Wenn der Mensch zur MenschIn wird - oder:

Wieviel »Gleichberechtigung« verträgt das Land?

How much »equality« the country can stand?

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Liste Femanzen Dr. Antje Schrupp (Liste Femanzen)

Oberkellner @, Sunday, 15.12.2013, 14:22 (vor 3845 Tagen)

F97 Dr. Antje Schrupp – geboren am 22.09.1964 in Weilburg (Hessen) – Journalistin – Studium der evangelischen Theologie, Philosophie und Politikwissenschaft in Frankfurt – promovierte über Frauen in der Internationalen Arbeiterassoziation – Redakteurin der Zeitschrift „Evangelisches Frankfurt“ – lebt in Frankfurt am Main – www.antjeschrupp.dewww.antjeschrupp.com – info@evangelischesfrankfurt.de - Autorin von www.bzw-weiterdenken.de – info@schrupp.de - http://www.sakida.de/wp-content/uploads/2013/02/Antje-Schrupp.jpg

von Antje Schrupp
Dass es unter Frauen, und zwar auch unter jungen Frauen, inzwischen wieder ein größeres Interesse und Bedürfnis nach feministischer Theorie gibt, zeigte sich im Februar im Evangelischen Frauenbewegungszentrum in Frankfurt. Zum Auftakt einer neuen Veranstaltungsreihe "DenkRäume" war die Publizistin Christa Mulack eingeladen, die der provokant formulierten Frage: "Sind Lesben frauenfeindlich?" nachging. Über 60 Frauen aller Altersgruppen, Lesben und Heteras aus unterschiedlichen feministischen Richtungen waren gekommen.
Das Thema habe sie gewählt, weil sie gerade unter lesbischen Frauen häufig eine Kultur fehlender Wertschätzung für Andersdenkende, eine aggressive Grundstimmung im Umgang miteinander und fehlende Beziehungskultur erlebt habe, so Mulack. Obwohl doch Lesben gerade den Anspruch hätten, Frauen zu lieben, beobachte sie in lesbischen Frauenzusammenhängen häufiger als anderswo eine gewisse "Verachtung für jegliche Form von Weiblichkeit".
Die Hauptursache für fehlende Liebe und Solidarität unter Frauen, so Mulack, sei die patriarchale Abwertung von Weiblichkeit, die allen Mädchen anerzogen werde und daher auch Lesben beeinflusse. Daher sei die "Überbewertung des Männlichen" auch unter lesbischen Frauen normgebend. Im Patriarchat seien "alle Frauen Opfer", allerdings würden manche Lesben sich als vermeintliche "Nicht-Opfer" sehen, die sich aus den Beschränkungen des heterosexuellen, auf Männer bezogenen Lebens befreit hätten. Aus dieser Perspektive schauten sie dann auf die anderen, vermeintlich weni-ger freien heterosexuellen Frauen herab. Mulack forderte hingegen dazu auf, anzuerkennen, "dass wir alle patriarchal infizierte Frauen sind."
Deutlich grenzte sich Christa Mulack von der "Genderforschung" und der Queer-Philosophie ab, die das Frausein gänzlich als sozial konstruiert verstehe. "Es genügt nicht, den Weiblichkeitsbegriff einfach abzulegen, sondern wir müssen ihm etwas Neues, eine feministische Anthropologie das Frauseins, entgegensetzen." Feminismus könne sich nicht damit begnügen, überholte und patriarchale Vorstellungen des Frauseins abzubauen, sondern es sei notwendig, auch eine neue Grundlage aufzubauen, eigene Vorstellungen und Orientierungen im Bezug auf das Frausein zu entwickeln. Ansonsten laufe die Frauenbewegung Gefahr, männliche Werte einfach zu übernehmen. "Dem Pat-riarchat ging es schon immer um die Abschaffung des Weiblichen", so Mulack, "alle Unisex-Modelle passen da hinein. Die Selbstabschaffung der Frau als weibliches Wesen spielt dem Patriarchat in die Hände."
Insbesondere Mulacks Versuch, diese Wurzel der Weiblichkeit im Körper, in der Menstruation und der Gebärfähigkeit zu verankern, wobei sie die Ergebnisse der neueren Hirnforschung als Belege anführte, stieß in der anschließenden Diskussion auf teilweise deutlichen Widerspruch, vor allem seitens der jüngeren, in den universitären "Genderstudies" beheimateten Frauen. Auch Mulacks plakativer Aussage "Frauen sind die besseren Menschen" mochten viele nicht folgen. Allerdings liefen diese Auseinandersetzungen weitgehend respektvoll und unideologisch ab - ein gutes Zeichen dafür, dass die verschiedenen Strömungen der Frauenbewegung heute doch auf eine kreativere Weise "aneinander geraten" können (vgl. dazu meinen gleichnamigen Text in diesem Forum:

http://www.bzw-weiterdenken.de/index.php?m=artikel&rub2=&tid=5)

Autorin: Antje Schrupp
Redakteurin: Antje Schrupp
Eingestellt am: 11.02.2009
Gleichberechtigt? Seit 80 Jahren Wunschvorstellung

Dr. Antje Schrupp sprach im Ludwig-Thoma-Haus auf Einladung der Frauenberatungsstelle

Dachau – „Pillenknick“, „Mythos Muttersein“ und „Denken im Durchschnitt“ – das sind nur einige der Schlagwörter, die die Journalistin und Politologin Dr. Antje Schrupp bei ihrem Vortrag im Ludwig-Thoma-Haus nannte. Auf Einladung der Frauen- und Familienberatung, Gleichstellungsstelle war sie anlässlich des Weltfrauentags nach Dachau gekommen. „Die Deutschen sterben aus und die Frauen sind schuld?“ lautete das provokante Thema des Abends, zu dem sich zu den rund 25 Frauen auch ein Mann eingefunden hatte.


von conny süss

„Obwohl Frauen seit 80 Jahren gleichberechtigt sind, ziehen sie immer noch den Kürzeren“, stellte die Refe-rentin fest. Frauen müssen sich um die Kinder, ältere Menschen, den Haushalt kümmern.

Fängt schon gut an. Frauen ziehen also "immer noch" den Kürzeren. Sie müssen sich um Kinder, Alte und Haushalt kümmern (die Haustiere hat sie dabei noch vergessen). Wer sagt eigentlich, dass sie müssen? Wer zwingt sie dazu? Das Patriarchat, verkörpert durch den Herrn und Gebieter daheim? Der sie verstößt und die Scheidung einreicht, wenn sie es nicht tun?
Nicht zu vergessen die ganzen armen Frauenzimmer, die gezwungen werden, für Geld zu arbeiten. Und nach Feierabend auch noch Haushalt und Kinder betreuen müssen - ein 25-Stunden-Job, wie wir alle wissen. Drei-fachbelastung pur. Und der Pascha daheim bringt nicht einmal den Müll runter. Frauenleben ist Frauenleiden!


