Liste Femanzen Julia Roßhart (Liste Femanzen)
F141 Julia Roßhart – geboren 1981 - Studium der Soziologie, Gender Studies und Europäische Ethnologie an der Universität Potsdam und der Humboldt Universität Berlin – Magisterarbeit „Bedrohungsszenario Gender“ (2007), betreut durch Prof. Dr. Irene Dölling (Erstgutachterin) und Dr. Susanne Völker (Zweitgutachterin) – Mitautorin des Buches „Schneewitchen rechnet ab“ - Mitarbeit in der Attac-Arbeitsgruppe Gender – juliaroßhart@gmx.de -
Eine einzige Veranstaltung des Attac-Kapitalismuskongresses machte Geschlechterverhältnisse zum zentralen Thema.
Julia Roßhart in an.schläge (23.04.2009)
Der Kapitalismus ist mit der Finanzkrise zum massenmedialen Thema avanciert, über Kapitalismus wird wieder verhandelt, Kapitalismus wird kritisiert. Befragt man die omnipräsenten Kritiken und Lösungsangebote auf ihre Radikalität hin, relativiert sich die Rede von der gegenwärtigen Salonfähigkeit der Kapitalismuskritik jedoch: Zielen die Kritiken auf den Kapitalismus als solchen ab oder wird bloß der gegenwärtige Status Quo des Kapitalismus als „Casino-Kapitalismus“ kritisiert? (Und: Wo liegt die Grenze zwischen beiden?) Verfolgen die vorgeschlagenen Maßnahmen eine Stabilisierung oder Reformierung, eine Transformation oder gar das Ende des Kapitalismus?
So unterschiedlich die Diskussionsbeiträge hinsichtlich ihrer Radikalität und Stoßrichtung auch sein mögen, was in der aktuellen medial-öffentlichen Diskussion insgesamt – und fast vollständig – fehlt, sind feministische Kapitalismuskritiken und Reflexionen über das Verhältnis von Kapitalismus und Geschlecht.
Feminismus und Kapitalismus.
Vom 6. bis 8. März (Internationaler Frauentag!) fand in Berlin der Kapitalismuskongress der globalisierungskritischen Organisation Attac statt – mit 2.500 BesucherInnen ein unerwartet erfolgreicher Kongress, der in dutzenden Veranstaltungen Raum für Weiterbildung und Diskussion in Sachen Kapitalismus und Krise bot, und damit für linke Bewegungen in Deutschland ein wichtiges Moment kapitalismuskritischer Diskussion und Mobilisierung darstellte.
Doch leider offenbarte der Blick in das Programmheft auch hier die gewohnte Leerstelle: Eine einzige von insgesamt knapp hundert Veranstaltungen befasste sich mit Kapitalismus und Geschlechterverhältnissen. Nur Frigga Haug, bis 2001 Professorin für Soziologie in Hamburg, entwarf eine dezidiert feministische Zielperspektive für eine alternative Organisation von Leben und Arbeit. Ihre „Vier-in-Einem-Perspektive“ gründet auf der Überzeugung, dass der kapitalistische Akkumulationsprozess durch eine Mittel-Zweck-Verkennung gekennzeichnet sei, in der die Produktion des Lebens der Produktion der Lebensmittel – heute organisiert als Lohnarbeit – untergeordnet sei. Das heißt: Reproduktionsarbeiten werden als Beiwerk des kapitalistischen Produktionsprozesses marginalisiert, der allerdings seinerseits in eine Überakkumulationskrise geraten sei. Darin machte auch Globalisierungstheoretikerin Saskia Sassen beim Eröffnungspodium die Spezifik der gegenwärtigen Krise aus: Sie ließe sich – und das sei neu – nicht lösen, indem weitere gesellschaftliche Sektoren in den Finanzsektor und seine Logik integriert werden, da fast nichts mehr übrig sei. Die Folge: „Capitalism implodes“.
