Spenden aus der Justizkasse: Korrupte Richter mit Spendierroben! (Recht)
Wie die Geschichte entstand
Die Idee zu dem Artikel „Die Spendierroben“ entstand bei einem Treffen mit dem Pressesprecher der Staatsanwaltschaft Potsdam. Beiläufig erzählte er von einer Liste beim Brandenburger Oberlandesgericht (OLG). Darin ist nachzulesen, welche gemeinnützigen Vereine in den vergangenen Jahren Bußgelder erhalten haben, die in gerichtlichen Strafverfahren verhängt worden waren. Das Interessante daran: Richter können jeweils frei entscheiden, welchem Verein sie wieviel zukommen lassen. Da liegt der Verdacht nahe, dass sich manche Richter und Staatsanwälte (Letztere haben ein Vorschlagsrecht) in ihrer Entscheidung von persönlichen Interessen leiten lassen.
Warum, fragte ich mich, dürfen sie über relativ große Summen verfügen, während öffentliche Fördermittel in der Regel erst nach genauer Prüfung durch Ausschüsse verteilt werden? Der Fall Margrit Lichtinghagen kam mir wieder in den Sinn. Der Anklägerin von Ex-Post-Chef Klaus Zumwinkel wurde vorgeworfen, bei der Vergabe von Bußgeldern bestimmte Vereine bevorzugt zu haben. War sie nur eine Ausnahme oder gibt es ähnliche Fälle auch in der märkischen Provinz? Ich beschloss, dem Thema nachzugehen.
Die Empfängerliste bekam ich relativ problemlos nach etwa zwei Wochen. Beim Studieren des Dokuments bestätigte sich schnell meine Vermutung. Kleine, lokale Vereine bekommen Jahr für Jahr hohe Summen, obwohl der größte Teil der Bewerber leer ausgeht. Außerdem fiel auf, dass viele der begünstigten Vereine keinesfalls „mit dem verletzten Rechtsgut in Beziehung stehen“, wie vom Justizministerium gefordert. Eigentlich soll zwischen Tat und Bußgeldempfänger ein Zusammenhang bestehen. In Verfahren wegen Alkohol am Steuer beispielsweise soll das Geld an die Verkehrswacht fließen oder aber eine Suchtberatungsstelle. So gesehen ist es unverständlich, warum ausgerechnet Kitas, Schulen, Sportclubs oder Heimatvereine Tausende Euros einstreichen. Offensichtlich nutzen Richter mitunter ihren Entscheidungsspielraum, um ihnen nahe stehende Vereine finanziell zu unterstützen.
Anfangs fand ich niemanden, der meine Skepsis teilte:
- Die Vereine äußerten sich entweder nicht, oder sie fanden nichts Anstößiges an der Vergabepraxis.
- Beim OLG und dem Richterbund sah man keinen Reformbedarf.
- Das zuständige Justizministerium schob die Verantwortung immer wieder an das OLG weiter.
- Der Landesrechnungshof hatte das Thema noch nicht auf der Agenda. Dessen Sprecher verwies mich jedoch auf eine Untersuchung seiner Kollegen aus Niedersachsen, die ich bereits bei meiner Internetrecherche gefunden hatte. Danach sind Richter bei der Verteilung von Bußgeldern „gesteigert korruptionsgefährdet“.
- Die rechtspolitischen Sprecher der damaligen Koalitionsparteien fanden meine Rechercheergebnisse bemerkenswert und sicherten zu, das Thema auf politischer Ebene zu diskutieren.
Nach acht Wochen Recherche hatte ich genügend interessantes Material für eine Seite-Drei-Geschichte zusammen. Dabei ging es nicht darum, Einzelne an den Pranger zu stellen, sondern die Vergabepraxis grundsätzlich zu hinterfragen. Viele Aspekte des Themas, die ebenfalls fragwürdig sind, konnten aus Platzgründen nicht berücksichtigt werden. Zum Beispiel zahlen einige gemeinnützige Vereine Provisionen an sogenannte Fundraising-Unternehmen mit guten Kontakten zur Justiz, die bei der Akquise der Bußgelder helfen.
Der Artikel hat viele, teils unterschiedliche Reaktionen hervorgerufen. Leser bestätigten aus Erfahrung, dass es kaum möglich sei, an Bußgelder zu gelangen. Eine Anruferin kritisierte den Artikel, weil sie befürchtete, ihr Verein könne in Zukunft weniger oder kein Geld mehr erhalten. Eine Unternehmensberatung will die Fortsetzung des Themas im Rahmen einer Studienarbeit anregen. Das Magazin „Drehscheibe“ hat in seiner Ideenbörse über die „Spendierroben“ berichtet, um andere Journalisten darauf aufmerksam zu machen. Es wäre schön, wenn der Artikel Auftakt wäre für eine breite öffentliche Debatte, wie und von wem die Bußgelder verteilt werden.
