offenbar durch ihre Sozialisation spezifische Fähigkeiten mit, die man bei Männern sehr viel weniger findet. Zum Beispiel Kommunikationsfähigkeit, hohe soziale Kompetenz, Multitasking. Andererseits brauchen Frauen auch so genannte männliche Eigenschaften im Job.
Wie zum Beispiel Ellbogenmentalität oder Wettbewerbswille?
Durchsetzungsfähigkeit gehört garantiert dazu und der Spaß am sportlichen Wettbewerb, Ellbogenmentalität muss es nun nicht gerade sein. Als Frau, aber auch als Mann, ist es nicht schlecht zu versuchen, sich bei den besten so genannten männlichen und weiblichen Eigenschaften zu bedienen.
Welchen Handlungsbedarf sehen Sie konkret bei den Männern?
Die Strukturen in der Wirtschaft sind enorm zählebig. Deshalb braucht es nicht nur den Druck von Frauen, es muss auch die klugen Männer an der Spitze der Unternehmen geben, so wie es die Telekom vorgemacht hat.
Sind Männer lieber unter sich?
Ja klar.
Warum eigentlich?
Sie geben sich der Illusion hin, das wäre einfacher und gut so. Es ist aber Mist.
Warum denken Männer in solchen Rudelkategorien?
Rudelverhalten ist typisch männlich. Und wer die Macht hat, wird selbstverständlich versuchen, diese Macht zu erhalten.
Sie selbst haben es an die Spitze einer der wichtigsten überregionalen Tageszeitungen geschafft. Als Quotenfrau. Haben Sie ein Problem damit?
Im Gegenteil, ich bin stolz drauf. Denn die taz ist doch das beste Beispiel dafür, wie sinnvoll eine Quote ist. Die taz war das erste quotierte Unternehmen der Republik. Und zwar mit einer 50-Prozent-Quote. Während es heute noch immer keine einzige Frau bei einer überregionalen Tageszeitung als Chefin gibt, war ich in der taz bereits die dritte Chefin. Außerdem bin ich ein gutes Beispiel dafür, dass sich Quote und Qualifikation mitnichten ausschließen. Denn ab einem bestimmten Punkt hat es mit Qualifikation überhaupt nichts mehr zu tun, ob Frauen es bis nach oben schaffen.
Das Interview führte Rachel Schröder.
http://www.ard.de/kultur/pro-frauenquote-bascha-mika/-/id=1878/nid=1878/did=1791288/1rs2mst/
„Sexisten sind kommunikationsunfähige Sozio-pathen“
INTERVIEW MIT BASCHA MIKA30. JANUAR 2013
picture alliance
„Für die Brüderle-Unterstützer ist Sexismus ein Alltagsphänomen – das ist Steinzeit“, sagt Bascha Mika
Ja, wir haben ein Sexismus-Problem, sagt Ex-taz-Chefredakteurin Bascha Mika. Daran würden auch die Bemü-hungen einiger Politiker, „Altherren-Witze“ als Alltagsphänomen kleinzureden, nichts ändern. Im Interview rechnet die Journalistin mit der Macho-Riege ab
Frau Mika, haben wir in Deutschland tatsächlich ein derart großes Sexismus-Problem, wie es die aktuelle Debatte vermuten lässt?
Es wäre naiv so zu tun, als hätten wir damit kein Problem. Wir leben in einer männerdominierten Gesellschaft. Überall dort, wo die Machtverhältnisse ungleich verteilt sind, wird Macht ausgespielt –auch im sexuellen Bereich.
Sexismus lässt sich demnach mit Machtspielchen übersetzen?
Das ist der entscheidende Punkt. Wir reden schon lange nicht mehr über Rainer Brüderle und auch nicht über die Gelüste älterer Männer. Wir reden darüber, was das für eine Gesellschaft ist, in der es unendlich viele Männer für selbstverständlich halten, dass Frauen ihnen zur Verfügung stehen. Dabei ist klar: Wenn sich zwei Menschen einig sind, dann ist im sexuellen und erotischen Bereich unendlich viel möglich. Doch ohne Einverständnis geht gar nichts.
Aber kann ein Mann immer so leicht erkennen, ob sein weibliches Gegenüber einverstanden ist?
Übergriffige Männer befinden sich in einem vorzivilisatorischen Zustand, schrieb die Berliner Zeitung. Das ist hübsch gesagt, aber ich halte Männer nicht für zurückgebliebene Kreaturen. Selbstverständlich können sie Grenzen erkennen. Selbstverständlich merken sie, ob ihr Handeln auf Zustimmung stößt oder nicht. Wer sich dazu nicht in der Lage sieht, erklärt sich zum kommunikationsunfähigen Soziopathen.
