Falschbeschuldigung gegenüber Hinrich Rosenbrock? (Humor)
Wer auch immer der Täter ist
1. Dezember 2014 in Blog
In diesem Post veröffentlichen wir ein Schreiben von der Gruppe Solidarische Feministinnen über die physische und psychische Gewalt eines vermeintlich feministischen Mannes. Die Ereignisbeschreibungen in dem Text beziehen sich nicht auf Marburg, was den Inhalt nicht weniger relevant für die Strukturen hier vor Ort macht. Wir als Autonomes FrauenLesbenReferat finden es unabdingbar, auf Gewalt in linken und feministischen Kontext hinzuweisen. Auseinandersetzung und Konfrontationen mit Gewalt gegen Frauen* ist immer und überall notwendig.
-AFLR Marburg-
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Häusliche Gewalt erfordert Solidarität mit den Betroffenen – wer auch immer der Täter ist
Vor über einem Jahr schilderte uns eine Frau*, dass ihr durch den Soziologen Hinrich Rosenbrock Gewalt angetan wurde. Sie hatten als Mitbewohner*innen für einige Wochen eine persönlich enge Beziehung zueinander. Die Gewalt äußerte sich sowohl physisch, in Form von Schlägen und Tritten, als auch psychisch, durch extrem sexistische bzw. misogyne Beleidigungen sowie absichtsvoll und gezielt verletzende verbale Angriffe auf ihre Person, auf ihre Weiblichkeit (z. B. „Du solltest dir Fett aus dem Arsch in die Titten verpflanzen lassen!“). Bei Hinrich Rosenbrock handelt es sich um einen namhaften Geschlechterforscher, der gerade mit seiner Forschung zur antifeministischen Männerrechtsbewegung viel akademisches und mediales Aufsehen auf sich gezogen hat. Der Widerspruch zwischen der forschenden Person Hinrich Rosenbrock, die öffentlich betont, dass er sich für feministische Ziele einsetzt und der privaten Person, die häusliche Gewalt ausübt, ist ein Skandal. Zusammen mit der betroffenen Frau* sprachen wir Organisationen und Veranstalter*innen von feministischen Zirkeln an, um sie davor zu warnen, dass der hofierte Forscher seine eigenen Forschungsziele im Privaten nicht nur nicht umsetzt, sondern dezidiert verletzt. Wir waren und sind noch immer der Meinung, dass es im Interesse der jeweiligen Organisationen und Institutionen ist zu erfahren, dass akademischer und politischer Anspruch und Wirklichkeit in diesem Fall geradezu schmerzhaft weit auseinandergehen. Wir haben sachlich, konstruktiv und ohne Öffentlichkeit, Menschen über das brutale Verhalten Rosenbrocks informiert, mit dem einzigen Ziel, dass ihm kein Podium mehr geboten wird, auf dem er sich als Feminist verkaufen kann. Trotzdem hat sich der Hinweis nicht genug verbreitet. Nicht selten wurde unsere Warnung mit dem Argument abgewiesen über sein Verhalten wären keine Infos zu finden. Das ist ein sich wiederholender Kreislauf: Wenn sich keine*r traut die Hinweise weiterzugeben, dann kann es auch keine*r erfahren. Auch wurden wir von „Genoss*innen“ zurück gewiesen mit abwehrenden Fragen wie: Das sind aber schwere Anschuldigungen, kannst du das denn beweisen? Ja, das kann die betroffene Frau*. Neben ihrer bei der Polizei erstatteten Anzeige liegen Zeug*innenaussagen, ärztliches Attest und Fotos vor, die ihre Angaben bestätigen. Und selbst wenn sie all dies nicht der Fall wäre: Sie hat noch ihre eigene Stimme. Doch offenbar wird Frauen*, die Opfer häuslicher Gewalt sind, in feministischen Zusammenhängen, nicht mehr geglaubt. Und das macht uns wütend, deshalb ist dies ein wütender Text!
Uns ist klar, dass nicht gedankenlos jeder beliebigen Anschuldigung geglaubt werden kann und darf. Uns ist auch klar, dass sich gerade in diesem heiklen Fall schnell der Verdacht aufdrängt, dass es sich hierbei um eine Rufschädigung handelt, womöglich auch noch aus maskulinistischen Kreisen. Aber Betroffene von häuslicher Gewalt haben es verdient, dass ihnen zugehört wird. Dass ihnen Vertrauen entgegengebracht wird, allen voran in feministischen Zusammenhängen, selbst wenn es unbequem ist. Nicht jede Anschuldigung ist automatisch wahr, nur weil eine andere Frau* sie formuliert hat, aber sie ist eben auch nicht automatisch unwahr. Zweifel schließen Solidarität nicht aus.
