#Frauengewalt: Diese Frauen waren auch Täterinnen - Frauen & SS (Gewalt)
"Diese Frauen waren auch Täterinnen"
Jutta Mühlenberg über die Rolle der weiblichen Elite in der SS
Lange war die Rolle der Frauen in der SS kein Thema, mit dem sich die Geschichtsschreibung beschäftigte. Die Hamburger Historikerin Jutta Mühlenberg war eine der ersten, die ergründete, warum sich Frauen dem 1942 von SS-Reichsführer Heinrich Himmler aufgestellten SS-Helferinnenkorps freiwillig anschlossen. Mühlenberg hält es für einen Mythos, dass die nationalsozialistische Verbrechensgeschichte eine reine Männergeschichte ist – und das schließt auch die Ehefrauen der SS-Führer ein.
Die Welt:
Die SS galt als Organisation von Männern für Männer. Nur sehr wenige Frauen, maximal 3000, waren Mitglied in der Waffen-SS. Spielten sie also eigentlich keine Rolle in diesem Imperium?
Jutta Mühlenberg:
Doch. In den Dienststellen der Allgemeinen SS und der Waffen-SS arbeiteten Frauen als Bibliothekarinnen, Dolmetscherinnen, Fürsorgehelferinnen, Grafikerinnen, Sekretärinnen, Sachbearbeiterinnen. Außerdem waren sie – wie zum Beispiel die SS-Helferinnen, die als Einzige auch Mitglied in der Waffen-SS waren – im Nachrichtenverbindungsdienst eingesetzt, als Fernsprecherinnen, -schreiberinnen und Funkerinnen. Frauen leiteten auch SS-Heime, sie verwalteten Umsiedlungslager, arbeiteten als Schwestern in Lazaretten, putzten Dienststellen, nähten in den Bekleidungskammern, kochten für die Angestellten, waren Aufseherinnen in Konzentrationslagern oder Kriminalkommissarinnen für den Sicherheitsdienst. Schon die Vielzahl der Aufgaben zeigt, dass Frauen sehr wohl eine Rolle in der SS spielten. Als Angestellte gingen sie aber überwiegend Tätigkeiten nach, die den Apparat nicht selbständig weiterbewegten.
Die Historikerin Gudrun Schwarz schreibt, Marga Himmler sei die erste Frau in der SS-Sippengemeinschaft gewesen. Was bedeutet das? Wer wurde in diese Sippe aufgenommen?
Die Ordensvorschriften beinhalteten rassistische Aufnahmebedingungen, bedingungslose Gefolgschaftstreue, Cliquenehre, Härte gegen sich selbst und andere, aber eben auch Privilegien wie die Nutzung von SS-Wohnsiedlungen und SS-Erholungsheimen. Auch die Einführung einer eigenen Gerichtsbarkeit und sinnstiftender Rituale gehörte dazu. Bewerber bei der SS wurden von "Rassereferenten" gemustert, mussten eine Mindestgröße haben, und ihre Gesichtszüge durften keine "Einschläge fremden Blutes" aufweisen. Anhand von Dokumenten mussten sie belegen, dass keiner ihrer Vorfahren der jüdischen Religion angehört hatte. Heinrich Himmler organisierte seine SS ab Ende der 1920er-Jahre als eine Sippengemeinschaft von Männern und Frauen. Ehepaare, die ihre lückenlose Ahnentafel vorlegen konnten, wurden eingetragen in das "Sippenbuch", das den Rang eines heiligen Buches einnahm. "Für alle Zukunft" sollte darin der Stammbaum der SS festgeschrieben werden. Ziel war die Erschaffung einer neuen "germanisch-nordischen Rasse". Die SS sollte, wie Gudrun Schwarz in ihrem Buch über die Ehefrauen in der SS-Sippengemeinschaft ausführt, modellhaft das nationalsozialistische Menschenbild und dessen Idee darstellen.
Und diese Rolle erfüllte Marga Himmler ideal?
Sie war für die SS-Sippengemeinschaft auch noch engagiert tätig, als sie die Gunst ihres Mannes schon an die Zweitfrau, seine Sekretärin Hedwig Potthast, verloren hatte. Weitere Frauen, die in den letzten Kriegsjahren an Einfluss gewannen, sind heute in der Öffentlichkeit hingegen nicht bekannt. So gab es zum Beispiel im SS-Helferinnenkorps eine Reichsbeauftragte, Ilse Staiger, die Himmler in "fraulichen Belangen" beriet.
