Liste Femanzen Prof. Dr. Friederike Maier (Liste Femanzen)
F23 Prof. Dr. Friederike Maier geboren 1954 - Studium der Volkwirtschaftslehre an der FU Berlin - Direktorin des Harriet Taylor Mill-Institus der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Arbeitsmarktpolitik und Frauen und Ökonomie – Postanschrift: Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin, Campus Schönberg, Badensche Straße 52, 10825 Berlin – Expertin für Arbeitsmarktpolitik, Sozialpolitik, geschlechtsspezifische Aspekte in den Wirtschaftswissenschaften – gründete 1999 zusammen mit Angela Fieder die efas (economics, feminism and science). Es soll sowohl geschlechtsbezogene Forschungen und Lehrangebote in der Ökonomie fördern als auch der Vernetzung und Unterstützung von Wirtschaftswissenschaftlerinnen, besonders auch Nachwuchswissenschaftlerinnen, dienen. Deutsche Expertin im Netzwerk „Gender Equality and Employment“ der Europäischen Kommission (1992-2012) – Inhaberin des Gleichtstellungsinstituts als Dependance des Harriet Taylor Mill-Instituts in Berlin - www.gleichstellungsinstitut.de – friemaie@hwr-berlin.de - friederike.maier@hwr-berlin.de - http://www.gender-curricula.com/uploads/tx_p2gc/friederike-maier_01.jpg
taz: Frau Maier, Opel beschäftigt zu 92 Prozent Männer, Arcandor zu drei Viertel Frauen. Opel wird gerettet, Arcandor nicht. Ist das gerecht?
Friederike Maier: Es wird auf jeden Fall mit zweierlei Maß gemessen. Die beiden Branchen werden in Deutschland sehr unterschiedlich bewertet, was nicht ganz zufällig mit dem Geschlecht der dort Arbeitenden korreliert.
Die Autoindustrie ist der Politik wichtiger als der Handel?
Ja. Dabei kommen mehrere Selbstdefinitionen zusammen: Deutschland begreift sich als Industriestandort, als Autoproduzent und als Exportnation. Der Handel ist in dieser Wahrnehmung etwas ganz anderes. Er ist lokal, er produziert nicht.
Die Industrie schafft die Werte, die der Handel nur verteilt, lautet das Argument.
Das ist ein ganz alter volkswirtschaftlicher Irrglaube. Wir haben eine internationale Arbeitsteilung. Da ist die Frage: Wer muss was produzieren? Müssen die Deutschen Autos bauen? Vielleicht können die Koreaner das wirklich besser. Und wir können dafür vielleicht etwas anderes: Intelligente Dienstleistungen, Software, Solaranlagen. Eine kapitalistische Gesellschaft muss nicht selbst alles produzieren. Sie kann auch Handel treiben, sie kann mit Dienstleistungen reich werden, wie die Schweiz.
Nun ist Karstadt kein so gutes Beispiel für Wachstum.
Opel hat Autos produziert, die keine Käufer gefunden haben. Wo ist der Unterschied?
Für Opel gibt es eine Exportzukunft, für Karstadt nicht.
Auf dem internationalen Automarkt gibt es ebenfalls eine Überproduktion, insbesondere im Mittelklasse-Segment. Aber weil die deutsche Politik so an die Autoindustrie glaubt, wird sie gestützt. Genauso gut hätte man Konsumgutscheine ausgeben können, für Kinderkleider oder Flachbildschirme, das hätte Arcandor Zeit für eine Neuausrichtung gegeben. Nicht einzelne Rettungsaktionen sondern ein klarer konturiertes Konjunkturprogramm wäre hier gefragt. Der Staat muss entweder die Geschäftspolitik mitbestimmen können oder die Finger von solchen Unternehmen lassen.
Und ist es nun Zufall, dass vorwiegend Frauenarbeitsplätze über die Wupper gehen?
Nein. In der sogenannten Kernindustrie sind die guten Jobs für die "Familienernährer". Frauenarbeit wird als Zuverdienst wahrgenommen. Das kann durchaus auch die Industrie sein. Aber auch die frauendominierten Industrien hat man in den siebziger Jahren sang- und klanglos sterben lassen: Textilindustrie, Bekleidung, Nahrungsmittel.
Die SPD hat als erstes darauf hingewiesen, dass man bei Arcandor vor allem Frauenarbeitsplätze retten sollte.
Dass die SPD hier einen Gender-Aspekt aufgreift, ist bemerkenswert. Früher hätte man gesagt: Die Industrie ist unser Hauptaugenmerk, alles andere ist abgeleitet. "Das sind ja nur Arbeitsplätze von Frauen", das sagt heute keiner mehr. Aber die Frage ist: Folgt daraus irgend etwas?
Trotz des Arguments "Frauen" wollen zwei Drittel der Deutschen keine Arcandor-Rettung.
Aber nicht, weil sie gegen Frauenarbeitsplätze sind, sondern weil sie nicht einsehen, dass sie mit ihren Steuergeldern für Managementfehler bezahlen sollen. Die Eigentümer haben die Gewinne privatisiert, nun wollen sie die Verluste so-zialisieren. Das mag die Bevölkerung nicht.
http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=sw&dig=2008%2F06%2F20%2Fa0170&cHash=a1c74c41ad
Deutschlandradio Kultur, Zeitfragen
28. Dezember 2009,19.30 Uhr
Ist die Krise weiblich –
oder ein Konjunkturpaket für mehr Geschlechtergerechtigkeit?
Eine Sendung von Mandy Schielke
O-Ton Monika Schulz-Strelow Ich glaube, was zu der männlichen Ausprägung der
Krise gehört, ist das Thema Macht und ist das Thema Gier.
O-Ton Friederike Maier
Wenn große Unternehmen Frauen gehören, werden die nicht unbedingt besser
geführt.