Wenn eine Stern-Reporterin sich völlig zu Recht darüber mokiert, dass Rainer Brüderle aufdringlich ihr gegenüber war, geht ein Aufschrei durch das Land. Ein Aufschrei gegen Frauenfeindlichkeit, gegen vermeintliche Komplimente und höfliche gemeinte Tätscheleien; ein Aufschrei für das Recht auf Selbstbestimmung, dem alle linken Feminist*innen brav zustimmten – es ging ja auch gegen die FDP. Aber was, wenn jemand aus den eigenen Reihen zuschlägt? Eine Szene lässt hier etwas zu, was sie offiziell bekämpft. „Was, der? Aber der ist doch Gender-Forscher?“ Seit wann ist die Welt so einfach, so schwarz-weiß?
Wir leben in einem System, das die Täter schützt. Institutionen fördern Hinrich Rosenbrock, empfehlen ihn als Referenten. Und das, obwohl sie von den Vorwürfen wissen: Der „Sachverhalt“ sei bekannt, mit Sätzen wie „ich bin auch schon mal mit dem falschen Mann mitgegangen“, werden die Gewaltakte herunter gespielt. Das hat nichts mit dem Gedanken zu tun, sich im Zweifel für den Angeklagten zu positionieren, sondern hier wurde mehrfach zugunsten von Karriere und Prestige häusliche Gewalt ignoriert. Aber der „Sachverhalt“ ist: Hinrich Rosenbrock hat zugeschlagen und getreten, hat einer Frau* gegenüber immer wieder männliches Dominanzverhalten präsentiert. Und Rosenbrock wird weiter gepuscht. Durch Institutionen und deren Mitarbeiter*innen, die hätten helfen, schützen und unterbinden müssen. Sie hätten nicht dafür sorgen dürfen, dass er uns erzählt, wie Feminismus funktioniert. Aber das eigene Image könnte ja angekratzt werden, wenn raus kommt, dass da ein Gewalttäter hinter der freundlichen Fassade steckt. Dann lieber unter den Teppich kehren. Und das ist der eigentliche Skandal an den Ereignissen; diese bodenlose Verlogenheit! Hier wird ein Frauenschläger hofiert, der sich schämen sollte – so wie seine Entourage!
Rosenbrock hat zu der Betroffenen eine Vertrauensbasis und ein perfides Abhängigkeitsverhältnis geschaffen, das er dazu nutzte, sie psychisch und physisch zu misshandeln. Seine Schläge und Tritte wickelte er rückblickend als Spaß unter Freund*innen ab und verharmloste damit seine Gewalttaten. Aber: Gewalt gegen Frauen* ist niemals Spaß! Man kann einer Frau* nicht „versehentlich“ das Knie ins Gesicht rammen. Doch das hat er unter anderem getan. Jede vierte Frau* in der BRD ist Opfer von häuslicher und/oder partnerschaftlicher Gewalt – auch durch Feministen*! Gewalt wird durch eine halbherzige Entschuldigung nicht ungeschehen gemacht, sie wird durch Verharmlosungen nicht weniger krass. Gewalt ist Gewalt!
Es ist eine feministische Errungenschaft, dass wir häusliche Gewalt klar benennen können, dass wir wissen: Es ist besonders schwer für Betroffene, zu reagieren. Viele Frauen* ertragen männliche Gewalt, weil sie abhängig sind und oft verzweifelt. Häusliche Gewalt findet täglich statt. Hinrich Rosenbrock ist hier nur ein Beispiel unter vielen. Wenn wir Gewalt gegen Frauen* gesellschaftlich kritisieren, dann heißt das auch, dass wir sie konkret kritisieren müssen. Darum stellen wir uns hinter die betroffene Frau* und erklären uns uneingeschränkt solidarisch mit ihr!
Wir sind wütend, weil wir erwartet hätten, dass wir, wenn wir unser Anliegen vortragen, Gehör finden. Wir hätten von Mitstreitenden erwartet, dass sie sich ebenfalls solidarisch zeigen, wenn eine Frau* den Mut aufbringt, die von ihr erlebte häusliche Gewalt auszusprechen und öffentlich zu machen. Wir haben auf Schutzräume gehofft und sind auf taube Ohren gestoßen. Wir haben die immer gleiche Diskussion immer wieder aufs Neue bemüht sachlich geführt. Jetzt sind wir wütend. Jetzt bitten wir nicht, gehört zu werden, wir fordern es ein, weil wir es Betroffenen von häuslicher Gewalt schuldig sind.
Wir müssen wachsam sein und uns gegenseitig wertschätzen! Feminismus muss wieder ein Synonym für Solidarität werden, sonst macht kein Kampf mehr Sinn. Hinrich Rosenbrock ist ein gewalttätiger Mann. Er ist gefährlich und darf der Welt nicht erzählen, was Feminismus bedeutet. Wir appellieren hier an alle Menschen und erst recht an Feminist*innen: Duldet keine Gewalt gegen Frauen* und zeigt euch endlich solidarisch mit den Betroffenen!
Gruppe Solidarische Feministinnen
feministinnen@gmx.de
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