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Liste Femanzen Mag. Kristin Ideler (Liste Femanzen)

Oberkellner @, Wednesday, 24.12.2014, 14:31 (vor 3562 Tagen)

F315 Mag. Kristin Ideler geboren 1982 - 2002-2008 Studium der Soziologie, Politikwissenschaft und Friedens-und Konfliktforschung an der Philipps Universität Marburg – Promotionsprojekt: Mit Genderkompetenz zu mehr Geschlechtergerechtigkeit?! Eine kritische Analyse im Kontext des Wandels von Organisationen - 2006-2007 Studienprogramm Gender Studies am Zentrum für Gender Studies und feministische Zukunftsforschung der Philipps Universität Marburg, Wilhelm-Rökpestr. 6F, 35032 Marburg - 2007-2008 Magisterarbeit zum Thema: Mentoring als Personalentwicklungsmethode: Ein Weg zum Transfer von Fachwissen und zur Karriereförderung von Frauen am Beispiel der Airbus Deutschland GmbH - 2008 wissenschaftliche Hilfskraft am Institut für Soziologie der Philipps Universität Marburg -2009 wissenschaftliche Hilfskraft und wissenschaftliche Mitarbeiterin im Projekt "Kooperative Arbeitspolitik? Arbeitsgestaltung und Geschlechterpolitik in innovativen Betrieben" an der Philipps Universität Marburg - 2009-2011 Fachbereichsfrauenbeauftragte am Fachbereich 03 -Gesellschaftswissenschaften und Philosophie der Philipps Universität Marburg - 08/2010- 10/2010 Praktikum in der ver.di Bundesverwaltung, Ressort 2- Bereich Genderpolitik, Berlin - Seit 10/2009 Stipendiatin im Interdisziplinären Promotionskolleg "Geschlechterverhältnisse im Spannungsfeld von Arbeit, Organisation und Demokratie" – Arbeitsschwerpunkte: Frauen- und Geschlechterforschung, Arbeits- und Organisationssoziologie, Geschlechter- und Gleichstellungspolitik, feministische Wohlfahrtsstaatenforschung -
idelerk@staff.uni-marburg.de - care@lists.uni-marburg.de - http://www.volleyball-marburg.de/VfL/images/archiv/200405/damen3.jpg

Kristin Ideler
Mit Genderkompetenz zu mehr Geschlechtergerechtigkeit?! Eine kritische Analyse im Kontext des Wandels von Organisationen

