Wenn der Mensch zur MenschIn wird - oder:

Wieviel »Gleichberechtigung« verträgt das Land?

How much »equality« the country can stand?

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Liste Femanzen Jutta Dalhoff (Liste Femanzen)

Oberkellner @, Sunday, 23.03.2014, 13:49 (vor 3904 Tagen)

F161 Jutta Dalhoff – geboren 1959 - Studium der Geschichtswissenschaft, der Niederländischen Philologie und der Erziehungswissenschaften - Leiterin Kompetenzzentrum Frauen in Wissenschaft und Forschung CEWS in Köln, wohnhaft in Bonn – von 1985 bis 1990 Referentin für die Bereiche Arbeit- und Sozialordnung und Frauenpolitik in der Fraktion DIE GRÜNEN im Deutschen Bundestag in Bonn - von 1991 bis 1996 Hauptamtliche Frauenbeauftragte der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel und Sprecherin der Landeskonferenz der schleswig-holsteinischen Hochschulfrauenbeauftragten – von 2000 bis 2005 Wissenschaftliche Mitarbeiterin und Stellvertretende Geschäftsführerin des Kompetenzzentrum Frauen in Wissenschaft und Forschung CEWS an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn – jutta.dalhoff@gesis.org – www.gesis.org - http://www.abendblatt.de/img/karriere/crop108667949/8258723330-ci3x2l-w620/beruf2-HA-Bilder-Fotogalerien-Hamburg.jpg

