Wenn der Mensch zur MenschIn wird - oder:

Wieviel »Gleichberechtigung« verträgt das Land?

How much »equality« the country can stand?

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Liste Femanzen Prof. Dr. Maja Apelt (Liste Femanzen)

Oberkellner @, Sunday, 21.12.2014, 18:56 (vor 3565 Tagen)

F307 Prof. Dr. Maja Apelt geboren 1964 - Studium der Soziologie in Berlin und Moskau - von 1996 bis 2006 wissenschaftliche Assistentin an der Helmut-Schmidt-Universität Hamburg – 2007 kumulative Habilitation – seit 2010 Professorin für Organisations- und Verwaltungssoziologie an der Universität Potsdam und forscht unter anderem zum Thema Gender in den Streitkräften – apelt@hsu-hh.de – maja.apelt@uni-potsdam.de - http://www.wipcad-potsdam.de/wp-content/uploads/2012/01/maja-apelt_web.jpg

Bei der Gründung der Bundeswehr wurden Frauen vom militärischen Dienst zunächst gänzlich ausgeschlossen, lediglich als Zivilangestellte durften sie im Sanitätsdienst und der Verwaltung tätig sein. Als es aber immer mehr an Ärzten und anderem medizinischen Personal in der Bundeswehr mangelte, öffnete die Bundeswehr 1975 den uniformierten Dienst zunächst für ausgebildete Ärztinnen, um Frauen 1991 generell zum Sanitätsdienst zuzulassen. (Ausgabe 11/2012)

Als die Nationale Volksarmee (NVA), die Frauen in zahlreichen Verwendungen zuließ, 1990 in die Bundeswehr integriert wurden, wurden die Frauen außerhalb des Sanitätsdienstes von der Übernahme in die Bundeswehr ausgeschlossen. Die Integration der NVA in die Bundeswehr gilt organisatorisch, politisch und sozial als großer Erfolg, die Frauen aber konnten davon nicht profitieren.
Öffnung und Reformen
Erst 2001 – als Reaktion auf das EuGH-Urteil im Fall Tanja Kreil – wurde die Bundeswehr in all ihren Verwendungen und ohne Einschränkungen – für Frauen geöffnet. Zugleich wurden im Zuge der Öffnung weitere Reformen notwendig und möglich: Dazu zählt der Erlass zum Umgang mit Sexualität, der die homosexuellen Soldaten davon befreite, ihre sexuelle Orientierung zu verheimlichen und die Bundeswehr davon, Beziehungen zwischen Soldaten und Soldatinnen dienstrechtlich zu verfolgen. 2005 wurde ein Gleichstellungsgesetz verabschiedet und damit einhergehend zahlreiche Maßnahmen zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf getroffen. Diese sind zwar Folgen der allgemeine Öffnung der Streitkräfte für Frauen, zugleich sind es aber unverzichtbare Elemente zur Steigerung der Attraktivität des militärischen Dienstes angesichts der immensen Belastungen der Soldaten und Soldatinnen durch die Auslandseinsätze und die Transformation der Streitkräfte. Davon profitieren Männer wie Frauen gleichermaßen.
Frauen als Token in den Streitkräften
Trotz der Implementierung solcher Gleichstellungsmaßnahmen bleibt der Anteil der Frauen bisher unter 10 Prozent. Das bedeutet, dass sie den Status von Token nicht verloren haben. Token bedeutet Symbol, Maskottchen und heißt, dass die Frauen überall besonders sichtbar sind, dass sie nicht als Individuen sondern nur als Vertreterinnen ihrer Gruppe angesehen werden. Alles was sie tun, tun sie dann nicht als einzelne Personen, sondern scheinbar stellvertretend für alle.
Die Mehrheitsgruppe der Männer tendiert in der Regel dazu, sich bewusster von den Token abzugrenzen. Elisabeth Moss Kanter, die diese Theorie aufgestellt hat, ging davon aus, dass die Probleme mit einem ansteigenden Prozentsatz der Minderheitengruppe abnehmen und dass sie unabhängig vom Geschlecht seien. Dies gilt inzwischen als widerlegt. Die Probleme für die Minderheitengruppe steigen mit wachsendem Prozentsatz (die Angaben divergieren dabei zwischen 15 und 30 Prozent) zunächst an, weil die Mehrheit die Minderheit zunehmend als Konkurrenz erlebt und weil sich die Minderheit mit wachsender Zahl nicht mehr ohne weiteres der Mehrheit unterordnet.
Die Probleme der Minderheiten sind zudem nicht geschlechterunabhängig. Männer in Frauenberufen müssen in der Regel mit anderen Vorbehalten umgehen als Frauen in Männerberufen: Während Frauen in Männerberufen eher mit dem Verdacht mangelnder Professionalität umgehen müssen und dem häufiger mit einem „undoing gender“ begegnen, das heißt, sie versuchen ihr Geschlecht tendenziell unsichtbar zu machen; müssen Männer in Frauenberufen eher mit einem Zweifel an der Geschlechtsidentität rechnen und reagieren darauf eher mit einem verstärkten „doing gender“.
In der Bundeswehr zeigt sich die Tokenisierung der Soldatinnen in unterschiedlichen Formen von Sexismus: Während die älteren Jahrgänge der männlichen Soldaten mit einem „traditionellen Sexismus auf ihre Kameradinnen“ reagieren, das heißt, sie tragen traditionelle Geschlechterrollenerwartungen, die mit ihren Anforderungen an den Soldatenberuf unvereinbar sind, an sie heran, reagieren die jüngeren Soldaten mit einem „modernen Sexismus“ auf ihre weibliche Konkurrenz.
Sie suchen die Gleichstellungsmaßnahmen mit der Behauptung zu diskreditieren, sie würden Frauen bevorzugen und so dem Anspruch an Egalität und zugleich den funktionalen Erfordernissen der Streitkräfte zuwiderlaufen laufen. Die Frage nach der Funktionalität von Frauen im Militär bewegt die Soldaten in besonderer Weise, insofern muss sich auch die Wissenschaft dieser Frage stellen. Analytisch lassen sich dabei drei Dimensionen unterschieden: die Repräsentation staatlicher Macht, die Aufgaben in Peacekeeping-Einsätzen und die Funktionalität hinsichtlich von Kampfeinsätzen.
Soldatinnen als Repräsentantinnen staatlicher Macht
Zum ersten repräsentieren die Streitkräfte das staatliche Gewaltmonopol des Staates. Demokratierechtlich ist es daher nicht unerheblich, wer von diesem Herrschaftsinstrument ausgeschlossen beziehungsweise in diesen staatlichen Institutionen sichtbar ist. Als Teil der Exekutive und als öffentlicher Arbeitgeber unterliegt die Bundeswehr deshalb inzwischen den gleichen Zugangsprinzipien der Chancengleichheit, die auch für andere Bereiche des staatlichen Handelns gelten. Auswahl, Einstellung und Beförderung folgen nur den Kriterien der Eignung und Leistung. Sind Frauen in bestimmten Bereichen des öffentlichen Dienstes unterrepräsentiert, dann sollen sie – aber nur bei gleicher Qualifikation und Leistung – bevorzugt werden.

