Wenn der Mensch zur MenschIn wird - oder:

Wieviel »Gleichberechtigung« verträgt das Land?

How much »equality« the country can stand?

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Liste Femanzen Dr. Renate Künast (Liste Femanzen)

Oberkellner @, Sunday, 30.11.2014, 12:24 (vor 3590 Tagen)

F244 Dr. Renate Künast geboren am 15.12.1955 in Recklinghausen (NRW) - Studium der Sozialarbeit an der Fachhochschule Düsseldorf – von 1977 bis 1979 Sozialarbeiterin in der JVA Berlin-Tegel – Studium der Jurisprudenz an der Freien Universität Berlin – in der Kanzlei von Parteifreund Wolfgang Wieland absolvierte sie ihr Referendariat – als Rechtsanwältin spezialisiert auf die Gebiete Ausländerrecht, Strafrecht und Bürgerrechte – 1985 für die Grünen in das Abgeordnetenhaus von Berlin gewählt, welches sie bis 2000 ausübte – von 2001 bis 2005 Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft – seit 2002 Mitglied des Deutschen Bundestages – verheiratet mit Rüdiger Portius (Jurist) – www.renate-kuenast.de – renate.kuenast@bundestag.de

In Deutschland haben Frauen zu wenig Chancen! 60 Jahre Grundgesetz und Gleichstellungsgrundsatz, doch noch immer werden Frauen diskriminiert. Deswegen brauchen wir im Jahr 2012 mit der Quote einen Modernisierungsschub für mehr Vielfalt. Ich bin überzeugt, dass die gesamte Gesellschaft von mehr Chancengerechtigkeit profitiert, auch die Männer.

www.berlinererklaerung.de/erstunterzeichnerinnen

Mit einer individuellen Quote wollen die 30 im Dax notierten Unternehmen mehr Frauen in Führungspositionen hieven. Im Gegenzug verzichtet die Bundesregierung auf einheitliche Vorgaben - zumindest zunächst.
Berlin - Die 30 größten deutschen Aktienunternehmen haben sich freiwillig zu einer Förderung von Frauen in Führungspositionen verpflichtet. Sie wollen dazu unternehmensspezifische Zielvorgaben festlegen und noch dieses Jahr veröffentlichen, teilte Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) am Mittwoch nach einem Gespräch mit Vorständen der großen Aktiengesellschaften in Berlin mit.
"Wir werden nicht eine Quote haben, sondern wir werden in diesem Jahr 30 Zielvorgaben der 30 Dax-Unternehmen erfahren", sagte Schröder. Sie sei sehr froh über dieses Ergebnis. Die Bundesregierung gebe der Wirtschaft damit noch befristet Zeit für "substanzielle Verbesserungen". Falls dies nicht gelinge, komme die von ihr vorgeschlagene "gesetzliche Pflicht zur Selbstverpflichtung".
Laut Familienministerin wurde mit dem Treffen "ein wichtiger Prozess angestoßen". Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) sprach von einem guten Anfang, der aber noch nicht ausreiche.
Telekom-Arbeitsdirektor Sattelberger lobt Druck der Politik
Schröder ihrerseits präsentierte den Unternehmen ihren Stufenplan für das angestrebte Ziel. Der Plan wurde allerdings von den Unternehmen nicht durchweg akzeptiert und ist auch in der Bundesregierung noch nicht konsensfähig.
Der Stufenplan sieht unter anderem flexible Quoten für die einzelnen Unternehmen vor und nennt als Zielmarke für eine Verdreifachung der Frauenquote in den Führungsgremien das Jahr 2013. Schröder zeigte sich zufrieden mit dem Ergebnis des Gesprächs, auch wenn BMW-Personalvorstand Harald Krüger betonte, die Wirtschaftsvertreter hätten den Stufenplan "nicht in allen Stufen bestätigt".
Telekom-Arbeitsdirektor Thomas Sattelberger sprach von einem "guten Tag für die Dax-Unternehmen und erklärte: "Der Druck der Politik hat geholfen."
Sattelberger hatte vor einiger Zeit für seinen Konzern eine Selbstverpflichtung ausgesprochen, 30 Prozent Frauenquote zu erreichen. Siemens-Personalchefin Brigitte Ederer machte für die Defizite bei der Frauenquote auch gesellschaftspolitische Mängel verantwortlich. "Wir müssten eigentlich im Gegenzug fordern: Bekommen wir die notwendigen Frauen ausgeliefert in den technischen berufen?", sagte sie.
Opposition enttäuscht
Die Opposition im Bundestag zeigte sich enttäuscht von dem Gipfel. SPD-Vizefraktionschefin Dagmar Ziegler nannte Schröders Flexiquote halbherzig und eine "butterweiche Regelung". Sie lasse "mehr Fragen offen, als sie beantwortet", sagte Ziegler.
Grünen-Fraktionschefin Renate Künast sagte unter Hinweis auf eine bereits 2001 vereinbarte Selbstverpflichtung: "Es ist zum zweiten Mal nichts rausgekommen. Eine Selbstverpflichtung reicht uns nicht aus, und es reicht uns auch nicht aus, dass verschiedene Ministerinnen in verschiedene Richtungen gehen."
Die Bundesgeschäftsführerin der Linken, Caren Lay, nannte das Verhandlungsergebnis "enttäuschend. Wieder einmal wird Gleichstellung auf die lange Bank geschoben."
Die stellvertretende DGB-Vorsitzende Ingrid Sehrbrock begrüßte zwar, "dass hier endlich Bewegung in die Sache kommt", nannte aber den Stufenplan "viel zu zögerlich". Es sei höchste Zeit für eine gesetzliche Frauenquote anstatt "transparenter freiwilliger Selbstverpflichtungen".

