Prostitution mal anders betrachtet (Allgemein)
Prostitution
Da es bis heute noch lange nicht allen Männern vergönnt ist, auf alltäglichem Wege an die Ziele ihrer sexuellen Wünsche zu gelangen, und viele unterprivilegierte Männer von keiner Frau als Partner akzeptiert werden, konnte das Geschäft mit dem männlichen Trieb ordentlich aufblühen. Das Gedeihen des ältesten Gewerbes der Welt belegt, daß die Not der Männer mit der verführerischen Sexualität der Frauen so neu nicht sein kann. Sogar in den Zeiten von AIDS gehen im Puff noch lange nicht die Laternen aus.
Wenn heutzutage von Nutten und Zuhältern, von Bordell und käuflicher Liebe die Rede ist, stehen Kriminalität, Drogenmißbrauch, Mädchenhandel, Babystrich, Kinderprostitution, Sex-Tourismus und Frauenausbeutung als Negativklischees ganz oben. So verwerflich Mißhandlungen und Menschenerniedrigung auch sind und so wünschenswert ein striktes Verbot von Kinderprostitution und Mädchenhandel wäre, so ist es doch völlig realitätsfern zu glauben, sämtliche Nutten würden zum Dienst am Glied gezwungen. Denn würden alle Huren mißhandelt, gäbe es keine mehr. Das mag als billige Stammtischweisheit gelten, ist es aber nicht, wie ein Insider der Szene bestätigt. Der Religionspädagoge und spätere Bordellbesitzer Heinrich Maiworm berichtet ganz Erstaunliches darüber, aus welchen Gründen die meisten Frauen Hure werden: »Zur Prostituierten wird eine Frau normalerweise nicht durch das Wirken dunkler Mächte, sondern weil sie den Verlockungen dieser Welt nicht widerstehen konnte und sich hoch verschuldet hat.« Die Neigung zur üppigen Lebensweise werde mit dem Entschluß, die Schulden möglichst rasch zu begleichen und danach wieder »anständig« zu werden, lediglich zeitweise verdrängt; denn, so Maiworm: »Bald verführt der - vor allem bei Anfängerinnen - hohe Verdienst wieder zum gewohnten, weit über den eigenen Verhältnissen liegenden Lebensstil.« Wer eine Schwäche für eine großzügige Lebensweise habe, werde nicht schon durch ein höheres Einkommen sparsamer. Im Gegenteil. »Vermutlich gibt es mehr Prostituierte, die bedauern, nicht eher den Entschluß gefaßt zu haben, sich zu prostituieren, als solche, die aussteigen wollen«, meint Maiworm. Insbesondere auf dem Sektor der »Freizeit-« oder »Nebenerwerbsprostitution« wuchs bis zur AIDS-Diskussion der Anteil der Frauen ständig, die aus freien Stücken, aus finanziellen Gründen oder aus Spaß am Geschlechtsverkehr ihre Vorstellung von sexueller Befriedigung mit nützlichem Gelderwerb verbinden. Maiworm vertritt sogar die These, daß mehr Männer von Prostituierten zu Zuhältern gemacht werden als Frauen von Zuhältern zu Prostituierten. »Im Leben der mir bekannten Prostituierten kam jedoch Gewaltanwendung eines Zuhälters als Ausgangspunkt ihrer Prostituiertenkarriere nicht vor. Vielmehr standen immer finanzielle Motive in Form von Verschuldung oder Konsumwünschen im Vordergrund.« Die Idee, sich zu prostituieren, entstünde in Paarbeziehungen zuerst bei der Frau, meint Maiworm. Hat der Mann nach einer Gewöhnungsphase erst einmal seine Eifersucht überwunden und die Rolle seiner Partnerin akzeptiert, »wird er bald entsprechend ihren neuen Ansprüchen und Möglichkeiten als Präsentationsobjekt ausstaffiert. Kommt es zur Trennung, sucht die Prostituierte nicht nur einen im Kolleginnenkreis vorzeigbaren Partner«, sondern sie habe trotz alltäglicher Angebote von Freiern, sie »da rauszuholen«, auch kaum eine andere Chance, als einen der wenigen in ihrer Branche tätigen Männer zu bekommen, weiß Maiworm aus eigener Erfahrung.
Auch stimmt es nicht, daß »Nutten der Wurmfortsatz« der sexualisierten Gesellschaft seien - stammen doch immer mehr »Damen der käuflichen Liebe« aus dem gutbürgerlichen Lager oder aus dem betuchten Mittelstand. Die zum Wiener Gesellschafts-Skandal hochstilisierte Edel-Prostituierten-Posse, die den Onkel der 31 jährigen Liebesgräfin von Brühl um seinen Botschafterposten brachte, ist lediglich die harmlose Spitze des Eisberges tagtäglicher Edelprostitution. Zwar hat nicht jede Liebesdienerin der Oberklasse jede Nacht so an die fünf Liebhaber bei einem Stundenlohn von 500 Mark. Aber clevere Callgirls der besseren Kreise können auch so ihre ein- bis zweitausend Mark am Abend machen, wenn sie an Herren kommen, für die Geld keine, aber »Liebe« eine große Rolle spielt. »Was meinen sie«, so ein Münchner Barkeeper, »wie die Hübschen den Reichen anhaften. Im Sommer sind, sie in Südamerika, in der Wintersaison in St. Moritz oder Kitzbühl, und dazwischen sitzen sie hier und pflegen unauffällig ihre Kontakte.«
[Felix Stern - "Und wer befreit die Männer?"]
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