Die Historikerin Jutta Dalhoff fordert eine Frauenquote in der Forschung und der Lehre. Die Krux stecke in der Besetzung von Professuren.
Wissenschaftlerinnen werden von Hochschulen wegen möglicher Mutterschaft abgelehnt. Doch männliche Bewerber gelten nicht als potenzielle Väter, sagt Jutta Dalhoff, Leiterin des Zentrums Frauen in Wissenschaft und Forschung am Leibniz-Institut Köln.
Hamburger Abendblatt: Frau Dalhoff, auf vier Professoren kommt heute nicht mal eine Professorin. Was hält Wissenschaftlerinnen davon ab, weiter aufzusteigen?
Jutta Dalhoff:
Auf der Strecke bleiben Akademikerinnen vor allem bei der Besetzung von Professuren. Die Krux steckt im Berufungsverfahren, das von internen Zirkeln innerhalb von Hochschulen bestimmt wird. In meiner Zeit als Frauenbeauftragte habe ich selbst in solchen Kommissionen gearbeitet. Die Auswahlkriterien sind mit Objektivitätsanforderungen nicht immer vereinbar, um es mal höflich zu sagen.
Und weniger höflich ausgedrückt?
Dalhoff:
Nach der Frauenförderung auf den unteren Ebenen kommen am entscheidenden Punkt ganz alte Rollenbilder zum Tragen. Die Kommissionsmitglieder, fast ausnahmslos Männer, fragen sich bei jeder Bewerberin: Wird sie wirklich zu 150 Prozent für diese Aufgaben zur Verfügung stehen? Ob die Wissenschaftlerin dann Kinder hat oder nicht, spielt dabei keine Rolle - sie könnte ja welche bekommen. In einem männlichen Bewerber sieht hingegen niemand den potenziellen Vater. In Deutschland ist ein Bild des Professors verbreitet, das dem 19. Jahrhundert entspricht: der ständig verfügbare Mann, dem eine Frau den Rücken freihält. Daran muss sich dringend etwas ändern - nicht nur im Sinne der Chancengleichheit, sondern auch, weil es heutigen Anforderungen nicht mehr entspricht: Professorinnen und Professoren können sich heute nicht mehr in den Elfenbeinturm der Forschung zurückziehen, sondern übernehmen wichtige Aufgaben in der Lehre und im Management.
Was passiert mit Wissenschaftlern, die nicht zum Zuge kommen?
Dalhoff:
Wer sich nach der Promotion nicht binnen sechs Jahren habilitiert, wird mit wenigen Ausnahmen nach draußen katapultiert. Dann steht man mit Mitte 40 da und ist verbrannt für andere vergleichbar gute Positionen außerhalb der Hochschulen. Selbst ein Quereinstieg in die Wirtschaft oder in den öffentlichen Dienst kann in dem Alter und bei dem Spezialisierungsgrad schwierig werden.
Ist die Situation für Akademikerinnen hier schlechter als in anderen europäischen Ländern?
Dalhoff:
Deutschland tut im europäischen Vergleich recht viel; Bund und Länder haben einige Programme zur Frauenförderung umgesetzt. Wir haben das aber auch besonders nötig. Das Frauenbild der Nationalsozialisten wirkt bis heute nach. In Deutschland werden Frauen noch heute verurteilt, wenn sie die Kinder extern betreuen lassen. Sie sind dann "Rabenmütter" - das Wort gibt es in keiner anderen Sprache. Ich kenne eine Wissenschaftlerin mit Kind, die in Belgien arbeitet, das dortige Betreuungssystem nutzt und dort absolut anerkannt ist. Ihr einziges Problem ist die deutsche Großmutter: "Das kannst du doch nicht tun!" Die verkrusteten Hochschulstrukturen sind für diesen deutschen Muttermythos besonders anfällig.
Sie haben selbst nicht promoviert?
Dalhoff:
Mir ist nach dem Studium eine Promotion angeboten worden - auf einer Viertelstelle! Das habe ich als Unverschämtheit empfunden. Daher habe ich mich für den direkten Berufseinstieg entschieden und dies nie bereut.
Derzeit sind nur 18 Prozent der Professoren weiblich. Brauchen wir eine Quote in der Wissenschaft?
Dalhoff:
Daran kommen wir nicht vorbei, sonst brauchen wir noch viele Generationen, bis jeder zweite Professor eine Frau ist.
Aber nicht jede Frau ist ein Gewinn.
Dalhoff:
Es geht ja nicht darum, ungeeignete Frauen zu besetzen. Wer sich auf eine Professur bewirbt, muss selbstverständlich die fachlichen Voraussetzungen erfüllen. Mehr Forscherinnen kommen auch den Inhalten zugute: Wenn Forschergruppen vielseitiger werden, werden es auch die Forschungsthemen.
Was empfehlen Sie jungen Wissenschaftlerinnen?
Dalhoff:
Die Habilitation ist ein Flaschenhals. Nur ein Prozent aller Studienanfänger wird eines Tages Professor. Langfristige Alternativen gibt es innerhalb der Hochschule kaum. Wissenschaftlerinnen sollten ihre Entscheidung immer wieder überprüfen und offen sein für Alternativen, um keiner Schimäre nachzulaufen. Wer diese Widrigkeiten in Kauf nehmen will, sollte sich nicht abschrecken lassen. Die Wissenschaft kann von einem angemessen hohen Frauenanteil in Forschung und Lehre nur profitieren!

http://www.abendblatt.de/wirtschaft/karriere/article2372599/Chancenungleichheit-Es-fehlen-Professorinnen.html

Langer Weg bis zur Professur
Bewerbungsseminare für angehende Hochschullehrer
Von Svenja Üing
Wer eine Professur an einer deutschen Universität erhalten möchte, der hat in der Regel eine lange akademische Ausbildung hinter sich. Neben fachlicher Qualifikation braucht man die richtigen Publikationen, ein gut funktionierendes Netzwerk und natürlich ein Quäntchen Glück. Doch was zählt wie viel? Um das zu vermitteln, bietet der Deutsche Hochschulverband spezielle Bewerbungsseminare für Bewerber aus den Natur- und Geisteswissenschaften an. In diesem Jahr wurden erstmals auch Mediziner gezielt angesprochen.
Zwei Tage lang sind die 21 Männer und drei Frauen aus dem ganzen Bundesgebiet und Österreich in einem Bonner Hotel zusammen gekommen. Sie nehmen eine Auszeit aus ihrem beruflichen Alltag, um sich auf den nächsten Karriereschritt vorzubereiten: Die Bewerbung auf eine Medizin-Professur. Dr. Ulrike Protzer, Privatdozentin an der Uni Köln, steckt mitten im Bewerbungsprozess:

