Ursula von der Leyen am 8. Februar 2007 (Allgemein)
Ursula von der Leyen im Interview mit dem Stern
Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen sprach in einem Interview mit dem "Stern" über die veränderten Rollen von Frauen und Männern in der heutigen Gesellschaft.
Stern: Eine kleine Landrätin stürzt den großen bayerischen Ministerpräsidenten. Frau von der Leyen, sind Frauen in der Politik inzwischen mächtiger, als die Männer dachten?
Ursula von der Leyen: Frauen werden so etwas häufiger machen, weil immer von ihnen in die Politik gehen. Der Mechanismus bleibt. Es gibt einen Zeitpunkt, an dem mächtige Politiker über ihren Zenit hinweg sind und dann ganz rasant an Boden verlieren.
Stern: Wie sehr hat sich die Macht zwischen den Geschlechtern schon verschoben?
Ursula von der Leyen: Die Zeiten sind vorbei, in denen Männer per se mächtiger waren und als Alphatierchen daherkamen. Frauen füllen auf fast allen Gebieten ihre Machtpositionen aus, wenn auch noch seltener.
Stern: Warum funktioniert das alte Machtsystem der Männer nicht mehr?
Ursula von der Leyen: Hey, bekommen Sie Angst?
Stern: Unsere Angst hält sich in Grenzen. Sind die männlichen Machtrituale nichts mehr wert?
Ursula von der Leyen: Sie sind noch da. Aber es sind andere Formen dazu gekommen. Ich merke das oft, wenn das Platzhirschgebaren aufgeführt wird: großes Volumen der Bassstimme, raumgreifende Gesten, Brust raus, Kopf hoch, der Bauch wird rausgeschoben. Wenn dem andere Verhaltensweisen entgegengestellt werden, schwächt das den männlichen Auftritt.
Stern: Wir sehen Triumph in Ihren Augen.
Ursula von der Leyen: Na, na! Ich habe das einfach viel zu oft erlebt. Vor allem im Krankenhaus unter männlichen Ober- und Chefärzten. Da war es kaum zu durchbrechen. Inzwischen bekommen andere Mechanismen eine viel größere Wirkung - die leise Stimme, das konziliante Wort, die Argumentation gegenüber dem plakativen Formulieren.
Stern: Angela Merkel, Hillary Clinton, Ségolène Royal - überall stürmen Frauen nach vorn. Haben die Wähler Männer satt?
Ursula von der Leyen: Nein, was jetzt passiert, ist schlicht die Folge besserer Bildung. Frauen haben in puncto Bildung fast alles erreicht. Zum Teil ziehen die Mädchen an den Jungs vorbei. Und Frauen greifen nach der Hälfte der Macht. Was ich gar nicht bedrohlich finde. Wenn die Dinge umgekehrt wären, würde kein Hahn danach krähen.
Stern: Ist Angela Merkel nicht Kanzlerin geworden, weil sie Eigenschaften hat, die man eigentlich Männern zuschreiben würde: logisches Denken, kühle Analyse, sachliches Vorgehen? Und die Männer verirren sich in Gefühlen...
Ursula von der Leyen: Meine Herren, mit welchem Recht bezeichnen Sie Logik als männlich und Verirren in Gefühlen als weiblich? Das ist geradezu lächerlich. Nehmen sie Hillary Clinton, Ségolène Royal und Angela Merkel. Sie sind total unterschiedlich. Das Einzige, was sie eint, ist, dass sie Frauen sind. Das heißt für mich, dass die Menschen fasziniert sind von einer neuen Vielfalt, die durch Frauen in die Politik kommt.
Stern: Bisher verband man mit weiblich: einfühlsamer, verständnisvoller, konzilianter im Ton.