„Das entkräftet den Vorwurf, emanzipierte Frauen kämen ihren Pflichten nicht mehr nach.“

Wenn nichts mehr hilft, saugen wir uns einfach irgendeinen Vorwurf aus den Fingern.


Der Feminismus habe also keineswegs den Geburtenrückgang verschuldet. „Die Frauenbewegung hat die Kinderfrage vielmehr zu einer politischen gemacht“, so Schrupp. Wenn die Kinderzahl erhöht werden soll, „braucht man mehr Feminismus“. Denn dieser will die Frauen unterstützen so zu leben, wie sie es wollen.

Halten wir also mal fest. Die Frauenbewegung "hat die Kinderfrage zu einer politischen gemacht". Aber das erst in den letzten paar Jahren, da die alarmierend niedrige Geburtenrate die Politik beschäftigt. Vorher haben sich die Les... äh, Feministinnen doch dreißig Jahre lang überhaupt nicht um die Kinderfrage gekümmert, sondern immer nur ums eigene weibliche Wohlergehen. Und das ist jetzt auch nicht anders. Geburtenrate und Kindeswohl sind nur der Vorwand; in Wahrheit geht es um die "Vereinbarkeit von Familie und Beruf". Selbstredend für Frauen. Für wen denn sonst bitteschön?
Und woher hat sie bloß die Weisheit, je mehr Feminismus, desto mehr Kinder gebe es? Diese Naivität ist ge-radezu rührend. Das erinnert mich an die Leute, die das schöne Wetter darauf zurück führen, dass sie gestern den Teller leer gegessen haben.
Wunderbar entlarvend schließlich der Satz, der Feminismus wolle "die Frauen unterstützen so zu leben, wie sie es wollen". Ja, und wie! Ohne jede Rücksicht auf Männer und Kinder!


„Und tatsächlich wollen Frauen mehr Kinder bekommen, das zeigen Studien“, berichtete die Journalistin. Dies scheitere allerdings häufig an fehlenden Kinderbetreuungsplätzen, Angst vor Jobverlust oder der Lust der Väter auf Vaterschaft. „Die Hälfte der Frauen, die Kinder wollen, finden keinen Mann dafür.“ So würden nur elf Prozent der jungen Frauen keine Kinder wollen, aber 26 Prozent der jungen Männer.

Sehr gute Nachrichten! Schon 50 Prozent der von den Frauen ausgeguckten Väter sind also Zeugungsverwei-gerer. Und es werden jeden Tag mehr. Das System kippt allmählich.
Dass sie sich einmal ernsthafte Gedanken darüber macht, warum so empörend viele junge Männer schlichtweg keine Lust mehr haben, Kinder in die Welt zu setzen, ist allerdings nicht zu erwarten.


(...) Dr. Antje Schrupp ist der Meinung, dass es Frauen ermöglicht werden muss, viele Kinder zu haben. „Das ist die einzige Möglichkeit, die Geburtenrate zu steigern.“ (...)
http://www.merkur-online.de/regionen/dachau/art2785,778245.html?fCMS=fd569c8bb3821b345ea17bdacf129126

Antje Schrupp: feministische Theologin, später noch Doktrix in Gesellschaftswissenschaften, Redakteurin der Zeitung "Evangelisches Frankfurt".
In Haiti, so berichten verschiedene Medien, sollen an den neuen Verteilstellen Lebensmittel nur noch an Frauen ausgegeben werden.

Immer wenn ich solche Nachrichten lese, bin ich gleichzeitig erleichtert und verärgert.

Erleichtert, weil es wahrscheinlich tatsächlich so ist, dass es bei der Verteilung von Lebensnotwendigem gerechter zugeht, wenn man dies den Frauen anvertraut,

Verärgert bin ich, weil sich an dem Schema so niemals etwas ändert, wonach man sich immer auf die Frauen verlässt, wenn es darum geht, “das Gemeinwohl” im Auge zu behalten.
http://anonym.to/?http://antjeschrupp.com/2010/01/31/haiti-good-women-bad-men/#comment-810
"Ich bin Journalistin und Politologin, Jahrgang 1964, und lebe in Frankfurt am Main. Vom Feminismus “angesteckt” wurde ich 1994, als ich über Chiara Zamboni das Denken der italienischen Feministinnen kennenlernte und entdeckte, dass Feministin zu sein nicht bedeutet, bestimmte Meinungen zu haben oder Programme vertreten zu müssen, sondern frei zu sein, dem eigenen Begehren zu folgen. Und einen Sinn in der Tatsache zu finden, dass ich eine Frau bin. Die Liebe der Frauen zur Freiheit und zur Welt ist es, die mich seither bewegt und inspiriert. Deshalb interessiere ich mich vor allem für weibliche politische Ideengeschichte und bin immer wieder entzückt, welche überraschenden Ideen aus dem gemeinsamen Denken und auch aus Konflikten mit anderen Frauen (ob sie nun heute leben oder früher) entstehen."