http://www.manager-magazin.de/unternehmen/karriere/0,2828,754068,00.html

Ich will es jetzt wissen"
Renate Künast fordert von Abgeordneten Bekenntnis zur Frauenquote
Renate Künast im Gespräch mit Tobias Armbrüster
Renate Künast (Grüne) hält den Gesetzentwurf zur Frauenquote von SPD und Grünen für umsetzbar. Sie hofft, dass auch Abgeordnete von CDU und FDP sich "ein Herz fassen und Mut haben" für die Quote zu stimmen.
Tobias Armbrüster: Grüne und SPD wollen heute noch einmal Ernst machen mit ihrer Forderung nach einer Frauenquote. Sie haben einen Vorschlag für ein Quotengesetz erarbeitet, heute wird das Ganze in erster Lesung im Bundestag debattiert. Das Gesetz sieht vor, dass Aufsichtsräte in börsennotierten Unternehmen den Anteil von Frauen in zwei Stufen auf 40 Prozent erhöhen müssen, und zwar innerhalb von elf Jahren. - Am Telefon ist jetzt die Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, Renate Künast. Schönen guten Morgen.

Renate Künast: Guten Morgen, Herr Armbrüster.

Armbrüster: Frau Künast, machen Sie sich ernsthaft Hoffnung, dass Sie ein solches Gesetz durchbringen?

Künast: Ja, ich mache mir ernsthaft Hoffnungen und ich will es auch wissen. Es hat sicherlich beides. Wir haben ja erlebt, dass in den letzten Jahren es immer den Widerspruch gab, das hat Frau Merkel zugelassen, zwischen Kristina Schröder, die sagte nein zur Quote und Frau von der Leyen, die jede Woche ein hübsches Interview geben durfte und vermittelt hat, dass sie die Quote will. Jetzt will ich es wissen, weil ich finde, es unerträglich, dass auf dem Rücken der Frauen und auf den Hoffnungen von Frauen gespielt wird. Darum muss sich die Koalition bekennen und unser Entwurf ist für mich eigentlich noch zu wenig, ist schlicht und einfach der Hamburger Entwurf, der im Bundesrat eine Mehrheit gefunden hat, ist also umsetzbar.

Armbrüster: Aber, Frau Künast, wenn Sie wirklich Interesse an einem Quotengesetz, an einer Frauenquote in Deutschland haben, dann müssen Sie doch zunächst mal Verbündete im Regierungslager suchen?

Künast: Herr Armbrüster, guter Hinweis. Wir diskutieren in dieser Legislaturperiode seit satt drei Jahren. Wir haben Verbündete dort, und das sehen Sie ja. Frau von der Leyen hat ja wirklich viel an Unterstützung gegeben und immer wieder dazu Interviews gegeben und gesagt. Es gibt Frau Pawelski, es gibt die Gruppe der Frauen in der CDU, die mit anderen Frauen eine Berliner Erklärung verabschiedet haben, dass sie die Quote wollen. Und uns wurde immer wieder gesagt, ja, wir machen mit Euch einen Antrag auf 30 Prozent Frauenquote garantiert, wir müssen nur noch Gespräche führen. Da hat es eine Erklärung gegeben, es hat eine gemeinsame Erklärung gegeben, die auch im Internet wirklich Unterstützung suchte. Und dann wurde immer gesagt, jetzt noch nicht, wir müssen noch drei Gespräche führen. Und jetzt sagen wir, jetzt ist aber gut. Jetzt fangen sie an zu sagen, jetzt dürfen wir uns nicht trauen und Ähnliches. Ich finde, dass man jetzt erwachsene Abgeordnete auch mal fragen muss, …

Armbrüster: Das heißt, Sie bringen das Gesetz jetzt einfach ein und hoffen, dass es gut geht?

Künast: Was heißt, wir bringen es einfach ein? Ich meine, ich sehe gar nicht ein, Herr Armbrüster, warum ich jetzt, also wir jetzt auf dieser Ebene diskutieren müssen. Es gibt in diesem Land Aufsichtsräte, die sind im Wesentlichen mit Männern besetzt, und da haben auch die Frauen das Recht, dass dies anders wird. Das Grundgesetz hat ja einen aktiven Gleichstellungsauftrag, also der Gesetzgeber muss was tun, wird dort gesagt. Und im nächsten Jahr werden 88 Aufsichtsratsfunktionen in Deutschland besetzt. Dieses Jahr, finde ich, sollten wir nicht verpassen, ich will es jetzt wissen. Ich hoffe, dass einige der Frauen auch in der CDU und FDP sich noch ein Herz fassen und Mut haben, aber auch einige Männer, und ich sage, wir dürfen das nächste Jahr nicht vergehen lassen, weil 88 Funktionen, die besetzt werden, heißen auch, wenn wir das im nächsten Jahr nicht haben, dauert es noch mal umso länger, weil wieder eine neue Periode kommt.

Armbrüster: Frau Künast, Quote heißt ja immer auch, dass ein anderer diskriminiert wird. Können Sie verstehen, dass viele Leute deshalb ein grundsätzliches Problem mit einer Frauenquote haben?

Künast: Wissen Sie, ich verstehe, dass es mit einem Problem anfängt, aber lassen Sie uns mal draufschauen. Nicht mit der Frauenquote werden Männer diskriminiert, sondern die Tatsache, dass Aufsichtsräte bisher noch oftmals Orte reiner Männerherrlichkeit sind, damit werden die Frauen diskriminiert. Im Grundgesetz steht, Frauen und Männer sind gleich und der Staat muss sich aktiv darum kümmern, dass Frauen an allen Stellen sind. Die zwei herausragenden Punkte sind: Frauen sind nicht in allen Jobs und Frauen verdienen in Deutschland immer noch 20 Prozent weniger für gleiche Jobs, 20 Prozent weniger als Männer. Also, werden die Frauen immer noch im 21. Jahrhundert diskriminiert.