Ursula von der Leyen: Sie haben Recht. Ich erinnere mich daran, dass ich als junge Medizinstudentin konsterniert war, als ich in der Psychiatrie lernte, dass Eigenschaften als weiblich oder männlich definiert wurden - zum Beispiel Hysterie als weiblich und Entschlossenheit als männlich. Das sind Jahrhunderte alte Stereotypen, die endlich aufknacken.
Stern: Horst Seehofer steckt in Schwierigkeiten, weil er Frau und Familie mit einer jungen Geliebten betrogen haben soll.
Ursula von der Leyen: Ich werde jetzt mit Ihnen nicht über das Privatleben von Horst Seehofer reden.
Stern: Verstehen Sie generell solche Männer?
Ursula von der Leyen: Mir ist der Weg, der da hinführt, zum Teil klar. Ich habe es bei vielen Freundinnen erlebt, mit denen ich gemeinsam studiert habe. Wir haben als junge Ärztinnen angefangen. Und heute, 20 Jahre später, sind sie lange aus ihrem Beruf raus, haben tapfer vier, fünf Kinder groß gezogen und plötzlich läuft dem Mann die jüngere Krankenschwester über den Weg, von der er sich verstanden fühlt. Das ist bitter. Und darauf gibt es nur eine Antwort: Junge Frauen müssen auf eigenen Füßen stehen, um sich auf Augenhöhe zu entwickeln.
Stern: Ist es für Sie vorstellbar, dass sich eine ältere Frau in einen jungen Mann verliebt?
Ursula von der Leyen: Ich habe das einmal bei einer Ministerin erlebt. Sie musste innerhalb kürzester Zeit ihren Hut nehmen. Die Frauen, die ich im Laufe meines Lebens erlebt habe, die aus einer Ehe raus gegangen sind und den Mann mit Kindern zurückgelassen haben, haben alles verloren.
Stern: Darf sich ein verheirateter Mann nicht in eine hübsche 25-Jährige verlieben?
Ursula von der Leyen: Ich urteile nicht darüber, solange keine Kinder da sind. Aber wenn Kinder da sind, haben diese Väter genauso viel Verantwortung für deren Wohl wie die Frauen, mit denen sie diese gemeinsamen Kinder haben.
Stern: Ihr Lieblingsthema: Die Deutschen sollen wieder mehr Kinder bekommen. Dabei spielen Männer ja eine gewisse, wenn auch inzwischen eher untergeordnete Rolle...
Ursula von der Leyen: Aber meine Herren, warum so zurückhaltend?
Stern: Man hat manchmal das Gefühl, dass wir da schon fast verzichtbar sind.
Ursula von der Leyen: Im Gegenteil. Wenn Sie meine Äußerungen verfolgt haben, konnten Sie sehen: Das wichtigste Thema war mir die Entwicklung der Vaterrolle.
Stern: Frauen um die 30 wurden befragt, warum sie bisher keine Kinder bekommen haben. Wichtigste Antwort: Ich habe nicht den richtigen Partner gefunden. Was machen die falsch?
Ursula von der Leyen: Junge Frauen wollen heute Beruf und Kinder. Und sie wünschen sich Partner, die genauso wie sie Verantwortung auf beiden Gebieten übernehmen. Das Dilemma ist eher, dass die männliche Rolle hinterhinkt. Junge Männer, die stärker Erziehungs-und Fürsorgefunktionen bei ihren Kindern übernehmen möchten ernten dafür meist bei Kollegen Hohn und Spott.
Stern: Das ist kurios! Frauen finden keine Partner mehr, also müssen die Männer sich ändern. Vielleicht müssten die Frauen sich ändern?
Ursula von der Leyen: Die Fragen, die wir uns heute in Deutschland stellen, sind in den USA und Skandinavien schon vor 20 Jahren aufgebrochen. Dort wurde die Rolle des Mannes viel früher anders gesehen, nämlich nicht nur als der Boss außerhalb, den alles, was zu Hause passiert, nicht schert, sondern als jemand, der sich aktiv in die Familienarbeit einbringt. Auch dort entstand ein Druck auf dem Beziehungsmarkt, und Frauen sagten, wir finden keinen Partner mehr.