In der Marginalisierung jener Tätigkeiten, die sich nicht sinnvoll in die „Zeitsparlogik“ (Haug) oder in die Logik des „Maximalprofits“ (Publizistin Daniela Dahm auf dem Eröffnungspodium) einfügen lassen, treffen bei Haug Kapitalismus und Geschlechterungleichheit aufeinander. Die politische Forderung, die sie ableitet, zielt auf eine radikale Verkürzung der täglichen Erwerbsarbeitszeit auf vier Stunden, um Platz zu schaffen für reproduktive Arbeit, für die Gestaltung der Gesellschaft und für die Arbeit an sich selbst. Ziel ist die gleichwertige Verknüpfung der vier Bereiche Erwerbsarbeit, Reproduktionsarbeit, politische Arbeit und individuelle Entwicklung, bei Anerkennung ihrer je eigenen Logiken. Damit einher geht eine Absage an die arbeitsteilige StellvertreterInnenpolitik: Mit dem vorgeschlagenen Zeitmodell kann diese durch die aktive Gestaltung von Gesellschaft durch alle ersetzt werden.
Unfeministische Kapitalismuskritik.
Haug sprach zudem die historische Marginalisierung der Frauenbewegung in der ArbeiterInnenbewegung an und bemerkte, dass auch gegenwärtige linke kapitalismuskritische Interventionen wie der Attac-Kongress schlicht unter Auslassung der Frauenfrage operieren. Auch Deborah Ruggieri, Mitglied der Gender-AG von Attac und Moderatorin auf dem Kongress, teilte diese Einschätzung: In globalisierungskritischen, linken Bewegungen und NGOs des deutschsprachigen Raumes sei es um die Verknüpfung von Feminismus und Kapitalismuskritik momentan schlecht bestellt. Bezogen auf den Attac-Kongress jedenfalls lässt sich eine wenig ruhmreiche Bilanz ziehen: Es blieb bei der einen Veranstaltung von Frigga Haug, die als einzige das Geschlechterverhältnis zum zentralen Thema machte. Was die zahlenmäßige Vertretung von Frauen auf dem Kongress anbelangt, standen circa vierzig Referentinnen etwa 110 Referenten gegenüber. Positiv hervorzuheben ist indes, dass die zentralen Podien auf dem Kongress geschlechterparitätisch besetzt waren.
Auch sonst nimmt Attac bis dato keine Vorreiterrolle ein, was die Berücksichtigung feministischer Perspektiven, eine geschlechtergerechte Organisationsstruktur und die Repräsentation nach außen anbelangt. Allerdings tut sich hier etwas: 2008 hat sich die bundesweite Gender-AG gegründet, die auf die Umsetzung von Geschlechtergerechtigkeit innerhalb der Organisation hinwirkt und zugleich inhaltlich zu Geschlecht und Globalisierung beziehungsweise Kapitalismus arbeitet. Die AG intervenierte am Abschlusstag des Kongresses mit einer politischen Aktion, um auf die Marginalisierung feministischer Perspektiven auf dem Kongress aufmerksam zu machen. Denn: „Auch bei Attac wird Wirtschafts- und Finanzkompetenz offensichtlich männlich geschrieben“, so das begründende Statement der AG auf ihrer Homepage. Ruggieri schätzt das feministische Veränderungspotenzial bei Attac allerdings sehr positiv ein: Erstens sei eine deutliche Tendenz in Richtung einer besseren Verankerung von Geschlechtergerechtigkeit auszumachen. Und zweitens werde die Verknüpfung von Geschlecht und Finanzkrise verstärkt zum Thema inhaltlicher Arbeit.
Kapitalismusunkritischer Feminismus.
Haug verwies darüber hinaus auf Nachfrage auf eine weitere Leerstelle: Das weitgehende Fehlen kapitalismuskritischer Perspektiven im gegenwärtigen akademischen Feminismus (was Deutschland und Österreich anbelangt). Tatsächlich scheint Kapitalismuskritik in den großen Debatten der feministischen Wissenschaften nicht gerade en vogue zu sein. Das heißt aber natürlich nicht, dass es überhaupt nichts dergleichen gibt – eine Fülle wissenschaftlicher Arbeiten befasst sich etwa kritisch mit dem Neoliberalismus und problematisiert den Abbau sozialer Absicherungen und dessen Prekarisierungsfolgen, von denen Frauen tendenziell in stärkerem Maße betroffen sind als Männer. Des Weiteren werden Kritiken an neoliberalen Subjektvorstellungen und politischen Programmen (HartzIV) formuliert, die auf individuelle Selbstverantwortung und „Aktivierung“ setzen: Ungleiche Ausgangsbedingungen aufgrund von Geschlecht, Klasse und Ethnizität würden unsichtbar gemacht, was zu einer Entpolitisierung und Entsolidarisierung beitrage. Arbeiten aus den Forschungskontexten der QueerTheory kreisen um die Frage nach dem Verhältnis von Zweigeschlechtlichkeit und Heteronormativität auf der einen und Kapitalismus auf der anderen Seite. Hierhat eine Reflexion darüber eingesetzt, dass sich der gegenwärtige (neoliberale) Kapitalismus möglicherweise als so flexibel erweisen könnte, dass ihn auch eine grundlegende Irritation der zweigeschlechtlichen Gesellschaftsordnung nicht zwangsläufig maßgeblich erschüttern würde.
