Der Erste Weltkrieg galt lange als ein Motor der Emanzipation. (Manipulation)
Frauenarbeit und Geschlechterverhältnisse
Wolfgang Kruse
6.5.2013
Der Erste Weltkrieg galt lange als ein Motor der Emanzipation. Die Kriegsanstrengungen der Frauen an der "Heimatfront" schienen nicht nur eine enorme Entwicklung der weiblichen Erwerbsarbeit gebracht, sondern auch das öffentliche Bild der Frau gestärkt zu haben. Nach dieser Lesart ist die Einführung des Frauenwahlrechts 1919 die logische Konsequenz einer Entwicklung. Die sozial- und kulturgeschichtliche Forschung hat diese monokausale Interpretation zuletzt stark relativiert.
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Krieg und Emanzipation? Ein Fazit
Bevor es überhaupt sinnvoll erscheint, über die möglichen emanzipatorischen Wirkungen des Krieges nachzudenken, ist erst einmal festzuhalten, dass der Krieg den meisten Frauen vor allem Not und Leid bescherte. Vermeintliche Fortschritte wie die Übernahme bisher Männern vorbehaltener Tätigkeiten stellten sich für die Frauen zumeist keineswegs als Aufbruch zu neuen Ufern dar, sondern sie waren im Gegenteil eine Folge von Notlagen und Lebensnotwendigkeiten, und sie brachten Ausbeutung und Abnutzung mit sich, die keine nationale oder feministische Begeisterung, sondern Unzufriedenheit und Protestbereitschaft hervorriefen. Die Historikerin Ute Daniel hat deshalb in ihrer Untersuchung über Arbeiterfrauen in der Kriegsgesellschaft die These vertreten, dass der Krieg aus subjektiver weiblicher Sicht keine Emanzipation im Staat, sondern nur eine Emanzipation vom Staat gebracht habe, die letztlich ohne Dauer geblieben sei. Doch so berechtigt es ist, die kriegsbedingten Verwerfungen und Gegentendenzen zur weiblichen Emanzipation hervorzuheben, bleibt doch festzuhalten, dass die Kriegsmobilisierung der Frauen im Ersten Weltkrieg zu strukturellen und bewusstseinsmäßigen Veränderungen der Geschlechterverhältnisse geführt hat, die nicht auf allen Ebenen revidiert werden konnten. Nur ein Beispiel dafür ist der Anteil weiblicher Gewerkschaftsmitglieder, der nach 1918 dauerhaft und signifikant höher lag als vor Kriegsbeginn 1914.