Armbrüster: Und Politiker wissen am besten, wer im Aufsichtsrat sitzen sollte?

Künast: Nein. Aber wir haben das Grundgesetz und im Grundgesetz steht, wir haben einen aktiven Gleichstellungsauftrag, wir müssen Maßnahmen ergreifen. Und das Grundgesetz, mit zwei Dritteln im Bundestag und Bundesrat angenommen, verpflichtet mich zum Handeln. Und im Übrigen auch auf vielen Veranstaltungen Hunderte von Frauen, die auch in mittleren Management-Ebenen festsitzen und sagen, wir sehen gar nicht ein, warum wir da nicht auch sein dürfen. Vielleicht helfen uns Frauen in Aufsichtsräten, dass es endlich auch mehr Druck aus der Wirtschaft gibt, dafür, dass es Kindergartenplätze gibt in diesem Land, damit alle Frauen erwerbstätig sein können. Das wäre ja was.

Armbrüster: …, sagt Renate Künast, die Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag. Vielen Dank, Frau Künast.


Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

http://www.dradio.de/dlf/sendungen/interview_dlf/1904032/

Seit einem Jahr sind Sie Ministerin. Wie werden Sie als Grüne, als Frau und als Nichtlandwirtin in einem von Männern dominierten Bereich wahrgenommen?
Etliche Vorurteile haben sich erledigt. Um die Zukunft der Lebensmittelherstellung gibt es jedoch heftige Auseinandersetzungen, schließlich geht es um sehr viel Geld. Dass ich mich in einem Männerbereich durchsetzen muss, ist mir nicht neu. Mein ganzer politischer Weg führte ja durch solche Situationen.
Das klingt ja gerade so, als ob das Durchsetzen in Männerbereichen für Frauen selbstverständlich ist.
Im Gegenteil: es kommt darauf an, mit welchem Rüstzeug Frauen in politische Ämter gehen und welche Unterstützung sie haben. Mir hat die grüne Frauenquote sehr geholfen. Das ist ja mehr als die Hälfte der Stühle - die Quote ermöglicht es Frauen, sich ganz auf die Aufgaben zu konzentrieren. Sie müssen nicht ihre Energie schon dabei verpulvern, in die Funktion zu kommen. Die Quote ist aber nur ein Instrument unter vielen. Es gibt Netzwerke wie den Ladies-lunch, in denen Erfahrungsaustausch läuft, in denen Frauen sich politisch fit machen und fit halten. Oder nehmen Sie das grüne Mentoringprogramm. Gestandene Grünen-Politikerinnen nehmen junge Frauen für einige Zeit mit auf den politischen Weg, lassen sich auf die Hände schauen und erklären Techniken. Das hat für beide Seiten etwas sehr positives, weil wir uns damit auseinandersetzen müssen, was wir eigentlich tun.
Sie sagen, Verbraucherschutz wird zum Standortfaktor der Zukunft. Mit Lebensmitteln ohne Schadstoffen sei die Zukunft der bäuerlichen Landwirtschaft im internationalen Wettbewerb zu sichern. Kritiker verweisen auf Studien, in denen der Verbraucher die Haltung vertritt: "Preis zählt vor Frische und Herkunft". Ökologische Landwirtschaft hat ihren Preis.
Mir kam und kommt es vor allem auf zweierlei an: der Schutz der Verbraucher muss oberste Priorität haben und die Menschen im ländlichen Raum brauchen weitere Grundlagen für ihr Einkommen. Davon geht unsere Politik aus.
Man muss schon sehr weltfremd sein, wenn man in Abrede stellt, dass für viele Menschen der Preis das wichtigste Kriterium ist. Aber ebenso weltfremd ist die Behauptung, es sei das einzige. Ethische Kaufkriterien werden immer wichtiger. Immer mehr Menschen fragen auch danach, ob Umwelt- und Tierschutz in der Produktion berücksichtigt werden, ob Kinderarbeit im Spiel ist. Die Zukunftschancen der deutschen Produzenten hängen daran, jenseits des Preiskampfes ihre Marktposition zu finden – und zwar so früh wie möglich. Die Konkurrenz schläft nicht. Schon heute haben dänische Bio-Milch-Produzenten im norddeutschen Raum eine ganz starke Stellung am Markt, während ihre deutschen Kollegen gerade erst dabei sind, entsprechende Strukturen zu schaffen.
Aber es geht um mehr als die Preise. Wir stehen in Deutschland erst am Beginn einer erneuten Auseinandersetzung um die Frage, wie unsere Lebensgrundlagen beschaffen sind. Lebensmittel heißen ja nicht umsonst Lebensmittel - Mittel zum Leben. Lebensmittel sind nicht preiswert, wenn sie billig sind, sondern wenn sie in ihrer Qualität und in den Umständen ihrer Herstellung im Wortsinne ihren Preis wert sind.
Politische Entscheidungen wirken sich immer unmittelbar auf die Betriebe und damit auf die Familien aus. Ein Großteil der Landwirtschaft wird von Frauen betrieben. Die Bundesregierung erklärte die Gleichstellung von Mann und Frau im Juni 1999 als Leitprinzip und beschloss, diese Aufgabe mittels der Strategie Gender-Mainstreaming zu fördern. Sehen Sie in Ihrem Ressort Handlungsbedarf?
Wir wissen viel zuwenig über die Situation der Frauen in den ländlichen Räumen. Deshalb bringen wir gerade ein Forschungsvorhaben auf den Weg, um endlich Daten zu bekommen. Eine Studie aus Niedersachsen zeigt, dass die Frauen auf den Höfen 96 % des Einkommens erwirtschaften. Das läuft dann unter der Überschrift "Frauen sind ein Gewinn".
Nein, da muss dringend etwas passieren und Gender Mainstreaming kann hier ein wesentlicher Bestandteil sein. Einmal für die Arbeitsstrukturen im Ministerium, denn ich bin mir sicher: Wenn wir die Strategie wirklich verankern, dann wird das einen Kulturwandel in der Verwaltung auslösen, für den wir ja lange gekämpft haben.
In meinem Ministerium haben wir ein Pilotprojekt identifiziert, in dem es um BeraterInnen im ländlichen Raum geht und setzen parallel mit Bildungsveranstaltungen im eigenen Hause an. Einerseits, wie in der Bundesregierung als "top-down-Ansatz" verabredet, mit der Ausbildung wichtiger MultiplikatorInnen im Hause. Andererseits wollen wir aber zusätzlich partizipative Angebote machen, damit alle gleichermaßen an dem Prozess teilhaben können, der ja z.B. erst einmal in ein Instrumentarium für das Ministerium münden soll. Hierfür werden wir den Sommer nutzen. Wichtig ist aber, diesen grundlegenden Wandel in der nächsten Legislaturperiode gesellschaftlich zu verankern. Darum müssen wir kämpfen.
http://www.zukunftsgruen.de/web/196.htm