O-Ton Franziska Ihle
Ich stelle eigentlich fest, dass Männer irgendwo in einer Sinnkrise stecken.
O-Ton Jürgen Trittin
Wir sorgen dafür, dass in den Aufsichtsräten der genetische Defekt von Männern,
nämlich spekulieren zu müssen, ein Stück ausgeglichen wird.
O-Ton Monika Schulz-Strelow
Die Bilder, die mir da in den Kopf kamen und die dann auch in vielen Interviews zum
Ausdruck kamen, war doch die, dass die Frau dann doch noch einmal die Funktion
der Trümmerfrau übernommen hat.
Sprecher vom Dienst:
Ist die Krise weiblich - oder ein Konjunkturpaket für mehr Geschlechtergerechtigkeit?
Von Mandy Schielke
O-Ton Sonja Fries
Ich mache ein wunderschönes Armband in der Hoffnung, dass es im
Vorweihnachtsgeschäft verkauft wird. Das ist jetzt kein Auftrag. Aber ich hatte eben
Lust etwas Eigenständiges zu machen.
Sprecherin:
Ein breiter, eng anliegender Armreif. Ein androgynes Schmückstück. Der Verschluss
muss noch ran.
O-Ton Sonja Fries
Und zwar soll das wie ein Druckknopf wirken und das wird dann nur noch so
übereinander gelegt, hat solch einen Snap.
Sprecherin:
Sonja Fries ist Goldschmiedin. Zwölf Jahre hat sie in New York gearbeitet bevor sie
sich mit ihrem Atelier in Berlin-Mitte selbstständig gemacht hat. Im Spätsommer
2008.
O-Ton Sonja Fries
Im August habe ich New York verlassen, direkt vor der Krise. Ich habe New York
noch blühend und geldwedelnd erlebt. Geld hat im Prinzip nur auf dieser Plastikkarte
stattgefunden. Man hat Geld ausgegeben wie man lustig war.Da war der Ringkauf
am Abend nach der Arbeit, wie für andere Leute, ja Wurst und Baguette noch mit
nach Hause zu nehmen. Da sind Kunden bei uns im East Village vorbeigekommen,
die sich Ringe zwischen 200 und 300 Dollar, ohne mit der Wimper zu zucken,
mitgenommen haben. Und hier in Berlin habe ich meine Preise erst einmal halbieren
müssen. Ich bin in Berlin mit dem Gefühl der Krise gestartet. Da hatte ich schon das
Gefühl, dass es einem erst einmal die Luft abschnürt.
Sprecherin:
Die Konsequenz: kleine Schritte. Die Goldschmiedin übernahm Reparaturen,
erarbeitete sich so nach und nach das Vertrauen der Nachbarschaft. Die
Investitionskosten hielt sie so niedrig wie möglich. Durchhalten, darum ging es im
ersten Jahr ihrer Selbstständigkeit.
O-Ton Sonja Fries
Es kam ganz oft so Anmerkungen, mmhhh, das muss ich mir jetzt erst einmal
überlegen, das muss ich jetzt erst einmal zusammensparen, das kann ich mir aus
dem Stehgreif jetzt nicht leisten. Und dann kamen oft auch so Kommentare, ob man
Silber jetzt auch als Investition sehen kann, ob man Silber auch wieder versetzen
kann, wenn es einmal Engpässe gibt.
Sprecherin:
Sonja Fries findet, dass Berlin ein guter Ort für Krisen ist. Denn durch die, im
Vergleich zu New York, lächerlich niedrige Ladenmiete, konnte sie sich auch in den
einnahmeschwachen Monaten über Wasser halten. Außerdem: auf Krisensituationen
könne sie sich als Frau sowieso ganz gut einstellen.
O-Ton Sonja Fries
Die sind sicherlich fähiger zu haushalten und flexibler auf momentane Situationen
eingehen zu können.
Sprecherin:
Frauen bewältigen Krisen – beruflich oder privat – besser als Männer, sagt auch die
Berliner Psychotherapeutin Franziska Ihle. Ihre Praxis am Alexanderplatz eröffnete
sie im Frühjahr 2008.
O-Ton Franziska Ihle
Ich hatte hier angefangen mit drei Patienten in der ersten Woche. Das waren Leute
mit Angst- und Panikstörungen und auch mit Depressionen. Was ich in diesem Jahr
eben sehr stark mitkriege, was sich halt gesteigert hat, viele Leute kommen mit
Burn-out Syndromen. Waren es früher vorwiegend Frauen, sind es jetzt eher
Männer, die hier in die Praxis kommen.
Sprecherin:
Zwei Drittel ihrer Patienten sind inzwischen Männer, Männer die mit dem Druck am
Arbeitsplatz nicht mehr klar kommen und ihre Jobs von der Wirtschaftskrise bedroht
sehen. Zeigt sich also gerade jetzt in der Krise, dass die vermeintlich kühlen Köpfe
weiblich sind?
O-Ton Franziska Ihle
Ich stelle eigentlich fest, dass Männer in einer Sinnkrise stecken. Der Beruf ist ja sehr
wichtig. Wenn alles nicht so läuft, wie es laufen soll, dann kommen sie doch schneller
in eine Sinnkrise als eine Frau. Frauen können doch mehr aushalten, Frauen sind
leidensfähiger.
Sprecher:
Und genau deshalb ist die Krise, behaupten Ökonomen und Politiker, gerade nicht
weiblich. Nein. Sie ist männlich, denn die Männer sind davon schließlich auch
betroffen. Das zeigt sich auf dem Arbeitsmarkt. Vor allem Männer und nicht Frauen
waren es, die im vergangenen Jahr ihre Jobs verloren haben.
