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Physiologe und Evolutionsbiologe Prof. Dr. Ulrich Kutschera: Homosexualität und Evolution (Bildung)

Musharraf Naveed Khan, Saturday, 19.07.2014, 16:39 (vor 3787 Tagen)

Um es gleich vorweg zu klären: Von mir aus kann jeder leben wie er möchte, so er andere Menschen mit seiner Lebensform nicht schädigt, schikaniert oder belästigt. Leider ist der Zeitgeist so, dass die Mehrheit der Deutschen in heterosexuellen Formationen lebt und sich von einer homosexuellen Minderheit, die von der entarteten politischen Klasse dazu missbraucht wird, schikanieren lassen muss. Im Interesse von Heteros und Homos muss man diesem Treiben entschieden entgegentreten und die Verhältnisse normalisieren sowie das Private wieder entpolitisieren. Dazu muss man gut und richtig argumentieren können. Ich finde, dass es dieser Beitrag von Prof. Dr. U. Kutschera einen fundierten Wissenszuwachs darstellt, auch und weil er dies ganz gut auf den Punkt bringt und grundlegende Argumentationen der politischen Klasse in Frage stellt:

Homosexualität und Evolution

KASSEL (hpd). In einem Focus-Interview hat der Physiologe und Evolutionsbiologe Prof. Dr. Ulrich Kutschera´im Jahre 2008 behauptet, Homosexualität gäbe es fast ausschließlich beim Menschen. Diese Aussage steht im Widerspruch zur populären Annahme, gleichgeschlechtliche Partnerschaften seien bei Tieren häufig anzutreffen.

Der hpd unterhielt sich über diese Frage mit Hern Kutschera, der auch Vorsitzender des Arbeitskreises (AK) Evolutionsbiologie ist.

hpd: Herr Prof. Kutschera, gab es Reaktionen auf Ihre Aussage zur menschlichen Homosexualität im o. g. Focus Online-Interview, und wie sehen Sie das heute?

Prof. U. Kutschera: Neben vielen positiven Rückmeldungen zum Gesamtbeitrag "Evolution" haben einige Bürger meine Aussage kritisiert: Homosexualität sei im Tierreich häufig anzutreffen, so wurde behauptet. Um meine 2008 formulierte These zu begründen, muss zunächst der Begriff "Sex" definiert werden.

Der Biologe August Weismann (1834–1914) war einer der ersten systematischen "Sex-Forscher" und hat auf seinen diesbezüglichen Resultaten die Neodarwin’sche Theorie formuliert. Weismann definierte zweigeschlechtliche Tiere, bei denen es Männchen und Weibchen gibt, über die sexuelle Fortpflanzung: Spermien- und Eizellen-Produzenten sind bei diesen Arten, wie z. B. Vögel und Säugetiere, auf verschieden gebaute Körper verteilt (Sexual-Dimorphismus). Nach Weismann ist sexuelle Reproduktion, die er damals als "Amphimixis" (bzw. "Sex") bezeichnet hat, der Spermientransfer von einem männlichen zu einem weiblichen Tier, mit dem Ziel der Befruchtung der Eizelle (Zygotenbildung). Der AK Evolutionsbiologie würdigt in 2014, zum 100. Todestag, die Leistungen dieses Evolutionsforschers, der u. a. den "Sex" als Variationen-Generator und Voraussetzung für den Fortgang der Evolution erkannt hatte.

Aktuelle Forschungen lassen vermuten, dass es unter Tieren zu homosexuellen Handlungen kommt. Der hpd hat erst vor wenigen Tagen auf einen entsprechenden Artikel verwiesen und daraus zitiert. Da stellt sich die Frage: Ist die Weismann’sche Sex-Begrifflichkeit aus dem 19. Jahrhundert heute noch relevant?

U. Kutschera: Seit 1883, als Weismann sein Werk "Die Entstehung der Sexualzellen bei den Hydromedusen" veröffentlichte, woraus er dann seine aktualisierte Evolutions-Theorie ableitete, hat die Wissenschaft von der Fortpflanzung der Lebewesen große Fortschritte gemacht. Heute unterscheiden wir zwischen Gonochoristen und Hermaphroditen, d. h. zweigeschlechtlichen Lebewesen wie Vögeln, Affen und Menschen, und Zwittern wie Regenwürmern, Egeln und Schnecken. Hermaphroditen sind unter den ca. 1,2 Millionen Tierarten häufig anzutreffen – sie vermeiden in der Regel eine Selbstbefruchtung, die zu "inzüchtig" produzierten Abkömmlingen führt.