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Der Bericht "Die Spendierroben"
Manche Juristen verteilen Bußgeldeinnahmen großzügig an einzelne Vereine
Die deutschen Richter und Staatsanwälte entscheiden über die Verteilung von Spenden an gemeinnützige Vereine völlig autonom. Dabei sind sie besonders korruptionsgefährdet, meinen Experten. Ein Blick auf die Empfänger schürt den Verdacht.
Wenn Kinder gegen das Gesetz verstoßen, regnet es für die Freunde vom „Astronomischen Zentrum Bernau“ mitunter reichlich Taler. Der Förderverein der Sternwarte erhielt zwischen 2001 und 2007 großzügige Spenden von Richtern. In den meisten Fällen handelte es sich um Geldauflagen, die im Rahmen von Jugendstrafverfahren verhängt wurden.
Der „größte Teil“ der insgesamt 37 200 Euro, die nach Angaben des Oberlandesgerichtes (OLG) an die Hobby-Astronomen flossen, stammt laut Steffen Weimann, der den Verein vertritt, vom örtlichen Amtsgericht. Für das Geld sei unter anderem ein 12 000 Euro teures Teleskop gekauft worden, eine „Technik, die sich sehen lassen kann“.
An solche Fördergelder zu gelangen ist normalerweise schwierig. Das OLG führt eine Liste mit 2300 Vereinen, die vom Finanzamt als gemeinnützig anerkannt wurden und die sich beworben hatten. Im vergangenen Jahr gab es 173 Neuanträge. Etliche von ihnen gingen leer aus, obwohl viele der 164 letztjährigen Empfänger schon öfter berücksichtigt worden waren. Die Sternengucker aus Bernau kamen laut Weimann deshalb in den Genuss der finanziellen Unterstützung, weil er als Rechtsanwalt um die Fördermöglichkeit weiß und gute Kontakte zu Richtern unterhält. Diese seien selbst vor Ort gewesen.
In ihrer Entscheidung sind die Richter per Gesetz völlig unabhängig, was Experten kritisieren. Dem Brandenburger Landesrechnungshof „liegen Erkenntnisse vor“, dass manche Juristen ihre Macht für persönliche Interessen missbrauchen. Sprecher Stefan Luckas verwies auf aktuelle Untersuchungen der Kollegen aus Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen, wonach Richterarbeitsplätze bei der Zuweisung von Bußgeldern starken Einflüssen ausgesetzt und „gesteigert korruptionsgefährdet“ sind. Das niedersächsichen Justizministerium teilt diese Einschätzung. Ob der Sachverhalt auch in Brandenburg vom Rechnungshof geprüft wird, ist noch nicht entschieden.
Auffällig an der Empfängerliste ist, dass bei den Zuweisungen oft gegen ein Prinzip verstoßen wird. Im Gesetzestext heißt es, zwischen der Straftat und der gemeinnützigen Tätigkeit sollte ein Zusammenhang bestehen. So ist angedacht, dass bei Drogendelikten und Taten unter Alkoholeinfluss Suchtberatungsstellen begünstigt werden, bei Verkehrssündern die Verkehrswacht.
Allerdings ist solch ein Bezug oft nicht zu erkennen. In Brandenburg ging ein großes Stück des Kuchens an Schulen und Kitas, Sportclubs, Tierschützer, Theater, Kirchen, die Kaufmännische Krankenkasse Berlin, diverse Parkeisenbahnen und den Marktführer bei Zigarettenautomaten. Die Kita „Kunterbunt“ in Calau bekam laut OLG voriges Jahr 10 100 Euro. Verglichen damit sind die 18 640 Euro für die Opferhilfe Brandenburg, die wohl eher förderwürdig ist, fast schon wenig. Bei der Bernauer Sternwarte kommt der Zusammenhang zu den Jugendstrafen dadurch zustande, meint Anwalt Weimann, dass „der Förderverein so viel für die Jugend tut“.
Peter Küster, Vorsitzender der „Trinkkegelcousins“ (TKC) Wriezen, konnte nicht recht erklären, warum ausgerechnet sein Sportverein in den vergangenen fünf Jahren summa summarum 23 400 Euro eingestrichen hat. „Es kann natürlich sein, dass sehr viele Straftäter aus unserer Heimatstadt kommen“, lautet seine abenteuerliche Begründung.
Ein Geheimnis bleibt auch, warum das Konservatorium Cottbus vom Amtsgericht der Stadt in drei Jahren 18 075 Euro erhielt. Das wäre besonders interessant, denn laut eines Berichts an das Kulturministerium ist die kommunale Musikschule in einer günstigen finanziellen Lage mit einer „privilegierten Personalsituation“. Zu den „speziellen, selten nachgefragten“ Angeboten gehört das Harfenspiel.