Am 31. Dezember 1931 erließ Himmler seinen Verlobungs- und Heiratsbefehl, danach musste jede Heirat von ihm als "Reichsführer-SS" genehmigt werden. Alle SS-Männer mussten bei ihm um die Hand ihrer Liebsten anhalten. Was wollte er damit erreichen?
Das galt ja nicht nur für Männer! Auch die SS-Helferinnen und andere weibliche Angestellte der Waffen-SS und der Polizei mussten in den letzten Kriegsjahren bei einer geplanten Eheschließung, auch wenn der Mann selbst nicht der SS angehörte, eine Genehmigung über das Rasse- und Siedlungshauptamt einholen. Die Absolvierung des umfangreichen Heiratsverfahrens galt in der SS-Sippengemeinschaft als Beleg, dass die elitäre rassistische Ideologie und Praxis des SS-Ordens akzeptiert wurden. Himmler war aber auch unzufrieden mit der Wahl der Ehefrauen "seiner" Männer. Durch den Befehl wollte er sicherstellen, dass nur solche Frauen in die SS-Sippen einheiraten konnten, die von einer gleichen imaginären "maximalen rassischen Qualität" waren. Außerdem zeigte er den SS-Männern, dass sie nicht mehr allein ihr Leben gestalten konnten, sie mussten die Entscheidung über ihre Zukunft an eine höhere Instanz abgeben. Wer ohne Genehmigung heiratete, wurde aus der SS ausgeschlossen.
Fast 240.000 Frauen unterwarfen sich bis 1945 dieser Anordnung und heirateten einen SS-Angehörigen. Nahmen sie diese Überprüfungen nur hin, oder fühlten sie sich dadurch eher aufgewertet?
Sie empfanden das durchaus als attraktiv. Dadurch, dass die SS-Ehefrauen – wie auch die SS-Helferinnen – die "positive Auslese" der SS bestanden, gehörten sie zur erklärten Elite im nationalsozialistischen Staat und profitierten von diesem Status. Der bot ihnen persönliche Vorteile und Karrieremöglichkeiten. Außerdem sollten sie Vorbildfunktionen für die gesamte weibliche Bevölkerung übernehmen. Als Teil des Ordens waren sie auch allen anderen, die nicht der SS angehörten, "rassisch" übergeordnet, vor allem aber allen als "minderwertig" definierten deutschen und nicht deutschen Männern und Frauen.
Welche Rolle war den Gattinnen in der Ideologie der SS zugedacht?
In den ersten Jahren nach der "Machtergreifung" wurde von den SS-Ehefrauen gefordert, ihre Berufe aufzugeben, als Hausfrauen tätig zu sein und möglichst viele Kinder zu bekommen. Mutterschaft und Opferbereitschaft für Volk und Vaterland wurden ihnen als "höchste Verpflichtung" auferlegt. Daraus bezogen die Frauen aber auch selbst ihren Wert: Denn passiv sollten sie sich der "natürlichen Geschlechterhierarchie" unterwerfen, aber aktiv den "Rassenkampf" vorantreiben. Mit Kriegsbeginn änderte sich das grundlegend. Neben der "Heldenmutter" war ebenso die "Arbeitskameradin", die neben ihrer Hausfrauentätigkeit einem Erwerb nachging, das neue Leitbild für SS-Ehefrauen. Von ihnen wurde auch erwartet, sich aktiv in weiteren NS-Organisationen zu betätigen.
Öffentlich sind die Ehefrauen hoher SS-Leute selten in Erscheinung getreten – selbst wenn sie überzeugte Nationalsozialistinnen waren, wie Lina Heydrich, die Frau des Leiters des Reichssicherheitshauptamtes. Passte politisches Engagement nicht in den "schwarzen Orden"?
Das ist eine Frage der Definition. Nur weil Frauen in der "großen Politik" öffentlich nur selten auftraten, heißt das ja nicht, dass sie unpolitisch waren. Auch Handlungen im Alltag sind politisch. Eine eindeutige Grenze zwischen der Heimat- und der Kriegsfront wurde im Zweiten Weltkrieg aufgehoben. Damit wuchs die politisch-moralische, wirtschaftliche und militärische Bedeutung der Heimat für einen Sieg. Darüber hinaus waren sehr viele Frauen – auch durch die unterschiedlichen Kriegs- und Arbeitsdienste – sehr mobil, sie hatten durch ihre Tätigkeiten auch politisch Anteil am NS-Herrschaftssystem.