Machen wir es konkret: Ein Mann, der auf der Straße einer Frau hinterherpfeift – ist das sexuelle Belästigung oder fällt das noch unter Kompliment?
Es gibt sicher Frauen, für die das ein Kompliment ist. Andere empfinden es als Belästigung. Wir sprechen hier von subjektiven Grenzen. Niemand bestreitet, dass wir uns in einem Graubereich befinden.
Ein Sportlehrer, der beim Bockspringen Hilfestellung gibt und seiner Schülerin dabei an den Po fasst – ist das ein sexueller Übergriff?
Solche Beispiele sind unsinnig. Es kommt immer auf die Situation und die Beziehung an. Wenn ich Sie als „blöde Kuh“ bezeichne, ist das eine Beleidigung. Wenn ich es ironisch zu meiner Schwester sage, ist es etwas völlig anderes. Und was das Verhältnis von Lehrern und Schülern angeht - das ist besonders heikel, weil es sich hier um Schutzbefohlene handelt.
Aber besteht nicht die Gefahr, dass Männer, eben weil es so schwer ist Grenzen zu ziehen, unbeabsichtigt in die Täterrolle rutschen?
Sprich: Männer sind unsensibel und nicht in der Lage zu merken, was der Andere will? Ist das nicht ein ziemlich sexistisches Denken?
Brüderles „Altherrenwitz“ fällt also klar in die Kategorie Sexismus?
Wenn das, was die Kollegin aufgeschrieben hat, seine Richtigkeit hat – und davon gehe ich aus – war Brüderle übergriffig. Sie wollte mit ihm über Politik reden, er starrt ihr auf die Brüste und macht schlüpfrige Bemerkungen. Diese Situation ist relativ eindeutig.
Bis heute hat sich Brüderle weder zu den Vorwürfen geäußert, noch hat er sich bei Laura Himmelreich entschuldigt. Weil er sich keiner Schuld bewusst ist? Was vermuten Sie?
Wir wissen nicht, was Rainer Brüderle denkt. Eine Entschuldigung wäre angebracht. Das heißt aber nicht, dass damit die Debatte beendet ist. In unserer hypersexualisierten Gesellschaft wird uns permanent Sex und Erotik als Ware angeboten – und zwar meist im Zusammenhang mit dem weiblichen Körper. Das führt dazu, dass dieser Körper als verfügbar gilt, vor allem für Männer. Das ist die Grundlage für sexuelle Übergriffe. Darüber müssen wir reden!
Statt Brüderle haben sich andere FDP-Politiker zu Wort gemeldet. FDP-Generalsekretär Patrick Döring etwa sagte, Brüderle sei ein „charmanter Mann“ und die Vorwürfe „aufgebauscht“. Die jungen Liberalen Rheinland-Pflanz forderten für den „unfairen Artikel“ eine Entschuldigung vom Stern ein.
Unsäglich! Rainer Brüderle ist ein charmanter älterer Herr mit einer speziellen Art zu flirten – hallo? Geht es hier ums Flirten? Das ist unverschämt verharmlosend. Hätten wir es nicht schon vorher gewusst, wäre hier der Beweis, dass wir diese Debatte führen müssen.
Wibke Bruhns versuchte am vergangenen Sonntag bei Günther Jauch das Problem als naturgegeben zu erklären – Männer sind Stiere, Frauen sind Kühe. Das sei nun mal so...
Genau, und wenn der Stier der Kuh zu nahe kommt, muss die Kuh sich wehren. So ist das weibliche Leben. Ach, wirklich? Wenn selbst eine Frau, die ich sehr schätze, solche Beispiele benutzt, leben wir vielleicht doch noch in einem vorzivilisatorischen Zustand.
Das Problem liegt nicht bei der Frau, die zu feige ist, sich zu wehren?
Hier geht es nicht um Feigheit.
In den vergangenen Tagen haben immer häufiger Männer Konter gegeben und beklagt, sie seien auch Opfer – das würde aber niemanden interessieren.
Ich wein‘ gleich.
Sie sind anscheinend anderer Meinung…
Selbstverständlich werden auch Männer belästigt und darauf hinzuweisen, gehört zur öffentlichen Auseinandersetzung dazu. Aber: In einer männerdominierten Gesellschaft sind in der Regel Frauen die Opfer von Sexismus, und das ist ein Massenphänomen. Wir reden über Machtverhältnisse. Und die sind in unserer Gesellschaft eindeutig verteilt. Ein Mann muss sich selten davor fürchten, von einer Frau sexuell übergriffig behandelt oder gar vergewaltigt zu werden.
