Wenn der Mensch zur MenschIn wird - oder:

Wieviel »Gleichberechtigung« verträgt das Land?

How much »equality« the country can stand?

Homepage - Archiv 1 - Archiv 2 -- Hilfe - Regeln für dieses Forum - Kontakt - Über uns

128467 Einträge in 31748 Threads, 293 registrierte Benutzer, 268 Benutzer online (0 registrierte, 268 Gäste)

Entweder bist Du ein aktiver Teil der Lösung, oder ein Teil des Problems.
Es gibt keine unbeteiligten Zuschauer!

    WikiMANNia
    Femokratieblog

Liste Femanzen Serap Altinisik (Liste Femanzen)

Oberkellner @, Wednesday, 24.09.2014, 15:34 (vor 3657 Tagen)

F199 Serap Altinisik geboren 1974 – Studium der Kulturwissenschaften und Geschichte an der Universität Hannover - European Womens Lobby (EWL) - Leiterin des Referats „Häusliche Gewalt“ bei terres des femmes – Anschrift: Terres des Femmes, Merseburgerstr. 3, 10823 Berlin -www.womenlobby.org – www.frauenrechte.de - gewaltschutz@frauenrechte.de – altinisik@womenlobby.org - http://www.womenlobby.org/local/cache-vignettes/L300xH473/serap_altisinik-c73ee.jpg

Das Interview führte Lisa Sonnabend
"Oft ist den Unternehmen das Problem nicht bewusst"
Es ist ein unterschätztes Problem: Wenn Frauen sich bei der Arbeit krank melden, steckt oft häusliche Gewalt dahinter - doch nur wenige Unternehmen reagieren angemessen darauf. Serap Altinisik von Terre de Femmes erklärt im Interview, was Firmen tun können.

SPIEGEL ONLINE: Jede vierte bis fünfte Frau, die sich in der Arbeit krank meldet, tut dies nach Schätzungen des American Institute on Domestic Violence, weil ihr daheim Gewalt zugefügt wird. Wie gravierend ist das Problem in Deutschland?

Altinisik: Studien dafür gibt es leider noch nicht. Ich bin mir aber sicher, dass die Zahl in Deutschland ähnlich hoch ist.

SPIEGEL ONLINE: Wie kann ein Unternehmen erkennen, dass eine Frau unter häuslicher Gewalt leidet?

Altinisik: Man sollte aufmerksam werden, wenn eine Frau häufig Rollkragenpullis trägt oder im Sommer immer lange Hemden und lange Hosen. Betroffene Frauen haben oft Schrammen im Gesicht und an den Händen. Andere Indikatoren sind häufige Krankheitsausfälle, häufiges Zuspätkommen, Konzentrationsschwächen, geringe Motivation, ineffektive Arbeitsweise. Meist traut sich dann keiner im Unternehmen, etwas zu tun - auch wenn alle fast sicher sind, was mit der Frau passiert.

SPIEGEL ONLINE: Sollte ein Arbeitgeber im Verdachtsfall die Frau direkt ansprechen?

Altinisik: Das Unternehmen sollte natürlich nicht wegschauen, aber auch nicht unbedingt von sich aus auf die Frau zugehen. Wichtiger ist es, dass die Firma eine Workplace Policy vereinbart - eine Selbstverpflichtung gegen häusliche Gewalt, die Frauen Mut machen und sie unterstützen soll. Die Mitarbeiterinnen in Unternehmen mit einer solchen Vereinbarung sind eher bereit, sich zu offenbaren. Das haben Erfahrungen aus Großbritannien gezeigt.

SPIEGEL ONLINE: Wie sieht eine solche Selbstverpflichtung von Unternehmen konkret aus?

Altinisik: Eine Workplace Policy sollte aus drei Grundpfeilern bestehen. Einer ist die innerbetriebliche und öffentliche Positionierung gegen häusliche Gewalt, damit jeder Mitarbeiter davon erfährt. Der zweite ist das Angebot von Informationsmaterialien - zum Beispiel Plakate, Informationsbroschüren oder eine Telefonnummer am Schwarzen Brett, die auf eine Beratungsstelle verweist. Der dritte Pfeiler ist das Vorhandensein einer Ansprechsperson, die qualifiziert ist und fortgebildet wird. Sie soll den Frauen helfen, geeignete Beratungsstellen zu finden oder mit ihnen gesetzliche Möglichkeiten durchgehen.