Mit der Frage nach einer feministischen Kapitalismuskritik stellt sich auch jene nach einem zeitgemäßen linken Feminismus neu. Jenseits von „F-Klasse“ und „Karrierefeminismus“ sowie konservativer Familienpolitik und Mutter-Ethos; global denkend, nicht elitär, die unterschiedlichen und miteinander verknüpften Ungleichheitsrelationen und Ausschlussmechanismen im Blick. Möglicherweise liefern die wirtschaftliche Kriseund die sie umgebenden Debatten einen Anstoß für eine diesbezügliche Suchbewegung – in den wissenschaftlichen Kontexten ebenso wie in linken (globalisierungskritischen) Bewegungen.
http://www.linksnet.de/de/artikel/24420
Wissenschaftliche Analyse der Mediendebatte um Gender Mainstreaming
Wissenschaftliche Analyse der Mediendebatte um Gender Mainstreaming
Im letzten Jahr beschäftigten sich einige Zeitungen intensiv mit Gender Mainstreaming – häufig mittels Polemik und Diffamierung. Die Mediendebatte ist nun in der sozialwissenschaftlichen Abschlussarbeit von Julia Roßhart analysiert worden.
Angelehnt an eine diskursanalytische Perspektive untersucht sie einen Materialkorpus von ungefähr 50 Artikeln aus Magazinen und Zeitungen sowie detailliert die zwei auflagenstärksten Artikel der Debatte. Sie fragt dabei auch nach den gesellschaftlichen Wissensvorräten, auf die zurückgegriffen wird und die (re)produziert werden, und stellt die medialen Debatten um Feminismus in den Kontext gesellschaftlicher Transformationen (vgl. S. 20).
Roßhart arbeitet die verschiedenen Strategien der Delegitimierung von Gender Mainstreaming detailliert heraus, von denen im folgenden einige zusammengefasst werden. Die gesamte Debatte durchzieht eine starke Unschärfe – es geht weniger um Gender Mainstreaming als gleichstellungspolitische Strategie, sondern durch „Reduktionen und Vereinheitlichungen” (87) um Gleichstellungspolitik, das Ziel Gleichstellung, Geschlechterforschung und „den” Feminismus generell.
Dabei wird weniger mit argumenativen Kommunikationsmustern gearbeitet, sondern „auf einer assoziativen und subtilen Ebene” Zusammenhänge hergestellt und diffuse Ängste angesprochen. Einige der Implikationen, die in etablierteren Blättern nur angedeutet werden, wurden dann in abseitigeren Zeitschriften oder Leserbriefen ausformuliert – besonders homophobe Positionen.
Die Autoren der Mediendebatte präsentierten sich in einer „vorgeblich neutrale[n] Beobachterposition” (63) und inszenierten sich als Aufklärer eines Geheimprojekts, als Retter vor einer angeblichen feministischen Hegemonie und – entgegen aller Fakten wie beispielsweise der Auflagenhöhe ihrer Blätter – als legitime Freiheitskämpfer aus einer defensiven Minderheitenposition. Dabei wird Gender Mainstreaming als ein Bedrohungsszenario mit „geradezu apokalyptische[n] Züge[n]” (79ff) aufgebaut, und gleichzeitig durch Trivialisierung lächerlich gemacht.
In der Argumentation wird bemerkenswerterweise biologische Determiniertheit von Geschlecht mit individueller Freiheit gekoppelt – und entsprechend (de)konstruktivistische Geschlechtertheorien mit Unfreiheit und Zwang. Dazu werden Ziele wie Gerechtigkeit, Partizipation oder demokratische Teilhabe ausgeblendet: Die zugrundeliegende Annahme ist, „dass es gar kein Problem gibt, das es zu lösen gilt” (81).