Stern: Und dann passten sich die Männer brav an.
Ursula von der Leyen: Nein, sie haben sich weiterentwickelt. Aus einer sehr engen, antiquierten Rolle. Und damit hat sich in diesen Ländern das Missverhältnis auf dem Beziehungsmarkt, wenn ich es mal so nennen darf, wieder ausgeglichen.
Stern: Das haben Sie sehr schön formuliert.
Ursula von der Leyen: Diese Gesellschaft wird nicht weiter existieren können, ohne dass die Vaterrolle oder die Rolle des pflegenden Sohnes weiterentwickelt wird.
Stern: Aber Sie werden uns doch zugestehen, dass das nur mit dem Einverständnis der jungen Männer passieren kann? Männer sind ja nicht nur Vehikel Ihrer Geburtenpolitik.
Ursula von der Leyen: Ich würde es andersherum formulieren: Junge Männer, die keine Kinder wollen - so what? Aber junge Männer, die sich Kinder wünschen, werden und wollen Verantwortung für diese Kinder übernehmen.
Stern: Aber immer sollen sich die Männer ändern!
Ursula von der Leyen: Schwachsinn, kann ich nur sagen. Schauen Sie sich das Thema Zivildienst an. Vor 40 Jahren waren das Kriegsdienstverweigerer, Drückeberger. Heute sind es Zivis - dieser Begriff ist fast liebevoll belegt - in Altenheimen, Krankenhäusern. Das ist eine völlig akzeptierte neue Rolle junger Männer.
Stern: Ihr Leitbild ist, dass Frauen und Männer sich immer ähnlicher werden.
Ursula von der Leyen: Nein! Hilfe! Völlig schräge Ansichten, die Sie da haben.
Stern: Wenn Männer Windeln wickeln und Frauen mit dem Aktenkoffer durch die Gegend laufen - glauben Sie nicht, dass das die Anziehungskraft zwischen den Geschlechtern mindert?
Ursula von der Leyen: Sie meinen, die Windel in weiblicher Hand ist erotisierender als in männlicher?
Stern: Jedenfalls gehen Männer normalerweise nicht mit ihrem besten Kumpel ins Bett. Und wenn die Frau des Mannes bester Kumpel ist, dann zeugen sie auch keine Kinder mehr.
Ursula von der Leyen: Gott sei Dank setzt sich sexuelle und emotionale Anziehungskraft aus bisschen mehr zusammen als aus Windeln und Aktenköfferchen. Natürlich werden sich die Geschlechter nicht angleichen. Frauen werden nie erstklassige Väter sein und Männer nie erstklassige Mütter.
Stern: Männer suchen in Frauen das ganz Andere.
Ursula von der Leyen: Was, bitteschön, ist das ganz Andere?
Stern: Als Mann möchte man in der Frau nicht sich selbst wieder finden. Es geht um Selbstergänzung, Selbstübersteigung. Es tut uns leid, aber wir sind in dieser Hinsicht Romantiker.
Ursula von der Leyen: Also, wenn Sie im männlichen Ideal nur das Bild des Karrieristen sehen, dann leben Sie in einer armen Welt. Die emotionalen Seiten sind auch bei Männern vielfältiger. Ein erstklassiger Vater wird niemals eine zweitklassige Mutter sein. Er wird mit seinen Kindern anders sprechen, er wird sie anders in den Arm nehmen.
Stern: Arbeiten Sie an der Verhaustierung des Mannes?
Ursula von der Leyen: Hört, hört! Die Verhaustierung des Mannes! Meine Herren, eben noch Romantiker und jetzt tiefe Verächtlichkeit, in dem Sie die männliche Bereitschaft, Fürsorge für Kinder oder ältere Angehörige zu übernehmen, auf das Wort "Haustier" reduzieren. An diesem Punkt rede ich nicht mehr weiter. Das ist zutiefst diskriminierend.