Auf Patrouille (Quelle: Bundeswehr/Linden)
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Soldatinnen in Peacekeeping-Einsätzen
In Peacekeeping-Einsätzen galten Frauen zunächst als ungeeignet. So wurde aus der Notwendigkeit die jeweilige – zumeist patriarchale – Kultur zu achten, die Forderung abgeleitet, dass Soldatinnen sich im Hintergrund halten oder gar ein Kopftuch statt der regulären Kopfbedeckung tragen sollten. Für die Operative Information galten sie ungeeignet, da sie mit den einheimischen Männern, also mit den Informations- und Entscheidungsträgern nicht reden dürfen.
Dass einheimische Frauen Informationen besitzen könnten, wurde dabei regelmäßig übersehen. Im Zuge des internationalen Gender-Mainstreaming-Prozesses aber lässt sich diese Perspektive nicht mehr durchhalten. So forderte der UN-Sicherheitsrat in seiner Resolution 1325 mehr Aufmerksamkeit für die Unterschiede in der Betroffenheit von Männern und Frauen in Kriegen und damit einhergehend, dass Frauen in allen am Peacekeeping beteiligten Institutionen stärker beteiligt werden4. Inzwischen haben immer mehr Länder insbesondere der EU darauf reagiert und Aktionsprogramme zur Umsetzung dieser Resolution aufgelegt. In diesen geht es auch darum, die Funktionalität von Soldatinnen in Peacekeeping-Einsätzen herauszustreichen und ihren Anteil in den Streitkräften massiv zu erhöhen.
Geschlechterpolitisch ist dieser Prozess ein außerordentlich großer Erfolg. Symbolisch ist er aber ambivalent zu beurteilen. Einerseits werden Frauen durch ihre stärkere Beteiligung an UN-Einsätzen zunehmend als Akteure in der Krisenprävention und -nachsorge und damit als Repräsentantinnen militärischer Gewalt wahrgenommen. Andererseits wird mit der besonderen Betonung der Bedeutung von Frauen in diesen Peacekeeping-Einsätzen indirekt der Geschlechterdualismus reproduziert.



