Heidi Külzer - Arnold-Prozess: Fatale Fehler der Staatsanwälte (Allgemein)
Arnold-Prozess: Fatale Fehler der Staatsanwälte
Zweifel an der Tat wurden 2001 nicht berücksichtigt – Beweismaterial nicht untersucht
Heidi K. mit ihrem Rechtsanwalt Torsten Rock. Archivfoto: Andŕe Hirtz
Der sogenannte Arnold-Prozess geht langsam seinem Ende entgegen. In der ersten Septemberhälfte wird das Urteil gegen Heidi K. erwartet. Am Donnerstag war der Chef der damals eingesetzten Sonderkommission als Zeuge geladen.
DARMSTADT.
Die gut dreieinhalbstündige Zeugenvernehmung des inzwischen im Ruhestand lebenden Polizeibeamten warf am Donnerstagnachmittag ein schlechtes Licht auf die damalige Arbeit der Polizeiermittler und ein noch schlechteres Licht auf die Arbeit der damals zuständigen Staatsanwaltschaft.
Wichtigen Hinweisen wurde nicht nachgegangen, Protokolle wurden schlampig geführt. Viele Aussagen wurden auf Band aufgezeichnet, dann abgetippt, doch viele Zeugenaussagen sind nicht, wie eigentlich vorgeschrieben, von den Aussagenden unterschrieben, sondern meist nur von einem Polizeibeamten. Damit sind sie nahezu unbrauchbar, weil vor Gericht kaum zu verwerten. Womöglich wäre Horst Arnold nicht verurteilt worden, wenn die Ermittlungen sorgfältiger geführt worden wären.
Der damalige Leiter der Soko wurde gestern von der Verteidigung scharf angegriffen, weil er mit Erlaubnis seiner früheren Dienststelle vor einigen Wochen zum aktuellen Fall in einer Fernsehsendung zu Gast war und ausführlich über die Ermittlungen Auskunft gab. Auch Gericht und Staatsanwaltschaft verstehen diese Genehmigung für den Fernsehauftritt nicht.
Nur Fotos gemacht, keine DNA untersucht
Während sich der Zeuge vor den Fernsehkameras gut erinnerte, konnte er gestern vor Gericht viele Fragen nicht genau beantworten, da ihm die angesprochenen Vorgänge nicht mehr präsent seien, wie er immer wieder versicherte.
Der Soko-Leiter führte nicht nur 2001 die Ermittlungen gegen Horst Arnold, sondern auch später die Ermittlungen im Fall Heidi K. Der Zeuge hatte 2001 bereits erhebliche Zweifel, ob sich die Vergewaltigung, wie von Heidi K. geschildert, überhaupt so zugetragen haben könnte. Er habe diese Zweifel immer wieder geäussert. Auch gegenüber der damals ermittelnden Staatsanwaltschaft. Doch niemand ging auf seine Bedenken ein. Auch in Protokollen und im Abschlussbericht sind sie nicht niedergeschrieben.
Nach der Tat wurden Kleidungsstücke von Horst Arnold und Heidi K. sichergestellt. Doch anstatt sie auf Faser- und DNA-Spuren zu untersuchen, wurden sie lediglich fotografiert und verschwanden dann in der Asservatenkammer. Die Staatsanwaltschaft habe das damals so angeordnet, sagte der Zeuge, der sich schon 2001 wunderte, warum abwechselnd drei verschiedene Staatsanwälte mit dem Fall Arnold befasst waren. Der leitende Polizeibeamte machte deutlich, dass die verspätete Anzeige der Tat durch Heidi K. die Ermittlungen deutlich erschwert hat. „Es wäre viel einfacher gewesen, wenn sie die Tat sofort angezeigt hätte.“ Trotz der vielen Fehler rückte der frühere Polizeibeamte aber nicht von seiner Auffassung ab, die Ermittlungen seien damals „angemessen und in Ordnung“ gewesen.
Rechtsanwalt soll sich im Ton mäßigen
Die Verteidigung versuchte, den Pensionär auf seine vermeintlich widersprüchlichen Aussagen festzunageln. Die Richterin musste vor allem Rechtsanwalt Torsten Rock ermahnen, sich im Ton gegenüber dem Zeugen zu mäßigen.
Die 15. Strafkammer des Darmstädter Landgerichts unter Vorsitz von Richterin Barbara Bunk versucht seit Monaten aufzuklären, was an einem Spätsommertag 2001 im Biologie-Vorbereitungsraum einer Reichelsheimer Schule (Odenwaldkreis) passierte. Dort soll der Lehrer Horst Arnold, so behauptet es die Angeklagte Heidi K., sie zunächst sexuell bedrängt und dann vergewaltigt haben. Arnold ging dafür fünf Jahre ins Gefängnis und wurde nach einem Wiederaufnahmeverfahren in allen Punkten freigesprochen. Vergangenes Jahr starb er nach einem Herzanfall. Er hat nicht einmal mehr eine Haftentschädigung bekommen, weil Heidi K. Rechtsmittel gegen Arnolds Freispruch eingelegt hatte und die Entschädigung deshalb nicht ausgezahlt wurde. Und das Land Hessen stellte ihn nicht wieder ein.
Nun steht Heidi K. wegen Vortäuschung einer Straftat vor Gericht. Auch gestern saß sie weitgehend teilnahmslos zwischen ihren drei Anwälten auf der Anklagebank. Allerdings macht sie sich an jedem Prozesstag fleißig Notizen. Eine rote Perücke und eine Sonnenbrille sollen ihre Identität verschleiern. Ihre Sprachlosigkeit verliert sie schnell, wenn sie in der Mittagspause den Gerichtssaal verlässt.
Weitere Verhandlungstage sind für den 3., 6. und 9. September jeweils ab 9 Uhr angesetzt. Die Richterin machte deutlich, dass sie das Verfahren nun zum Abschluss bringen will.
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Liebe Grüße
Oliver