Renate Künast über Männer
von Cathrin Kahlweit, in: Süddeutsche, 30.08.08
Dem Hörensagen nach haben Sie einen Mann. Warum verstecken Sie den?
Der Mann ist überhaupt nicht versteckt. Er hat nur herzlich wenig Interesse daran, bei Empfängen mitzulaufen, das ist ihm zu langweilig und zu oberflächlich. Er macht, wozu er Lust hat.
Also hat er ein bisschen Angst, ein Herr Sauer zu sein? Der steht ja auch nicht gern überflüssig im Hintergrund rum.
Der Satz stimmt in sich nicht: Warum sollte man Angst haben, Joachim Sauer zu sein? Die Frage ist, wie man effizient mit Zeit umgeht. Mein Freund ist Strafverteidiger, der Mann von Angela Merkel ist Chemiker, sie sind in ihren Berufen eine Kapazität und eingespannt. Wenn mein Freund an einem Abend seine Dinge macht, dann hat er am nächsten mehr Zeit, mit mir auf dem Sofa zu sitzen.
Und grünen Tee zu trinken?
Abends soll man keinen grünen Tee trinken. Aber vor allem: Daraus, dass man immer mitmacht, was der Partner tut, muss kein Miteinander entstehen. Außerdem geht mir das Buhei um den armen, zu wenig beachteten Herrn Sauer auf die Nerven. Das alte Alleinernährer-Modell – Mann macht Karriere, Frau hält ihm bescheiden den Rücken frei – das geht schlicht nicht mehr, wenn zwei erfolgreich berufstätig sind.
Trotz aller sich nivellierender Rollen ist es sicher für Ihren Mann nicht ganz leicht, dass Sie beachtet werden, und er wird hinterhergeschleift.
Ich lebe das erste Mal in einer Beziehung, in der keine Machtfragen zu klären sind.
Ich kann beides: bemuttern und bemuttert werden. Ich habe aber, zugegeben, in meinem Leben auch bei sich sehr links gerierenden Männern erlebt, wie die neidvoll und aggressiv gesagt haben: Kümmer dich um mich!
Was uns sofort zu den Grünen bringt. Die sind ein Sinnbild für dieses Problem. Ihre Partei war die erste mit einer Quote, die erste mit einer weiblichen Führungsspitze – und doch beklagen sich grüne Frauen bis heute, dass die Männer in der Partei letztlich das Sagen haben. Müssen Männer immer den Leitwolf machen?
Ich beauftrage jetzt keinen Anwalt mit einer Gegendarstellung. Wir sind einigermaßen weit gekommen. Aber auch bei den Grünen – wen wundert es – gehen männliche Verhaltensweisen besser als weibliche. Die Frage, ob man ein Alphatier ist, wird ja bekanntlich nicht anhand weiblicher Verhaltensweisen bewertet, sondern anhand männlicher Kriterien. Das beste Beispiel dafür ist, wie nach der letzten Wahl Franz Müntefering und auch Edmund Stoiber geblökt haben, Angela Merkel habe keine Richtlinienkompetenz. Das war für mich das Sinnbild dessen, was sich Jungs in der Politik so vorstellen; so was entsteht aus diesem Gefühl: „Die kann es nicht.” Die beiden haben nicht auf dem Schirm, dass es auch andere als ihre männlichen Führungsmethoden gibt.
Das Ausscheiden Joschka Fischers müsste doch einiges leichter gemacht haben. Der war ja für alle schwer überwindbar, vor allem für Frauen.
Es gibt Leute, die haben eine solche Stärke, dass man sich überlegen muss: Hängt man sich an den ran, oder macht man seine eigene Karriere. Dass es Führungsfiguren gibt, um die sich andere drumherumsortieren, ist in jeder Hierarchie üblich.
Kennen Sie Frauen, die wagen würden, ihr Ego so zu Markte zu tragen wie Fischer?
Wir haben eine Männergeneration, die ihr Ego bisweilen so sehr zu Markte getragen hat, dass die Situation gegen sie gekippt ist. Siehe Gerhard Schröder. Das war oft eine Umdrehung zu viel. Andererseits ist es ja ein altes Problem der Frauenbewegung, dass jede kritisch betrachtet wurde, die zur Macht strebte. Wobei dann immer die Frage bleibt: Wie willst du sonst die Welt verändern? Andererseits fragt man sich oft: Will ich nach den Regeln der Männergesellschaft leben?
Trauen Sie sich Bundeskanzlerin?
Ja. Aber die Frage stellt sich nicht, weil die Grünen nicht groß genug werden.
Die Frage stellt sich aber doch, ob Sie sich als Alphatier empfinden? Hat es Sie zum Beispiel überrascht, dass Christian Wulff gesagt hat, er traue sich Bundeskanzler nicht, weil er kein Alphatier sei?
Es gibt selten Männer, die so was sagen. Außerdem hatte ich ihn bisher anders verstanden. Vielleicht ist es auch die Frage, ob man so leben will, mit all diesen Zwängen und dem Verzicht auf Privatheit.
Früher war eine anständige Feministin links und/oder grün. Heute haben die Grünen keinen Vorsprung in der Debatte über Gleichberechtigung. Als Leitfiguren gelten Renate Schmidt (alt) oder Ursula von der Leyen (neu). Was ist passiert?