Soldatinnen als Kämpferinnen in Kriegseinsätzen
Am brisantesten ist die Frage der Beteiligung von Kampfeinsätzen. Zwar spielt diese Frage des Einsatzes von Frauen in Kampfeinsätzen der Bundeswehr real kaum noch eine Rolle, für den Diskurs aber ist sie von großer Bedeutung, geht es doch um den Kernbestand des Berufes.
Die Auseinandersetzungen um die Beteiligung von Frauen an Kampfhandlungen kreisen um drei Fragen:
* die Frage der körperlichen Eignung von Frauen,
* die Frage der Möglichkeit der geschlechterübergreifenden Kameradschaft (sozialen Kohäsion) und o die Frage des männlichen Beschützerinstinkts,
*der Männer daran hindern würde, gemeinsam mit Frauen zu kämpfen.
Zum Körper:
Körperkraft, körperliche Fitness und Ausdauer werden als zentrale Grundvoraussetzungen der Ausübung des Soldatenberufs angesehen. Die regelmäßige Messung dieser Merkmale bei Rekruten und Soldaten gehört zu den festen Regularien militärischer Organisationen. Zugleich ist die körperliche Kraft und Fitness von Frauen eines der absoluten Top-Themen in der Auseinandersetzung um deren Integration. Dabei stehen sich zwei gegensätzliche Positionen gegenüber:
Die eine Seite betont, dass Frauen - biologisch determiniert - eine geringere Körperkraft besitzen und dies auch nicht durch stärkeres Training zu ändern sei. Diese geringere Körperkraft aber beeinträchtige massiv die Einsatzfähigkeit der Soldatinnen und führe dadurch zu Unmut unter den Männern.
Die andere Seite hält dem entgegen, dass die Differenzen eher sozialisationsbedingt und die Rückstände durchaus behebbar wären. So zitiert zum Beispiel Seifert eine Studie aus dem American Journal of Preventive Medicine vom April 2000 in dem aufgeführt wird, dass „Frauen – aufgrund ihrer niedrigeren Ausgangsposition – ihre Fitness im Zuge der Grundausbildung zweimal so schnell wie die Männer steigerten. Ihre Sit-ups verbesserten sich um 98 Prozent gegenüber 44 Prozent bei den Männern, die Liegestützen um 156 Prozent gegenüber 54 Prozent bei den Männern und die aerobische Fitness um 23 Prozent gegenüber 16 Prozent bei den Männern. Die Unfallhäufigkeit von Männern und Frauen korrelierte ebenfalls in hohem Maße mit ihrem Fitness-Status und hatte nichts mit Gender zu tun“.
Jenseits dieser Diskussion um die Fitness von Frauen muss gefragt werden, was die Tests zur physischen Leistungsfähigkeit überhaupt messen, inwieweit sie an den Anforderungen des Krieges orientiert sind und nicht bestimmten kulturellen Traditionen oder gesellschaftlichen Entwicklungen folgen. Übersehen wird so beispielsweise, wie der allgemeine Gesundheitszustand von Jugendlichen das Niveau der Anforderungen immer wieder beeinflusst hat.
Zur sozialen Kohäsion:
Kameradschaft und kleine Kampfgemeinschaft gelten als Kernpunkte des soldatischen Berufsverständnisses. Sie seien das, was die eigentliche Kampfkraft der Soldaten ausmache und zugleich wesentliche Bedingungen zur Aufrechterhaltung der Kampfmoral und Einsatzmotivation. Ob und inwieweit die soziale Kohäsion durch Frauen gestört würde, ist Inhalt massiver Kontroversen. Die eine Seite behauptet nun, dass die Kohäsion am stärksten wäre, wenn die Gruppen möglichst homogen seien. Begründet wird dies mit klassischen Studien von Edward Shils und Morris Janowitz, die nach Erklärungen für die hohe Kampfmotivation der Wehrmachtsoldaten im Zweiten Weltkrieg gesucht haben8. Meyer Kestnbaum und David Segal stellen dem entgegen, dass die soziale, auf Homogenität der Gruppe basierende Kohäsion, ein Mythos sei, der nur dazu diene, den Beruf gegenüber bestimmten Minderheiten – also Frauen, Schwarzen und Homosexuellen – sozial zu schließen.