Danach ist der Begriff "Sex" in der Biologie eindeutig mit der Erzeugung von Nachkommen gekoppelt. Homosexuelle Menschen hinterlassen aber keine Kinder, wie verträgt sich das mit der Definition? Nennt der Biologe also gleichgeschlechtliche Handlungen nicht "Sex"?

U. Kutschera: In der Natur geht es im Daseinswettbewerb der Organismen darum, wer sich als Individuum fortpflanzt und somit, über leibliche Nachkommen, seine Gene in die nächste Generation bringt. Der Begriff "Darwin’sche Fitness" steht für Lebenszeit-Fortpflanzungserfolg (Kinderzahl): Hätten sich unsere Eltern nicht zweigeschlechtlich (sexuell) fortgepflanzt, so wären wir nicht hier. Interaktionen gleichgeschlechtlicher Individuen können aber die Darwin’sche Fitness erhöhen, so z. B. unter heranwachsenden männlichen Säugetieren als "Übung", wenn es später einmal um die Konkurrenz um Weibchen geht. Der Begriff "Homo-Sex" ist, evolutionsbiologisch betrachtet, fragwürdig – man sollte wohl eher von "homoerotischen Neigungen" sprechen.

Ihre Forschungsarbeiten über das Sexualverhalten zwittriger Würmer, wie z. B. Blutegel, sind in der Fachwelt bekannt und regelmäßig zitiert. Lässt sich daraus eine Regel zum Thema Homosexualität bei Tieren ableiten?

U. Kutschera: Hermaphroditische Ringelwürmer (z. B. Egel), die ich seit 1980 erforsche, enthalten männliche und weibliche Keimdrüsen (Sex-Zellen) in einem Körper und produzieren somit Spermien und Eizellen.

Interessanterweise versuchen diese schleimigen Mischwesen beim Sex primär als Männchen (Spermien-Überträger) zu agieren. Sie versuchen, die weibliche Rolle als Spermien-Empfänger zu vermeiden, was nicht immer gelingt – meist kommt es zum "Hetero-Sex" (zwei Individuen paaren sich). Bei Zwittern entspricht "Homo-Sex" einer Selbstbefruchtung (ein Individuum pflanzt sich ohne Partner fort). Das kommt selten vor – ich konnte dieses Verhalten aber bei einer von mir entdeckten und beschriebenen Spezies, dem Europäischen Platt-Egel, dokumentieren.

Das fordert die Frage regelrecht heraus: Ist Homosexualität beim Menschen somit von der Evolution vorgesehen oder eher als Sonderverhalten zu bewerten?

U. Kutschera: Die Evolution ist ein durch Zufall und Naturgesetzlichkeiten verlaufender Prozess und kennt keine "Vorsehung" bzw. einen Plan oder Design. Neueste Forschungsergebnisse stehen im Widerspruch zur eingangs zitierten Annahme, homoerotische Beziehungen seien im Tierreich häufig anzutreffen.

Unter den über 1 Million beschriebenen Arten fallen zunächst die Hermaphroditen weg (ca. 25 %). Bei den Gliederfüßern (Insekten, Spinnentiere usw.), die, gemeinsam mit den Zwittern, über 90 % aller Arten ausmachen, konnten die beobachteten gleichgeschlechtlichen Interaktionen auf Verwechslungen zurückgeführt werden: Brünstige Käfer-Männchen versuchen, wie Erdkröten, alles Artgleiche zu begatten, so z. B. manchmal auch männliche Geschlechtsgenossen, die sich aber meist wehren. Außerdem riechen Insekten-Männchen nach erfolgter Spermienübertragung manchmal nach einem Weibchen und werden dann irrtümlicher Weise von einem anderen männlichen Tier mit diesem verwechselt: schwule Käfer gibt es nicht (s. Scharf, I. & Martin, O.Y.: Behav. Ecol. Sociobiol. 67, 1719; 2013).

Übertragungen dieser gleichgeschlechtlichen Interaktionen auf Menschen sind wenig sinnvoll, da wir nicht nur Natur- sondern auch Kulturwesen sind.

Aber Menschen sind Wirbeltiere und keine Käfer. Wie sieht es bei den Primaten aus?

U. Kutschera: Das ist korrekt. Der Londoner Affenforscher Volker Sommer hat die bekannten homoerotischen Verhaltensweisen bei Wirbeltieren in zwei klassischen Monographien zusammengefasst, wobei die Befunde auf über 1.000 Fallbeobachtungen aufaddiert werden können – oft sind es aber nur Einzelfälle (nicht verallgemeinerbar).