SPIEGEL ONLINE: Warum fällt es den Opfern von häuslicher Gewalt so schwer, das Schweigen zu brechen?

Altinisik: Oft trauen sich die Opfer nicht, den ersten Schritt zu machen. Sei es aus Scham und Angst oder weil häusliche Gewalt immer noch ein Tabuthema in der Gesellschaft ist, weil es als Privatangelegenheit gesehen wird. In Deutschland muss sich erst noch das Bewusstsein dafür entwickeln, dass Gewalt in den eigenen vier Wänden genauso zu ächten und zu verfolgen ist wie Gewalt außerhalb der vier Wände.

SPIEGEL ONLINE: Aus welchen Milieus stammen die betroffenen Frauen?

Altinisik: Eine repräsentative Studie, die vom Familienministerium 2004 herausgebracht wurde, zeigt, dass häusliche Gewalt in allen Schichten vorkommt. Egal ob eine Frau arm oder reich ist, egal ob sie Deutsche oder Ausländerin ist, egal ob sie eine Führungsposition inne hat oder eine einfache Angestellte ist.

SPIEGEL ONLINE: Was halten deutsche Unternehmen von der Selbstverpflichtung?

Altinisik: Bislang hat erst ein Unternehmen in Deutschland eine solche Workplace Policy - und zwar das Kosmetikunternehmen Body Shop, dessen Mutterkonzern in Großbritannien sitzt, wo Selbstverpflichtungen schon üblich sind. Am Freitag haben wir von einem zweiten deutschen Unternehmen eine feste Zusage bekommen, eine Workplace Policy einzurichten. Ich bin sehr optimistisch, dass dies irgendwann auch in Deutschland Normalität wird. Unternehmen reagieren meist positiv, wenn wir ihnen von der Idee erzählen. Oft ist ihnen das Problem gar nicht bewusst gewesen. Nun sind Pilotprojekte nötig, damit die anderen Unternehmen sehen, was eine Workplace Policy bewirken kann und sie sich daran ein Beispiel nehmen können. Unternehmen sind ein gesellschaftlicher Akteur und haben damit Verantwortung zu tragen.