Eine dritte Position verfolgt Heiko Biehl, indem er betont, dass die Kohäsion zwar bedeutungsvoll sei, dass diese aber auch aufgabenbezogen strukturiert sein kann (task cohesion) und der Zusammenhalt ebenso über die soziale Diversifität hergestellt werden könne. Frauen würden also mitnichten die Kampfgemeinschaft stören. Brian Reed geht sogar noch ein Stück weiter. Aufgrund eines Vergleichs von genderintegrierter und genderhomogener Einheiten in der Grundausbildung der US-Streitkräfte kommt er zu dem Schluss, dass die Leistungen im Fitnesstraining, im Schießen, aber auch die Werte für Teamwork, Zusammenhalt und Moral in den gendergemischten Einheiten besser waren als in den Einheiten, in denen Männer oder Frauen separat ausgebildet wurden.
Zum männlichen Beschützerinstinkt:
In der Bundeswehr und anderen Armeen wird als Beleg dafür, dass Frauen die kleine Kampfgemeinschaft stören, ein ganz besonderer Mythos vom männlichen Beschützerinstinkt gepflegt. Dieser besagt, dass Männer, sobald sie erleben müssen, dass eine Frau in Gefahr gerät, nicht mehr in der Lage wären, den Kampfauftrag zu erfüllen. Stattdessen würden sie ihrem Instinkt folgen, und sich ausschließlich um die gefährdete, verletzte oder gefangengenommene Frau kümmern.
Dieser Mythos wird mit angeblichen Erfahrungen aus der israelischen Armee begründet. In den Anfängen der israelischen Streitkräfte hätten Männer und Frauen noch zusammen gekämpft. Die männlichen Soldaten wären aber, als einige Soldatinnen in Gefahr gerieten, nur noch ihrem vermeintlichen Beschützerinstinkt gefolgt und hätten ihren Auftrag vergessen. Deshalb wären Frauen danach aus den Kampfeinheiten entfernt worden.
Empirisch gibt es dafür keinen Beleg. Frauen leisten auch in der israelischen Armee primär Unterstützungsaufgaben, unabhängig davon, ob sie den Kampftruppen oder anderen Einheiten angehören. Von 1947 bis ins Jahr 2000 waren sie aus den Kampftruppen ganz ausgeschlossen. Worauf aber dieser Ausschluss basierte, ob dieser politisch motiviert war oder ob er auf spezifischen Erfahrungen beruhte, ist immer noch unbekannt.
Sollte es passiert sein, dass Männer sich zum Schutz ihrer weiblichen Kameraden selbst in Gefahr gebracht haben, so lässt sich dies aber auch anders erklären als mit einem männlichen Beschützerinstinkt. Die Forschungsergebnisse des Walter Reed Army Institute of Research weisen darauf hin, dass der Tod eines ‚buddies’ (eines engen Kameraden oder Partners) generell das (!) belastendste ‚Worst-Case-Szenario’ im militärischen Einsatz darstellt. Das heißt, nicht das Geschlecht, sondern die Nähe zum Opfer, kann zu Kampfstressreaktionen führen. Wenn aber eine Soldatin – aufgrund ihrer Sonderposition – die Rolle der ‚kleinen Schwester’ oder des ‚Maskottchens’ inne hat, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass bei ihrem Tod verstärkt Kampfstressreaktionen auftreten.
Die Saga um den Beschützerinstinkt und seine Folgen in der israelischen Armee gehört zum Grundbestand des Wissens von Bundeswehrsoldaten, unabhängig von der Teilstreitkraft und Laufbahn, bis in die höchsten Ebenen hinein. Die Logik ist, dass Männer Opfer ihres Beschützerinstinkts und nicht dazu in der Lage seien, mit Frauen gemeinsam zu kämpfen, deshalb aber müssten die Frauen davon ausgeschlossen werden. Diese Saga hat in den 80er und 90er Jahren des 20. Jahrhunderts und mit dem wachsenden Anteil von Frauen in den Streitkräften, an Bedeutung gewonnen. Sie ersetzt das Argument, Frauen müssten aufgrund ihrer körperlichen Schwäche aus den Kampftruppen ausgeschlossen werden.