Stern: Dann sind wir jetzt also in der Rolle des Männerdiskriminierer.
Ursula von der Leyen: Und in der Rolle des Frauendiskriminierer, weil Sie die bisher primär weiblichen Tätigkeiten als Verhaustierung lächerlich machen.
Stern: Das Erstaunliche ist doch: Wenn es um die Partnerwahl geht, halten viele Frauen und Männer an tradierten Rollenmustern fest. Frauen selektieren nach ökonomischer Potenz, nach beruflichem Erfolg. Männer sind sehr stark fixiert auf äußerliche Attraktivität.
Ursula von der Leyen: In der Wissenschaft würde man sagen: Jetzt haben Sie aber nette Hypothesen aufgestellt.
Stern: Die Kontaktanzeigen sind voller Frauen, die...
Ursula von der Leyen: Kontaktanzeigen! Ich glaube es nicht!
Stern: ... die Männer suchen, die mit "beiden Beinen fest im Leben stehen". Und voller Männer, die eine "sinnliche Geliebte" suchen. Auf geradezu rührende Weise entziehen sich die Menschen Ihrer Geschlechterpolitik.
Ursula von der Leyen: Ich will Sie in Ihrer Rührung ja nicht bremsen. Aber Lebensbeziehungen brauchen etwas mehr als Kontaktanzeigen. Richtig ist, dass häufig Frauen und Männer eine Beziehung suchen, in der er etwas höher gestellt ist und sie etwas niedriger. Das ist die Folge von tradierten Rollen. Aber die Geschichte hat gezeigt, dass Bewegung in die Sache kommt, wenn jemand, der stark an traditionellen Rollenmustern hängt, Schwierigkeiten hat, einen Partner zu finden.
Stern: Müssten Frauen nicht aufhören, Männer mit Ansprüchen zu überhäufen? Die Kerle sollen heute irgendwie alles sein: beruflich erfolgreich, aber um 17 Uhr pünktlich zu Hause...
Ursula von der Leyen: Da kann ich nur sagen: Meine Herren, loslassen!
Stern: Was loslassen?
Ursula von der Leyen: Das loslassen, was Sie eben formuliert haben. Loslassen, die Geschichte entspannter sehen. Sie müssen nicht gleichzeitig Superkarriere machen und ein Supervater sein, die Frauen um ein Vielfaches in allen beruflichen und häuslichen Qualitäten übertreffen.
Stern: Karriere, guter Zuhörer, sexueller Beglücker und Windelwechsler - Männer würden Frauen nie mit solchen Ansprüchen überhäufen.
Ursula von der Leyen: Aha, Ihnen reicht bei Frauen offenbar das Windelwechseln (lacht). Ich sage nur: Entspannen Sie sich. Sie müssen nicht immer absolute Spitze sein.
Stern: Aber es sind doch die jungen Frauen, die darüber klagen, dass es keine richtigen Kerle mehr gibt, sondern nur noch Weicheier!
Ursula von der Leyen: Wenn richtige Kerle alles können, können sie doch auch Windeln wechseln, oder?
Stern: Vielleicht ist es einfach so: Frauen können sich nicht zwischen ihrem Kopf und ihrem Bauch entscheiden. Mit dem Kopf suchen sie den netten Partner, mit dem Bauch den Kerl.
Ursula von der Leyen: Aber ein Kerl ist doch nicht jemand, der emotional so arm ist, dass er nur die Berufswelt leben kann!
Stern: Würden Sie sagen, dass die Frauenbewegung im Umgang mit Männern in den letzten 30 Jahren alles richtig gemacht hat?
Ursula von der Leyen: Nein, keineswegs, das wäre ja lächerlich. Ich bin der Meinung, dass sie anfangs zu sehr polarisiert hat. Und damit auch eine starke Abwehrhaltung bei vielen Männern provoziert hat. Wenn Männer und Frauen nur polarisiert gegeneinander arbeiten, verschwinden die Kinder in diesem Land.