http://www.bzw-weiterdenken.de/personen/antje-schrupp/

Die Piraten und ihr Frauenproblem
Die Piratenpartei steht momentan unter einem gewissen Rechtfertigungsdruck: Sie hat keine einzige Frau in ihrem Bundesvorstand. Das ist ziemlich merkwürdig für eine Partei, die sich als „postgender“ versteht. Von außen gesehen ist es tiefstes 19. Jahrhundert – mir fällt auf Anhieb keine einzige andere gesellschaftlich rele-vante Institution ein, bei der die Männerdominanz so stark ist. Abgesehen vielleicht von der katholischen Kir-che, bei der die Ursache aber organisationstechnisch ist: Frauen dürfen hier ja qua Gesetz nicht Priester werden. An der Basis braucht sich die katholische Kirche über fehlendes weibliches Engagement dennoch nicht beklagen.
Noch interessanter ist aber die Erklärung, die seit der gestrigen Wahl immer wieder vorgetragen wird: Die Frauen hätten nicht genug „Mut“ gehabt, um zu kandidieren. Das ist einerseits interessant, weil es der „post-gender“-These natürlich diametral entgegen steht: Wären die Piraten tatsächlich „postgender“, dürfte es so einen auffälligen „Mutunterschied“ unter ihren Mitgliedern ja gar nicht geben. Gibt es ihn, sind sie offensicht-lich nicht „postgender“.
Ich halte die Erklärung aber auch für falsch. Immerhin leben wir in einer Gesellschaft, die gerade mehrere Jahrzehnte Gleichstellungspolitik hinter sich hat. Frauen haben heute zu allem möglichen genug „Mut“, sie werden Soldatinnen, Bundeskanzlerinnen, gehen in Vorstände von Dax-Unternehmen und was nicht noch alles. Und da soll ihnen der „Mut“ fehlen, für den Vorstand der Piratenpartei zu kandidieren? Das erscheint mir nicht sonderlich plausibel.
Wahrscheinlich ist der Grund einfach, dass Frauen kein Interesse haben, sich in der Piratenpartei zu engagieren. Nicht genug Interesse jedenfalls. Nicht genug Interesse insofern, als schon unter den Wählern, Mitgliedern und Sympathisanten der Piratenpartei der Frauenanteil sehr niedrig ist – und entsprechend niedrig ist dann eben auch der „Pool“, aus dem man schöpfen kann. Nicht genug Interesse vermutlich auch auf Seiten der Piratinnen selbst. Soweit ich es mitbekommen habe, haben die Teilnehmerinnen am Bundesparteitag sich fast nur bei der Befragung von Leena Simon überhaupt mit Wortbeiträgen beteiligt. Warum nicht sonst? Fanden sie die anderen Themen uninteressant?
Leena Simon war mit feministischen Begründungen angetreten (wie etwa der, dass ansonsten nur Männer kandidiert hätten) und ist genau dafür heftig kritisiert worden. Aus feministischer Sicht waren ihre Anliegen relativ moderat, jedenfalls im Vergleich zu dem, was andernorts diskutiert wird. Aber es war doch deutlich, dass viele von den Frauen, die bei den Piraten aktiv sind, sich dezidiert nicht als Feministinnen verstehen wollen. Sie wollen das Geschlecht nicht thematisieren – und warfen Leena Simon vor, dass sie es tut.
Diese Haltung ist unter Frauen auch sonst nicht selten anzutreffen, unter Piratinnen scheint sie aber besonders verbreitet zu sein. Die frauenpolitischen Erfahrungen anderer Parteien zeigen aber deutlich, dass Frauen eine viel geringere Neigung haben, sich für Ämter zur Verfügung zu stellen als Männer. Sie bevorzugen andere Arten, politisch aktiv zu sein. Der Anreiz, ein Amt zu bekleiden, ist für sie aus vielen Gründen (die zu analy-sieren wäre ein anderes Thema) weniger hoch als für Männer.
Lässt man den Dingen einfach ihren Lauf, sind Männer deshalb überall klar in der Überzahl. Wenn man Frauen in Ämtern haben will, muss man also mehr tun, als ihnen die Kandidatur einfach zu erlauben. Das mag man gut oder schlecht finden, es ist einfach eine Tatsache. Verschiedene Parteien und Organisationen haben darauf unterschiedlich reagiert – von einer 50-ProzentQuote bei den Grünen über diverse „Quoren“ oder die Gründung von Frauen-Unterverbänden bis hin zum Aufbau einer eigenen Netzwerkstruktur.
Aus feministischer Sicht kann man solche Versuche der klassischen patriarchalen Institutionen, Frauen in ihre Strukturen zu „integrieren“ (Parteien sind von ihrem Prinzip her zu Zeiten entstanden, als nur Männer da aktiv waren) ambivalent gegenüber stehen. Ich persönlich beurteile Quoten skeptisch, weil sie sozusagen das Unbehagen vieler Frauen gegen diese Strukturen künstlich aushebeln – und mir wäre es lieber, wir würden Parteien und Politik viel grundsätzlicher verändern, sodass Quoten als Krücke nicht mehr notwendig sind.
Fakt ist aber: Ohne irgendeine explizite Auseinandersetzung mit dem Thema der sexuellen Differenz bekommt man keine Frauen – oder jedenfalls nur sehr wenige – in solche Strukturen hinein. Und da die Piraten eine explizite Auseinandersetzung mit dem Thema nicht führen, ist die logische Konsequenz, dass die Männer hier eher unter sich bleiben (Ausnahmen gibt es immer).
Und damit haben die Piraten ein ernstes Problem. Reine Männervereinigungen können heutzutage schlichtweg nicht mehr den Anspruch erheben, für die Gesellschaft allgemein zu sprechen. Sie wirken anachronistisch, bleiben partikular, rangieren in der öffentlichen Wahrnehmung – vor allem in der Wahrnehmung der Mehrheit der Frauen – als eine Art Männerhobby. Tendenziell uninteressant. Ich finde, mit Recht. Alle Erfahrung mit anderen Organisationen zeigt schließlich: Wo der weibliche Input fehlt, ist das Ergebnis nicht so gut, wie es sein könnte.
Solange die Piraten ein so stark dominierter Männerverein bleiben, werden sie deshalb niemals den gesellschaftlichen Einfluss haben, den sie haben könnten. Sie schießen sich somit selbst ins Knie, wenn sie die wenigen Frauen, die mit feministischen Impulsen in die Partei kommen, nicht freudig begrüßen, sondern ihnen im Gegenteil auch noch Steine in den Weg legen. Man muss sich nur mal vorstellen, dass eines der positivsten Voten zu Leena Simon war, sie hätte wirklich „Eier in der Hose“. Hallo? Überall sonst in der Gesellschaft sind die Zeiten, in denen es als Lob für Frauen gelten konnte, ihnen zu sagen, dass sie „ihren Mann stehen“, lange vorbei. Das Männliche als Maßstab hat bei allen, die auch nur das allerkleinste Einmaleins des Feminismus kennen, schon seit Jahrzehnten ausgedient.
Eine gewisse Hoffnung gibt es ja noch, weil immerhin knapp 30 Prozent Leena Simon gewählt haben. Mal sehen, ob sie das Thema „Warum sind wir als Partei für Frauen und speziell für Feministinnen so uninteressant?“ in den zukünftigen Parteidiskussionen wach halten können. Nicht, um den Frauen irgendwie einen Gefallen zu tun. Sondern aus purem Eigeninteresse. Gelingt ihnen das nämlich nicht, dann bleiben die Piraten ein gesellschaftliches Randphänomen, das mich ungefähr so sehr interessieren muss wie Formel Eins-Rennen.

