"Tatort: Geburtstagskind", Sonntag, 20.15 Uhr, ARD (Manipulation)
Ekelhafte Fernsehmacher!
Neuer "Tatort" aus Luzern
Väter im Krieg
Von Christian Buß
Liebe tut weh. Besonders die der Väter. Im neuen Schweizer "Tatort", der die Sommerpause beendet, wird Familie zur Höllenqual. Grausames Thema, malade Ermittler, trauriger Krimi.
Väter, oje. Das sind doch diese Gestalten, die eigentlich niemand braucht. Jedenfalls nicht die Exemplare, die in diesem Schweizer "Tatort" ihre negativen Kräfte walten lassen.
Vater Nummer eins ist ein ehemaliger Drogensüchtiger, der Frau und Kinder geschlagen hat und ihnen nun, wo sie geflüchtet sind, von Eifersucht und Einsamkeit getrieben, weiter nachsteigt. Vater Nummer zwei ist Mitglied einer Freikirche namens "Der Kreis der Gnade", ein tief religiöser Mann, der die von Vater eins Geprügelten bei sich aufgenommen hat, um ihnen dafür sein Regelwerk aufzuerlegen. Vater Nummer drei, wenn wir ihn so nennen dürfen, ist Gott, den Vater Nummer zwei hier immer wieder als richtende Instanz zitiert.
Und wie ist sie so, die Liebe dieser drei Väter? Niemals selbstlos, selten mitfühlend, meist brutal. Das Mädchen Amina, gerade 14 Jahre alt geworden, hatte die Flucht aus dem Einflussbereich dieser etwas anderen Dreifaltigkeit geplant. Weit gekommen ist sie nicht, eines Morgens wird ihr misshandelter, toter Körper in einem nebligen Waldstück gefunden. Ihr Stiefvater (Oliver Bürgin), der immer nur "der andere Papa" genannt wird, identifiziert sie und muss sich beinahe übergeben. Dann spricht er ein ziemlich langes Gebet, der Magen beruhigt sich.
Nebel hängt tief, Stimmen verstummen
Dieser "Tatort", der die Sommerpause beendet, lässt seinen Figuren Raum und bleibt nah an ihnen dran, auch wenn sie bereits ihr dramaturgisches Soll als Verdächtige in diesem Täterrätsel geliefert haben. Regie führte Tobias Ineichen, der auch schon die stille, starke Schweizer "Tatort"-Episode "Skalpell" gedreht hat, in dem es um Transsexualität ging. Die Folge "Geburtstagskind" (Drehbuch: Moritz Gerber) kommt nun durchaus an den Vorgänger heran.
Der Nebel hängt hier zwar zuweilen allzu unheilvoll über den Bergen um Luzern, und gelegentlich gibt es in der Handlung einen gewissen Leerlauf, aber die Dialoge sind gut. Und je knapper sie gehalten werden, desto besser sind sie. Manchmal wird gleich vielsagend geschwiegen.
Die Ermittler, die ja einige Zeit brauchten, bis sie über einige unerfreuliche Entwicklungen beim Schweizer "Tatort" zueinanderfanden, verständigen sich inzwischen eigentlich nur noch über Stirnrunzeln und Stümmelkommunikation. Nimmt Liz Ritschard (Delia Mayer) zum Beispiel eine intuitive Einschätzung zu den beiden Vätern und der toten Tochter vor, schaut Reto Flückiger (Stefan Gubser) nur fragend, woher die Kollegin ihr Wissen hat. Murmelt die als Antwort: "Vielleicht war ich auch ein Problemkind." Lakonischer waren Gespräche im "Tatort" nie.
In einem der stärksten Momente dieses Krimis über Väter im Krieg wird Reto Flückiger gefragt, ob er selbst ein Kind habe. Erst will der Ermittler antworten, dann schweigt er, schließlich schaut er malad. Der Zuschauer darf sich seinen Teil denken. Vielleicht wäre Flückiger beinahe selbst mal Vater geworden, vielleicht findet er das Thema auch nur traurig. Väter, das sind doch diese Gestalten, die niemand braucht.
http://www.spiegel.de/kultur/tv/tatort-aus-der-schweiz-mit-stefan-gubser-a-916027-druck.html