In den USA, wo der Arbeitsmarkt deutlich stärker als hierzulande erschüttert wurde,
ist übrigens nicht mehr von einer „recession“, sondern von einer „he-cession“ die
Rede.
Sprecher:
Männlich, weiblich? Welches Geschlecht hat die Krise? Ein flüchtiger Blick der
Ökonomin Friederike Maier von der Fachhochschule für Wirtschaft und Recht in
Berlin auf die Köpfe der Wirtschafts- und Finanzkrise:
O-Ton Friederike Maier
Alan Greenspan für die amerikanische Zentralbank zum Beispiel. Natürlich fällt
einem Herr Ackermann ein.
Sprecherin:
Josef Ackermann, Deutsche Bank. Außerdem die Chefs der Landesbanken, HSH
Nordbank, WestLB, SachsenLB, LBBW, BayernLB und der Ex-Vorstandsvorsitzende
von Deutschlands Krisenbank Nummer eins: Hypo Real Estate.
O-Ton Friederike Maier
Unfähige Manager gibt es ziemlich viele, unter anderen Herr Middelhoff.
Sprecher:
Thomas Middelhoff galt lange als Popstar unter Deutschlands Konzernchefs. Doch
bei Arcandor scheiterte er grandios.
Sprecherin:
Der Frauenanteil in deutschen Vorstandsetagen liegt Studien zu Folge bei 2,5
Prozent. Noch ein Indiz für die Schuldfrage. Die Frauen können es also gar nicht
gewesen sein.
Sprecher:
Fazit: Krisen-Verursacher: männlich.
Sprecherin:
Nachdem die Bundesregierung Milliarden in die Banken gepumpt hatte, wollte sie
auch die private und öffentliche Nachfrage steigern und beschloss zwei
Konjunkturpakete, investierte beispielsweise in den Straßenbau, einigte sich auf die
Abwrackprämie für Autos und verlängerte das Kurzarbeitergeld. Finanzspritzen für
Männerbranchen.
Sprecher:
Fazit: Krisenhilfe: männlich.
O-Ton Friederike Maier
Es wird alles getan um die Männerarbeitsplätze zu retten.
Sprecherin:
Denn die Krise, erklärt Friederike Maier, Professorin für Verteilung und Sozialpolitik,
trifft jetzt vor allem das verarbeitende Gewerbe, den Maschinenbau, die
Bauwirtschaft, die Autoindustrie oder die Computerbranche - Jobs, die Männer
haben.
Sprecher:
Fazit: Krisenopfer: männlich
O-Ton Friederike Maier
In der Kurzarbeit stecken im Wesentlichen Männer. Die Betriebe, die Kurzarbeit
beantragen, sind in den Kernbereichen der Industrie. Da arbeiten vor allem Männer.
Die Kurzarbeit ist ein Instrument, das die Männerarbeitsplätze rettet. Während
vergleichbare Probleme im Handel nicht über Kurzarbeit geregelt werden. Woolworth
hat keine Kurzarbeit beantragt sondern Insolvenz. Karstadt hat keine Kurzarbeit
beantragt, sondern Insolvenz.
Sprecherin:
So wurden die Bandarbeiter von Opel gerettet, die Verkäuferinnen von Arcandor
aber aufgegeben! Ohnehin ist für Friederike Maier die Definition der Krise als
Männerkrise sehr kurzfristig gedacht. Es stimme zwar, dass im Moment Branchen
betroffen seien, in denen vor allem Männer tätig sind, vergessen werde bei der
Analyse: Männerkrise hingegen, wo das Geld später fehlen werde.
O-Ton Friederike Maier
Es wird dann zu einer Frauenkrise, wenn auf diese öffentlichen
Konjunkturprogramme im nächsten Schritt darauf reagiert wird. Dass man sagt, wir
müssen jetzt die öffentlichen Ausgaben einschränken und das dann konzentriert auf
die Bereiche des öffentlichen Sektors, wo wir einen starken Frauenanteil haben.
Kinderbetreuung, Bildungseinrichtungen, Altenpflege, Gesundheitswesen. Wenn wir
in der nächsten Runde zu Einsparungen in diesen Bereichen kommen, heißt das,
Frauenarbeitsplätze werden betroffen sein.
Sprecherin:
Auf die Männerkrise könnte also eine Frauenkrise folgen. Denn während die
Statistiken zeigen, dass die Rezession im ersten Schritt vor allem
sozialversicherungspflichtige Männer-Jobs verschluckt hat, werden, so die
Ökonomin, im zweiten Schritt Frauen-Jobs verloren gehen: qualifizierte Arbeitsplätze
im öffentlichen Sektor, aber auch Stellen im Niedriglohnbereich. Und dort sind
immerhin zwei Drittel der Beschäftigten Frauen. Und Minijobs, so die Expertin, seien
in Deutschland sowieso Beschäftigungsverhältnisse, in den vor allem Frauen
stecken.
O-Ton Friederike Maier
Männer in Minijobs - das kennen wir praktisch nicht. Das sind Rentner oder
Studenten. Wenn Männer Minijobs machen, dann wenn sie Rentner sind oder
Studenten. Aber die Kerngruppe zwischen 20 und 55 bei den Männern, die machen
keine Minijobs. Und wenn, sagen wir, Lidl in der nächsten Runde beschließt, das
Personal um 10.000 Leute zu reduzieren, dann trifft das Frauen, deren soziale Lage
ohnehin schon sehr schlecht war und deren Chancen auf Wiederbeschäftigung
ziemlich gering sind.
Sprecherin:
Friederike Maier rechnet vor, dass Frauen, einmal in der Arbeitslosigkeit
angekommen, viel schwerer wieder herausfinden als Männer. Ihr Anteil unter den
Langzeitarbeitslosen liegt bei nahezu 70 Prozent – die so genannte stille Reserve
noch gar nicht eingerechnet: Die nicht arbeitslos gemeldeten Vollzeitmütter und
Frauen, die sich entmutigt vom Arbeitsmarkt zurückgezogen haben, tauchen in der
Statistik nicht auf.