Stern: Das heutige Scheidungs- und Unterhaltsrecht wird von vielen Männern als Instrument zur finanziellen und emotionalen Ausbeutung des Mannes durch die Frau empfunden. Kein Wunder, dass sich Männer auf das Projekt Familie nur noch ungern einlassen.
Ursula von der Leyen: Ja, gerade dieses Scheidungs- und Unterhaltsrecht zeigt, dass wir in der Tat in der Vergangenheit viele Fehler des Spaltens gemacht haben. Aber die Rechtsprechung geht inzwischen häufig völlig andere Wege, nämlich den der Mediation, des Ausgleichs der Interessen von Mann, Frau, Kindern. Das Unterhaltsrecht wird auch vom Gesetzgeber permanent dahingehend verändert.
Stern: Finden Sie es richtig, dass viele junge Frauen inzwischen sagen, ich will auf alle Fälle ein Kind - dafür brauche ich einen Erzeuger, aber notfalls verzichte ich auf einen Vater?
Ursula von der Leyen: Ich kann die tiefe Sehnsucht nach einem Kind nachvollziehen.
Stern: Ihr Haus heißt "Bundesministerium für Familie, Frauen, Jugend und Senioren". Für Männer fühlen Sie sich nicht verantwortlich…
Ursula von der Leyen: Unter Senioren sehe ich alte Männer. Unter Jugendlichen sehe ich Jungs. In der Familie sind meines Erachtens auch Männer. Sie haben Recht, dass das Thema Frauen in meiner Arbeit ein spezifisches ist. Solange es Nachteile gibt und solange es Gewalt und Ausbeutung insbesondere gegen Frauen gibt, muss es politisch auch besonders beachtet werden.
Stern: Das heißt, für uns beide, kinderlos und unverheiratet, sind Sie gar nicht zuständig.
Ursula von der Leyen: Doch! Sie sind meine absolute Zielgruppe!
Stern: Können Sie Bereiche nennen, in denen auch Männer diskriminiert werden?
Ursula von der Leyen: Ja. Wenn ein Mann aktiv die Vaterrolle leben will, wird er nach wie vor als Weichei betrachtet.
Stern: Wir würden Sie gern mal wegbekommen von Ihrer Rolle als Bundesgebärbeauftragte. Männer müssen zur Armee, Frauen dürfen. Die Säuglings- und Kindersterblichkeit von Jungen ist um ein Vielfaches höher als die von Mädchen. Männer leben im Durchschnitt sieben Jahre kürzer als Frauen, müssen aber gleich hohe Beiträge für ihre Riester-Rente zahlen. Alles Beispiele für Diskriminierung.
Ursula von der Leyen: Jetzt passen Sie mal auf! Zur Säuglingssterblichkeit: Als Ärztin sage ich Ihnen, dass die kleinen Jungs schlicht vulnerabler sind als weibliche. Aber die Medizin ist gerade darauf in den vergangenen 20 Jahren eingegangen. Mit dem Ergebnis, dass die Säuglingssterblichkeit erheblich gesunken ist. Dass Männer kürzer leben als Frauen ist richtig. Aber empirische Untersuchungen zeigen, dass Männer, die ein emotional reiches Leben haben - Stichwort: aktive Vaterrolle - oft auch eine höhere Lebenserwartung haben. Was die Wehrgerechtigkeit betrifft: Solange es immer noch überwiegend die Frauen sind, die Zeit einsetzen für die Erziehung der Kinder, also Zeit für die Gesellschaft, ist das für mich ein Tabuthema.
Stern: Können Sie sich Diskriminierung nur als Frauendiskriminierung vorstellen?
Ursula von der Leyen: Es gibt Altersdiskriminierung, ethnische und religiöse...