http://antjeschrupp.com/2010/05/16/die-piraten-und-ihr-frauenproblem/


Liebe Antje,
Passt die Religion für mich? Und welche Kriterien kann es dafür geben? Das Verhältnis von Religion und Feminismus ist kompliziert. Foto: kwerensia/fotolia.com
Ich bin nach christlichen Grundsätzen erzogen worden, wenn ich an Werte wie Verzeihen können, Nächstenliebe zeigen und die Wahrheit sagen denke, die in meiner Erziehung eine große Rolle gespielt haben. Ich bin getauft und konfirmiert, bis ins Teenageralter in den Religionsunterricht gegangen, aber so gut wie nie mit meiner Familie in die Kirche. Ich habe nie Gebete gesprochen. Dennoch habe ich, als ich einmal sehr krank war, den Psalm 23 aufgesagt, ganz leise, immer wieder, eine ganze Nacht lang. Und fand Trost darin. Es waren mehr die Worte, die mich beruhigten, als der Inhalt. So frage ich: Wie soll ich glauben, wenn mir die Vor-stellung von Gott als Person – “Der Herr ist mein Hirte” – unangenehm ist?
Liebe Barbara,
hm, mich interessiert, woher deine Vorstellung kommt, etwas glauben zu “sollen”? Offenbar doch nicht von deinen Eltern? Meine religiöse Entwicklung war ganz ähnlich wie deine. Mit ungefähr 11 Jahren hatte ich eine ernste Glaubenskrise. Ich hatte ein Buch über Indianer gelesen und dann einige Tage sehr intensiv zu Gott gebetet (wie man es mir im Kindergottesdienst beigebracht hatte), dass er mich bitte zur Indianerin macht. Als nichts geschah, war ich sehr enttäuscht. Offenbar war Gott nicht allmächtig, oder er interessierte sich nicht für mich. Seither war ich immer sehr kritisch gegenüber allen Versprechungen und Glaubensdogmen. Eigentlich hat mich erst später der Feminismus wieder “fromm” gemacht, als ich verstanden habe, dass es nicht darum geht, was ich glauben “soll”, sondern darum, was ich tatsächlich glaube. Also ohne Moral oder “du musst”. Wie interpretierst du zum Beispiel deine Erfahrung, dass das Psalm-Aufsagen dir geholfen hat? Wie alt warst du da? Hast du etwas Ähnliches später noch mal erlebt?
Liebe Antje,
ich denke, diesem “sollen” liegen zwei Quellen zugrunde. Einerseits die gängige Auffassung im christlichen Abendland, in dem ich ja sozialisiert wurde. Andererseits ein inneres Bedürfnis, das ich verspüre. Ich möchte an etwas glauben. Wäre da nichts, nichts Größeres, nichts, an das ich ein Stoßgebet richten kann, so würde mich das sehr frustrieren. Dass ich – im Erwachsenenalter während einer schlimmen Nacht voller Angst im Krankenhaus – den Psalm sprach, erkläre ich mir auch so. Ähnliches habe ich zuvor allerdings nicht mit dieser Heftigkeit erlebt; was sich aber auch über die Krise erklärt, in der ich mich befand. Wie kann ich mir vorstellen, dass dich der Feminismus “fromm” gemacht hat?
Liebe Barbara,
mir geht es mit diesem Bedürfnis nach etwas “anderem, größerem”genauso wie dir, und im Feminismus habe ich Frauen und Denkmöglichkeiten gefunden, dem nachzugehen, ohne in diesen alten patriarchal-religiösen “Du sollst”-Modus zu verfallen. Ich habe in den 1980er Jahren ein paar Semester Theologie studiert, also in den Anfangszeiten der Feministischen Theologie, und das war sehr aufregend mit all den christlichen Frauen, die wir in der Geschichte entdeckt haben und den falschen männlichen Übersetzungen, die zum Beispiel aus der Apostelin Junia den Apostel Junias gemacht haben und so weiter. Besonders wichtig fürs “fromm” werden war für mich aber ein Satz der Philosophin Luisa Muraro, die sagte, die größte Sünde der Männer sei es, dass sie sich den Frauen gegenüber an die Stelle Gottes gesetzt haben, und die größte Sünde der Frauen, dass sie das zugelassen haben. Dadurch ist mir klar geworden, dass es im Feminismus nicht um den Kampf gegen Männer oder die Suche nach Anerkennung der Männer (oder ihrer Institutionen) gehen kann, sondern um das Verhältnis der Frauen zu diesem “Mehr”. Das kann man “Gott” nennen, muss aber nicht. Ich verwende da je nach Kontext verschiedene Begriffe und Umschreibungen, zum Beispiel auch “gutes Leben für alle” oder “die ganze Welt”. Kannst du mit diesem Gedanken etwas anfangen?
Liebe Antje,
ja, ich kann damit etwas anfangen. Muss aber noch mal zurückgehen zur Frage nach dem “fromm” werden. Was ist das denn in “deiner Welt”? Denn – um mal meine Definition vornweg zu äußern, ich verbinde mit Frömmigkeit eine Einschränkung, ja im weitesten Sinne die Verhinderung von Freiheit. Wie kommst du damit zurecht?
Liebe Barbara,
ja klar. Wer “fromm” ist, versucht, sich am Willen Gottes zu orientieren und nicht am eigenen, um es mal etwas pathetisch zu sagen. Wobei noch die Frage ist, ob beides solche Gegensätze sind, wie es die von Män-nern entwickelten westlichen Freiheitsvorstellungen behauptet haben. Diese Freiheit als Autonomie und Un-abhängigkeit und als “eigener Wille” hat ja historisch die Freiheit der Frauen ohnehin größtenteils negiert, also ist sie für mich kein Maßstab. In der weiblichen Ideengeschichte, bei den Mystikerinnen etwa, gibt es viele Überlegungen dazu, wie eine Orientierung am “Anderen” möglich ist, obwohl es als “anderes” mir nicht verfügbar ist. Die Versuchung der Frauen ist dabei ja nicht so sehr, dass sie sich selbst und ihre eigene Freiheit absolut setzen, sondern eher laufen sie Gefahr, sich um “des lieben Friedens willen” den Erwartungen anderer, ihrer Ehemänner früher, heute ihrer Chefs oder “des Marktes”, anzupassen. Ich glaube, dass die unbe-friedigende Situation von Frauen heute trotz Gleichstellung auch daher kommt, dass dieses “Ich-sagen” nicht das ist, was viele Frauen wollen (das zeigt sich ja in allen möglichen Studien über Unterschiede zwischen den Geschlechtern). Wenn sie hingegen nicht für sich selbst kämpfen, sondern für “eine gute Sache”, entwickeln Frauen oft eine ungeheure Stärke, Ausdauer, Konsequenz. Deshalb finde ich es für die feministische Praxis wichtig, diese Ausrichtung an etwas “Größerem” zu kultivieren und zu reflektieren (denn sie hat natürlich auch ihre problematischen Seiten). Ich glaube, das würde Frauen “freier” machen, als wenn sie versuchen, dem Idealbild des “autonomen Individuums” zu entsprechen. Aber vielleicht kommt meine Skepsis auch daher, dass ich als Kind und Jugendliche in den Siebzigern und Achtzigern durchaus noch zu hören bekommen habe, dass diese Art männlicher Freiheit für mich als Frau nur teilweise gilt. Vielleicht ist es für jüngere Frauen, die schon von klein auf “gleichberechtigt” waren, anders? Findest du diese Freiheit, die vom “Frommsein” eingeschränkt würde, attraktiv?
Liebe Antje,
deiner Definition des Frommseins stimme ich zu. Und das ist schon auch ein wichtiger Punkt, an dem ich Schwierigkeiten mit dem Glauben entwickle. Wenn ich an einen christlichen Gott glaube, ordne ich mich einer Idee unter, die von Menschen, von Männern überliefert, wenn nicht gar erfunden wurde. Und noch mehr: einer Idee, von der es heißt, sie betreffe alle Menschen. Doch schon ein Blick auf die zehn Gebote (Du sollst nicht begehren deines Nächsten Weib …) lassen erkennen, dass Männer die Hauptadressen dieser Idee sind. Das stößt mir auf, und zwar nicht nur in feministischer Sicht, sondern auch in rein persönlicher. Denn obwohl ich an anderen Stellen ganz genau so funktioniere, wie du beschreibst, also dass ich im Kampf für eine Sache, hinter der ich stehe, gut bin, habe ich bei der Unterordnung an diesen Komplex namens Glauben, namens Gott, Probleme. Vielleicht ist das auch eine Trotzreaktion, auch bedingt durch meine anything-goes-Erziehung – ich bin in den frühen Siebzigern geboren und wuchs zwar behütet, aber doch mit vielen Möglichkeiten und Angeboten auf. Insofern ist es in der Tat ein attraktiver Gedanke für mich, dass ich meine Spiritualität, meine Nei-gung zum Glauben, der Idee schenken, unterordnen möchte, die ich für mich selbst als die passendste finde. Vielleicht ein Grund, warum andere Religionen (Buddhismus, Mystik, und auch der Göttinnen-Glaube) in letzter Zeit mehr und mehr en vogue kommen.