Sprecher:
Und so sind es zwar jetzt nicht die Frauen, die man am Arbeitsmarkt als die Opfer
der Krise ausmacht. Das könnte in naher Zukunft jedoch ganz anders aussehen.
Sprecherin:
Darüber hinaus zeigt die Realität am Arbeitsmarkt auch ohne Krisen-Fokus, dass
Frauen, was die Qualität von Beschäftigungsverhältnissen angeht, ohnehin
schlechter dastehen als Männer. Sie arbeiten in Minijobs und häufiger im
Niedriglohnsektor und gehen irregulären Jobs nach. Wenn jetzt also den Männern
die guten Jobs mit Urlaubs- und Weihnachtsgeld abhanden kommen, kann noch
lange nicht von einer Männerkrise gesprochen werden. Vielmehr werden sich die
Jobs der Männer den Bedingungen, unter den Frauen jetzt schon tätig sind,
annähern.
O-Ton Friederike Maier
Was ich glaube, was man sagen kann ist, dass von Krise zu Krise werden die
Arbeitsverhältnisse immer stärker dereguliert und auch das Normal-Arbeitsverhältnis
verschwindet auch für Männer. Auch bei den Männern werden Sie sehen, wenn
diese Krise wieder überwunden wird, werden auch sie mehr irreguläre
Beschäftigungsverhältnisse haben, mehr Zeitarbeit haben werden als vorher.
Sprecher:
Ein Blick auf vorangegangene Wirtschaftskrisen allerdings zeigt, dass Männer im
Aufschwung nach einer Rezession schneller wieder zu Jobs kommen als Frauen.
Sprecherin:
Und noch eine andere Entwicklung prognostiziert Friederike Maier durch den
Jobverlust von Männern.
O-Ton Friederike Maier :
Es wird in bestimmten Konstellationen, insbesondere in Ostdeutschland dazu
kommen, dass wir auch Familien haben, wo die Frauen die Haupternährer sind. Gab
es früher nicht so, zumindest in Westdeutschland nicht. In Ostdeutschland ist das
schon in den Neunziger Jahren aufgetaucht. Da hat man gesagt, oh, das ist ja
interessant. Auf einmal sind die Frauen die Ernährerinnen. Was das bedeutet für die
Männer und die Gesellschaft, wenn das ein Phänomen wird, das häufiger auftritt, das
kann ich noch nicht so richtig einschätzen. Aber es wird mehr Frauen geben, die die
Ernährerinnen sind und das wird sicherlich etwas ändern.
Sprecher:
In diesem Fall könnte die Krise dann doch noch so etwas wie ein Konjunkturpaket für
mehr Geschlechtergerechtigkeit werden.
Sprecherin:
Und plötzlich war die Krise da und Männer entdeckten die Frau.
O-Ton Klaus Hurrelmann:
Hier passiert Bemerkenswertes. Die Mädchen drehen am Leistungsrad. Wenn das so
weiter geht, dann sind die Frauen bald die neue Bildungselite….
O-Ton: Psychologe:
Männliche und weibliche Führungskräfte unterscheiden sich nicht in dem Ausmaß,
wie sie die von der Organisation die gesteckten Ziele erreichen. Wir konnten anhand
unser Daten nicht bestätigen, dass es dort einen Unterschied im Führungserfolg
weiblicher Führungskräfte gibt.
O-Ton Jürgen Trittin:
Wir sorgen dafür, dass in den Aufsichtsräten der genetische Defekt von Männern,
nämlich spekulieren zu müssen, ausgeglichen wird. Wir führen sofort eine 50-
Prozent-Quote für Frauen in den Aufsichtsräten ein.
O-Ton Monika Schulz-Strelow
Die Bilder, die mir da in den Kopf kamen und die dann auch in vielen Interviews zum
Ausdruck kamen, war doch die, dass die Frau dann doch so ein bisschen noch
einmal die Funktion der Trümmerfrau übernommen hat.
Sprecherin:
Monika Schulz Strelow, Unternehmensberaterin. Als Präsidentin der Initiative
„Frauen in die Aufsichtsräte“ kämpft sie seit Jahren für mehr Frauen in
Führungspositionen.
O-Ton Monika Schulz-Strelow
Wir haben ja in Deutschland im Gegensatz zu den nordischen Ländern eine sehr
männerdominierte Industrielandschaft und Wirtschaftsszene. Und jetzt gibt es
Probleme - Männer verursacht – dann dürfen die Frauen in die erste Reihe, dürfen
dann auch ein bisschen Schmutz wegkehren.
Sprecherin:
So hat die Krise beispielsweise Mary Shapiro an die Spitze der US-Börsenaufsicht
gebracht. Siemens Chef Peter Löscher hat im März eine Frau als Chief Diversity
Officer ins Management geholt.
O-Ton Monika Schulz-Strelow
Was wir merken, wenn wir das letzte Jahr sehen, dass auch bei
Aufsichtsratsbesetzungen, sich dem Thema geöffnet wird, Frauen einzubeziehen.
Das heißt noch nicht, dass Frauen die Positionen bekommen, aber da ist nicht mehr
die kategorische Ablehnung, dass Frauen da nicht reingehören. Das hat mir eine
Expertin aus einem großen deutschen Unternehmen mitgeteilt: Die Männer werden
neugieriger, neugieriger auch auf Frauen als Mitglieder in den Gremien.
