Fall "Ulvi Kulac": Der nächste Falschbeschuldigte wird nach Jahren aus dem Knast geholt! (Recht)
Wiederaufnahme im Fall Peggy: Anwalt erhebt Foltervorwurf gegen Ermittler
Das Wiederaufnahmeverfahren im Mordfall Peggy hat mit schweren Vorwürfen gegen Polizei und Staatsanwaltschaft begonnen. Der Anwalt des Angeklagten Ulvi K., Michael Euler, warf den Ermittlern Foltermethoden vor. "Mein Mandant ist während der Vernehmung auch gefoltert worden", sagte Euler vor dem Landgericht Bayreuth.
Darüber hinaus bemängelte der Jurist gravierende Pannen bei der Arbeit der damals eingesetzten Sonderkommission Peggy. Falschaussagen und fehlerhafte Ermittlungsergebnisse seien nicht erkannt worden. Hinweise und Spuren, die Ulvi K. entlastet hätten, seien auf Nebenakten verteilt worden, ohne dies dem Gericht bei dem Prozess vor zehn Jahren mitzuteilen.
Tathergangshypothese verschwiegen
Der geistig behinderte Ulvi K. war im April 2004 als Mörder von Peggy zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Die Leiche des Mädchens wurde nie gefunden.
Der Fall muss neu aufgerollt werden, weil zahlreiche entscheidende Details beim ersten Prozess nicht berücksichtigt wurden. So hatten die Ermittler damals beispielsweise eine Tathergangshypothese angefertigt - sie war dem späteren Geständnis des behinderten Ulvi K. verblüffend ähnlich. Dass es sich bei dem Geständnis um das Abfragen einer zuvor gefassten Hypothese gehandelt haben könnte wurde dem Gericht jedoch nicht offengelegt.
Darüber hinaus widerrief ein wichtiger Belastungszeuge nach dem Prozess seine Aussage. Im Prozess hatte er behauptet, Ulvi K. habe ihm den Mord an Peggy gestanden. Später erklärte er, dies sei eine Lüge gewesen um Hafterleichterungen zu bekommen.
Blocker
Ist Ulvi K. ein Justizopfer?
Der Anwalt von Ulvi K. hält seinen Mandanten für ein Justizopfer: "Denn es ist nur schwer zu glauben, dass ein geistig Behinderter das perfekte Verbrechen begangen haben soll. Ohne Leiche. Ohne Spuren", sagte der Verteidiger vor Prozessbeginn.
Wer sich die Mühe mache, die rund 14.000 Aktenseiten aufmerksam durchzuarbeiten, erhalte ein ganz anderes Bild von dem "an Komplexität kaum zu übertreffenden Fall", sagte Anwalt Euler vor Gericht. Ulvi K. habe bei seinen damaligen Vernehmungen insgesamt vier völlig widersprüchliche Geständnisse abgelegt. Euler zitierte aus einem psychiatrischen Gutachten, wonach Ulvi K. die Begabung habe, selbst Lügengeschichten äußerst fantasiereich zu erzählen. Die Geständnisse seien solche Fantasiegeschichten gewesen.
Am 7. Mai 2001 war die Schülerin Peggy im oberfränkischen Lichtenberg spurlos verschwunden. Ulvi K. nannte den Ermittlern verschiedene Orte, wo er Peggys Leiche entsorgt haben wollte. Doch an keiner Stelle wurde das Mädchen gefunden.
Versprechungen und Druck beim Verhör
Ulvi K. habe die Geschichten aus panischer Angst vor dem Gefängnis erzählt, sagte Euler. Die Beamten hätten ihn teils mit Schokolade zu Aussagen überredet. Immer wieder sei ihm eingeredet worden, er müsse nicht ins Gefängnis, wenn er nur die Wahrheit sage.
Der behinderte Mann, der aufgrund einer Hirnhautentzündung das geistige Niveau eines Zehnjährigen gehabt habe, sei nach den Befragungen immer "fix und fertig" gewesen. Er habe am ganzen Körper gezittert und mit Medikamenten beruhigt werden müssen. "Selbst jemand, der nicht geistig behindert ist, gibt in so einer Situation vieles zu", gab der Verteidiger zu Bedenken.
Anklageschrift fast unverändert
Staatsanwalt Daniel Götz verlas zum Auftakt - von wenigen Ausnahmen abgesehen - die gleiche Anklageschrift wie beim ersten Prozess vor zehn Jahren. So sehen es die Regularien für ein Wiederaufnahmeverfahren vor.
Die Strafkammer am Landgericht Hof war vor zehn Jahren davon überzeugt, dass Ulvi K. die Schülerin zunächst auf einem Feldweg verfolgte und ihr dann so lange Mund und Nase zuhielt, bis sie sich nicht mehr rührte. Mit diesem Mord habe er einen vier Tage zuvor begangenen sexuellen Missbrauch an Peggy vertuschen wollen, hieß es im damaligen Urteil.