Stern: Es gibt einen Girls' Day, keinen Boys' Day...
Ursula von der Leyen: Moment, stopp, stopp! Es gibt an diesem Tag auch die Kampagne "Neue Wege für Jungs!" Puh!
Stern: Es gibt einen Frauengesundheitsbericht, aber keinen Männergesundheitsbericht.
Ursula von der Leyen: Ich empfehle Ihnen, mit der Gesundheitsministerin darüber zu sprechen.
Stern: Sie wollen die Verantwortung abwälzen? Das würden Sie bei Frauengesundheit nie tun.
Ursula von der Leyen: Bei Frauen wird der Herzinfarkt oft zu spät erkannt, weil man den Infarkt nur bei Männern erwartet. Bei Männern hingegen werden oft Depressionen zu spät erkannt. Wir sollten also immer die Unterschiede der Geschlechter beachten. Das allerdings ist Zuständigkeit der Gesundheitsministerin. Deshalb plane ich auch keinen weiteren Frauengesundheitsbericht.
Stern: Ihre Gleichstellungs-Homepage liest sich, als wäre sie von "Emma" verfasst: "Erwerbsmöglichkeiten für Frauen erweitern" - "Frauen mit Migrationshintergrund fördern" - "Frauen vor Gewalt schützen".
Ursula von der Leyen: Was stört Sie daran?
Stern: Männer kommen nicht vor. Es gibt auch Männer, die häuslicher Gewalt ausgesetzt sind.
Ursula von der Leyen: Sie haben recht. Es gibt häusliche Gewalt gegen Männer, wenn auch zu einem Prozentsatz, der einstellig ist. Auch Männer profitieren davon, wenn die Politik sich dieses Themas annimmt. Wir haben jetzt ein flächendeckendes Netz von Beratungsstellen, das auch Männer nutzen können. Und:Wer schlägt, muss gehen.Wenn die Frau schlägt, muss sie die Wohnung verlassen.
Stern: Würden Sie sich künftig auch als "Männerministerin" bezeichnen?
Ursula von der Leyen: Gerne. Selbstverständlich bin ich auch eine "Männerministerin".
Stern: Waren Sie als junges Mädchen eigentlich ein Mauerblümchen oder ein wilder Feger?
Ursula von der Leyen: Hey, was ist das denn? Darüber werde ich nicht öffentlich sprechen.
Stern: Haben Sie als kleines Mädchen von großen Stars geträumt?
Ursula von der Leyen: Na klar, das hat es gegeben.
Stern: James Dean?
Ursula von der Leyen: Nein, Winnetou. Der war großartig.
Stern: Was war die unangenehmste Anmache, der Sie je ausgesetzt waren?
Ursula von der Leyen: Ich bin einigen dummen Anmachen ausgesetzt gewesen.
Stern: Was haben Sie gemacht?
Ursula von der Leyen: Ich habe sie behandelt, wie man dumme Anmachen behandelt - ignoriert.
Stern: Nie: "Hau ab!" oder: "Verpiss' dich!"?
Ursula von der Leyen: Das kommt auf die Situation an. Aber Sie beide geht das sicher nichts an.
Stern: Was ist das Spannendste an Männern?
Ursula von der Leyen: Brauchen Sie eine Beratung? Das ist lustig hier. Ich finde an Männern das Phänomen der Liebe faszinierend. Das Spannendste an Männern ist noch immer das große weite Feld der Liebe. Das kann das ganze Leben füllen.
Stern: Wann ist für Sie ein Mann attraktiv?
Ursula von der Leyen: Natürlich spielt das Aussehen eine gewisse Rolle, als Einstieg sozusagen. Entscheidend ist aber der Moment, wenn er den Mund aufmacht. Ich will wissen, wie er tickt, wie er denkt, wie er fühlt.
Stern: Wer ist der attraktivste Mann im Kabinett?