Angesichts des vorher geringen Bekanntheitsgrades von Gender Mainstreaming in der allgemeinen Öffentlichkeit – schließlich handelt es sich um eine Strategie für Organisationen und Verwaltungen, also um einen ähnlich spezialisierten Fachbegriff wie Kosten- und Leistungsrechnung (KLR) oder Management by objectives (MBO) – kann, so Roßhart, die Debatte im Sinne einer Verfestigung bestimmter Aussagenkomplexe durchaus meinungsbildende Wirkung aufweisen. So scheint der Topos „Umerziehung” in konservativen Zeitungen „auf gutem Wege zu sein, sich als eine Art Standard-Kritik am Gender Mainstremaing zu etablieren” (92).
Andere Delegitimierungsstrategien tauchten wiederum auf in Polemiken gegen die Gender Studies. Die Geschlechterforschung fungiert dann ebenfalls - statt einer fachkundigen und zielgenauen Kritik unterzogen zu werden – als „Aufhänger eines modernisierten Antifeminismus”, um das „feministische Bedrohungsszenario plausibel” zu machen, so Roßhart: „Die Schlagworte selbst sind indessen austauschbar” (94f).
Abschließend wirft Roßhart noch einen Blick auf die verschiedenen argumentativen Strategien der feministischen Beiträge in der Debatte – wobei besonders die Defensivität und der Effekt des Verstummens kritisiert wird. Roßhart sieht in der Debatte jedoch auch die Möglichkeit, „feministisch fundierte Problematisierungen gesellschaftlicher Verhältnisse” (100) einzubringen.
* Wachstums-Enquete ohne weibliche Sachverständige erregt Protest * Attac-Kongress zum Thema berücksichtigt feministische Expertise
Mit einem öffentlichen Appell protestiert die interdisziplinäre "Forschungsgruppe starke Nachhaltigkeit und (Re)Produktivität", der auch mehrere Mitglieder des Wissenschaftlichen Beirates von Attac angehören, gegen die Besetzung der Enquete-Kommission zu Wachstum mit ausschließlich männlichen Sachverständigen. Dies sei "ein Skandal, der umgehend korrigiert werden" müsse. Das globalisierungskritische Netzwerk Attac unterstützt den Protest der Forschungsgruppe und hat den Appell auf seiner Internetseite veröffentlicht, wo er auch unterzeichnet werden kann.
"Es ist ungeheuerlich, dass eine Kommission zu einem Thema, das maßgeblich von kritischen Ökonominnen vorangebracht worden ist, auf deren Expertise verzichtet", sagte Julia Roßhart von der bundesweiten Attac-Arbeitsgruppe "Gender". So haben gerade feministische Wirtschaftswissenschaftlerinnen schon frühzeitig die einseitige Bemessungsgrundlage des Bruttoinlandsprodukts (BIP) kritisiert, weil es etwa die unentgeltliche, meist von Frauen erbrachte Pflege- und Sorgeleistung nicht misst. "Ohne diese Expertise ist eine Enquete-Kommission, die sich um eine Neudefinition des BIP bemüht, schlicht unvollständig", stellte Deborah Ruggieri fest, ebenfalls Mitglied der Attac-Gender-AG. Zudem widerspreche die Besetzung der Kommission grundlegenden gesetzlichen Vorgaben zur Förderung der Gleichstellung. "In Zeiten, in denen über eine Frauenquote in der Privatwirtschaft diskutiert wird, ist dies ein fatales Signal der Politik!"
Unter den bisher 100 Unterzeichnerinnen und Unterzeichnern des Appells finden sich auch über akademische Kreise hinaus bekannte Personen wie etwa die Bielefelder Professorin Veronika Bennholdt-Thomsen, die Ehrenvorsitzende des BUND, Angelika Zahrnt, oder der Europaparlaments-Abgeordnete und Attac-Mitgründer Sven Giegold. Auch von anderer Seite regt sich Protest: Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die sich bei den 4. Marburger Arbeitsgesprächen zusammengeschlossen haben, fordern in einem offenen Brief an den Bundestagspräsidenten ebenfalls eine Neubesetzung der Kommission.
Attac wird bei seinem Kongress "Jenseits des Wachstums?! Ökologische Gerechtigkeit. Soziale Rechte. Gutes Leben" vom 20. bis 22. Mai in Berlin nicht nur die Podien weitgehend geschlechterparitätisch besetzen, sondern auch feministische Perspektiven mit ins Zentrum rücken. Dazu Tanja von Egan-Krieger, aktiv in der Kongressvorbereitung und Mitinitiatorin des Protestappells: "Ohne eine Auseinandersetzung mit den Geschlechterverhältnissen ist Wachstumskritik überhaupt nicht sinnvoll zu leisten."