http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,519351,00.html

Geschlagen und geschröpft
Jede vierte Frau in Deutschland wird zu Hause Opfer von Gewalt. Für viele von ihnen ist das Frauenhaus Rettung in höchster Not. Doch wer gibt das Geld dafür? Die Finanzierung der Häuser in Niedersachsen ist weder ausreichend noch verlässlich. Folge davon: die Opfer werden zur Kasse gebeten.
Als ihr Sohn geboren wurde, damals vor zwölf Jahren, sagte ihr Mann, das Kind sei hässlich, er hasse es schon jetzt. Geburtstag durfte daher nie gefeiert werden. Jetzt und hier im Frauenhaus traut sie sich das erste Mal, den Geburtstag ihres Sohnes zu feiern. Im Kreis der anderen Frauen kommen ihr die Tränen. Übersät mit blauen Flecken hat die Mutter endlich den Schritt gewagt: raus aus der Isolation ihrer Wohnung, weg von ihrem gewalttätigen Mann. Schnell musste sie das wenige Bargeld einstecken, ihre Papiere sind unvollständig. Die engagierten Sozialarbeiterinnen, Psychologinnen, Kinderbetreuerinnen nehmen solche Frauen rund um die Uhr auf.
Das Land Niedersachsen bezahlt für alle 41 Frauenhäuser und 63 Beratungsstellen zusammen bislang 4,1 Millionen Euro. Im Detail heißt das, 2.200 Euro bekommen die Frauenhäuser im Jahr für jedes Bett, dass sie für Frauen bereit halten. Viele Mütter aber bringen ihre Kinder mit, die oft nicht weniger Leid erfahren haben. Bis zu einem Drittel der Plätze sind daher Kinderplätze - für die es kein Geld gibt. Sie werden bei der Belegungsplatz-Pauschale vom Niedersächsischen Ministerium für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit nicht berücksichtigt.
Der Etat des Landes deckt bei einigen Häusern gerade einmal 10 Prozent der Kosten. Drei weitere Töpfe existieren, bei jedem Frauenhaus sieht die Verteilung anders aus. Neben den Landesmitteln zahlen die Kommunen, es gibt die sogenannte Tagessatzfinanzierung und private Spenden. Die Sozialarbeiterinnen sind gezwungen, in die Akquise viel Zeit und Energie zu investieren, die dann in der eigentlichen Arbeit mit den Opfern fehlen.
„Die Tagessatzfinanzierung hat in der Praxis gleich mehrere Haken“, sagt Cornelia Ott vom autonomen Frauenhaus Hannover. Die Gelder, die weder die öffentliche Hand noch Spendende zahlen, werden den Frauen selbst in Rechnung gestellt. In Niedersachsen kostet der Aufenthalt laut Erhebung des Vereins Frauenhauskoordinierung täglich zwischen 68 und 88 Euro, auch für Kinder muss ein Tagegeld aufgebracht werden. Oft haben aber die misshandelten Frauen keinen Zugriff auf das Familienkonto. Sind sie ALG II berechtigt, werden die Tagessätze übernommen. Aber erst, nachdem die Frauen sie persönlich beantragt haben. Cornelia Ott: „Eine ist eine echte bürokratische Hürde für traumatisierte und misshandelte Opfer.“ Sie führt weiter aus: „Sind zum Beispiel Auszubildende, Studentinnen, Migrantinnen oder Rentnerinnen nicht ALG II berechtigt, bekommen sie kein Geld“.
„Es kann nicht sein...“
Über ein Drittel der Frauen verlassen das Frauenhaus innerhalb einer Woche. Kostendruck und Perspektivlosigkeit führen zurück zu den gewalttätigen Männern. Frauen, die zwar ein eigenes Einkommen erwerben, dieses aber nicht ausreicht, um die Tagessätze zu begleichen, können ergänzende Unterstützung beantragen. Das erfährt dann allerdings auch ihr Arbeitgeber. Außerdem kompliziert sind bei der Tagessatzfinanzierung die regionalen Zuständigkeiten: Frau kann nicht einfach in ein entfernteres Frauenhaus flüchten, dafür würde die Herkunftsgemeinde nicht aufkommen.
„Durch diese Tagessatzfinanzierung wird die Gewalt zu einem privaten Problem der Opfer gemacht", sagt Serap Altinisik von „Terre des Femmes“ aus Berlin. Jede vierte Frau in Deutschland ist betroffen, Bildung und Einkommen spielen dabei keine Rolle. In den letzten sechs Jahren haben sich die Gewalttaten nahezu verdoppelt: Gemeldet wurden letztes Jahr 11359 Fälle „häuslicher Gewalt“, in 95 Prozent gegen Frauen von Männern. Bundesweit stehen knapp 7.000 Betten in Frauenhäusern zur Verfügung. Aber nicht nur Frauen sind Opfer von Gewalt, auch Kinder erleben Missbrauch oder werden als Zeugen von der Gewalt gegen ihre Mutter traumatisiert.
Serap Altinisik plädiert für eine pauschale bundeseinheitliche Finanzierung, unabhängig von Einkommen, Aufenthaltsstatus und Wohnort der Opfer: „Es kann nicht sein, dass die Entscheidung über die Dauer des Aufenthalts in einem Frauenhaus von den Finanzgebern abhängig ist.“
Überall heißt es, die Kassen seien leer. Dennoch ist die Entscheidung über die Finanzierung der Frauenhäuser eine politische Richtungsentscheidung. In Hamburg ist der Etat für die vier Frauenhäuser fester Haushaltstitel der Sozialbehörde unter dem Namen „Obdachlosigkeit beseitigen“. Auch in Berlin gibt es eine pauschale Finanzierung aus Senatshand. Hier könne Spenden sogar noch zusätzliche für Projekte genutzt werden. Beide Städte übernehmen zudem die Kosten für Frauen, die aus anderen Bundesländern geflüchtet kommen. Petra Tappe vom Frauenhaus Flensburg erzählt: „Wir stellen nur einmal im Jahr einen Antrag.“ Schleswig-Holstein übernimmt die Mietkosten und unterhält jedes Bett im Frauenhaus mit 10.500 Euro - unabhängig von der politischen Couleur der Landesregierung. Petra Trappe: „Eine sehr unbürokratische Regelung.“
Die niedersächsischen Frauenhäuser hingegen müssen ab 2010 zusätzlichen Kürzungen rechnen. 280.000 Euro will die Landesregierung streichen. Die Beratungen über den kommenden Haushaltsplan haben gerade begonnen. „Damit würd bei einigen bis zu einem Viertel des Etats gestrichen werden“, sagt Cornelia Ott. Die Kommunen könnten das nicht abfedern, Stellenreduzierungen und eine deutliche Verknappung des Angebots wären die Folgen. Serap Altinisik von „Terre des Femmes“ ist empört: „Das heutzutage nur drei Bundesländer die gesellschaftliche Verantwortung für das Problem Gewalt gegen Frauen übernehmen, ist unhaltbar.“