Was wussten die Frauen der SS-Leute von den Verbrechen des Himmler-Apparates? Wie stark waren sie selbst daran beteiligt?
Manche Frauen blieben zu Hause, während ihre Männer an der Kriegsfront waren: Als Empfängerinnen von Briefen, in denen der Massenmord an den Juden ein wiederkehrendes Thema war, wurden sie aber zu Eingeweihten und Komplizinnen. Andere besuchten, oft wochenlang, ihre Männer an deren Einsatzorten, wo sie zu unmittelbaren Zeuginnen von Gewalt und Verbrechen wurden. Wieder andere Ehefrauen lebten mit ihren Kindern längerfristig an den Einsatzorten ihrer Männer: in den SS-Siedlungen der Konzentrationslager, den Dienstwohnungen der "Euthanasieanstalten", den Häusern der Getto-Kommandanten, in den von der Gestapo und den SS-Einsatzgruppen beschlagnahmten Häusern, in Städten und Dörfern der besetzten Gebiete. Auch dort herrschte ein extrem rassistisches Klima. Letztlich lässt sich die individuelle Verantwortlichkeit aber nur beurteilen, wenn man genau weiß, was jede Einzelne gesagt, getan oder gewusst hat.
Nach dem Krieg behaupteten viele Frauen, sie hätten nichts mitbekommen von den Taten der SS. Wie konnten sie mit Massenmördern ein scheinbar normales Leben führen?
Fast alle SS-Ehefrauen ignorierten die Leiden und das Sterben der Opfer, die Folgen der von ihren Männern verübten Grausamkeiten. Sie partizipierten an der Macht ihrer Männer, unterstützten deren Ehrgeiz, beschränkten Mitmenschlichkeit, Liebe und Fürsorge auf die eigene Familie. Gudrun Schwarz fasste es einmal so zusammen: Die Anwesenheit der Frauen sollte eine "Normalität im Grauen" schaffen und den Rest an Unrechtsbewusstsein beschwichtigen, den ihre Männer bei ihrer mörderischen Tätigkeit bewahrten. Sie sollten Kraftquellen sein und emotionalen Halt geben, indem sie zu Hause für einen stabilen Rahmen sorgten. SS-Ehefrauen beuteten aber auch selbst die Häftlinge der Konzentrationslager aus, die sie als Dienstpersonal verpflichteten. Sie beteiligten sich an der Ausraubung der jüdischen Bevölkerung in den besetzten Gebieten, lebten in den enteigneten Häusern, nahmen Einrichtung und Kleidung in Besitz. In einigen Fällen ist bekannt, dass sie auch selbst mordeten. Dass die Frauen nichts gewusst hätten, ist eine Legende. So war zum Beispiel der Reichsschule-SS, auf der die SS-Helferinnen im Elsass ausgebildet wurden, direkt ein Außenlager des KZ Natzweiler angegliedert. Das heißt, diese Frauen sahen die Häftlinge fast täglich, wie sie zur Arbeit gingen, sie konnten auch zusehen, wie sie misshandelt wurden.
Viele Frauen stilisierten sich nach dem Zusammenbruch des NS-Regimes zu ahnungslosen Opfern. Waren sie nun schuldig?
Diese Frauen waren auch Täterinnen, Mittäterinnen, Zuschauerinnen und – zum Teil – auch Zeuginnen von Gewalt. Es ist ein Mythos, dass die nationalsozialistische Verbrechensgeschichte eine reine Männergeschichte ist. Die SS-Ehefrauen waren nicht nur aufopfernde Mütter und duldeten passiv, was geschah, sondern sie waren selbständig handelnde Subjekte.
http://www.welt.de/print/die_welt/politik/article124325377/Diese-Frauen-waren-auch-Taeterinnen.html
MassenmörderInnen VerbrecherInnen VerräterInnen
Das mit der xxxInnenschreibweise kommt ganz korrekt wieder zurück und ist erweiterbar.
... aFaschistenInnen mögen keine naziFaschistenInnen, weil doch ihr Faschismus der Bessere ist!
Die Zahl 100 000 000 000 ist noch zu toppen!