Ursula von der Leyen: Meine Herren, sie glauben doch nicht wirklich, dass ich das beantworte .
Stern: Versuchen wir es so: Wer ist der Interessanteste im Kabinett?
Ursula von der Leyen: Die größte Entdeckung war Franz Müntefering für mich.
Stern: Wieso?
Ursula von der Leyen: Ich hatte vorher ein völlig falsches Bild von ihm. Ich habe einen Menschen entdeckt, der viele Facetten hat, der ernsthaft ist, der lernt.
Stern: Was müssen Männer haben? Wir hoffen, Sie verstehen die Frage richtig.
Ursula von der Leyen: Ja. (Gelächter) Für mich muss ein Mann Tiefgang haben.
Stern: Und eine Frau?
Ursula von der Leyen: Klugheit, Sensibilität und Persönlichkeit - auch wenn das nicht von einem Geschlecht allein gepachtet ist. Ich kenne eiskalte Frauen und eiskalte Männer. Ich kenne hochemotionale Frauen und hochemotionale Männer. Nicht zu vergessen dieses Quäntchen, das die Sexualität zwischen Männern und Frauen ausmacht, das macht den Unterschied.
Stern: Was törnt Sie an Männern total ab?
Ursula von der Leyen: Plattheit und ordinäres Verhalten.
Stern: Was kann Ihr Mann, was Sie nicht können?
Ursula von der Leyen: Die einfache Antwort wäre, er kann Klavier spielen.
Stern: Zugegeben, das ist sehr männlich.
Ursula von der Leyen: Es gibt keine Fähigkeit, die nur er oder nur ich habe. Aber er macht die Dinge anders.
Stern: Gibt es keine Arbeitsteilung? Er rauft mit den Jungs, sie gehen mit den Mädchen reiten?
Ursula von der Leyen: Richtig ist: Die bolzen wie verrückt. Da mache ich nicht mit - aus Angst um meine Schienbeine. Andererseits bin ich stundenlang mit den Mädchen, den Ponys und dem Hund draußen, das ist mein Toben.
Stern: Das ist alles?
Ursula von der Leyen: Nein, er nimmt Kinder anders in den Arm, er wälzt andere Themen mit ihnen, er spricht eine andere Sprache. Und er löst Konflikte anders, manchmal härter, manchmal weicher.
Stern: Wann haben sie zum letzten Mal mit einem fremden Mann geflirtet?
Ursula von der Leyen: Du liebe Zeit! Nächste Frage!
Stern: Aber Sie sagen jetzt nicht, dass Sie nicht mehr mit Männern flirten?
Ursula von der Leyen: Meine Herren, jetzt ist es aber mal gut.
Stern: Sie reden so gerne darüber, dass Männer sich ändern müssen. Haben Sie eine kleine Botschaft auch für unsere weiblichen Leser?
Ursula von der Leyen: Auch da gilt: loslassen. Umfragen zeigen, dass 55 Prozent der Frauen sagen, Männer seien nicht geeignet, Kinder zu erziehen. Aber Männer können erstklassige Väter sein, man muss ihnen keinen Zettel mit Gebrauchsanweisungen für den Alltag hinlegen. Sie werden es auf ihre Art machen.
Stern: Das ist aber ein schönes Finale.
Ursula von der Leyen: Sehen Sie!
Das Interview ist am 8. Februar 2007 im "Stern" erschienen.
Es wird in dem Interview sehr schön deutlich, wie die Ministerin und mit ihr die Familienpolitik an der Realität vorbei fabuliert.
Von der Leyen will den Neuen Mann und (!) Frauen, die diese umerzogenen Männer wollen.
Der Stern-Reporter weist darauf hin, dass Frauen die von der Leyen favorisierten Männer auf dem Heiratsmarkt aber keineswegs nachfragen, diese Wirklichkeit perlt aber an der Ministerin wie an Teflon ab.
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Der einzige „Hirni“ hier weit und breit.
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