Die Folgen für die Streitkräfte
Zur Frage, was sich durch die stärkere Beteiligung von Frauen an den Streitkräften ändert, gibt es viele starke Behauptungen und wenig empirische Belege. Zwei Behauptungen dominieren dabei die Diskussion: (a) durch die Frauen würde das Militär an Prestige verlieren, und (b) Frauen würden „männliches Bandenverhalten“ verhindern. Die erste Behauptung vermutet negative Effekte auf die Streitkräfte, die zweite unterstellt, dass die Streitkräfte durch die Frauen „besser“ werden würden.
Durch die Frauen verliert das Militär an Prestige Martin van Creveld ist wohl international der radikalste und zugleich prominenteste Kritiker einer Integration von Frauen in die Streitkräfte. Er behauptet, dass die Feminisierung ähnlich anderen Berufen mit einem Statusverlust des Militärs einhergehen würde.
Richtig ist, dass Berufe mit dem Zugang von Frauen häufig an Prestige verlieren (beispielsweise der Lehrerberuf). Auf die Streitkräfte hingegen, insbesondere die deutsche Bundeswehr, trifft diese Aussage nicht zu. In Deutschland diente die allgemeine Öffnung der Streitkräfte umgekehrt der Re-Legitimation und Prestigesteigerung der Streitkräfte. Denn sie wurde kurz nach der Beteiligung der Bundeswehr am Kosovokrieg – einem völkerrechtlich umstrittenen Angriffskrieg der NATO –vollzogen. Die Bundeswehr war – wie kaum zuvor – auf die Zustimmung durch die Gesellschaft und die Legitimierung sowie die finanzielle Absicherung durch den Bundestag angewiesen.
Die Öffnung des bewaffneten Dienstes traf nun in der Gesellschaft überwiegend auf Zustimmung. Rund 60 Prozent der Bevölkerung in Deutschland sprach sich im Oktober 1999 und Januar 2000 dafür aus, den bewaffneten Dienst für Frauen zu öffnen. Die Regierung konnte also davon ausgehen, dass die allgemeine Öffnung der Streitkräfte für Frauen in der Gesellschaft positiv honoriert würde. Dies zeigt sich auch im späteren Verlauf: Wenn in den Medien das Fehlverhalten von Soldaten skandalisiert wurde, fehlte selten der Verweis darauf, dass die betroffenen Einheiten frauenfreie Zonen darstellten. Das heißt, dass reine Männerdomänen in Deutschland an Prestige verlieren.
Frauen verhindern „männliches Bandenverhalten“
Im Bericht des Europäischen Parlaments von 2004 wird bezogen auf die westlichen Streitkräfte in Peacekeeping-Einsätzen der Ausdruck des ‚männlichen Bandenverhaltens‘ genutzt. Dahinter steht die These, dass geschlechterhomogene Gruppen eine für Peacekeeper problematische Kohäsion und Sondermoral entwickeln und männliche Einheiten dadurch z.B. Prostitution förderten oder durch andere Formen abweichenden, häufig sexualisierten Verhaltens den Erfolg von Peacekeeping-Missionen gefährden. Der Bericht äußert die Hoffnung, dass durch den vermehrten Zugang von Frauen in die Streitkräfte abweichendes Verhalten minimierbar wäre. In diesem Sinne hat General Klaus Reinhardt im Zusammenhang mit dem sogenannten Totenkopf-Skandal die These formuliert, dass solche Vergehen bei stärkerer Beteiligung von Frauen in den Einsätzen nicht mehr auftreten würden. Der Grund, und das ist wichtig, sollte dabei nicht in den besonderen sozialen Fähigkeiten der Frauen, sondern in der Homogenität der männlichen Gruppe gesucht werden. Empirisch gibt es allerdings auch dafür bisher keine ausreichenden Belege.
Fazit
Auch wenn der Wehrbeauftragte hinsichtlich der Frauen in der Bundeswehr Normalität konstatiert17, ist der Integrationsprozess längst nicht abgeschlossen. Zwar bewertet die Mehrzahl der Soldatinnen und Soldaten der Öffnung und Gleichstellungsbemühungen positiv, doch bestehen traditionelle Geschlechterbilder und Verhaltensweisen weiter. Diese aber können in den multinationalen Einsätzen in der Kooperation mit anderen Armeen oder in der zivil-militärischen Zusammenarbeit in den Einsatzgebieten zu einem zusätzlichen Problem werden.
Literatur
Maja Apelt, Soldatinnen in den westlichen Streitkräften und die sogenannten Neuen Kriege, in: Kalus Latzel/ Franka Maubach/ Silke Satjukow (Hrsg.), Soldatinnen. Gewalt und Geschlecht im Krieg vom Mittelalter bis heute, Paderborn 2011.
Maja Apelt/Cordula Dittmer, Under Pressure – Das Militär im Zeichen veränderter Geschlechterverhältnisse und neuer Kriege, in: Michael Meuser/ Sylka Scholz u.a. (Hrsg.), Dimensionen von Geschlecht: Der Fall Männlichkeit, Münster 2007, S.68-83.
Cordula Dittmer, Gender Trouble in der Bundeswehr. Eine Studie zu Identitätskonstruktionen und Geschlechterordnungen unter besonderer Berücksichtigung von Auslandseinsätzen. Bielefeld 2008.
Karin Gabbert, Gleichstellung – zu Befehl!: Der Wandel der Geschlechterverhältnisse im US-Militär. Frankfurt am Main 2007.
Gerhard Kümmel, Truppenbild mit Dame. Eine sozialwissenschaftliche Begleituntersuchung zur Integration von Frauen in die Bundeswehr. Forschungsbericht 82. Sozialwissenschaftliches Forschungsinstitut der Bundeswehr, Strausberg 2008.
Uta Klein, Militär und Geschlecht in Israel. Frankfurt am Main 2001.
Autorin
Prof. Dr. Maja Apelt, ist Professorin für Organisations- und Verwaltungssoziologie an der Universität Potsdam. Sie war von 1999 bis 2007 an der Helmut-Schmidt-Universität Universität der Bundeswehr Hamburg tätig, u.a. als Leiterin des DFGForschungsprojektes „Organisation und Geschlecht am Beispiel der Bundeswehr“. Mehrere Jahre war sie Lehrbeauftragte am Fachbereich Sozialwissenschaften der Führungsakademie der Bundeswehr, Hamburg. Arbeitsschwerpunkte: Organisation und Geschlecht; Organisation, Gewalt und Sicherheit; High Reliability Organizations

