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Psychologie: Das kann doch nicht wahr sein (Manipulation)

Mus Lim ⌂ @, Monday, 09.12.2013, 08:06 (vor 4003 Tagen)

Psychologie: Das kann doch nicht wahr sein
 
Viele Menschen hängen Mythen an, für die es keine Beweise gibt. Entscheidend dafür seien nicht die Fakten, sagen Psychologen, sondern wie wahr sich etwas anfühlt.
 
Impfgegner, Aidsleugner, Homöopathen: Viele Menschen glauben an Mythen - und lassen sich von Beweisen kaum überzeugen. Psychologen erforschen, weshalb das so ist. Eine Anleitung zur Diskussion mit Sturköpfen.
 
Manche Irrtümer enden tödlich. [Es folgt eine Geschichte über eine AIDS-Erkrankung ...]
 
[...] Wir alle schenken Mythen Glauben, für die Beweise fehlen. Wir alle halten an Standpunkten fest, für die wir keine Belege haben. Zuckerkügelchen verwechseln viele mit wirksamer Medizin, Impfungen halten sie für gefährliches Gift. Wir streiten uns über Gentechnik, ohne exakt zu verstehen, worum es da geht. Wir halten uns für fleißiger als den eigenen Partner und für intelligenter als die Kollegen, ohne das auf mehr als ein diffuses Gefühl zu gründen. Kürzlich demonstrierten Psychologen, dass Menschen selbst dann Informationen Glauben schenken, wenn ihnen zuvor klipp und klar mitgeteilt wird, dass es sich um Lügen handelt.
 
Trotzdem besteht Hoffnung, selbst Starrköpfe zu überzeugen. Die Studien und Experimente zahlreicher Psychologen zeigen, dass der Fokus in Diskussionen auf der Verpackung von Fakten liegen muss. Es geht darum, dass sich etwas wahr anfühlt, dass sich das diffuse Gefühl einstellt, eine Geschichte, eine Aussage oder eine Nachricht entspreche der Wahrheit. Die (natürlich!) korrekten Sachinformationen müssen also so präsentiert werden, dass sie sich wahr anfühlen.
 
Nutze klare Botschaften
 
Der Schlüssel in die Trutzburg der Starrköpfe ist die kognitive Leichtigkeit. Je weniger ein Mensch geistig herausgefordert wird, desto eher schluckt er das, was ihm gesagt wird. Skepsis und Zweifel sind die Domäne des analytischen Denkens, wie der Psychologe Daniele Kahneman ausführt. Doch das kostet Energie, es strengt an und fühlt sich nicht gut an. Wer also auf komplizierte Vokabeln und komplexe Sätze verzichtet, weckt das Misstrauen seines Gegenübers nicht aus dem Schlummer. Kognitive Beanspruchung versetzt hingegen das analytische Denken eines Menschen in Alarmzustand und verrammelt den Zugang zum Geist des Starrkopfes.
 
Es kostet zum Beispiel mehr Mühe, einen Text in einer Fremdsprache zu lesen. Versuche haben gezeigt, dass der gleiche Inhalt dann kritischer geprüft wird als in der Muttersprache. Auch ein schlechtes Schriftbild reduziert die kognitive Leichtigkeit und lässt Leser den Inhalt besonders misstrauisch begutachten. Gute Lesbarkeit und leichte Verständlichkeit erhöhen hingegen die Illusion von Wahrheit. Die gleiche Aussage, so haben Psychologen in einem Experiment gezeigt, wird eher als wahr akzeptiert, wenn sie in einer dunkel- statt hellblauen Schrift gesetzt war. Der stärkere Kontrast erhöhte die Lesbarkeit. Wer überzeugen will, hat klare Botschaften und nimmt seinem Gegenüber das Denken weitgehend ab.
 
Konzentriere dich auf wenige Argumente
 
Wer hält sich für durchsetzungsfähiger? Menschen, die drei Situationen aufschreiben sollen, in denen sie einen Widerstand überwunden haben, oder jene, die zwölf solche Begebenheiten schildern sollen? Eigentlich müssten es doch die sein, die mehr Situationen beschrieben, in denen sie sich durchsetzten. Doch in diesem Versuch von Psychologen verhielt es sich genau andersherum: Es kostete eben mehr Mühe, zwölf statt drei solche Situationen zu erinnern. Diese kognitive Mühe werteten die Probanden als Indiz, dass sie wohl nicht sonderlich durchsetzungsfähig sein könnten. Der gleiche Effekt tritt auf, wenn in einer Diskussion zu viele Gegenargumente bedacht werden sollen. Mit jeder zusätzlichen Information nimmt die kognitive Mühe zu und damit das Gefühl, dass es sich vielleicht doch nur um Geschwafel handelt.
 
Der Psychologe Nobert Schwarz von der Universität Michigan, der diese Versuche unternommen hat, beobachtete zudem: Dieser Mechanismus ist unabhängig von der Qualität der Argumente. Selbst wenn zwölf wasserdichte Punkte angeführt werden, lässt die Überzeugungskraft mit dem Umfang der Informationen nach. Viele Argumente zu bedenken, kostet Kraft und erzeugt ein unbehagliches Gefühl, das Menschen automatisch scheuen. Wer Starrköpfe überzeugen will, sollte also wenige sehr gute statt viele sehr gute Argumente in den Ring werfen.
 
Verschweige den Mythos
 
Es ist ein Dilemma: Wer einen Mythos entkräften will, wiederholt diesen fast zwangsläufig. Warum das ein Problem ist? Weil jede Wiederholung dazu führt, dass eine Information geläufiger wird. Werbung funktioniert auf diese Weise. Niemand glaubt sofort, dass ein Waschmittel weißer wäscht als alle anderen. Doch die stete Wiederholung einfacher Botschaften reduziert den Grad an geistiger Anstrengung, die es braucht, um diese zu verarbeiten - und was mit Leichtigkeit verarbeitet wird, fühlt sich irgendwann vertraut und gut an. Aus einem diffusen Gefühl heraus greift man dann eben zu dem Produkt, das sich irgendwie vertrauter anfühlt. Nun sind Verschwörungstheorien oder starke Meinungen natürlich etwas anderes als Waschmittelwerbung. Der Effekt ähnelt sich aber, wie Schwarz demonstriert hat. Er testete, wie Informationen zu Impfungen aufgenommen werden. Er legte einen Flyer der US-Seuchenschutzbehörde vor, der unbegründete Ängste widerlegte, diese Mythen dabei aber notgedrungen erwähnen musste. Wer die Unterlagen gelesen hatte, wusste anschließend Fakt von Fiktion zu unterschieden - jedoch nur kurzfristig. Nach einigen Stunden fragte der Psychologe die Leser des Flyers nochmals ab. Nun waren sie gründlich verwirrt und hielten sich an die Faustregel "Was sich vertraut anfühlt, wird schon stimmen." Weil der Flyer aber auch widerlegte Mythen erwähnt hatte, fühlten sich auch diese vertraut und wahr an, sobald die konkrete Erinnerung an die Inhalte verblasste. Wer also überzeugen will, konzentriert sich auf seine eigenen Argumente und verschweigt die seines Gegners.
- Sebastian Herrmann: Psychologie: Das kann doch nicht wahr sein, Tagesspiegel am 29. November 2013

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