http://www.kloiber.org/print/Frauenhaus.htm

?Du bist unschlagbar!”, so der Titel des Musiktheaters von TERRE DES FEMMES (TDF), das am 25. November in Frankfurt am Main seine Premiere feiert. “Dieses Stück macht auf eindrückliche und sensible Weise darauf aufmerksam, dass Häusliche Gewalt uns alle angeht!”, so Christa Stolle, Geschäftsführerin von TERRE DES FEMMES.
Als Teil der TERRE DES FEMMES- Kampagne gegen Häusliche Gewalt wird das Stück in den nächsten Jahren durch den deutschsprachigen Raum touren und so Erwachsene und Jugendlich ab 13 Jahren für das Thema sensibilisieren.
Mit der Ermordung durch den (Ex)- Partner enden in Deutschland für 300 Frauen jährlich gewaltgeprägte Beziehungen. Betroffen von der Häuslichen Gewalt sind oft auch Kinder, die entweder selbst Gewalt erfahren oder Gewalttätigkeiten gegenüber ihren Müttern miterleben.
?Mit einfühlsamen Songs und direktem Publikumskontakt zeigen die SchauspielerInnen des Spielwerktheaters Augsburg hautnah die Auswirkungen Häuslicher Gewalt”, betont Serap Altinisik, Leiterin des Referats Häusliche Gewalt und weist daraufhin, ?dass sie gleichzeitig den ZuschauerInnen Lösungswege anbieten, den Strudel der Gewalt aufzulösen und dem Nichtstun eine klare Absage erteilen.”
Das Stück ist Teil der zweijährigen TDF-Kampagne ?NEIN zu Häuslicher Gewalt -FRAUEN SCHLÄGT MANN NICHT”, die am 25. November mit einer Auftaktveranstaltung um 17. 30 Uhr in der Max-Beckmann-Schule eröffnet wird. Die Veranstaltung steht unter der Schirmherrschaft des Schauspielers Jochen Senf, der vielen als Kommissar ?Max Palu” aus dem Tatort bekannt ist. Selbst als Kind von familiärer Gewalt betroffen, setzt er sich seit vielen Jahren engagiert gegen Häusliche Gewalt ein.
An das Musiktheater schließt sich eine Podiumsdiskussion mit ExpertInnen aus Politik, Justiz, Kultur und Frauenhausarbeit an.