"Die Männer im Militär profitieren von den Frauen"
BUNDESWEHR Die Militärsoziologin Maja Apelt über die Rolle von Soldatinnen in Kampfeinsätzen
taz: Frau Apelt, ein junger Offizier hat die Integration der Frauen in der Bundeswehr für gescheitert erklärt. Spricht er aus, was viele in der Truppe denken?
Maja Apelt: Nein, insgesamt gilt die Integration der Frauen als gelungen, das zeigen zumindest Umfragen unter Soldaten. Doch auf einzelnen Feldern gibt es noch große Vorbehalte. Etwa in der Frage, ob Frauen für den Kampfeinsatz geeignet sind. Viele glauben, dass Frauen körperlich überbeansprucht werden.
So argumentiert auch Oberleutnant Böcker im Uni-Magazin der Bundeswehr. Hat er recht?
Der Soldatenberuf ist nach wie vor körperlich besonders anspruchsvoll. Die physische Belastung hat nicht nur etwas mit Muskelkraft zu tun, sondern es geht beispielsweise auch darum, klimatische Zustände auszuhalten, sich eine gewisse Fitness anzutrainieren. Dabei ist das Geschlecht nicht ausschlaggebend. Es gibt Männer wie Frauen, die für den Kampfeinsatz geeignet oder auch nicht geeignet sind.
Manche Soldaten werfen den Frauen vor, dass sie bei den Leistungstests nicht das Gleiche leisten müssen.
Beim dem Physical Fitness Test geht es nur darum, die allgemeine Fitness festzustellen. Den müssen die Soldaten und Soldatinnen jedes Jahr absolvieren, damit sie sich körperlich fit halten. Das hat aber nichts mit der Vorbereitung auf Kampfeinsätze zu tun. Das geschieht zum Beispiel durch den Einzelkämpferlehrgang. Hier werden die Teilnehmer an die Belastungsgrenze gebracht, und zwar unabhängig vom Geschlecht. Aber nicht nur Muskeln sind entscheidend.
Viele Soldaten glauben, sie könnten nicht mit Frauen zusammen im Einsatz sein, weil sie nicht mehr kampffähig wären, wenn sie mit ansehen müssen, dass eine Frau in Gefahr ist.
Der Mythos vom Beschützerinstinkt hält sich wacker und bezieht sich auf ein Beispiel aus der israelischen Armee. Es gibt aber dafür keine Belege, Frauen waren bis 2001 in der israelischen Armee immer in einem besonderen Korps und an Kampfeinsätzen nicht beteiligt. Der Beschützerinstinkt als Argument ist unschlagbar, um Frauen herauszuhalten. Denn so werden nicht die Frauen für unfähig erklärt, sondern die Männer für zu gut, um zusammen mit Frauen zu kämpfen. Für den Reflex, den Kameraden beschützen zu wollen, ist nicht das Geschlecht, sondern eher die Nähe verantwortlich.
Warum ist es überhaupt so erstrebenswert, dass Frauen an der Seite der Männer kämpfen?
Ich weiß nicht, ob es generell erstrebenswert ist, zu kämpfen. Aber neben der Polizei ist die Bundeswehr das wichtigste Organ des staatlichen Gewaltmonopols. Außerdem geht es um den Schutz der Gesellschaft. Darum sollten Frauen partizipieren.
Glauben Sie, dass Frauen die Bundeswehr bereichern?
Mit der Integration der Frauen wurden ganz neue Themen in die Bundeswehr gebracht, wie Kinderbetreuung und die Gleichstellung von Homosexualität. Von einem guten Diversity Management profitieren auch Männer, und das ist vielen auch bewusst. Aber auch im Einsatz profitiert das Militär von den Frauen.
Inwiefern?
Ich gehe nicht davon aus, dass Frauen besondere Fähigkeiten haben, die Männer nicht haben. Es sind praktische Gründe: Frauen können im Einsatz beispielsweise eher Zugang zu einheimischen Frauen erhalten als Männer. Wenn eine Gruppe völlig homogen ist, besteht die Gefahr, dass sie bestimmte Situationen im Einsatz nicht richtig erfasst.
INTERVIEW: MARTIN RANK

