Madame le Rabbin (Feminismus)
Frankreich
Madame le Rabbin
Delphine Horvilleur war Model, hat Medizin studiert und fürs Fernsehen gearbeitet. Heute ist sie Rabbinerin einer liberalen Gemeinde in Paris
15.08.2013 – von Tilman VogtTilman Vogt
http://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/16791
Ist in Diskussionen über Gleichberechtigungsfragen von französischen Verhältnissen die Rede, bekommen viele Feministen strahlende Augen:...
... Für die religiöse Welt gilt dies jedoch nicht: Obwohl in Frankreich mit rund 550.000 Mitgliedern die größte jüdische Gemeinschaft Europas lebt, finden sich zwischen Mittelmeerküste und Ärmelkanal gerade einmal zwei Rabbinerinnen. Im Französischen gibt es nicht einmal ein eigenes Wort für ordinierte Frauen. ...
Wollen Journalisten Delphine Horvilleur, eines dieser beiden seltenen Exemplare, beschreiben, müssen sie erst einmal einen passenden Titel finden.
... Das mag auch daran liegen, dass die modisch gekleidete Mutter von drei Kindern, die früher unter anderem als Model erfolgreich war, mit ihrer offenen, frischen Art so überhaupt nicht dem gern gepflegten Rabbi-Image vom verwitterten langbärtigen Gelehrten entspricht....
Doch vor allem inhaltlich ist Horvilleur im männlich-orthodox dominierten französischen Judentum ein Hingucker: Mit ihrer Forderung nach einem modernen Glauben, der Zweifel zulässt und die Religion nicht als zu konservierendes Artefakt in die Vitrine stellt, hat sie viel Staub aufgewirbelt. Man beschreibt sie als Revolutionärin; einer Zeitung fiel sogar die Bezeichnung »Calamity Jane in der Synagoge« ein. Ein braun gelockter Pistolero also, munitioniert mit feministischer Toraauslegung?
Wer Horvilleurs sehr verschlungenen Weg ins Rabbineramt und ihre Beweggründe nachvollzieht, merkt schnell, dass sich alle abgedroschenen Zuschreibungen der revoltierenden Emanze verbieten. Treffender wäre das Bild einer ambitionierten Frau, deren religiöse Spurensuche von vielen geschlossenen Türen geprägt war.
Wut Im lothringischen Nancy in eine traditionelle aschkenasische Familie geboren, ging sie nach dem Abitur nach Jerusalem, um Medizin zu studieren. In dieser Zeit, erzählt sie, sei sie fast antireligiös gestimmt gewesen. Nachdem ihre Eltern sie und ihren Bruder gleichberechtigt erzogen hatten, war sie schockiert, wie sehr die Praxis und Werte in der Synagoge von diesem Ideal abwichen: »Mein Bruder und ich haben parallel Barmizwa und Batmizwa gefeiert. Während das Ereignis bei meinem Bruder in der Gemeinde von allen sehr ernst genommen wurde, galt meine Zeremonie als ziemlich belanglos.«
Sie sei damals »eine junge wütende Frau« gewesen, erzählt sie schmunzelnd, doch auch heute noch regt sie sich über das orthodoxe Morgengebet auf, in dem Männer Gott dafür danken, »mich nicht als Goi, Sklave oder Frau geboren zu haben«.
Wenn sie vom »offiziellen orthodoxen Judentum« spricht, das die Liberalen »immer noch nicht anerkennt«, dann kommt bei Horvilleur die »wütende Frau« zum Vorschein. Sie klagt über eine Radikalisierung, die sich in der »zunehmenden Besessenheit von Gesetzen« und der Verschlechterung der Rolle der Frau auswirke: »Teilweise wird sogar die Mechiza zwischen Frauen und Männern wieder aufgebaut!« Genauso ärgert sie die »Entintellektualisierung« der jüdischen Eliten, allen voran der Rabbiner.
Sagen wir mal, lieber nicht!
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