Richter und Anwälte sehen keinen Reformbedarf
Der stellvertretende Vorsitzende des Oberlandesgerichtes, Wolf Kahl, hält die Verteilungsregelung nicht für reformbedürftig. „Das ist seit ewigen Zeiten so vorgesehen“, sagte er. „Es besteht keine Veranlassung, das anders zu regeln“, meinte auch Klaus-Christoph Clavee, Vorsitzender des Brandenburger Richterbundes. Man könne davon ausgehen, dass Richter niemanden protegieren, dem sie nahestehen.
Der größte Vorteil der derzeitigen Praxis sei, dass das Geld nicht im Landeshaushalt versickert, sondern Vereine gezielt gefördert werden, ohne auf den Cent genau an Projekte gebunden zu sein. Für die Sternwarte Bernau haben die Zahlungen eine entscheidende Bedeutung. Ohne sie wäre der Betrieb „auf längere Sicht gefährdet“. Weimann: „Mit den 3500 Euro pro Jahr von der Stadt können wir gerade einmal die laufenden Kosten bezahlen.“
In der Regierung waren die Geldbußen bislang kein Thema. Das Justizministerium fühlt sich nicht zuständig und verweist an das OLG. Im Finanzministerium wollte man sich ebenfalls nicht äußern, obwohl dessen Interessen stark tangiert werden. Denn während die Gesamtsumme der Bußgelder 2008 gestiegen ist, wurde die Landeskasse deutlich weniger bedacht. Den Finanzminister könnte auch interessieren, dass ein Großteil der Mittel nicht im Bundesland verblieben ist (siehe Tabelle).
Kritik übten dagegen die rechtspolitischen Sprecher der Koalitionsfraktionen. „Das Thema sollte man in der Tat bereden“, sagte Alard von Arnim (CDU). Er hatte „selbst schon mit dem Gedanken gespielt“, einem Tierheim in der Uckermark bei der Akquise von Bußgeldern zu helfen und alle vier Staatsanwaltschaften daraufhin kontaktiert – ohne Erfolg. „Mir scheint, dass diesbezüglich ein sehr geschicktes Netz gewoben wurde, um Interessen zu pflegen“. Von Arnim sprach sich für ein Gremium aus, dass „ein bisschen genauer hinschaut.“ „Private Vorlieben spielen immer eine Rolle“, meint der Rechtsexperte Ralf Holzschuher von der SPD. Den Fall der Sternwarte Bernau findet er sehr bemerkenswert. „Ich werde dafür sorgen, dass sich der Rechtsausschuss nach den Wahlen damit beschäftigt“ kündigte er an.
Hamburger Verfahren beugt Missbrauch vor
Vorbild für eine Neuregelung könnte Hamburg sein. Dort entscheiden schon seit 1972 nicht die Richter, welche Vereine gefördert werden. Die Geldstrafen werden an vier Sammelfonds überwiesen, die jeweils ein Gremium kontrolliert. Dem gehören je ein Richter, ein Staatsanwalt, ein Vertreter der Justizbehörde und zwei beratende Mitglieder aus der Behörde für Familie und Soziales an. Die Unabhängigkeit der Richter wird gewahrt, weil sie auch freihändig entscheiden könnten. Was sie in der Regel aber nicht tun.
„Unser Verfahren beugt Missbrauch vor“, sagte Hamburgs Justizsprecher Thorsten Fürter. Abgesehen davon können sich nur Einrichtungen bewerben, die in Hamburg oder für Hamburger Bürger aktiv sind oder dort ein starkes Engagement ehrenamtlicher Gruppen nachweisen können.
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Der Spendentopf wird immer voller
Nur in Deutschland dürfen Gerichte und Staatsanwälte Geldauflagen aus Straf-, Ermittlungs- oder Gnadenverfahren zugunsten gemeinnütziger Vereine verhängen.
100 Millionen Euro werden pro Jahr etwa verteilt. In Brandenburg waren es im vergangenen Jahr 1,467 Millionen (Plus neun Prozent). In die Landeskasse flossen 434 000 Euro (Minus 17 Prozent).
Die Vereine müssen sich bewerben. Ihre Gemeinnützigkeit prüft das Finanzamt.
Einmal jährlich wird vom Oberlandesgericht eine aktuelle Liste möglicher Empfänger an alle Justizstellen verteilt.
Die Entscheidung treffen die Richter, Staatsanwälte können Vorschläge machen.
Im Gesetz heißt es: „Die Ziele der Vereine sollten zu dem verletzten Rechtsgut in Beziehung stehen.“
Nicht auf der Liste geführte Einrichtungen können von den Richter auch bedacht werden.
Für Aufsehen hatte der Fall Margrit Lichtenhagen gesorgt: Die Richterin von Ex-Post-Chef Klaus Zumwinkel soll ihr nahe stehende Vereine in Millionenhöhe begünstigt haben.
Guxu erst zum Schluss hier ...
Da muss schon mal ein Unschuldiger dran glauben, damit ein Richter seinen Lieblingsverein etwas spendieren kann!