Und ganz recht: Auf dieses Problem mit der Unterordnung einer Idee treffen Frauen – ich gehe mal von mir selbst ins Allgemeine – nicht nur in religiöser Hinsicht, sondern natürlich auch in anderer. Zum Beispiel im Berufsleben, da sind ja die Vorbilder auch von Männern erfunden worden. Und schmecken vielen Frauen nicht; ja, auf diese Art und Weise wollen sie nicht Karriere machen.
Ein Beispiel aus den letzten Tagen, das mir – oberflächlich – recht entspricht, ist der Austritt Jimmy Carters aus der Kirche. Seine Begründung, “Women and girls have been discriminated against for too long in a twist-ed interpretation of the word of God”, kann ich gut nachvollziehen. Denn obwohl ich ja gelernt habe, ich solle mir kein Bildnis von Gott schaffen, werde ich doch in meiner Suche nach dem Glauben tagtäglich mit oftmals eher schlechten als rechten Bildern konfrontiert. Deshalb: Wie schaffe ich es, ein von schlechten Bildern und rein männlich konnotierten Ideen einen Weg zum Glauben zu finden?
Liebe Barbara,
die Schwierigkeit bezüglich der patriarchalen Traditionen, die du ansprichst, ist sehr groß. Ich kann gut ver-stehen, dass viele Frauen sich von den Religionen abgewendet haben. Meiner Ansicht nach gibt es aber nicht nur diese patriarchalen Fehldeutungen, sondern auch echte Wahrheiten in den religiösen Überlieferungen. Wie kann ich beides unterscheiden? Sicher nicht, indem ich einfach meine eigene Meinung dazu befrage. Denn ich muss doch damit rechnen, dass ich mich im Bezug auf Gottes Willen auch mal irre. Mein feministischer “Trick” ist, dass ich Männer nicht als Autoritäten gelten lasse, Frauen aber schon. Da eben ALLE Religionen vom Patriarchat “infiziert” sind (und übrigens auch der Buddhismus oder die Esoterik oder der Atheismus oder der Rationalismus) muss ich bei dem, was Jesus oder Mohammed oder irgendein Rabbi (oder ein Guru, ein Philosoph oder ein Wissenschaftler) sagen, immer damit rechnen, dass sie vielleicht nur von Männern reden und mich, eine Frau, gar nicht im Blick haben. So wie in dem Gebot, das du zitierst. An einem konkreten Beispiel: Dass Jesus auferstanden ist, glaube ich nicht, weil er es ist oder weil die Kirche das behauptet (vielleicht ist er ja nur für die Männer auferstanden), sondern weil Maria Magdalena es bezeugt hat (das heißt, sie war der Meinung, das sei auch für Frauen relevant). Natürlich kann es sein, dass sie sich geirrt hat. Aber das wäre dann wenigstens ein “weiblicher” Irrtum, und darüber müssten wir dann diskutieren…
Ich selbst würde zum Beispiel auf keinen Fall Mitglied in einer Kirche sein wollen, die Frauen vom Priesteramt ausschließt. Aber ich kenne sehr viele kluge und feministische Katholikinnen, das heißt, offenbar hat auch der Katholizismus aus weiblicher Sicht etwas Gutes (sie bezeugen das sozusagen. Das Wort “Glaubenszeuginnen” gefällt mir gut – Frauen, die von ihren Erfahrungen mit dem Göttlichen erzählen). Ähnlich geht es mir mit kopftuchtragenden Musliminnen. Ich halte das für eine frauenfeindliche Praxis, aber vielleicht ist das nur mein westlich-evangelisches Vorurteil? Deshalb interessiere ich mich dafür, welche religiösen Erfahrungen sie haben und was sie Gutes in dieser Praxis sehen. Manches, was andere Frauen über ihr Verhältnis zu Gott sagen, inspiriert mich, anderes lehne ich ab oder verstehe ich nicht. Völlig uninteressant finde ich dabei die Frage, welche Religion die bessere ist. Es gibt keinen “christlichen” oder “jüdischen” oder “muslimischen” Gott, sondern Gott ist Gott, und dann gibt es viele verschiedene (menschengemachte) religiöse Traditionen und Erzählungen dazu. Mir gefällt übrigens deine Formulierung, dass du deine Spiritualität und deine Neigung zum Glauben einer Idee “schenken” möchtest. Einer Idee, die du für dich selbst als “die passendste” findest. Was mich interessieren würde, ist: Welche Kriterien hast du dafür? Woran machst du es fest, ob eine Idee für dich “passt”?
Liebe Antje,
interessant, deine “Krücke” über die Bezeugung von Frauen. Aber dass Maria Magdalena die Auferstehung Christi als relevant und damit überlieferungswürdig erachtete, wissen wir ja hauptsächlich aus den von Männern geschriebenen Evangelien. Oder beziehst du dich auf ihr Evangelium (meines Wissens gibt es da eins, das ihr zugeschrieben wird, aber nicht zum “offiziellen” Kanon gehört)?
Katholisch, ja, das gefällt mir noch viel weniger als evangelisch, wegen des Ausschlusses von Frauen aus dem Priesteramt, aber auch wegen der vielen frauenfeindlichen Äußerungen des katholischen Kirchenoberhaupts (Beispiele spare ich mal aus). Bei den Musliminnen ist mein erster Reflex auch, die Deutung der Religion vor allem in fundamentalistischen Ländern als extrem frauenfeindlich zu sehen. Doch dann stoppe ich mich selbst, weil ich mir kein Urteil anmaßen möchte über die Frauen, die tatsächlich daran glauben, sei es nun der Katholizismus oder der Islam. Sie nehmen halt die Auslegung (zum Beispiel in Form von strengen Regelnwerken) mit in Kauf, ordnen sich unter.
Wahrscheinlich ist es für sie einfach auch die passendste Idee, um noch mal diesen Begriff zu wählen. Ob sie sich selbst dafür entschieden haben oder sich von Geburt an daran gewöhnt haben, sei dahin gestellt. Da kommt wieder mein Dilemma: Zwar bin ich schon ans christliche Regelwerk gewöhnt, doch das liegt hauptsächlich am Ort, an dem ich aufgewachsen bin. Wahrscheinlich hätte ich mich, wäre ich in Indien, Saudi-Arabien oder Ägypten aufgewachsen, auch an andere Religionen gewöhnt. Ich stimme dir zu, dass es keine bessere oder schlechtere Religion, keinen besseren oder schlechteren Gott gibt. Sondern nur bessere oder schlechtere Auslegung der Religion. Und das machen ja die Menschen.
Du fragst nach den Kriterien: Hier hilft mir wie oft die Identifikation durch Negation. Also es geht mir nicht darum, naturwissenschaftlich etwas belegen zu können. Ich bin durchaus bereit, an so was wie ein Wunder zu glauben. Dass Zufälle nicht zufällig sind, sondern vielleicht auch irgendwie geplant. Solche Geschichten mag ich gerne. Zweitens habe ich auch nichts dagegen, mich Regeln anzupassen. Da bin ich gerne auch konsequent – wenn die Regeln Sinn ergeben. Kein Lebewesen töten, ja. Aber wenn ich mich oder jemand anderes Leben verteidigen muss, dann kann ich auch die Tötung eines anderen Lebewesens dafür in Kauf nehmen. So in etwa. Es geht mir auch nicht um einen Gottesbeweis. Ich denke vielmehr, dass ich den Zugang zum Glauben in mir selbst finden muss, also auch dort beweisen kann. Vielleicht stoßen mich die Menschen drumherum oftmals zu sehr ab. Denn das ist in jedem Fall ein Problem: Ich kann schwer teilen. Wie soll ich lernen, meinen Glauben, meine spirituelle Idee, die doch der für mich persönlich der passendste sein soll, mit anderen zu teilen?
Liebe Barbara,