http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=in&dig=2011%2F07%2F19%2Fa0052&cHash=314c67f14ae102a9953d1772abb6e0c4

Krieg und Gender - Folge 4 - Soldatin in der Bundeswehr
Nichts Neues von der Front
Von Marilena Thanassoula

Die offizielle Seite der Bundeswehr, Kapitel "Frauen in der Bundeswehr", darunter folgende Titel: "Frauen seit 1975 in der Bundeswehr, Bewusste Entscheidung, Positive Erfahrungen, Zukünftige Entwicklung". Unter dem letzten Titel sieht man fett gedruckt die einzig hervorgehobene Phrase des "Gender-Mainstreaming-Ansatzes". Es handelt sich dabei um den Rahmen des Projektes "Partnerschaftlich handeln", das als Wochenendseminar durchgeführt wird.

Stand der Seite: Januar 2006. Schon 2002 hatte die Bundeswehr verkündet, daß "die Intergration der Frauen in die Bundeswehr abgeschlossen ist". Diese Behauptung ist der Titel eines Beitrags von Dr. Maja Apelt, mit dem wir uns weiter beschäftigen werden. Ist also die oben beschriebene Situation nicht als ein Sieg der Gleichberechtigung zu betrachten? Man bedenke dabei, dass in anderen Bereichen, ausserhalb der Bundeswehr, die "Integration von Frauen" alles andere als abgeschlossen ist - Stichworte Gehalt, Rente, Krankenversicherung, Führungspositionen, Politik.

Die Bundeswehr macht dagegen unter www.bundeswehr.de/portal/a/ unter dem Stichwort "Frauen in der Bundeswehr" einen sehr positiven Eindruck. Sie gibt dazu auch "Zahlen, Daten, Fakten". Die aktuellen Zahlen: 12.000 Soldatinnen gibt es in den Streitkräften, das entspricht 6,5 Prozent der Soldaten. 30 Prozent beträgt ihr Anteil im Sanitätsdienst. Es dienen 1.250 Soldatinnen als Offiziere, 1.300 als Offizieranwärterinnen, 1.700 als Manschaftsdienstgrade, 8.000 als Unteroffiziere (Stand: 20.10.2006).

Eine Studie der Bundeswehr

Maja Apelt von der Universität der Bundeswehr Hamburg kommentiert in einem sehr ausführlichen Beitrag die Behauptung der Bundeswehr von 2002 über die soziale Integration der Frauen (in: Soziale Welt Heft 3/ 2002). Die Autorin beginnt mit der Beobachtung, daß heutzutage das Interesse am Sodatenberuf nicht überall gleich groß ist. In Gebieten mit hoher Arbeitslosigkeit ist das Interesse hoch, dort wo der Arbeitsmarkt floriert, niedrig. Dr. Apelt schließt daraus, dass im allgemeinen der Dienst mit der Waffe den Frauen erst erlaubt worden ist, als er eindeutig an Prestige verloren hat, nämlich jetzt, als der Soldatenberuf eher für Modernisierungsverlierer attraktiv geworden ist. Maja Apelt kommentiert auch die entsprechenden Passagen des Grundgesetzes (GG):

"Sie (die Frauen) dürfen auf keinen Fall zum Dienst mit der Waffe verpflichtet werden". Es stehen ihnen aber "Dienstleistungen im zivilen Sanitäts- und Heilwesen, sowie in der ortsfesten Lazarettordnung" zu. Nur "im Verteidigungsfall" können Frauen zum Dienst mit der Waffe verpflichtet werden. "Der Geschlechtsdualismus des waffenfähigen Mannes und der helfenden Frau bleibt im Grundgesetz verankert", so Maja Apelt. Sie gibt uns auch Informationen über die Truppengattungen, für die Frauen als ungeeignet betrachtet werden. Je nach Land könne das sehr verschieden sein: Belgien versperrt den Zugang zu Fallschirm-Kommandobrigaden, Dänemark zum Kampfpilotendienst, die Niederlande zu den Marinekorps, Frankreich faktisch zu U-Booten und Kampfjets. "Die Ursachen für diese Ausschlußregelungen sind nicht nur physiologisch zu verorten, sondern vor allem historisch und organisationskulturell", bemerkt Maja Apelt. An dieser Stelle fehlen leider entsprechende Angaben über Deutschland, weil die Bundeswehr keine weitere Zahlen oder Informationen über den Anteil der Frauen in den verschiedenen Kampftruppen angibt.