Aktuellste Untersuchungen an Schimpansen und Bonobos zeichnen ein reformiertes Bild. Bei den männlich-dominierten Schimpansen konnten im Freiland keine homoerotischen Neigungen beobachtet werden, das hat bereits Jane Goodall 2007 in einem Interview ausgesagt. Die weiblich dominierten Bonobo-Gemeinschaften werden regelmäßig als Paradebeispiel angeführt. Die homoerotischen Spielereien der Bonobo-Weibchen simulieren aber den Sex-Akt mit einem Männchen (den sie mit derselben Zuneigung vollziehen).

Das Verhalten dient der Hierarchie-Ordnung in der Weibchen-Gruppe (s. Clay, Z. & Zuberbühler, K.: Scientific Reports 2, 291; 2012). Sollten sich die anderen Fälle homoerotischer Interaktionen bei Vögeln und Säugern bestätigen, so liegt die "Häufigkeit" im gesamten Tierreich bei eintausend zu über einer Million und somit weit unter einem Prozent. Die wenigen gut belegten tierischen "Same-Sex-Interaktionen" erfüllen vermutlich den Zweck einer "Übung für den Ernstfall" bzw. Gruppen-Bindungen und sind auf menschliche Verhaltensweisen nicht übertragbar: Tiere haben, anders als Menschen, keine geschlechtliche Dauer-Identität (zeitlich begrenzte Brunft-Perioden).

Um zu einer ganz praktischen Frage zu kommen: Weshalb wird derzeit in einigen Staaten Afrikas und in Russland den homosexuell veranlagten Menschen derart hart entgegengetreten? Können Sie aus biologischer Sicht diese Intoleranz nachvollziehen oder begründen?

U. Kutschera: Im naturnahen Zustand haben Menschenverbände in der Regel überlebt, weil sie sich einem Gruppenführer angeschlossen haben. Diese Alpha-Männer, meist despotische Herrscher, haben ihre Macht und Intelligenz dazu benutzt, das Überleben des Kollektivs zu sichern. Diese Testosteron-gesteuerten Kämpfer hatten meist zahlreiche Reproduktions-Partnerinnen und somit eine hohe Darwin’sche Fitness (Kinderzahl).

Möglicherweise übertragen die heutigen Despoten ihre eigenen Veranlagungen auf die von ihnen beherrschten Menschen und sind daher intolerant. Weiterhin waren die Gruppenführer daran interessiert, die Zahl ihrer Untergebenen zu vermehren: Verhaltensweisen, die eine Reduktion der Kinderschar mit sich bringen, passen nicht in dieses Schema.

Da die Mutter-Kind-Beziehung die intensivste Bindung im Tierreich ist, spielt auch dieses allgemein bekannte Wissen möglicherweise eine Rolle und religiöse Mythen werden ebenfalls zur Begründung angeführt. Eine Diskriminierung homoerotisch veranlagter Menschen ist völlig unakzeptabel und kann durch kein Argument irgendwie gerechtfertigt werden.

Ist beim Menschen nicht das Sexualverhalten von der Fortpflanzung getrennt, anders als bei den Tieren?

U. Kutschera: August Weismann war glücklich verheiratet und leiblicher Vater von fünf Kindern. Ihm wird die Paar-bindende Funktion des menschlichen Sexualverhaltens ohne Erzeugung von Nachkommen sicher bekannt gewesen sein. Dennoch bevorzugen reife, mächtige Männer junge Partnerinnen, die potenziell schwanger werden können, und sind Post-Menopause-Damen eher weniger zugeneigt. Möglicherweise steckt ein verborgener "Fortpflanzungstrieb" hinter dieser Vorliebe, insbesondere bei Alpha-Männern. Früher waren das die o. g. despotisch-intoleranten Rudelführer, heute sind es oft Führungskräfte.

Danke für das Gespräch.

Die Fragen stellte Frank Nicolai.

Ulrich Kutschera ist seit 1993 Inhaber des Lehrstuhls für Pflanzenphysiologie und Evolutionsbiologie an der Universität Kassel. Nach Gastvorträgen in den USA wurde er 2007 zum Visiting Professor ernannt und ist seither nebenbei an der Carnegie Institution for Science (Stanford University, Kalifornien) tätig. Außerdem beschäftigt er sich mit biologiehistorischen und wissenschaftlichen Themen und erforscht seit über 30 Jahren die Fortpflanzungsbiologie von Blutegeln und Regenwürmern. Er hat bisher zehn Bücher und ca. 240 wiss. Publikationen veröffentlicht.

Lehrbuch zum Thema Evolutionsbiologie, mit Kapiteln zu August Weismann und der sexuellen Fortpflanzung: Kutschera, U. (2008) Evolutionsbiologie. 3. Auflage. Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart; 312 Seiten, 225 Abbildungen, gebunden, € 39,90.

Quelle: http://hpd.de/node/17649?page=0,0

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