ich fange mal mit deiner letzten Frage an. Es ist ja eine Erkenntnis der Frauenbewegung, dass das, was eine Frau an persönlichen, subjektiven Erfahrungen hat, eine Bedeutung auch für andere Frauen und letztlich für die ganze Welt hat oder zumindest haben kann. In den Selbsterfahrungsgruppen haben Frauen zum Beispiel über ihre familiären Gewalterfahrungen gesprochen, und es hat sich gezeigt, dass die nicht nur privat waren, sondern dass andere Frauen ähnliches erlebt haben, und durch diese Debatten wurde das ein “objektives” Thema, das inzwischen zu einer ganzen Reihe von handfesten Gesetzesänderungen geführt hat. Warum sollte das beim Thema Glauben und Religion nicht auch so sein? Dass Frauen von dem, was für sie “passend” ist, erzählen und andere Frauen damit inspirieren und dass sie dann gemeinsam etwas bewegen, also zum Beispiel ein anderes Gottesbild in die Welt bringen? Das haben sie ja auch schon getan bis zu einem gewissen Grad. Voraussetzung ist natürlich, dass wir uns nicht nur einfach unsere persönlichen Meinungen erzählen und dann alles gleichgültig nebeneinander stehen lassen, sondern dass wir uns gegenseitig auch kritisieren, auf Denkfehler hinweisen. Dass wir zwar von dem Subjektiven ausgehen, von den persönlichen Erfahrungen, aber sie dann auch dem Urteil anderer Frauen anvertrauen, uns in Frage stellen lassen. Der Weg dazu ist das Sprechen und Diskutieren, bei dem wir uns nicht nur gegenseitig kennenlernen, sondern auch die eigene Ansicht aufs Spiel setzen, weil wir uns vielleicht von anderen überzeugen lassen. Oder eben auch die anderen überzeugen. Ein endloser Prozess mit offenem Ausgang.
Von daher finde ich auch die Frage, ob mich meine Herkunft und die Kultur, in der ich aufgewachsen bin, beeinflusst hat, oder ob ich mir meine Ansichten selbst ausgedacht habe, eine falsche Alternative. Es stimmt immer beides. Klar bin ich beeinflusst, aber ich muss dabei ja nicht stehenbleiben. Zwar kann ich mich von der Beeinflussung nicht grundsätzlich frei machen, aber ich kann mir immerhin aktiv aussuchen, von wem ich mich beeinflussen lasse. Es gibt ja nicht “die Menschen”, sondern es sind immer konkrete Menschen, mit denen ich es zu tun habe. Das meine ich mit dieser Praxis der Frauenbeziehungen: Ich entscheide mich durch die Wahl meiner Beziehungen und meiner Gesprächspartnerinnen dafür, in welcher Weise ich geprägt werde. Mein Bild vom Islam ist natürlich ein anderes, wenn ich mich darüber von feministischen Musliminnen belehren lasse, als wenn einfach glaube, was darüber in der Zeitung steht. Und ich wäre ganz sicher keine Christin, wenn ich mich nicht von feministischen Theologinnen hätte belehren lassen. Das stimmt aber nicht nur für die Religion, sondern für alles, auch für die Politik.
Du hast recht, bei historischen Frauen ist das etwas erschwert dadurch, dass wir von ihnen nur durch die patriarchale Brille wissen. Deshalb ist es kein direkter Zugang, sondern vermittelt durch heutige Frauen, zum Bei-piel solche, die über Maria Magdalena oder andere historische Frauen geforscht haben. Zum Glück haben wir da inzwischen ja sehr viel mehr Wissen als noch vor einigen Jahrzehnten, als die Unis noch reine Männerveranstaltungen waren.
Liebe Antje,
dass wir nicht nur durch Herkunft und Umwelt sozialisiert, ja determiniert werden, das sehe ich genauso. Sonst wäre ja eigentlich alles umsonst, da der sogenannte freie Wille dann wirklich eine Farce wäre. Doch was fehlt, sind Vorbilder. Role models. An wen soll ich mich wenden, wenn ich einerseits ein Bedürfnis nach Glauben verspüre, andererseits mit dem patriarchalen Öffentlichkeitsbild des Christentums nicht zurechtkomme? Es ist von außen betrachtet schon schwer genug, die feinen Details zwischen Lutheranern und Katholiken zu unterscheiden, sieht man mal von fundamentalistischen Engstirnigkeiten ab. Und das Gros der Frauen studiert nicht Theologie, denke ich, kann also nicht auf Hintergrundinformationen und Spezialwissen zurückgreifen. Dagegen steht das Gros der in der Öffentlichkeit stehenden, agierenden, kommunizierenden christlichen Gläubigen nicht wirklich auf bei feministischen Themen und sagt ja zu Gleichberechtigung. Zum Recht auf Schwangerschaftsabbruch. Macht euch nichts draus, dass Gott, Sohn und Heiliger Geist männlich konnotiert sind. Es gibt immerhin Maria und ein paar Heilige. Und ein paar andere Frauen. Und überhaupt ist das mit der Personifizierung des Gottes eh nicht so wichtig, eher gefährlich, siehe Goldenes Kalb. Verstehst du, was ich hier zu polemisieren versuche?
Ich weiß, dass ich jeden Weg gehen kann, dass ich individuell handeln und entscheiden kann. Doch der Kontinent des Glaubens, um mal beim Landkarten-Bild zu bleiben, ist auf den ersten Blick nicht attraktiv, da auch dort ein Patriarchat vorzuherrschen scheint. Oder irre ich hier?
Liebe Barbara,
darauf wirst du von mir keinen Widerspruch bekommen. Du hast vollkommen recht, der “Kontinent” des Glaubens ist insgesamt gesehen für Frauen nicht attraktiv. Aber genauso wenig attraktiv sind, für mich zumindest, die “Kontinente” der institutionellen Politik, der Wissenschaft oder der Wirtschaft. Und ich kann zwar aus der Kirche austreten, aber nicht aus der ganzen Welt. Deshalb bin ich froh, dass es in all diesen Kontinenten schon Enklaven gibt, die von freiheitsliebenden Frauen begründet wurden, wo sie bereits eine andere Realität schaffen, die ihren Wünschen besser entspricht und wo ihre Erfahrungen ernst genommen werden. Da siedele ich mich an und finde meine Vorbilder. Und arbeite mit daran, dass diese Enklaven größer werden und sich ausbreiten.
Also ich würde deine Frage “An wen soll ich mich wenden?” zurückgeben und fragen: “An wen willst du dich denn wenden?” Wenn du eine interessante Frau findest, dann kann sie ja dein Vorbild sein, auch wenn sie nicht berühmt ist oder irgendeine amtliche Funktion hat. Du selber bist es, die das entscheidet, und auf diese Weise gibst du ihr Autorität (weil du das, was sie sagt, wichtig findest und darüber nachdenkst). Das heißt, du hast objektiv den Einfluss dieser Frau in der Welt vergrößert. Das ist dann kein individueller Weg mehr!
Deine Frage, wie eine Frau ihrem Bedürfnis nach Glauben nachgehen kann, obwohl das Christentum immer noch patriarchal ist, haben sich in den letzten dreißig Jahren ungeheuer viele Frauen gestellt, da gibt es jede Menge Literatur. Mich persönlich beschäftigt sie heute nicht mehr so. Ich rechne zwar mit diesen patriarchalen Strömungen (wie mit schlechtem Wetter) und ergreife gegebenenfalls Gegenmaßnahmen, aber emotional bin ich da völlig raus. Das ist mir bei den Diskussionen um die Bibel in gerechter Sprache klargeworden, ich weiß nicht, ob du davon gehört hast? Eine Bibel-Neuübersetzung, die die Erkenntnisse der feministischen Theologie aufnimmt. Daraufhin gab es eine ziemlich dämliche Debatte von Leuten, die sich darüber mokierten, dass zum Beispiel von “Jüngerinnen und Jüngern” die Rede ist. Maßgeblich betrieben wurde das übrigens nicht so sehr von konservativen Kirchenmännern, sondern vor allem von den angeblich so aufgeklärten Intellektuellen in den Feuilletons. Ich habe gemerkt, dass ich überhaupt keine Lust hatte, mich an dieser Debatte zu beteiligen. Man darf solchen Leuten nicht zu viel Aufmerksamkeit widmen, damit macht man sie nur wichtiger, als sie sind. Inzwischen haben die das Thema auch längst vergessen, und im wirklichen Leben wird die Bibel in gerechter Sprache rege benutzt und entfaltet ihre Wirkung.
Ich sehe es deshalb eher so: Wie käme ich denn dazu, meinem Bedürfnis nach Glauben nicht nachzugehen, bloß weil diese zurückgebliebenen, männlichen Religionsinstitutionen immer noch patriarchal sind?
Liebe Antje,
wenn ich nun einmal unsere Gedanken zusammenfasse, dann springt mir da eine Hoffnung besonders ins Auge. Nämlich die, selbst zu entscheiden, woran ich glaube, und wie ich mich meinen individuellen Glauben lebe. Dass ich mir das aus dem Bestehenden nehme, mit dem ich mich identifizieren kann. Und dass ich mir die Personen als Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner nehme, von denen ich glaube, dass ein gleichberechtigter Austausch auch über den Glauben möglich ist.