Das bezweifle ich. Die meisten würden Alice Schwarzer nennen. Jüngere Frauen würden an ihr allerdings kritisieren: Die geht auf meine Lebenssituation nicht ein. Wir Grünen sind vielleicht ein bisschen zu sehr stehengeblieben bei den Forderungen der 70er, 80er Jahre und haben es nicht geschafft, das Thema neu zu besetzen, obwohl bei uns viele junge Frauen sind. Die Familienministerin wiederum setzt nur auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Dabei hat sich da noch gar nicht viel verändert. Der Hype bei von der Leyen beruht doch vor allem darauf, dass eine Partei, die sich gerade noch gegen alles gewehrt hat, jetzt gemerkt hat, dass man den Menschen mal was anbieten muss. Aber was nutzen den Eltern von heute Kita-Plätze ab 2013? Und es gibt so viele Probleme jenseits der Kinderfrage, die auch Frauen angehen, die keine Kinder haben. Wie können Frauen zum Beispiel die Glasdecke durchstoßen? Wie können Frauen angesichts des neuen Unterhaltsrechts und der niedrigen Renten ihr Leben selbst in die Hand nehmen? Ihr Alter absichern? Von der Leyen und konservative Medien setzen auf Kinder. Aber wir können doch den Fokus nicht nur auf die Frau als Mutter legen!
Vielleicht liegt das daran, dass die letzte Feministinnen-Generation Mütter als eine minderwertige Art Frau betrachtet hat? Echte Frauen hatten keine Kinder, und Mütter konnten keine echten Feministinnen sein?
Sie zielen auf Alice Schwarzer ab. Ich bin nicht Alice Schwarzer. Die hat eine Auseinandersetzung darüber geführt, worauf sich Frau konzentrieren sollte – und sich dabei vielleicht ausschließlich auf Themen wie Zwangsprostitution konzentriert. Gleichzeitig vergöttert sie Merkel und von der Leyen regelrecht. Daraus spricht wohl auch die Begeisterung über die Nähe zur Macht. Dabei: Von der Leyen macht ja gar nichts für Frauen. Sie macht was für Mütter und Kinder. Schwarzer erkennt vor lauter Besoffenheit von der Macht nicht, dass die Union keine Frauenpolitik macht, auch keine feministische Politik. Sondern dass die Ministerin etwas tut gegen das Familienbild des reaktionären Teils der Union. Wenn man das, was die Regierung sagt, ernst meinte, müsste man mehr in Kinderbetreuung investieren, in Ausbildung von Frauen nach der Babypause, in gute Jobs nach dem neuen Unterhaltsrecht, ein neues Zeitmanagement, bis hin zum Gleichstellungszwang für die Wirtschaft.
Sie haben von der Leyen mal als Supermutti bezeichnet. Haben Sie was gegen Muttis?
Nein, gar nicht. Aber das Überstilisierte an ihr geht manch einer auf die Nerven. Mich stört, dass sie sich als Mutti inszeniert. Dabei stellt sie das wohl mittlerweile selbst in Frage. Aber so weit darf Politik nicht gehen, dass man sieben Kinder vor die Kamera zerrt.
Gibt es Tage, an denen Sie auch gern Kinder hätten?
Es hat sich bei mir nicht so ergeben. Ich habe keine Entscheidung gegen Kinder getroffen.
Fehlt die Begeisterung für das, was Sie echte Frauenthemen nennen, vielleicht auch deshalb, weil derzeit eigentlich Finanzpolitik gemacht wird? Unterhalt, Rente, das ist wenig emotional. Man sagte früher leichter: "Mein Bauch gehört mir", als heute "Mein Rentenanspruch gehört mir."
Naja, die Frage nach dem Unterhalt war vor 40 Jahren auch eine emotionale, wenn es um darum ging, ob man seinen Mann verlassen kann. Aber die ganze Welt ist subtiler geworden, pluralistischer – und es gibt keine so simple Konfrontation mehr. Bis Ende der fünfziger Jahre gab es das noch, dass der Mann die Frau rechtlich wie ein Kind behandeln und über ihr Leben mitentscheiden konnte. Keiner sagt heute mehr, wir schicken die Frauen zum Kaffeekochen, keiner sagt mehr, Frauen dürfen keine Karriere machen. Aber die harte Realität hat sich kaum verändert. In den Vorständen der größten 30 Dax-Unternehmen sitzt bis heute fast keine Frau.
Wenn die Realität so ist, wie sie ist, warum gibt es dann keinen Geschlechterkampf? Warum sagen die jungen deutschen Feministinnen in einer Mischung aus Pep und Pop, wir wollen die Welt gemeinsam mit den Männern verändern?
Weil die jungen Frauen irrigerweise glauben, es gäbe keine Probleme mehr. Sie kommen aus der Schule, entwickeln sich früher, lernen besser, sind besser ausgebildet, gehen in die Jobs – und merken erst nach einigen Jahren, dass hier was faul ist. Dass viel zu viel rhetorische Sauce über alles gekippt wird. Ich frage mich auch, warum nicht mehr Frauen auf das Recht pochen, auf alle Stühle zu kommen, und warum sie nicht das Recht einfordern, dass die öffentlichen Mittel auch für unsere Interessen ausgegeben werden – und nicht für die Spielzeuge der Jungs.
Verzeihen Sie den Vergleich, aber sagen die Männer vielleicht – wie ein versierter Psychiatriepatient –, was der Doktor hören will? Sagen sie genau das, was politisch korrekt ist, weil sie dann in Ruhe gelassen werden und machen können, was sie wollen?