Am Sonntag (6. Februar) tritt die Enquete-Kommission zum ersten Mal nach ihrer Konstituierung zu einer Arbeitstagung zusammen.
Im Internet:
* Protestappell der "Forschungsgruppe starke Nachhaltigkeit und (Re)Produktivität" sowie Offener Brief an den Bundespräsidenten:
http://www.attac-netzwerk.de/gender-ag
K)ein jenseits von Mann und Frau?
Die „Gender-Theorie“ in der Medienberichterstattung.
Julia Roßhart, M.A., Universität Potsdam
Sprache verändert die Wirklichkeit: Sie definiert, welche
G e s ch l e ch t e r vorstellungen und welche Selbstentwürfe
denkbar sind und folglich überhaupt gelebt werden können/
dürfen. Große Wirkmächtigkeit kommt dabei jenen
Geschlechterkonzepten zu, die in Mediendiskussionen formuliert
und damit vielen zugänglich gemacht werden.
Umgekehrt lassen Mediendebatten Rückschlüsse zu auf
gesellsch a f t l i che common sense- Vorstellungen von Geschlecht.
Der Vortrag zeigt anhand einer Mediendebatte auf,
wie der status quo geschlechtlicher (Zu)Ordnung sprachlich
irritiert, vor allem jedoch abgesichert wird.
Am Beispiel einer (antifeministischen) Mediendebatte wird
untersucht, mit welchen Strategien feministische Geschlechterkonzepte
sowie Selbstdefinitionen jenseits von
Mann und Frau in den Medien delegitimiert werden.
Einerseits werden Personen, deren Selbstverständnis nicht
nahtlos in der heterosexuellen und/oder zweigeschlechtlichen
Ordnung aufgeht – beispielsweise Lesben oder Transgender
–, zum Verstummen gebracht. Andererseits wird
jenen wissensch a f t l i chen Gesch l e ch t e r vorstellungen, die
keine naturgegebene Geschlechterdifferenz voraussetzen,
die Legitimation entzogen – und zwar nicht auf argumentative
Weise, sondern über subtile Antifeminismen, Homophobien
Und Rückgriffe auf a priori-Annahmen zu Geschlecht.
http://www.uni-potsdam.de/geschlechterforschung/Ringvorlesung%20Geschlechterdekonstruktion%20Uni%20Potsdam-neu.pdf
2. Argumente zum Thema Gleichstellungspolitik und Feminismus
(gesammelt von Julia Roßhart)
2.1 Antifeministische Behauptung
"Feminismus, Quoten und Gender Mainstreaming sind überflüssig - heute haben Frauen die Macht!"
Feminismus und gleichstellungspolitische Maßnahmen (z. B. Gender Mainstreaming, Quoten, geschlechtergerechte Sprache oder Gleichstellungsbeauftragte) werden als "gestrig" dargestellt: Unter Verweis auf beruflich erfolgreiche und in der Öffentlichkeit präsente Frauen aus Politik, Medien und Wirtschaft wird eine weibliche Übermacht behauptet. Die Notwendigkeit gleichstellungspolitischer Maßnahmen zu Gunsten von Frauen bestehe daher nicht mehr.
2.1.1 Widerlegung
- Die Sichtbarkeit beruflich erfolgreicher Frauen ist kein hinreichender Indikator für den Erfolg von Feminismus und Gleichstellungspolitik.
- Ausgeblendet wird die anhaltende ungleiche Verteilung von Lohn und Vermögen und das erhöhte Armutsrisiko von Frauen.
- Die Behauptung ist falsch: Frauen sind in Entscheidungspositionen nach wie vor stark unterrepräsentiert.
- Feministische Ziele gehen weit über die Frage nach Frauenanteilen in Entscheidungspositionen hinaus.
Widerlegung der "Widerlegung":
Es geht nicht um die Frage, wer an der Macht ist, es geht um Gleichberechtigung. Das heißt, dass jede Person die gleichen Chancen haben muss, nicht aber dass alle Menschen bzw. Gruppen gleich zu machen sind.