Sprecherin:
Bislang hat Deutschland nämlich, was das angeht, noch einigen Nachholbedarf. Laut
einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung sind Frauen in den
Aufsichtsräten der 200 größten deutschen Unternehmen mit einem Anteil von neun
Prozent nach wie vor massiv unterrepräsentiert. Die Krise schaffe, so Monika Schulz-
Strelow, Aufmerksamkeit für diese Ungerechtigkeit.
O-Ton Monika Schulz-Strelow
Das ist ein wichtiger Aspekt, den wir nutzen müssen. Ich sehe, dass dieser Slot, wo
wir jetzt eben stärker reinkommen in die Gremien, dass der nicht lange geöffnet ist.
Es werden die Männer, die sich eine Weile weggeduckt haben, in diese Positionen
wieder hineindrängen. So müssen wir Frauen im Verbund mit den Männern, die offen
für diese Themen sind, müssen wir in kurzer Zeit jetzt viel bewegen. Ansonsten ist es wieder die alte Struktur.
Sprecherin:
Die ersten Erfolge sieht die Unternehmensberaterin bereits. Auch dank
Wirtschaftskrise. Im Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung heißt es:
Sprecher:
Wir werden prüfen, ob und inwieweit die Gesetze geändert und effektiver gestaltet
werden müssen. Der Anteil von Frauen in Führungspositionen in der Wirtschaft und
im öffentlichen Dienst soll maßgeblich erhöht werden. Dazu wird ein Stufenplan,
insbesondere zur Erhöhung des Anteils von Frauen in Vorständen und
Aufsichtsräten vorgelegt.
Sprecherin:
Eine gesetzliche verankerte Frauenquote in Führungsgremien, wie es sie
beispielsweise in Norwegen gibt und wie sie auch in den Niederlanden geplant ist, ist in Deutschland zunächst nicht vorgesehen. Dennoch verspricht sich Monika Schulz-
Strelow einiges von dem so genannten Stufenplan. Die freiwillige Selbstverpflichtung
der Wirtschaft von 2001, mehr Frauen Führungspositionen zu geben, habe nämlich,
so die Unternehmensberaterin, überhaupt nichts gebracht.
Sprecher:
Die Krise: Ein Konjunkturpakt für mehr Geschlechter-Gerechtigkeit? Das wäre ein
schönes Bild, findet die Unternehmensberaterin Monika Schulz-Strelow.
O-Ton Monika Schulz-Strelow
Das sehen wir nur leider noch nicht. Wir sehen nur, die jetzige Bundesregierung
unterstützt zum ersten Mal dieses Thema, indem ein Stufenplan für mehr Frauen in
Aufsichtsräte entwickelt wird vom zuständigen Familienministerium.
Sprecher:
Die Finanz- und Wirtschaftskrise und die sich darum rankenden Debatten: davon
können Frauen also profitieren.
Sprecherin:
Das mag für die wenigen topqualifizierten Frauen gelten, die jetzt möglicherweise
eine größere Chance haben, in die Chefsessel dieser Republik zu gelangen. Doch
dabei handelt es sich nun einmal nur um eine Minderheit, erklärt Friederike Maier,
Professorin für Verteilung und Sozialpolitik. Sie prognostiziert: die Krise wird
langfristig für Rückschläge in der Geschlechtergerechtigkeit sorgen.
O-Ton Friederike Maier
Weil in solchen Krisen immer Diskussionen aufkommen – auch bei uns, müssen
Frauen überhaupt erwerbstätig sein, müssen sie auf Arbeitsplätzen sein, die auch
Männer einnehmen könnten. Es gibt in jeder Krise eine Debatte, die heißt, sind
Frauen nicht nur Zweitverdiener und sollten die nicht zurückstecken, wenn Männer
arbeitslos werden. Diese Diskussion wird immer kommen.
Sprecherin:
So forderte ihr Kollege Ulrich Blum, Präsident des Instituts für Wirtschaftsforschung Halle, Paare im vergangenen Sommer dazu auf, die Krise alsChance für eine Kinderpause zu nutzen.
O-Ton Friederike Maier
Das ist so eine Debatte; Frauen gehören eigentlich nicht auf den Arbeitsmarkt und
jetzt haben wir auch noch eine Krise und die nutzen wir jetzt, um zu thematisieren,
sind Frauen nicht eigentlich doch nur Zuverdienerinnen? Können die nicht jetzt, wo
es den Männern so schlecht geht, sagen o.k. ich bekomme jetzt Kinder oder ich
nehme das Betreuungsgeld und bleibe drei Jahre zu Hause.
Sprecherin:
Verteilungsfragen werden in Krisen immer neu aufgerollt, sagt die Ökonomin. Ein
Konjunkturpaket für mehr Geschlechtergerechtigkeit sind sie in dieser Hinsicht sicher
nicht.
Sprecherin:
Die Krise bringt es hervor: Frauen sind die besseren Unternehmer!
O-Ton Carolin Grüber
Mein Name ist Carolin Grüber. Ich vertreibe Designer aus Australien und Israel,
inzwischen auch ein paar aus New York und Kanada, die noch nicht auf dem
deutschen Markt waren, die sind im hohen Preissegment und auf ihren
Heimatmärkten und in modeaffineren Städten wie Paris und London erfolgreich sind.
Ich habe hier ein klassisches Ladengeschäft in Hamburg und kümmere mich für
einzelne Labels auch um den Weiterverkauf an andere Shops.
Sprecherin:
Die junge Frau hat 2008 die Plattform CVG gegründet, eine Plattform, über die sie
die Kleider der ausländischen Modemacher verkauft. Carolin Grüber hat
Literaturwissenschaft studiert und später bei einem großen PR-Unternehmen in der
Wirtschaftskommunikation für Firmenfusionen gearbeitet. Die Geschäftsidee,
Modedesignern aus dem Ausland beim Sprung auf den deutschen Markt zu helfen,
schwirrt seit zehn Jahren in ihrem Kopf herum. Im Sommer 2008 dann gründete sie
CVG, pünktlich zur Krise.