http://www.bzw-weiterdenken.de/2009/08/kann-eine-feministin-fromm-sein/comment-page-1/#comment-86873

Brüderle sei fast gedankt. Jetzt weiß Deutschland: Frauen setzen ihre Themen und fordern neue Regeln ein. Das sagt Antje Schrupp. Feministin, Bloggerin.

Frau Schrupp, sie setzen sich seit drei Jahren in Ihrem Blog mit der weiblichen Freiheit auseinander. Haben Sie sich über die Artikel im Spiegel und Stern gefreut, die die Sexismus-Debatte ausgelöst haben?
Ja, ich habe mich gefreut. Für mich ist es interessant zu erfahren, wie Politiker sich Frauen gegenüber verhalten, welche Vorstellung sie vom Geschlechterverhältnis haben. In der normalen Berichterstattung erfährt man darüber ja nicht viel. Aber ich hätte nicht gedacht, dass die beiden Artikel so eine Welle auslösen würden …

Was hat Sie an der anschließenden Diskussion um Alltags-Sexismus in Zeitungen, im Radio und Fernsehen am meisten überrascht?
Ich kann gar nicht sagen, dass mich diese Diskussion so überrascht hat. Erstaunlich fand ich vor allem, dass viele Männer sagten, das haben wir so nicht gewusst! Das kann ich mir auch gut vorstellen, dass man es nicht weiß, wenn man nicht so oft darüber spricht.

Manche KommentatorInnen haben genau diese Reaktion auch aufgegriffen, es aber eher als Feigenblatt-Argument gesehen und gemeint: Jetzt tun die Männer so, als wüssten sie nichts von Sexismus im täglichen Umgang …
Wissen und Wissen sind ja zwei Sachen! Einmal kann man etwas intellektuell erfasst haben, aber es muss nicht in Fleisch und Blut übergegangen sein. Wenn man eine Erfahrung nicht selber macht, ist das Wissen auch immer ein bisschen abstrakt.

Das Interessante an dieser Diskussion ist letztlich aber nicht, was Männer dazu gedacht und gesagt haben. Das eigentlich Interessante ist, dass Frauen offensichtlich jetzt dazu in der Lage sind, andere Regeln einzufordern. Was Männer machen oder nicht machen, ist deren Sache. Bisher aber war es so, dass Frauen nicht die Positionen hatten, ihre Sicht zu thematisieren oder in den Redaktion einzufordern.

Sternartikel: Der Herrenwitz
Sternartikel von Himmelreich

Annett Meiritz hat sich im Spiegel mit den Piraten einen Gegner ausgesucht, bei dem erst einmal alle applaudieren. Dieser Artikel aber war die Voraussetzung für den Artikel im Stern, weil sich die Autorin Laura Himmelreich darauf beziehen konnte, nach dem Motto: Am Beispiel der Piraten wurde das ja auch schon beschrieben, jetzt schreibe ich es über Brüderle. Und dann hat sich gezeigt, dass sie ganz viel Unterstützung von Journalistinnen aus anderen Redaktionen bekam.