Das gilt nicht nur für die Männer, sondern auch für viele Frauen. Auch Ursula von der Leyen verkauft ihre Politik so, als täte sie alles für die Frauen. Das neue Unterhaltsrecht sagt: Kinder zuerst. Aber wo ist die Qualifizierungsinitiative für die Frauen, die diese Kinder großziehen?
Und wo sind die Frauen, die sagen: Es reicht?
Tja, ich weiß nur, dass die Männer nichts freiwillig abgeben. Es fehlt, dass Frauen sich als kritische Masse einbringen.
In einem Jahr hat Angela Merkel, realistisch gesehen, gute Chancen, wiedergewählt zu werden. Bleibt es bei Ihrer kritischen Wertung: Es ist nicht überall Frau drin, wo Frau draufsteht?
Ja, dabei bleibe ich. Man muss zugeben, dass sich durch ihre Kanzlerschaft etwas am politischen Diskurs verändert hat. Aber das reicht nicht.
Ist sie daran mit schuld?
Sie packt ja bewusst keine Frauenfragen an; in einer Art Arbeitsteilung schickt sie von der Leyen vor. Sie weiß, was nötig ist, aber sie unterstützt die Familienministerin nur, wenn es richtig eng wird.
Aber ist sie machtstrategisch nicht gut beraten, wenn sie sich auch in der Frage Mann/Frau nicht auf eine Seite schlägt? Wie sie das ja auch sonst selten tut?
Sie moderiert ja ohnehin nur. Sie kämpft ihren eigenen Geschlechterkampf höchstens mit den Restbeständen des Andenpaktes. Darüber hinaus hat sie offenbar entschieden, dass sie sich nicht positionieren will.
Vor drei Jahren haben Sie über Merkel gesagt: Alle haben hyperventiliert, weil eine Frau Bundeskanzlerin wird, und dann ist gar nichts passiert. Warum nicht?
Ich hatte nie so große Erwartungen wie viele andere, nur weil es jetzt eine Frau macht. Merkel macht sich zum Neutrum, dadurch wird sie weniger angreifbar. Sie war nie Feministin und hatte das auch nie auf ihre Fahnen geschrieben.
Sie laufen aber, was Ihre politische Inszenierung angeht, auch eher taff auf, in Anzügen, flachen Schuhen, mit kurzen Haaren. Nie als Mädchen. Ist das etwa keine Konzession an den Politikbetrieb?
Doch. Das prägt jede Frau. Frauen meiden die Politik auch deshalb, weil sie nicht werden wollen wie ein Mann. Wir werden nach Männerkriterien beurteilt. Frauen in der Politik, die als Frau auftreten, gelten als schwach. Gleichzeitig sollen sie authentisch wirken. Frau muss mit dem Handwerkszeug der Männer umgehen lernen, und soll sich doch nicht verhalten wie ein Mann.
Deshalb wird bei Ihnen zum Beispiel ab und an vermutet, Sie seien lesbisch.
Ja, das ist mir schon passiert. Tritt man anders auf, siehe Ségolène Royal, schreiben sie über dein Chanel-Kostüm oder ob der Bikini gut an dir aussieht. Aber vielleicht ist die wichtigste Regel in diesem Geschäft auch, dass Frau sich nicht verrückt macht? In jedem Job muss man Männern zeigen, dass man Haare auf den Zähnen hat, dass man mit einem Bohrer oder Schraubenzieher umgehen kann. Und am Ende muss man sagen: Ich bin ich. Ich will nicht agieren wie andere Alphatiere, aber es ist schwer. In dieser Hinsicht würde man das, was Merkel erlebt hat, in jeder Partei erleben.
Sie haben mal gesagt: "Welche Frau posiert schon freiwillig auf einer Kühlerhaube?" Immer mehr Mädchen tun das, posen für YouTube, stellen Bikini-Fotos auf ihre Websites. Da gibt es wenig Zweifel, ob man seine Haut zu Markte trägt. Ist das schlecht?
Diese jungen Mädchen sind in einer anderen Generation groß geworden als wir. Wir haben die sexuelle Befreiung erlebt, die übrigens teilweise auf Kosten der Frauen ging und eher den Männern die Chance verschaffte, immer und überall guten Sex zu haben. Heute sehen wir überall Nackte. Aber die Mädchen heute haben mit Pin-ups wenig zu tun. Die Tatsache, dass die jungen Frauen halbnackt rumlaufen, heißt nicht, dass jeder sie anfassen darf. Die haben ein erstaunliches Selbstbewusstsein. Wir müssen in unserem Alter aufpassen, nicht darüber zu richten. Bei mir haben sich damals auch ältere Frauen aufgeregt, wenn der Pullover zu kurz war oder wenn ich nächtelang wegblieb.
Sind alte Feministinnen schlicht spießig?
Wir dürfen nicht daherkommen wie die alten Kriegerinnen, die eins aufs Maul gekriegt haben, die Verletzungen und Narben haben und wissen, was richtig ist, wie man zu kämpfen hat und wie man dabei auszusehen hat. Schrecklich ist doch das Modell alte Feministin, die den jungen Frauen sagt: Zieh ein Wallekleid an, zeige dich nicht, und trage das Messer immer quer im Mund, bereit für den Geschlechterkampf. Jede Generation muss ihre Werkzeuge und ihre Themen selbst festlegen. Sie muss ihren Kampf ja auch selber kämpfen.
Wären Sie lieber als Mann geboren?
Mh. . . Frau sein ist viel schöner. So ein Männerleben ist doch auch verdammt anstrengend.