O-Ton Carolin Grüber
Ich hatte relativ schnell ein erhebliches Problem, denn ich habe Fremdkapital bei mir
mit drin. Ein Investor war ziemlich schnell zahlungsunfähig, weil der sehr früh, weil er
etwas mit dem amerikanischen Markt zu tun hat, betroffen war. Ich war also auch
sofort betroffen und musste mich direkt in den Anfängen der Finanzkrise um eine
andere Finanzierung bemühen.
Sprecherin:
Die Modelabel, mit denen sie zusammenarbeitet, sind keine Konzerne, sondern
kleine Firmen und die gerieten durch die Finanz- und Wirtschaftskrise, ob in
Australien, den USA, Kanada oder Australien, schnell in Schwierigkeiten.
Stofflieferanten stoppten Lieferungen. Der Zahlungsverkehr in der gesamten Branche
änderte sich im vergangenen Jahr, sagt die Jungunternehmerin. Auch sie musste die
Ware, die sie für ihren Laden in Hamburg bestellte, nun schon zum größten Teil
direkt bei der Bestellung bezahlen. Die Konsequenz:
O-Ton Carolin Grüber
Ich habe auf kleinerer Flamme angefangen und ein paar Sachen anders
ausgerichtet. Das Ganze hat mich nicht in Schwierigkeiten gebracht aber alles
verlangsamt. Die Idee geht jetzt in Babyschrittchen vorwärts.
Sprecherin:
Ihren Businessplan hat sie in den ersten Monaten ihrer Selbstständigkeit mindestens
fünf Mal umgeschrieben, erzählt sie. Der Erfolgsdruck ist hoch.
O-Ton Carolin Grüber
Zum einen habe ich versucht, das ganz Negative auszublenden, damit man nicht in
einen Lähmungszustand kommt und was für jeden Unternehmer essentiell ist, dass
man sich einen alternativen Weg überlegt, wenn einer gerade nicht geht. Dass man
nicht aufhört und sagt, die Welt ist gemein, die Finanzkrise hat mich ruiniert und ich
kann nichts dafür, sondern dass man sich Alternativen überlegt und es gibt immer
irgendeinen Weg.
Sprecherin:
Ihr Umweg zum Ziel: unter anderem ein Online-Shop. Außerdem kümmert sie sich
um die Pressearbeit für die zwölf ausländischen Labels. Eigentlich wollte Carolin
Grüber fast anderthalb Jahre nach der Gründung bereits weiter sein mit ihrem
Unternehmen. Die Kleider von Avsh Alom Gur, Cynthia Rowley oder Smythe sollten
jetzt schon in Boutiquen in München, Berlin oder Frankfurt zu haben sein. Sie sagt,
beim Weg durch die ersten schwierigen Krisenmonate haben ihr vor allem Freunde
und ein gut funktionierendes Netzwerk geholfen.
Sie kennt eine ganze Reihe junger Unternehmer, denen die Rezession Probleme
bereitet.
O-Ton Carolin Grüber
Ich habe das Gefühl, dass Frauen lösungsorientierter damit umgehen. Ich glaube sie
nehmen es weniger persönlich. Dass sie einfach versuchen einen Ausweg zu finden,
je nach dem wenn man einen Job verloren hat, die Firma für die man gearbeitet hat
Pleite gegangen ist, sich selber wieder neu aufzubauen. Und es dort weniger das
persönliche Ego trifft als bei Männern.
Sprecherin:
Sind Frauen also die besseren Unternehmer, weil sie berufliche Rückschläge eher
bewältigen können?
Sprecher:
Monika Schulz-Strelow behauptete in einem Interview, das sie vor einem Jahr einem
großen deutschen Online-Magazin gab:
Gebe es in Banken mehr weibliche Topleute wäre es nicht zur Krise gekommen.
O-Ton Monika Schulz-Strelow
Ich würde das immer noch unterstreichen. Was ziemlich viel untersucht worden ist
gerade im letzten Jahr sind die Verhaltensmuster, die Frauen in diese Gremien
reinbringen. Es ist eine andere Fragekultur, da gibt es eine andere Risikobereitschaft, die ist geringer als bei Männern. Sie sind risikoaverser.
Sprecherin:
Die Ökonomin von der Fachhochschule für Wirtschaft und Recht in Berlin ist da
skeptischer.
O-Ton Friederike Maier
Es gibt empirische Untersuchungen, die zeigen, die Tatsache, dass Frauen
beispielsweise vorsichtiger sind mit ihren Finanzanlagen, hat eher damit zu tun, dass sie so wenig Geld haben als mit irgendeiner weiblichen Risikostrategie. Wenn Frauen über die gleichen Ressourcen verfügen würden wie Männer, ob sie dann anders
wären als Männer, ist eine offene Frage.
Sprecherin:
Das bestätigt auch eine aktuelle Studie des Deutschen Instituts für
Wirtschaftsforschung: Dass Frauen bei Geldanlangen weniger risikofreudig sind, liegt
demzufolge nicht daran, dass Frauen grundsätzlich vorsichtiger sind. Vielmehr haben
Frauen oft weniger Einkommen und Vermögen. Bei gleichen finanziellen
Grundvoraussetzungen zeigen, so die Wissenschaftler, Männer und Frauen die
gleiche Neigung zu riskanten Anlageprodukten.
Das mag für die Untersuchungen in privaten Haushalten stimmen, im professionellen
Leben jedoch erkennt Monika Schulz-Strelow durchaus Verhaltensunterschiede bei
Männern und Frauen.