Das ist z.B. in der Politik nicht der Fall. Beispiel: Die Bundeszentrale für politische Bildung geht von knapp 30 % Frauenanteil bei den Mitgliedern der politischen Parteien aus. Dennoch haben z.B. Grüne und Die Linke eine Frauenquote, die ihren weiblichen Mitgliedern mindestens 50% aller Sitze und Ämter garantiert. Bei den anderen Parteien haben mehr Frauen Ämter inne, als es dem Mitgliederanteil entspricht. Männer haben also bei weitem nicht die gleichen Chancen in der Politik. Im öffentlichen Dienst sind deutlich mehr als die Hälfte der Bediensteten Frauen. In Kaffeeautomatenreichweite sind also Frauen überquotiert.
2.2 Antifeministische Behauptung
"Geschlechtergerechte Sprache macht viel Arbeit, ist unästhetisch und bringt nichts - Frauen sind doch sowieso immer mitgemeint!"
RichterInnen, Bürger und Bürgerinnen, Lehrende, Politiker_innen, Expert*innen - es gibt vielfältige Vorschläge für eine andere, eine geschlechtergerechte
Sprache. Über solche Vorschläge und Beschlüsse werden häufig Witze gemacht, sie wer-
den als Beleg für die angeblich absurden Auswüchse gleichstellungspolitischer Maßnahmen herangezogen. Die Sprache werde verschandelt, die Lesbarkeit leide. Gleichzeitig werden Nutzen und Notwendigkeit geschlechtergerechter Sprachund Schreibweisen bezweifelt.
2.2.1 Widerlegung
- Frauen sind nicht immer "mitgemeint", wenn von "Politikern" die Rede ist.
- Sprachpolitik ist keine Kleinigkeit: Sie bestimmt unser Denken über Geschlecht und unser Handeln.
- Ziel ist nicht allein die Sichtbarkeit von Frauen: Geschlechtergerechte Sprache ermöglicht ein Denken jenseits einer Gesellschaft, in der es nur zwei Geschlechter gibt.
Widerlegung der "Widerlegung":
Wer diese "Widerlegung" geschrieben hat, sollte noch einmal zur Schule gehen. Wenn von "Politikern" die Rede ist, sagt das nichts über das Geschlecht aus, weil die Regeln der deutschen Sprache das Genus kennen.
Es gibt keine Form der sexistischen Sprache, fälschlich hier als geschlechtergerecht bezeichnet wird, die sich fehlerfrei in die Regeln der deutschen Sprache eingliedern lässt.
Sprachpolitik ist eine feministische Erfindung, seit Feministen bewusst ist, dass mit dieser das Denken und Handeln beeinflusst werden soll. Die Natur kennt nur zwei Geschlechter. Eine eigene Sprache für Menschen zu erfinden, die dies anders sehen wollen, ist absurd.
2.3 Antifeministische Behauptung
"Frauenquoten sind ungerecht - Uninteressierte und unfähige Frauen werden gefördert und Männer benachteiligt!"
Verbindliche Quotenregelungen werden immer wieder mit der Behauptung verhindert, dass damit der scheinbar gerechte Wettbewerb um Stellen und Positionen verzerrt würde. Die Schuld für die geringe Anzahl von Frauen in Teilen der Politik, Wirtschaft und Wissenschaft wird stattdessen den Frauen selbst zugesprochen: Sie hätten einfach kein Interesse, sich auf entsprechende Stellen zu bewerben und seien daher selbst schuld.
2.3.1 Widerlegung
- Hinter der Ablehnung von Quoten verbirgt sich nicht selten eine Ablehnung von Gleichstellungspolitik im Allgemeinen.
- Quoten diskriminieren nicht, sondern gleichen bestehende Diskriminierungen aus.
- Geringe Frauenanteile lassen sich nicht auf individuelle Wahlentscheidungen von Frauen zurückführen.
Widerlegung der "Widerlegung":
Als vorgebliche Widerlegung werden hier Behauptungen und Vermutungen aufgeführt. ("immer wieder, nicht selten, im Allgemeinen") Sonst siehe oben unter Punkt 2.1
2.4 Antifeministische Behauptung
"Gleichstellungspolitik basiert auf ideologischen Vorannahmen über Geschlecht - wahre wissenschaftliche Erkenntnisse werden ignoriert."
Feministische Theorien, die Gleichstellungspolitiken mehr oder weniger stark prägen, werden als ideologisch dargestellt. Feministische Forschung sei nicht wertfrei und objektiv und deshalb keine richtige Wissenschaft. Auf dieser Grundlage werden Gleichstellungspolitiken abgewertet.