http://www.renate-kuenast.de/themen/frauen-und-gender/renate-kuenast-ueber-maenner/

Renate Künast zu Frauen- und Gleichstellungspolitik
Januar 2011: Interview mit Renate Künast. Das Interview ist erschienen in AVIVA-Berlin - Onlinemagazin für Frauen.
Das Interview führen Britta Meyer und Sharon Adler.

Die Fraktionsvorsitzende Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen über die Einführung einer gesetzlichen Frauenquote bei Aufsichtsräten, Kristina Schröder, die Aktion "Heute ist ein guter Tag"... und Gleichstellungspolitik.

AVIVA-Berlin: Am 3. Dezember 2010 trugen Sie den Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen für die Einführung einer gesetzlichen Frauenquote bei Aufsichtsräten vor. Bereits am 7. Mai 2008 wurde von den Grünen im Bundestag eine Anhörung zum Antrag durchgeführt, in dem eine Quote für Aufsichtsräte börsennotierter Unternehmen gefordert wurde. Dieses Vorhaben wurde bislang noch nicht umgesetzt. Warum nicht? Wie können Sie dieses Mal den Gesetzesentwurf erfolgreich auf den Weg bringen?

Renate Künast: Gleichstellungspolitik ist für diese Bundesregierung ein Fremdwort. Frauenministerin Schröder hält nichts von gesetzlichen Maßnahmen zur Förderung von Frauen. Und das, obwohl die Zahlen eine sehr deutliche Sprache sprechen. Neun Jahre nach der Freiwilligen Selbstverpflichtung der Privatwirtschaft, mehr Frauen in Führungspositionen zu bringen, hat sich so gut wie nichts geändert. Das wollen selbst CDU-Politikerinnen nicht mehr akzeptieren und machen sich für die Quote stark. Wir fordern deswegen den Bundestag auf, dem 100. Frauentag im Jahr 2011 ein deutliches Zeichen zu setzen und eine Quotenregelung zu beschließen. Dazu verpflichtet sie im Übrigen auch das Grundgesetz. Artikel 3 Absatz 2 schreibt vor: "Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin". Das ist ein Auftrag aktiv zu werden, statt abzuwarten.

AVIVA-Berlin: Ein Argument gegen die Quote ist der angebliche Mangel an qualifizierten weiblichen Fachkräften. Inzwischen verlassen jedoch mehr junge Frauen als Männer mit hochwertigen Abschlüssen die Universitäten. Wie planen Sie, diese bisher ungenutzten Potenziale für ArbeitgeberInnen sichtbar zu machen?
Renate Künast: Die qualifizierten Frauen sind da. Jetzt ist es an den Unternehmen, das Potential der TOP-Frauen voll zu nutzen und diese auch einzustellen. Wir Grüne haben anlässlich 100 Jahre Frauentag eine Kampagne gestartet, die zeigen soll, wie vielfältig und groß das Potential von Frauen ist.

AVIVA-Berlin: Ein großes Berliner Unternehmen arbeitet mittlerweile erfolgreich mit Headhuntern, die eine Prämie erhalten, wenn sie eine Frau für den Job finden. Wie, denken Sie, kann ein Umdenken in den Abteilungen Human Resources der Unternehmen stattfinden?
Renate Künast: Weg von der männlichen Monokultur zu kommen ist eine Herausforderung, die ohne gesetzliche Quote nicht gelingt. Das hat die Vergangenheit klar gezeigt. Dass sich jetzt einige Firmen auf den Weg machen und aktiv nach qualifizierten Frauen suchen ist richtig, aber es sind noch viel zu wenige. Denn neben der Telekom hat bislang kein DAX-Unternehmen deutlich gemacht, wie und bis zu welchem Zeitpunkt sie mehr Frauen in die Führungsetagen lassen wollen.

AVIVA-Berlin: Und wie, meinen Sie, können/sollten die Frauen selber sich stärker einbringen?
Renate Künast: Frauen dürfen ruhig noch selbstbewusster auftreten und zeigen, was sie können. Für die meisten Männer scheint es selbstverständlich, sich große Aufgaben zuzutrauen. Mehr Mut für neue Aufgaben und etwas weniger Perfektionismus bei Frauen wäre gut.

AVIVA-Berlin: Der gesetzlich festgeschriebenen Quote haftet nach wie vor der schlechte Ruf an, Männer gegenüber Frauen in sexistischer Weise zu diskriminieren, was den Idealen der Geschlechtergerechtigkeit grundlegend zuwiderlaufe. Können Sie bitte kurz zusammenfassen, welche Fakten mit diesem Klischee aufräumen?
Renate Künast: Frauen werden aufgrund von Diskriminierung am beruflichen Weiterkommen gehindert, nicht weil sie schlechter sind. Die Quote gibt den Frauen also die Möglichkeit, die Position zu bekommen, für die sie qualifiziert sind. Seilschaften, strategische Platzierung und Treuebonus führen häufig dazu, dass sich am Ende nicht immer die Beste durchsetzt. Das vermeintliche Risiko, mit einer Quote für mehr Frauen würde weniger Kompetenz in die Chefetagen kommen, ist ein Scheinargument. Das Gegenteil ist der Fall! Übrigens: falsche Personalentscheidungen wird es immer geben – bei Männern und bei Frauen. Und sowieso bei der vorherrschenden reinen Männerquote.