Ich habe schon Erfahrungen in Berufungsgesprächen und -vorstellungen. Und das lief bisher immer recht gut, aber trotzdem hat man so das Gefühl, das ist eine Welt, die man nicht sehr gut kennt, wenn man nicht selber drinsteckt und zum Beispiel als Dekan sehr häufig Berufungsverhandlungen führt oder in Berufungen eingebunden ist.

Eine unbekannte Welt, die ihnen hier näher gebracht werden soll. Und zwar in ihrer ganzen Bandbreite: von der konkreten Stellenausschreibung bis zu den Berufungsverhandlungen. Denn bereits bei der schriftlichen Bewerbung liegen die ersten Stolpersteine, warnt Jutta Dalhoff, Trainerin und Leiterin des Kompetenzzentrums Frauen in Wissenschaft und Forschung in Bonn. Früher waren die Anschreiben in der Hochschulwelt beispielsweise eher Formsache, heute kann mit ihnen durchaus punkten. Und auch das Foto wird oft unterschätzt:

Sie müssen sich vorstellen, dass eine solche Kommission da im Dekanat sitzt und diese Riesenkisten durchkramt. Und auch da gibt es unendliche Fehlerquellen, also mal eben so billig hingehauen oder vielleicht noch von der letzten Ferienreise vor dem soeben erstiegenen Berg. Also, das führt zu starker Erheiterung in der Kommission. Das gibt es durchaus. Sie müssen einfach einen sehr professionellen Eindruck machen mit ihren Unterlagen, sonst fliegen sie sofort raus.

Auf eine Stellenanzeige melden sich etwa 50, manchmal bis zu 100 oder mehr Bewerberinnen und Bewerber. Sechs bis acht von ihnen werden in der Regel eingeladen. Deshalb steht der Fach-Vortrag und das sich daran anschließende Gespräch mit der Berufungskommission im Zentrum der Rollenspiele und simulierten Berufungsinterviews. Ulrike Protzer:

Also ein Beispiel: In der Berufungskommission werden sie gefragt: Wie sieht denn ihre Forschungsperspektive für die nächsten zehn Jahre aus? Das ist eine Frage, auf die muss man vorbereitet sein, weil man sie spontan sicher nicht gut beantwortet.

Bis eine Professur neu besetzt wird, vergehen im Schnitt knapp zwei Jahre. Das ist entschieden zu lang, kritisiert Dr. Dirk Böhmann, Justitiar für Medizin- und Arbeitsrecht im Deutschen Hochschulverband. Außerdem sei das gesamte Bewerbungsverfahren nicht transparent genug. Deshalb nimmt man in Bonn gerade auch die ungeschriebenen Gesetze genau unter die Lupe. Besonders wichtig dabei: das wissenschaftliche Netzwerk und die Präsenz in der Fachwelt:

Es ist extrem hilfreich, dass sie im Rahmen eines Bewerbungsverfahrens schon bekannt sind, möglicherweise auch einigen Mitgliedern der Berufungskommission. Und das ist eine Taktik, die man letztlich auch lernen kann. Indem sie Vorträge halten, indem sie durch Poster im Bereich der klinischen Medizin oder im Bereich der Vorklinik präsent sind, dass sie präsent sind auf den nationalen, internationalen Tagungen. Man könnte sagen, das sind profane Dinge. Aber eben auf diese profanen Dinge kommt es an.

Gezielte Schachzüge also und Vitamin-B, ohne das man auf der Karriereleiter kaum nach ganz oben kommt. Darin scheinen sich Teilnehmer wie Referenten einig.