2.4.1 Widerlegung
- Der wahre Streitpunkt ist nicht die Qualität von Wissenschaften, sondern sind Geschlecht und Feminismus.
- Wissenschaft ist nie neutral.
- Mainstream-Wissenschaften stützen Geschlechterhierarchien und Geschlechternormierungen.
- Feministische Wissenschaften helfen beim Abbau von Geschlechterhierarchien und Geschlechternormierungen.
- Hinter dem Argument verbergen sich Vorbehalte gegenüber Wissenschaftlerinnen.
Widerlegung der "Widerlegung":
Feministische Theorien sind ideologisch, weil der Feminismus eine Ideologie ist. Feministische Forschung ist zielgerichtet und deshalb nicht wertfrei. Ein Beleg dafür ist das hier zu diskutierende Werk: Es ist ausschließlich von Menschen geschrieben worden, die mit der Propagierung des Feminismus Geld verdienen.
Wenn von feministischen Wissenschaftlern Feminismus erforscht wird, führt die Zielrichtung zu nicht wertfreien Ergebnissen.
2.5 Antifeministische Behauptung
"Gleichstellungspolitik ist lesbische Interessenpolitik!"
Feminismus und Gleichstellungspolitik seien vor allem von lesbischen Akteurinnen geprägt. Deshalb, so wird argumentiert, dienten sie allein lesbischen "Minderheiteninteressen".
2.5.1 Widerlegung
- Die Behauptung ist lesbenfeindlich.
- Die Aufspaltung in Lesben und heterosexuelle Frauen zielt hier auf die Schwächung von Feminismus und Gleichstellungspolitik.
- Lesbische Partizipation ist eine Stärke feministischer Politik.
- Die Behauptung, Gleichstellungspolitik sei an lesbischen Interessen ausgerichtet, ist falsch.
Widerlegung der "Widerlegung":
Diese Behauptung ist wohl eher lesbisches Wunschdenken. Deshalb braucht sie nicht widerlegt zu werden. Es ist richtig, dass lesbische Partizipation "eine Stärke feministischer Politik" ist. Daraus ergibt sich logischerweise, dass feministische Politik auch (jedoch nicht allein!) lesbische Politik beinhaltet.
Diese "Behauptung" als "lesbenfeindlich" darzustellen hat den Sinn, eine Diskussion über Lesben in der "Gleichstellungspolitik" zu unterdrücken.
2.6. Antifeministische Behauptung
"Feminismus verletzt die Freiheit geschlechtlicher Selbstbestimmung: Gleichstellungspolitik ist staatliche Umerziehung!"
Feminismus sei heute Staatsdoktrin geworden; durch gleichstellungspolitische Strategien und Maßnahmen wie Gender Mainstreaming, geschlechtersensible Pädagogik (-> Kapitel 5.2), Gender Trainings u. a. griffe der "Staatsfeminismus" in die freie Geschlechtsentwicklung des Menschen, insbesondere von Jungen und Männern, ein.
2.6.1 Widerlegung
- Feminismus ist meilenweit davon entfernt, "Staatsdoktrin" zu sein.
- Die "natürliche" Geschlechtsentwicklung ist weder natürlich noch frei von gesellschaftlichen Einflüssen.
- Die Entwicklung "natürlicher" männlicher und weiblicher Geschlechtsidentitäten führt zu Hierarchien und Ausschlüssen.
Widerlegung der "Widerlegung":
Der Feminismus ist heute Staatsdoktrin. "Gender Mainstreaming" wurde der Bevölkerung übergestülpt (1999 Amsterdamer Vertrag der EU, darauf folgend Umsetzung in der Bundesrepublik). Diese Ideologie zielt auf die Abschaffung der Geschlechter ab. Damit ist sie in der Tat staatliche Umerziehung.
http://www.nulb.de/Argus/Argus2.htm
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Die ultimative Dienstleistungsoffensive des Antifeminismus
Ein bisschen Frauenhass steht jedem Mann!
wikimannia statt femipedia
gesamter Thread:
- Liste Femanzen Julia Roßhart -
Oberkellner,
02.03.2014, 13:09
- Liste Femanzen Julia Roßhart -
Ausschussquotenmann,
02.03.2014, 21:00
- Liste Femanzen Zentrum für transdisziplinäre Geschlechterstudien - Oliver, 03.03.2014, 11:09
- Liste Femanzen Julia Roßhart -
Ausschussquotenmann,
02.03.2014, 21:00