Sexismus ist absolut kein neues Thema. Warum ist es dennoch so plötzlich akut?
Die Brüderle-Debatte hat eine Büchse der Pandora geöffnet. Junge Frauen, wachsen heute – glücklicherweise – mit dem Gefühl auf, sie seien frei und gleich. Irgendwann stellen sie dann fest, dass die Verhältnisse vielleicht doch nicht so gleich sind, dass es Diskriminierung und Sexismus noch immer gibt. Durch diesen Vorfall haben viele Frauen offenbar festgestellt, dass sie mit ihrer Erfahrung, als sexuelles Objekt behandelt zu werden, nicht alleine sind. Das hat diese unglaublich starke Reaktion ausgelöst.
Einerseits debattieren wir sehr pathetisch über Sexismus, andererseits geht Christian Ulmen am 14.Februar auf Tele 5 mit der Show „Who wants to fuck my girlfriend” auf Sendung. Wie passt das zusammen?
Echt?
Ja. Zwei Männer treten gegeneinander an –beziehungsweise deren Freundinnen. Die müssen nämlich Punkte sammeln. Wer die meisten anzüglichen Angebote von anderen Männern kassiert hat, gewinnt. Als Preis gibt es für den Mann der Gewinnerin eine schöne Scherpe mit der Aufschrift „Everyone wants to fuck my girlfriend“.
Das kann nicht wahr sein. Warum geht so ein Dreck auf Sendung und wieso gibt sich irgendjemand dafür her? Hier muss sich unsere ganze Kultur ändern.
Und wie?
Wir müssen dafür sorgen, dass sexistische Anmache gesellschaftlich nicht akzeptiert wird. Für die Brüderle-Unterstützer ist Sexismus ein Alltagsphänomen, das zur Beziehung von Männern und Frauen einfach dazugehört. Das ist Steinzeit. Das Ziel muss sein, das Machtgefälle aufzuheben. Wenn sich Männer und Frauen auf Augenhö-he begegnen, dann wird es mit den sexuellen Übergriffen nicht mehr so einfach.
Bascha Mika ist Journalistin und Publizistin. Von 1999 bis 2009 war sie Chefredakteurin der „taz“.
Das Gespräch führte Jana Illhardt
http://www.cicero.de/berliner-republik/sexisten-sind-kommunikationsunfaehige-soziopathen/53338
Als Frau ist man ja einiges gewöhnt. "Frauen sind dämlich", erklärte die Autorin Barbara Bierach 2005, Frauen unterwerfen sich einem "Diktat eines neuen Naturalismus", sagte Elisabeth Badinter in "Der Konflikt. Die Frau und die Mutter" 2010, "Frauen sind lieber schön als schlau", schreibt Natasha Walter in "Living Dolls". Und nun auch noch das: "Frauen sind feige", sagt Bascha Mika auf dem Podium der Urania. Sie sind bequem, "vermaust" und abhängig von ihrem Liebsten. Wenn man nicht wüsste, dass all das nur ein Wachrütteln sein soll, könnte man langsam ganz schön sauer werden.
Bascha Mika, elf Jahre lang Chefredakteurin der "taz", ist auf Konfrontation und Skandal aus. Ihr neues Buch heißt "Die Feigheit der Frauen" und falls irgendjemand noch Zweifel hat, sollte er den Untertitel lesen: "Rollenfallen und Geiselmentalität" heißt er.
"Die Feigheit der Frauen" zeigt die desaströse Situation der Gleichberechtigung, aber diesmal geht es nicht um gesellschaftliche Teilhabe, es geht ums Eingemachte, genauer gesagt um den Abwasch. Jahrzehnte der Frauenbewegung haben die Frauen nicht vom Herd weggeholt, mehr als 60 Prozent der Frauen fühlen sich alleine für die Kinder verantwortlich. "Er bezahlt in bar, sie in Lebenszeit. Diese Frauen staffieren ihre kleinen Mädchen mit einem "rosa Tsunami" zu Prinzessinnen aus, legen ihr Glück in die Partnerschaft und fühlen sich emanzipiert, wenn sie mit einem Smartphone am Sandkastenrand sitzen – soweit Mikas Bestandsaufnahme. "Latte Macchiato-Mütter", so nennt Mika die Frauen deren Credo sei: "Das Sein ist das Versorgtsein."