O-Ton Monika Schulz-Strelow
Das, was Frauen ausmacht, was Männer nicht so gern sehen, ist, dass Frauen
inhaltlich nachfragen. Durch das Unterbrechen dieser Kommunikationskultur in
reinen Männergremien machen sie auf Fehlentwicklungen aufmerksam und sie
werden anders dazu diskutieren.
Sprecherin:
Die Jungunternehmerin Carolin Grüber aus Hamburg kann das nur bestätigen.
O-Ton Carolin Grüber
Ich finde – und ich habe vorher in einem Job gearbeitet, wo wenige Frauen waren,
wo ich viel mit Männern zusammen gearbeitet habe –dass Frauen weniger eitel sind
im Job. Da fällt das Gockelsein häufiger weg, die müssen sich nicht selbst
präsentieren, sondern sie sind häufiger daran interessiert, irgendeine Sache nach
vorn zu bringen. Deswegen haben sie es zwar auch karrieretechnisch schwer, aber
deshalb stolpern sie nicht über die eigene Eitelkeit in solchen Krisensituationen.
Sprecherin:
Trotzdem:
O-Ton Friederike Maier
Wenn große Unternehmen Frauen gehören, werden sie nicht unbedingt besser
geführt.
O-Ton Franziska Ihle
Ich stelle eigentlich fest, dass Männer in einer Sinnkrise stecken.
O-Ton: Psychologe:
Männliche und weibliche Führungskräfte unterscheiden sich nicht.
O-Ton Friederike Maier
Frauenbeschäftigung ist heute nicht mehr eine Manövriermasse. Jetzt ist Krise - alle Frauen raus. Das geht so nicht mehr. Die Frauen wollen das nicht, die Betriebe
wollen das auch nicht in bestimmten Bereichen. Man kann die Krise nicht dadurch
lösen, dass Männer jetzt Frauenarbeitsplätze übernehmen. Was man früher einmal
gedacht hat. In den 50er und 60er Jahren war mal die Vorstellung, Frauen an den
Herd und die Männer machen deren Arbeit. Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es
offensive Politiken, die gesagt haben: diese Arbeitsplätze müssen jetzt mit Männern
besetzt werden und die Frauen gehen bitte wieder alle nach Hause.
Sprecherin:
2010 ist das anders.
O-Ton Monika Schulz-Strelow
Es bewegt sich etwas auf der politischen Seite, es bewegt sich etwas in der
Wirtschaft, es bewegt sich auch etwas bei Frauenverbänden, es bewegt sich etwas
draußen, international.
Dass wir sagen, das lassen wir uns nicht kaputt reden, denn viele Männer mögen
dieses Thema Gleichstellung nicht gern hören. Das ist für die ein ganz schwieriges
Kapitel, Diversity und Vielfalt, das ist für viele Männer einfach ein mühsames Kapitel.
Gender – schon gar nicht. Da reagieren sie ganz zurückhaltend. Das ist eine
Erfahrung und deshalb ist es für uns wichtig, dass wir die Sachebene erreichen, eine
offene Diskussionssituation schaffen – alles ohne Schuldzuweisungen. Ansonsten
bekommen wir es nicht verändert.
Sprecherin:
Die Krise kann eine Chance sein für mehr Geschlechter-Gerechtigkeit in den
Chefetagen der deutschen Wirtschaft. Auf anderen Ebenen kann der Effekt der Krise
genau gegenteilig sein, wie die Ökonomin Friederike Maier erläutert hat. Und
dennoch. Dass eine Wirtschaftskrise und die daraus resultierende Rezession in den
Dimensionen männlich, weiblich diskutiert werden – in der Politik, in den Medien und
in der Wirtschaft, das findet sie erfreulich.
O-Ton Friederike Maier
Die Tatsache, dass wir heute darüber reden, zeigt schon, man kann das nicht mehr
ausblenden. Und das ist ein Fortschritt, es ist kein gleichstellungspolitischer
Fortschritt, aber ein Fortschritt in der Sensibilität für die Geschlechterdimension in der Gesellschaft.
Sp. v. Dienst:
Ist die Krise weiblich - oder: Ein Konjunkturpaket für mehr
Geschlechtergerechtigkeit? Von Mandy Schielke
Es sprachen: Bettina Hoppe und Christian Gaul
Ton: Kirsten Klatte
Regie: Stefanie Lazai
Redaktion: Constanze Lehmann
Produktion: Deutschlandradio Kultur 2010
http://www.dradio.de/download/114420/
"Unternehmensfreiheit ist nicht unbegrenzt"
Wenn Tarifverträge diskriminierend sind, muss eben die Politik handeln, meint die Volkswirtin Friederike Maier
taz: Frau Maier, die Bilanz zur Chancengleichheit in der Wirtschaft ist bescheiden. Wie kommt's?
Friederike Maier: Das Problem ist, dass die Wirtschaft sich nicht bewegt hat. Dass etwas mehr Frauen karriereträchtigere Studienfächer wählen, ist ja nicht ihr Verdienst, höchstens das der Politik. Bei der Wirtschaft dagegen tut sich nichts. Im Gegenteil, man weiß, dass die Berufschancen der Frauen, etwa in der Elektrotechnik oder im Maschinenbau, schlechter sind als die ihrer männlichen Mitabsolventen. Wo die Wirtschaft ins Spiel kommt, sind gar keine Fortschritte zu verzeichnen, bei der gleichen Bezahlung etwa oder bei Frauen in Führungspositionen.
Aber die Unternehmen sollen doch mehr Modelle zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie entwickelt haben.
Aber was sind das für Modelle? Teilzeitarbeit für Mütter in fünf Varianten. Damit haben sie das Grundproblem gar nicht geklärt: Wie können beide Eltern ihre Kinder versorgen und trotzdem gute, qualifizierte Jobs haben? Da müssten sie ja über die Veränderung von typischen Männerarbeitsplätzen nachdenken.