Das heißt für mich: Frauen haben in den Redaktionen – und übrigens auch sonst in der Gesellschaft – inzwischen bestimmte Positionen erreicht und einen gewissen Einfluss. Es gibt viele Frauen, die offensichtlich nicht mehr bereit sind, sich anzupassen, sondern die sagen: Wir setzen jetzt unsere Themen.

Hat die Debatte um Frauenquote, Führungspositionen und die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen im Beruf und in der Gesellschaft, die wir im vergangenen Jahr intensiver als sonst geführt haben, dabei geholfen?

Ich glaube schon, dass das in dem Zusammenhang steht. Wir befinden uns meiner Meinung nach mitten in einem Umbruch. Bis vor einiger Zeit haben wir noch darüber gesprochen, wie Frauen gleichberechtigt sein und die gleichen Chancen haben können wie Männer. Jetzt reden wir darüber, wie Frauen Sachen anders machen wollen als es reine Männergruppen bisher gemacht haben. Das steckt auch hinter der Quote!

Und genau das ist die Diskussion, die wir brauchen. Das ist die neue Qualität dahinter. Es geht nicht mehr darum, dass Frauen auch das machen wollen, was Männer tun. Sondern es geht darum, wenn Frauen mitgestalten in Politik, Journalismus, Wirtschaft etc., dann werden sich auch die Spielregeln dort ändern. Dann kann es nicht so bleiben, wie es bisher war, nur dass jetzt auch Frauen mit dabei sind.

„Zurück in den Sack kriegt ihr das nicht mehr“ haben Sie in einem Ihrer Blogeinträge deshalb auch geschrieben. Was wird von den ausgetauschten Argumenten und Gedanken um weibliche Diskriminierung im (Berufs-)Alltag hängen bleiben?
Ich denke mir, dass diese Referenz bleiben wird, dass es ausgesprochen wurde. Das Problem ist ja immer, wie verhalte ich mich als Frau in diesen kleinen, lästigen alltagssexistischen Situationen? Da steckt man immer in einem Dilemma, dass es einerseits übertrieben wirkt, sich darüber aufzuregen, weil es ja eigentlich nicht so furchtbar schlimm ist. Auf der anderen Seite ist es aber auch unbefriedigend, das einfach zu schlucken!

Jetzt hat man eine Referenz. Da kann man sagen: Hier Alltagssexismus! Stichwort Brüderle! Dann muss ich es nicht lang erklären, sondern alle wissen gleich, was gemeint ist. Die Diskussion, die jetzt geführt wird, hat Alltagssexismus sichtbar gemacht, und darauf können wir in Zukunft aufbauen.

„Aus Liebe zur Freiheit“ haben Sie Ihr Blog untertitelt, Frau Schrupp. Was treibt Sie an, sehr regelmäßig und ausführlich zu bloggen?
Ich bin Politikwissenschaftlerin und mache mir Gedanken über alles Mögliche. Und für mich ist es sinnvoll, diese Gedanken aufzuschreiben, damit ich sie nicht vergesse. Dafür habe ich das Blog. Die Aussicht, dass auch andere das lesen, es Diskussionen darüber gibt, dass die Gedanken weitergeführt werden, motiviert mich dazu noch mehr, als wenn ich alles einfach in ein Notizheft schreiben würde.

Missionarischer Eifer?
Ja, ich habe schon in gewisser Wiese einen missionarischen Eifer, weil ich eine bestimmte Vorstellung von Feminismus habe, die sich auf die Freiheit der Frauen bezieht und nicht auf ihr Unterdrücktsein oder ihre Stellung im Verhältnis zu den Männern. Von daher möchte ich gerne intervenieren, wenn in Feminismusdiskussionen meiner Meinung nach etwas schief läuft. Da möchte ich mitreden. Aber vor allen Dingen will ich meine eigenen Gedanken festhalten. Wenn ich sie nicht aufschreibe, sind sie irgendwann wieder weg.

Sie bezeichnen sich als Feministin, ein Begriff, der in der Öffentlichkeit eher einen negativen Anstrich hat und der auch in der öffentlichen Wahrnehmung nur noch selten auftaucht …
Feminismus war ja noch nie der Knüller! Auch zu Hochzeiten der Frauenbewegung war nur eine Minderheit von Frauen Feministinnen und die Mehrheit der Gesellschaft fand das falsch. Wenn man die jungen Frauen von heute mit den jungen Frauen der 70er Jahre vergleicht, dann glaube ich, dass die heutigen feministischer sind als die damaligen.

Ich nenne mich selber zwar Feministin, aber ich finde das Wort auch problematisch, weil es suggeriert, dass man damit eine bestimmte inhaltliche Position vertritt. Ich bin der Meinung, dass Feminismus keine bestimmte inhaltliche Position beschreibt, sondern eine Herangehensweise an kulturelle und gesellschaftliche Fragen, die die Geschlechterdifferenz ernst nimmt.

Also, eine Feministin ist für mich eine Frau, die sagt, wir müssen uns mit dem Verhältnis Männer und Frauen beschäftigen, weil es eben nicht egal ist. Aber WIE, dazu gibt es viele unterschiedliche feministische Ansichten.

Das Interview hat Dani Parthum am 8. Februar 2013 geführt.


Wenn Sie jetzt Lust bekommen haben, sich mit dem feministischen Blick auf die Gesellschaft näher zu beschäftigen, hat Antje Schrupp zwei Buchempfehlungen für Sie.
In eigener Sache …
Antje Schrupp „Was wäre wenn? Über das Begehren und die Bedingungen weiblicher Freiheit“
Und Ina Praetorius Abhandlung gefällt ihr: „Weit über Gleichberechtigung hinaus … Das Wissen der Frauenbewegung fruchtbar machen“

http://www.sakida.de/sexismus-antje-schrupp/

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Die ultimative Dienstleistungsoffensive des Antifeminismus

Ein bisschen Frauenhass steht jedem Mann!

wikimannia statt femipedia

Ach ja, die Schruppen

Narrowitsch @, Berlin, Monday, 16.12.2013, 09:26 (vor 3845 Tagen) @ Oberkellner

Immer wieder erbauend fleischgewordener Asozialität zu begegnen: lügnerisch, Wirklichkeit verzerrend, hochmütig, Tradition,namentlich die christliche, besudelnd, Bindungen zersetzend.

Fast wäre sie zu Unrecht meinem Blickfeld entschwunden, schließlich gibt es ja reichlich Weiber beschruppter Lebensart, Weiber, an denen Mann das Wesen feministischen Wirkens exemplarisch demonstrieren kann. Doch zweifellos müssen Antjes Qualitäten besondere Würdigungen erfahren, sie ragen heraus. Schrupp zählt sicher zu den ganz Großen im modernen Protestantismus. Eigentlich schade von ihr so wenig in den Leidmedien zu lesen und zu sehen.

Denn: Wer Augen hat, der sehe , wer Ohren hat, der höre.

Und wer Verstand besitzt...

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Extemplo simul pares esse coeperint, superiores erunt-

Den Augenblick, sowie sie anfangen, euch gleich zu sein, werden sie eure Herren sein.

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