In einer abgemilderten Form ist das etwas, was da ganz normal stattfindet, weil es Partikularinteressen gibt. Jeder einzelne in der Kommission hat andere, und dann kann das durchaus eine Rolle spielen zu sagen: Bei dieser Berufung, da lasse ich dir deinen Kronprinzen. Und beim nächsten Mal, da bin ich dann mal dran.

Mit einem unbeliebten Habilitations-Vater hat der Bewerber da schnell schlechte Karten, sagt Jutta Dalhoff. Das wissen auch die Wissenschaftlerinnen. Zahlenmäßig sind sie zwar nach wie vor in der Minderheit, doch in speziellen Frauen-Netzwerken knüpfen auch sie ihre Kontakte immer effektiver.
Vor dem Hintergrund der klammen Haushalte spielen in den letzten Jahren aber auch die Managementfähigkeiten der Bewerber eine immer größere Rolle, zum Beispiel deren Geschick bei der Drittmitteleinwerbung. Tipps und Informationen, von denen sich Seminarteilnehmer wie Prof. Lars Klimaschewski von der Uni Innsbruck Hilfe bei der nächsten Bewerbung erhoffen. Der Mediziner für Anatomie und Histologie ist überzeugt, dass er dann die Weichen früher stellen wird:

Also ich werde meine Bewerbungsmappe neu machen. Dann werde ich mich doch sehr viel intensiver vorbereiten auf mögliche nächste Bewerbungsvorträge in Hinblick auf die Situation an dem Ort, wo ich mich bewerbe, wo ich hin möchte, dass man sehr viel genauer Bescheid weiß über die möglichen neuen Kooperationspartner, Kollegen, die man haben wird, und ich werde mir auch noch mal sehr genau Gedanken machen, wie ich dort in einem Bewerbungskommissionsgespräch dann auftreten will.

http://www.dradio.de/dlf/sendungen/campus/468747/

Liebe Leserinnen und Leser,
im Rahmen der dieswöchigen Öffentlichen Anhörung des Bundestagsforschungsausschusses zum Thema „Frauen in Wissenschaft und Forschung“ kamen die derzeit zentralen Themen dieses Politikfeldes in dankenswert deutlicher Spra­che auf den Tisch. Die strukturelle Verankerung des Ziels der Geschlechtergerechtigkeit und die kontinuierliche Umsetzung diesbezüglicher Zielvereinbarungen in den wissenschaftli­chen Einrichtungen müssten weiter voran getrieben werden, die (Nicht-)Zielerreichung Konsequenzen in der Mittelvertei­lung zur Folge haben. Dies gälte insbesondere auch für die von allen Sachverständigen geforderten Einführung einer leistungsabhängigen, verbindlichen und flexiblen Zielquote auf der Grundlage des Kaskadenmodells für die Besetzung von wissenschaftlichen Führungspositionen. So viel Exper­ten- und Expertinnen-Einigkeit sollte den Umsetzungswillen der Politik eigentlich nachhaltig stärken, hoffen wir das Beste! Grundlegende Informationen und Argumentationshilfen zu diesen und anderen wissenschaftspolitischen Themen bie­tet Ihnen dieses CEWSjournal in gewohnter Fundierung und Zuverlässigkeit. Besonders hinweisen möchte ich Sie auf die aktuellen Chancengleichheitsempfehlungen des Wissen­schaftsrates, die neuen HRK-Leitlinien zur Gestaltung befris­teter Beschäftigungsverhältnisse an Hochschulen und das Schwerpunktthema zur CHE-Studie: Einsam an der Spitze: Unterrepräsentanz von Frauen in der Wissenschaft aus Sicht von Professor(inn)en in den Naturwissenschaften.
Ich wünsche Ihnen eine angenehme Lektüre, einen hoffentlich erfreulichen Start in den Sommer und grüße Sie aus Köln!
Jutta Dalhoff, Leiterin des CEWS

http://www.gesis.org/cews/fileadmin/cews/www/download/cews-journal84.pdf

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