http://menschenrechte.blogg.de/tag/frauen/

Hey Serap,
bald ist internationaler Frauentag, aber wem erzähle ich das. Hast Du eine Idee, worüber wir in unserer Kolumne schreiben könnten?
Vielleicht thematisieren wir die Fragestellung, ob man einen neuen Blickwinkel auf das Thema Gleichstellung wagen muss? Ich meine aufgrund der vielfältiger werdenden Gesellschaft.
Reichen die Antworten der „alten“ Feministinnen und der „neuen“ F-Klasse, um auch auf die Fragen der neuen deutschen Frauen und Mädchen eine adäquate Antwort zu geben?
Viele Grüße und bis bald, Aziz
***
Datum: Sun, 26 Feb 2012 18:55:14
Von: Serap Altinisik
An: Aziz Bozkurt
Betreff: Re: Internationaler Frauentag
Lieber Aziz,
ich würde die Frage, ob man einen neuen Feminismus braucht, mit ja und nein beantworten. Natürlich muss sich der Feminismus verändern, ja erneuern, da er nur so als Querschnittsthema in einer sich ständig verändernden Gesellschaft effektiv wirken kann. Ich denke, vor allem das Thema Frauen mit Migrationshintergrund wird oftmals noch zu wenig bedacht oder leider sogar mit Stigmatisierungen, auch von feministischen AkteurInnen kontraproduktiv bearbeitet. Es ist keine Frage, dass MigrantInnen neben der allgemeinen Diskriminierung aufgrund des Geschlechts auch noch eine zusätzliche Hürde zu überwinden haben. Ich meine damit, dass diese Frauen oftmals noch mit weiteren Benachteiligungen durch die Mehrheitsgesellschaft zu kämpfen haben. Beispielsweise sollte die Qualifikation von MigrantInnen schneller und besser anerkannt werden. Wieso ich aber auch der Meinung bin, dass wir keinen komplett neuen Feminismus brauchen, lässt sich mit dem Status Quo der fehlenden Gleichbehandlung von Frauen und Männern erklären. Denn wofür setzen sich FrauenrechtlerInnen im Grunde genommen seit dem Beginn des letzten Jahrhunderts ein? Sie kämpfen für die Gleichberechtigung von Frauen und Männern.
Auch wenn sich einiges in den letzten Jahrzehnten für die Frauen positiv entwickelt hat, muss noch ein langer Weg zur Gleichberechtigung beschritten werden. In Fragen der gleichen Entlohnung für gleiche Arbeit beispielsweise, da Frauen in der EU im Durchschnitt immer noch 18 % weniger als Männer verdienen – in Deutschland verdienen Frauen sogar im Durchschnitt 23 % weniger als ihre männlichen Kollegen. Dabei stand schon in den römischen Verträgen, dass Frauen und Männer gleich entlohnt werden soll. Wir wissen beide, wann die römischen Verträge der EU verabschiedet wurden, genau vor 55 Jahren. Auch wenn Frauen ja bekanntermaßen eine höhere Lebenserwartung haben als Männer, bei einer Fortsetzung dieses „Tempos“ wird noch nicht einmal meine Generation die Verwirklichung der postulierten Parität erleben! Trotz vieler hehrer Ziele sieht die Realität eben leider immer noch anders aus.
Ohne wichtige Meilensteine in den letzten Jahren auf dem Weg zu einer gleichberechtigten Gesellschaft zu negieren, besonders denke ich da an die rot-grüne Bundesregierung, die Gender Mainstreaming als Leitprinzip zur Gleichstellung zwischen Männern und Frauen einführte, bleibt viel zu tun. Aus diesem Grund ist der „alte“ Feminismus aktuell wie eh und je. Ich würde aber gern von dir erfahren, ob du einen anderen Feminismus für angebracht hältst und was dieser anders formulieren würde oder mehr an Rechten für Frauen bringen würde?
Herzliche Grüße, Serap
***
Datum: Tue, 28 Feb 2012 16:33:32
Von: Aziz Bozkurt
An: Serap Altinisik
Betreff: Re: Internationaler Frauentag
Moin Serap,
du hast Recht liebe Serap, mit meiner Frage zielte ich nicht darauf ab die Diskussion alter (aka Alice Schwarzer) vs. neuer Feminismus aufzumachen (F-Klasse). Vielmehr denke ich so wie du, dass es einen Feminismus braucht der die grundlegenden Fragen für alle Frauen wie gute Ausbildung und Arbeit auf dem Schirm hat. Dabei brauchen wir aber, so meine ich, mehr Sensibilität für Hürden, die z.B. Frauen mit Migrationshintergrund bewältigen müssen.