Kein richtiger Streit
Schuld daran, so folgert Mika, sind die Frauen selbst. Da zählt sie sich auch lächelnd mit dazu: "Die alten Strukturen sichern uns einen Platz, den wir kennen, ihn zu wählen ist risikolos und bequem." Und so wie der Abend lief, kann sich Bascha Mika bestätigt sehen. Eine junge Alleinerziehende erklärte, wie sehr sie Mika für dieses Buch dankbar sei. Die Autorin spreche ihr aus dem Herzen. Eine andere, aus der Muttergeneration, wollte das Buch sofort für ihre Tochter kaufen, die sie in der "Feigheit der Frauen" wieder erkannte. Wem die These nicht passte, der murrte leise vor sich hin. So richtig zum Streit kam es nicht.
Mika hätte ihren Angriff zu keinem besseren Zeitpunkt herausbringen können. Die Arbeitsministerin hat Macho-Firmen den Kampf angesagt, die Frauen-Quote ist das Gespräch der Stunde, und jetzt wird auch noch die erste Ministerin im Amt ein Kind bekommen. Dementsprechend groß war der Andrang zur ersten Lesung, vorwiegend kamen Frauen, vorwiegend solche aus Mikas Jahrgang (1954), aber es gab auch Männer und jüngere Frauen, die sich den angesagten Streit anhören wollten. Es dominierte das linke Milieu einer vergangenen Zeit. Vorne weg Bascha Mika, bestens gelaunt in einer nadelstreifigen Pluderhose und Bluse in Dessous-Optik. Sie ist die Angenehme unter den Unbequemen. Als Chefredakteurin der taz hat sie die linke Zeitung salonfähig gemacht. Mit ihrer eigenen Art engagiert zu diskutieren, ohne ausfallend zu sein, ist sie gern gesehen auf Podiumsdiskussionen und im Fernsehen. Mit ihrer Annäherung an die ideologischen Feinde der taz hat sie sich viel Kritik eingehandelt. Ein Titel, der auf totale Provokation setzt, war daher nicht von ihr zu erwarten. Vor dem Saal, schon vor der Veranstaltung sagt eine offensichtlich kampfeslustige Frau: "Also mir passt das gar nicht. Das ist doch dieselbe Masche wie Thilo Sarrazin. Hauptsache draufhauen." – "Überhaupt", stimmt ihr die Nachbarin zu. "wer sind denn bitte 'wir' Frauen? Das ist doch alles viel komplexer und vielschichtiger."
Frauen sind Deserteure
Frauen, so liest Mika aus ihrem Buch, sind Deserteure. Ewig lockt das Weibsein. Junge, gut ausgebil-dete Frauen biegen auf ihrem Weg nach oben rechts ab, weil ihr Freund in eine andere Stadt zieht oder einen neuen Job bekommt, für den sie ihm diskussionslos den Rücken freihalten will. Irgendwann mal wollten die Frauen aus Mikas Beispielen beides, Kinder und Karriere. Jetzt muss ihnen eines reichen. Solange Frauen mit dieser Entscheidung glücklich seien, sei Mika das ganz gleich, erklärt sie, schwierig würde es erst, wenn sie das nicht sind. Mika verliest die Geschichte einer Eva, die einen Mann trifft, der weiß, was er will und darüber selbst vergießt, was sie eigentlich will und stattdessen Kinder bekommt. "Frauen treiben sich selbst in die Falle. Wir betrügen uns selbst", sagt Mika.
Luzia Braun, die Moderatorin des Abends, ist das, man merkt es deutlich, zu einfach argumentiert. Man dürfe doch die Strukturen nicht vergessen, und schon gar nicht die Männer, die diese erhalten. "Wenn man die Strukturen nicht ändert, erreicht man gar nichts." Mika widerspricht nicht, aber Frauen seien schließlich Mittäterinnen ihrer Unterdrückung.
Die Diskussion, die folgt, ist eine Zeitreise. Der erste erboste Zuruf aus dem Publikum: "Mich würde mal interessieren, ob sie Kinder haben? Sind sie überhaupt verheiratet?" Nein. "Na dann können sie doch gar nicht mitreden." Eine andere Dame schimpft: "Sie sind doch nur unglücklich mit ihrem Leben." Ein weiterer Einwurf: "Vielleicht spielt bei Ihnen ja auch der Neid eine Rolle, auf die Frauen die eine Familie haben." Wer Kritik übt, bleibt schön persönlich.
An die These von Mika macht sich keiner richtig ran. Viele stimmen ihr zu. Fast ganz zum Schluss fasst eine Zuhörerin den Abend hübsch zusammen: "Ich fühle mich ein bisschen an die 60er Jahre erinnert."
--
Die ultimative Dienstleistungsoffensive des Antifeminismus
Ein bisschen Frauenhass steht jedem Mann!
wikimannia statt femipedia