Die Zahl der Chefinnen in großen Unternehmen ist in den letzten Jahren sogar gesunken. Die Regierung will hier trotzdem nicht eingreifen? Richtig?
Wenn wir noch ein-, zweihundert Jahre Zeit haben, dann reicht das. Mir allerdings reicht es nicht. Wir brauchen ein Gleichstellungsgesetz für die Privatwirtschaft.
Welchen Inhalts? Quoten für Aufsichtsräte, wie in Norwegen?
Man kann auch eine Nummer kleiner anfangen: Sich etwa für die mittleren und höheren Managementpositionen Zielzahlen setzen. Es gibt nicht nur eine gläserne Decke, es gibt auch gläserne Wände. Meine Wiener Kollegen haben AbsolventInnen der Wirtschaftswissenschaften untersucht: Sie fingen allesamt auf ähnlichem Niveau an, alle waren kinderlos. Nach wenigen Jahren saßen die Männer auf einem Karrierepfad und die Frauen nicht. Männer hatten mehr Verantwortung, mehr Kontakte zum Vorgesetzten, mehr Fortbildung. Nach fünf Jahren verdienten die Männer 20 bis 25 Prozent mehr.
Haben sich die Frauen vielleicht karrierescheuer verhalten?
Das tun aber nicht alle Frauen. Das ist ein Vorurteil, das auch in Chefköpfen sitzt. Viele Frauen sind sehr ehrgeizig. Aber die Vorgesetzten haben die Frauen oft überhaupt nicht im Auge.
Die Wirtschaft findet, Quoten seien ein Eingriff in ihre Unternehmensfreiheit.
Die Unternehmensfreiheit ist nicht unbegrenzt. Im Grundgesetz steht, die Politik muss etwas für die Gleichstellung tun. In Schweden gibt es so ein Gesetz. Darin ist festgelegt, dass Unternehmen einen Gleichstellungsplan haben müssen. Sie müssen nachweisen, dass sie sich bemüht haben, Chefposten mit Frauen zu besetzen. An Sanktionen kann man sich viel einfallen lassen, Strafzahlungen oder den Plan als Kriterium für die Vergabe öffentlicher Aufträge. In Norwegen geht sogar die Börsenzulassung verloren.
Die Einkommenslücke zwischen Männern und Frauen ist in Deutschland extrem groß, 22 Prozent. Was kann man tun?
Vieles. Zum Beispiel wird typische Frauenarbeit oft geringer bewertet als Männerarbeit. Es gibt aber Bewertungsverfahren, die solche Diskriminierungen vermeiden helfen. Die werden in anderen Ländern auch angewandt. Warum nicht bei uns?
Weil die Regierung sich nicht in die Tarifautonomie einmischen will?
Aber wenn Tarifverträge diskriminierend sind, ist die Politik gefragt. In Belgien etwa hat die Regierung die Tarifparteien an einen Tisch gebracht, ihnen gezeigt, dass es diskriminierungsfreie Bewertungsverfahren gibt, und dies vor allem in der Öffentlichkeit auch sehr klar gemacht. Ein Mindestlohn würde die Lohnlücke übrigens auch verkleinern.
Nun wird ja wieder öfter nach neuem Feminismus gerufen. Denken Sie, dass sich aus dieser Richtung noch einmal gesellschaftlicher Druck aufbauen könnte?
Ich erlebe das bei unseren Absolventinnen auch. Sie gehen durch ein relativ egalitäres Bildungssystem und stoßen sich dann verwundert den Kopf an der gläsernen Decke, weil die Wirtschaft ambitionierte Frauen einfach nicht vorsieht. Aber diese Frauen suchen sich eher einen individuellen Weg. Mentoring etwa ist ganz groß in Mode bei diesen Frauen. Das ist auch schön, aber ob daraus gesellschaftlicher Druck erwachsen kann? Das müssen wir erst noch sehen.
INTERVIEW: HEIDE OESTREICH
FRIEDERIKE MAIER ist Professorin an der Fachhochschule für Wirtschaft Berlin. Sie ist die deutsche Expertin im Netzwerk Frauen und Arbeitsmarkt der Europäischen Kommission
http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=sw&dig=2008%2F06%2F20%2Fa0170&cHash=a1c74c41ad
Die Ökonomin Prof. Dr. Friederike Maier von der Hochschule für Wirtschaft und Recht (HWR) in Berlin erklärt, warum sie den Leipziger Ansatz richtig findet.
Frage: Sie sind Gutachterin des Netzwerks Gender Equality and Employment der EU-Kommission. Ist der Weg Leipzigs ein Fortschritt für die Frauen?
Maier: Ich sehe das eher als Notwehr. Wir haben an unserer Hochschule die Vorschrift, geschlechtergerecht zu formulieren. Also nutzen viele die männliche Formulierung und machen eine Fußnote, dass auch Frauen gemeint sind. Ich fühle mich damit nicht mitgemeint. Deshalb finde ich es gut, zu sagen, wir drehen das mal um.
Frage: Ist das ein Signal für das Binnenklima an den Hochschulen?
Maier: Natürlich, denn wenn wir Frauen klagen, dass wir uns ausgegrenzt fühlen, dann ruft das in der Regel ein mildes Lächeln der Kollegen hervor. Jetzt läuft das mal andersrum und die Männer regen sich auf. Vielleicht landen wir am Ende doch bei einem geschlechtergerechteren Umgang miteinander.
Frage: Werden Sie nun als Vize-Präsidentin an der HWR die weiblichen Personenbezeichnungen anregen?
Maier: Ich hatte das schon einmal eher im Scherz vorgeschlagen. Es wäre jedoch schön, wenn das eine Diskussion auslöst, wie wir auch sprachlich wertschätzend miteinander umgehen sollten.
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