Es geht m.E. auch zentral darum das Thema Gleichstellung auf eine breite Solidaritätsbasis zu stellen. Es wird immer Forderungen geben, die natürlich nur bezogen auf das Geschlecht erkämpft werden müssen. Aber bei einer Vielzahl der Themen lässt sich durch größere Bündnisse viel mehr bewegen. Da müssen wir zusammen agieren und dürfen uns nicht gegeneinander ausspielen lassen.
Ein Beispiel: zum Glück wird immer häufiger das Thema der mangelnden Spiegelung von gesellschaftlichen Verhältnissen an den Schalthebeln der Macht diskutiert. Mal sind es die Frauen, die unterrepräsentiert sind, mal Menschen mit Migrantionshintergrund… aber wieso schaffen wir es nicht, das Thema stärker zu verknüpfen? Im Prinzip geht es doch darum, dass die weißen, wohlgenährten (dickbäuchig hört sich böse an ) Männer mittleren Alters (wobei wir persönlich nichts gegen die einzelnen Individuen haben) Platz für mehr Vielfalt auf den Stühlen machen. Vielfalt in jeder Form! Das würde auch vielleicht die eine oder andere Diskussion erleichtern. Z.B. beim Thema “Migrantenquote”: eins der ersten Argumente dagegen “Na, wie hoch soll denn die Quote für die Migranten sein?”. „Erst die Frauen, dann die Migranten und was ist mit Homosexuellen?“ Drehen wir den Spieß um und verbünden uns: “Wie hoch soll denn die Maximal-Quote für den weißen Mann sein?” 40%? Und der Rest? Der Rest soll die Vielfalt sein. Von mir aus auch dann 60% Frauen… ich bin mir sicher, dass jede unterrepräsentierte Gruppe EHER (es gibt sicher keine Garantie) offen für das Thema Vielfalt ist, als der weiße Mann, der nie in der Minderheit war. Ich weiß, alles sehr überspitzt, aber ohne Überspitzung, wird man sich seiner Position nicht immer klar, hat mir ein guter Freund vor kurzem erklärt. Ich bin kein Fan der Quote an sich, weil sie individuell zu Benachteiligung führen kann, aber ich mag ihre Ergebnisse und würde mir da in Deutschland mehr Entschlossenheit wünschen.
Und bei den speziellen Themen, die aufgrund der Geschlechterfrage in den Fokus gerückt werden müssen, muss sich ein neuer Feminismus stärker für die Interessen der Frauen mit Zuwanderungsgeschichte öffnen. Nicht im Sinne von Alice Schwarzer, die doch einen starken paternalistischen Ansatz verfolgt. Auf Augenhöhe und die Themen, die Du erwähnst, treffen auch auf diese Frauen zu, manchmal jedoch mit einer besonderen Brisanz oder Problematik. In jedem Fall fände ich es interessant, wenn wir zu diesem Thema eine große Debatte, in den Parteien, Organisationen und in den Medien führen würden.
Vielleicht nehmen wir als Oberthema für unseren Kolumnenbeitrag doch einfach einen neuen Begriff – ich weiß nicht, ob es den schon gibt – Feminism of Colour?
Öptüm, Aziz
***
Datum: Sun, 4 Mar 2012 17:01:19
Von: Serap Altinisik
An: Aziz Bozkurt
Betreff: Re: Internationaler Frauentag
Hallo Aziz,
meiner Meinung nach ist der Feminismus, so wie ich ihn verstehe, eine politische Bewegung, deren Ziel, nämlich der Gleichheitsgedanke für die Geschlechter, auch allgemein auf die Gesellschaft übertragbar ist. Lass es mich so erklären, wenn aktuell 60 % der AkademikerInnen in Europa Frauen sind, mit oder ohne Migrationshintergrund, sie aber beispielsweise in den entscheidenden Positionen der Unternehmen trotzdem unterrepräsentiert sind, würde es Migrantinnen eben nicht ausreichend nützen, dass eine Benachteiligung aufgrund der Herkunft abgeschafft wird, da die allgemeine Diskriminierung der Frauen dann immer noch zu schlechteren Chancen z.B. auf dem Arbeitsmarkt führen würde. Der Feminismus kommt also immer auch jeder Minderheit zu Gute, da diese im Zweifelsfall alle von der Benachteiligung von Frauen betroffen sind.