"Sondermaßnahmen" für Frauen

"Frauen werden gleich behandelt." Auch dieser Satz steht auf der Bundeswehr-Seite. "Nicht eben "gleich gestellt"" kommentiert Dr. Apelt und schreibt dazu: Es gebe ein paar "Sondermaßnahmen" für Frauen. Sie brauchen nämlich, wie man im Ausbildungskonzept des Zentrums für Innere Führung finden kann, ein längeres und modifiziertes Training, um die selben Resultate zu erreichen, wie Männer mit "normalem" Training. Auch müssen die Kameraden anklopfen, bevor sie bei Frauen eintreten. Bei dienstlichen Aufenthalten wird das Offenlassen der Zimmertüren angeraten. Frauen beim Umkleiden und während der Nachtruhe wird das Abschliessen ihrer Zimmer erlaubt, ebenso das Tragen von dezentem Schmuck.
Man kann sich die Frage nicht verkneifen: Warum gelten diese "Sondermaßnahmen" nicht einfach für alle? Dann wären sie keine "Sondermaßnahmen", sondern "normale" Regelungen. Was wäre falsch daran, wenn bei jedem dienstlichen Aufenthalt die Türen offen blieben, wenn allen erlaubt wäre, sich während der Nachtruhe einzuschliessen?

Im übrigen bleiben Dienstgrad- und Berufsbezeichnungen in der Bundeswehr männlich, da "Hauptfrau" statt eines Hauptmannes unvertretbar sei - so die Bundeswehr, zitiert von Maja Apelt. Was den Dienst im Ausland betrifft, wird darauf hingewiesen, daß Soldatinnen unter keinen Umständen in Gefangeschaft geraten dürfen - wegen des Vergewaltigunsrisikos. Wenn das keine Schutzaktion ist!

Auf der anderen Seite gebe es Äußerungen von Soldaten, daß das Marschgepäck der Frauen leichter sei als das der Männer, und daß man dies als diskriminerend empfinde. Dr.Apelt bemerkt dazu, es sei nicht festzustellen, ob es sich dabei um einen Mythos oder informelle Regeln handele. Auf jeden Fall variiere der "physicall Fitness Test" nach Alter und Geschlecht.

Weitere Zahlen von Maja Apelt über die Einstellung der Soldaten zu Soldatinnen: 85 Prozent sind für eine generelle Integration der Frauen in die Streitkräfte, weniger als 40 Prozent befürworten dies ohne jede Einschränkung. Ungefähr 65 Prozent erwarten mehr Probleme im Dienstalltag und 84 Prozent erwarten, daß mit Sexualität verbundene Probleme zunehmen könnten. 66 Prozent meinen, daß Frauen in Auslandseinsätzen vor allem dort sehr gut eingesetzt werden könnten, wo Verhandlungsgeschick erforderlich sei.

Unter www. friedenkooperative.de kann man ein Interview zu Frauen in der Bundeswehr mit einer Ärztin lesen, die den Dienst wegen ihrer Erfahrungen im Kosovo gekündigt hat. Hier einige Zitate: "Es gibt Frauen da, die glücklich sind. Denen stinken zwar die Machtstrukturen, sobald sie aber Unteroffizierin oder Feldwebel geworden sind, spielen sie das Spiel perfekt. (...) Ich glaube, der Reiz liegt in der Möglichkeit, an männlichen Machtstrukturen teilzuhaben. (...) Als ich zum Militär ging, habe ich immer gedacht, hier kann ich etwas verändern. (...) Ich habe auf Grund dessen, was mir alles im Laufe der Zeit so begegnet ist, wahnsinnige Ängste entwickelt. Es wurde systematisch versucht, mich mundtot zu machen. (...) Der Kosovo Krieg war die entscheidende Erfahrung. (...) Ich fühlte mich gelähmt, weil ich nicht verstehen konnte, mit welcher Freude Jugoslawien bombardiert wurde. Das war Europa?"

Was passiert mit Soldatinnen, die vom Kameraden vergewaltigt werden? Sexualisierte Gewalt im Krieg auch über die Soldatin hinaus wird uns in der nächsten Folge der Serie "Krieg und Gender" beschäftigen. Und sonst? Nichts Neues von der Front. Vor kurzem sei die Integration der Frauen in die Bundeswehr abgeschlossen worden, behauptet die Bundeswehr auf ihrer Internetseite. Vielleicht stimmt das ja doch nicht ganz...

http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=10330

http://www2.hsu-hh.de/wbox0148/integration-ist-abgeschlossen.pdf

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