AVIVA-Berlin: Eine Quote von 40 Prozent Frauen in den Aufsichtsräten börsennotierter Unternehmen wäre wunderbar, aber warum fordern Sie diese nicht auch für die Vorstände?
Renate Künast: Mit unserem Gesetzesentwurf zur Quotierung von Aufsichtsräten will ich einen ersten Aufschlag für mehr Frauen in Führungspositionen. Es ist jetzt die Aufgabe das Thema am Kochen zu halten und erstmal dafür eine Mehrheit zu kriegen. Eine Regelung für Vorstände wird dann folgen. Schritt für Schritt also.

AVIVA-Berlin: Die seit 2006 in Norwegen etablierte Quote von 40 Prozent funktioniert auch deshalb so gut, weil die norwegischen Betreuungsangebote für Kinder sehr viel besser ausgebaut sind, als es in Deutschland der Fall ist. Plant Ihre Fraktion eine Angleichung der deutschen Verhältnisse an europäische Standards, und, wenn ja, wie kann diese umgesetzt werden?
Renate Künast: Eine gute Betreuungsinfrastruktur und eine familienfreundliche Unternehmenskultur sind wichtige Voraussetzungen dafür, dass Arbeit und Privatleben gut miteinander vereinbar sind. Wir wollen, dass der Rechtsanspruch auf einen Kinderbetreuungsplatz für unter Dreijährige auch die Garantie auf ganztägige Betreuung beinhaltet. Und wir wollen ein neues Ganztagsschulprogramm auflegen, denn das Vereinbarkeitsproblem ist ja mit der Einschulung der Kinder nicht gelöst.
Nur damit ist es aber auch nicht getan. Solange Kinderbetreuung und Haushalt als "Frauensache" verstanden werden, kommen wir mit wirklicher Gleichberechtigung nicht ans Ziel. Hier sind die Männer gefragt, ihrer Verantwortung als Partner und Elternteil gerecht zu werden.

AVIVA-Berlin: Bis zum 8. März 2011 wollen Sie im Rahmen der Aktion "Heute ist ein guter Tag" mit 100 Aktivitäten die Arbeit engagierter Frauen in ganz Deutschland zeigen. Nach welchen Kriterien werden diese ausgesucht und inwieweit erfahren sie Förderung durch grüne Politik?
Renate Künast: Wir nehmen den 100. Frauentag zum Anlass, in ganz Deutschland die Stärke von Frauen zu zeigen. Unsere grünen Abgeordneten machen in ganz Deutschland Veranstaltungen zu verschiedenen Themenbereichen. Besonders wichtig ist uns dabei der Fokus auf die Arbeitswelt. Denn dort gibt es noch besonders viel zu tun. Berufe, die von Frauen gewählt werden, sind deutlich schlechter bezahlt, in den prekären Beschäftigungsformen überwiegen Frauen. Und Führungspositionen sind fest in Männerhand. Darauf wollen wir mit unseren Aktionen aufmerksam machen und konkrete Handlungsansätze diskutieren.
Informationen zu unseren Veranstaltungen finden Sie unter: www.gruene-bundestag.de/frauentag

AVIVA-Berlin: Wenn Sie es entscheiden könnten, wer wäre Ihr/e persönliche/r WunschkandidatIn für das Amt der/des Frauen- und FamilienministerIn?
Renate Künast: Eins ist klar, es wäre nicht Kristina Schröder. Sie hat ihr Amt letztlich den Erfolgen der Frauenbewegung zu verdanken und wendet sich nun mit zweifelhaften Aussagen gegen den Feminismus. Wenn man bedenkt, dass Feminismus die tatsächliche Gleichstellung von Frauen und Männern erreichen will, sind ihre Aussagen nichts anderes als Arbeitsverweigerung. Dem Verfassungsauftrag, für gleiche Rechte zu kämpfen, will sie nicht nachkommen. Das ist beschämend. Es gäbe viele bessere Frauen für das Amt.

AVIVA-Berlin: Im kommenden Jahr werden Sie für das Amt der Bürgermeisterin Berlins kandidieren. Was planen Sie im Falle Ihres Erfolges für die Berliner Frauen zu tun? Welche diesbezüglichen Vorhaben würden Sie gerne zuerst an den Start bringen?
Renate Künast: Für Berliner Frauen gibt es einiges zu tun. Besonders eklatant ist die Lohndifferenz von 25% in Berlin. Daran muss sich schnell etwas ändern. Dafür brauchen wir den Mindestlohn. Ein weiterer Weg, gegen Lohnungleichheit vorzugehen, ist das Verbandsklagerecht. Das wollen wir im Landesgleichstellungsgesetz von Berlin verankern. Auch der Schutz vor Gewalt gegen Frauen muss noch besser werden. Besonders die präventive Arbeit zum Beispiel durch Männergesprächsgruppen, wie es sie in Neukölln gibt, ist ein Vorbild.

AVIVA-Berlin: Vielen Dank für das Interview und viel Erfolg!

http://www.renate-kuenast.de/themen/frauen-und-gender/renate-kuenast-zu-frauen-und-gleichstellungspolitik/

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