Nun zurück zu deiner Eingangsfrage, ob unserer vielfältiger werdenden Gesellschaften nicht Rechnung getragen werden müsste, in dem es zu einer Neubezeichnung des Feminismus kommen sollte? Solange die beschriebenen Machtverhältnisse weiterhin existieren, finde ich die Begriffsdiskussion erst einmal zweitrangig. Denn wie wir beide wissen, ob mit oder ohne neuem Label, trotzdem wären weiterhin ALLE Frauen, egal welcher Couleur, ob nun jung oder älter, mit Migrationshintergrund oder Frauen mit Behinderung, aber auch LGBTs, mit diesen Gegebenheiten konfrontiert. Sie alle müssen höhere Hürden nehmen oder sind häufiger von männlicher Gewalt betroffen als umgekehrt. Wofür ich jedoch plädiere ist, dass alle oben genannten Gruppen in Ihrer Arbeit für eine gerechtere Welt und somit für eine fairere Gesellschaft nicht blind für die Belange der jeweils anderen werden.
Wenn FrauenrechtlerInnen, oder gern auch engagierte Männer wie der schwedische MEP Mikael Gustafsson als Vorsitzender des Committee on Women’s Rights and Gender Equality (FEMM) des europäischen Parlaments, sich für mehr Frauen in Vorständen einsetzen, dann muss es selbstverständlich sein, dass hier auch der Blick auf die Lage von Frauen mit Migrationshintergrund geworfen wird. Lass mich es folgendermaßen formulieren, der Feminismus ist nicht nur für die weißen Mittelschicht-Frauen entstanden, sondern für ALLE. Diversity muss logischerweise auch Querschnittsaufgabe sein!
Ich gebe dir also Recht, wenn du von Bündnissen für mehr Schlagkraft sprichst, denn es darf nicht nur ein entweder oder, sondern vielmehr ein Miteinander geben, wenn es in Zukunft keine Diskriminierungen aufgrund des Geschlechts, der Herkunft, der Religion, der sexuellen Orientierung oder einer Behinderung geben soll.
Auf dem Weg dorthin – im Falle der Frauen – sehe ich eine Quotenregelung beispielsweise für die Besetzung von Vorständen als absolut notwendig an. Die Erfahrung aus anderen europäischen Ländern hat deutlich aufgezeigt, dass sich die Verhältnisse nur dann verändern lassen, wenn eine Quote, und besonders wichtig mit spürbaren Sanktionen bei Nichteinhaltung verbunden, eingeführt wird. Auch für die Bekämpfung der Benachteiligung von MigrantInnen ist eine Quotenregelung sinnvoll. Natürlich muss aber innerhalb dieser Quote die Parität von Frauen und Männern auch gegeben sein. Ich denke eine solche Lösung wäre sehr befriedigend, was meinst du?
Liebe Grüße, Serap
***
Datum: Sun, 4 Mar 2012 18:54:12
Von: Aziz Bozkurt
An: Serap Altinisik
Betreff: Re: Internationaler Frauentag
Merhaba Serap,
eine Quote finde ich – wie schon erwähnt – gut. Und natürlich muss die Gleichstellung der Geschlechter immer im Fokus stehen, deshalb bin ich da 100% mit Dir d’accord. Aber auch die Quote ist eine von vielen Instrumenten zur Bekämpfung von Diskriminierung und Ungleichheiten. Wir müssen hier in Deutschland einfach das Thema grundlegend und ohne Scheu angehen. Das hilft allen benachteiligten Gruppen. Wir haben ja als BrückenbauerInnen im letzten Jahr u.a. auch das Thema anonymisierte Bewerbungsverfahren in den Medien platziert und es war schön zu sehen, dass das Thema für MigrantInnen und Frauen von gleicher Bedeutung ist und dass ein Brückenschlag sich lohnt. Da haben die Erfahrungen ja gezeigt, dass z.B. auch Alleinerziehende Frauen von diesem Bewerbungsverfahren profitieren. Dass heißt doch, das dieses Verfahren vielen Benachteiligten hilft.
LG, Aziz
***
Datum: Sun, 4 Mar 2012 21:22:48
Von: Serap Altinisik
An: Aziz Bozkurt
Betreff: Re: Internationaler Frauentag
İyi akşamlar değerli arkadaşım Aziz,
klar, die Quote kann nur ein Mittel von vielen sein. Vor allem als erster Schritt ist sie aber effektiv und somit zwingend erforderlich. Du hast vollkommen Recht, dass es viele Schnittmengen bei den Themen Feminismus und Migration gibt und man durch eine Zusammenarbeit jede Menge an Synergien erreichen kann. Ich finde unseren Mailverkehr aus den letzten Tagen sehr spannend und vor allem passt er wunderbar zum 8. März – wir sollten ihn einfach veröffentlichen!
P.S.: Mein Titelvorschlag lautet: Feminismus und Migration – mehr als die Summe der einzelnen Teile
Bis später, Serap.

http://www.migazin.de/2012/03/08/feminismus-und-migration-mehr-als-die-summe-der-einzelnen-teile/all/1/

--
Die ultimative Dienstleistungsoffensive des Antifeminismus

Ein bisschen Frauenhass steht jedem Mann!

wikimannia statt femipedia

powered by my little forum