„Genderkompetenz ist die neue Kompetenz, die notwendig ist, um eine Organisation modern, das heißt innovativ und nachhaltig zu führen und eine demokratische Gesellschaft zukunftsweisend mitzugestalten“ (INET 2005: 19).
Wenn diese Argumentation zutrifft, so kann Genderkompetenz zu mehr Geschlechtergerechtigkeit beitragen. Für Organisationen ist der Wandel in Richtung Geschlechterdemokratie dann notwendig, weil sie nur innovativ und zukunftsfähig sein können, wenn Genderkompetenz dauerhaft in der Organisation verankert wird. Für sie selbst ist dies mitunter die effektivste und langfristigste Perspektive zum organisationalen Systemerhalt. Weiterhin wird hier der Aspekt angesprochen, dass über Organisationen die Veränderungen hin zu mehr Geschlechtergerechtigkeit auch in die Gesamtgesellschaft getragen werden.
Ziel des Forschungsvorhabens ist eine kritische Auseinandersetzung mit Genderkompetenz auf der theoretischen und empirischen Ebene. Es wird davon ausgegangen, dass Organisationen nur innovativ sind, wenn sie genderkompetent handeln und genau an diesem Ansatzpunkt soll die eigene Arbeitshypothese ansetzen. Mittels problemzentrierten Interviews soll eine qualitative Erfassung der theoretischen und persönlichen Vorstellungen von Genderkompetenz von verschiedenen Akteuren im Organisationsgefüge stattfinden.
Genderkompetenz ist eine Strategie der individuellen Aneignung von Geschlechterwissen und geschlechtersensiblen Handlungsstrategien. Die Grundidee ist eine über die Mikroebene vermittelte Verhaltensmodifikation, welche durch die Veränderung persönlicher „Leitbilder von Geschlecht“ einen gesellschaftlichen Wandel hin zu einer geschlechterdemokratischen Gesellschaftsform bewirken soll (vgl. Blickhäuser/von Bargen 2003). Umfassende Genderkompetenz muss Grundlagenwissen über gesellschaftliche Strukturen, Kenntnisse der Geschlechterverhältnisse und in Ansätzen der Geschlechtertheorien sowie Prozess- und Erfahrungswissen in zwischenmenschlicher und intergruppaler Hinsicht beinhalten (vgl. INET 2005). Ein Ansatzpunkt für Kritik ist die theoretische Kongruenz von Genderkompetenz mit aktuellen Konzepten der Gleichstellungspraxis wie Gender Mainstreaming, Managing Diversity und Total E-Quality Management, die alle eine relative Nähe zu derzeit modernen Managementkonzepten aufweisen, welche eine wichtige Ressourcenquelle in der einzelfallbezogenen Weiterentwicklung des Humankapitals sehen (vgl. Krell, 2005, Krell 2007; Lange 2006).
Genau an diesem Ansatzpunkt setzt die eigene Arbeitshypothese von Genderkompetenz an, da bezweifelt werden darf, dass managementheoretische Gleichstellungspolitiken zur Verwirklichung von Geschlechterdemokratie beitragen. Denn das Konzept Genderkompetenz erfordert eine Veränderung im gesamten organisationalen Kontext, was eher dafür spricht, dass eine gewisse Mehrdimensionalität vorliegen muss, wenn Geschlechtergerechtigkeit verwirklicht werden soll. Die Analyse von Genderkompetenz wird somit auf der Mikro- und Mesoebene angesiedelt, um die Ausgestaltung des Gegenstandes im Setting von Organisationen adäquat erfassen zu können (siehe hierzu auch neuere Konzepte der Organisationssoziologie). Hierbei wird zwar berücksichtigt, dass Organisationen die Umsetzung gesellschaftlicher Interessen verfolgen, es sollen aber die in den eigenen internen Handlungsarenen und Zielen manifestierten Strukturen und Werte im Mittelpunkt stehen (vgl. Meuser 2005). Das gewählte „Testfeld“ für Genderkompetenz ist somit die Organisationsebene.
Es soll darüber hinaus reflektiert werden, welche Ansprüche konzeptionell an die Verwirklichung von Geschlechterdemokratie in Organisationen gestellt werden und wie diese im praktischen Diskurs zu Genderkompetenz und dem Wandel von Organisationen ausformuliert werden. Dabei soll nicht ausgeblendet werden, dass „gleichstellungsorientierte Leitbilder“ in Organisationen oft im Vordergrund eine Rolle spielen, jedoch meist nicht die verdeckten Strukturen erfassen und daher nicht wirkungsmächtig werden können. Diese These kann mit Bezug auf den Begriff der „kontingenten Koppelungen“ nach Wilz reflektiert werden, welche davon spricht, dass zeitgleich ein gendering und de-gendering von Geschlecht in Organisationen stattfindet (vgl. Wilz 2002, 2004 und 2007).
Eine genauere Auseinandersetzung mit ihrem Theorem der rhetorischen Modernisierung sollte untersuchen, ob Genderkompetenz und damit verknüpfte Strategien, wie Gender Mainstreaming und Managing Diversity tatsächlich nur kommunikative Strategien der Modernisierung von Geschlechterbeziehungen sind und eigentlich eine Re-Aktivierung tradierter zweigeschlechtlicher Denk-und Deutungsmuster reinfizieren. Dies impliziert auch die generelle Überprüfung der These, dass der aktuelle soziale Wandel, sprich die Modernisierung von Geschlechterverhältnissen (insbesondere in Organisationen) gegenwärtig einen Stand erreicht hat, der vor allem von Widersprüchen, Brüchen und Ungleichzeitigkeiten gekennzeichnet ist (vgl. Wetterer 2002, 2003). In Anlehnung an Knapp wird weiterhin zu fragen sein, ob theoretisch fundierte Gleichstellungspolitik nicht verschiedene geschlechtertheoretische Denkrichtungen inkludieren muss. Denn es erscheint konzeptionell durchaus wünschenswert in der Gleichstellungsarbeit Dekonstruktion als präzise Kritik von Ungleichheitslagen im Geschlechterverhältnis, neben der Dialektik von Gleichheit und Differenz zu berücksichtigen. Es wäre interessant zu betrachten, ob eine solch theoretisch fundierte Gleichstellungspolitik, die die Herstellung von Chancengleichheit, die Formulierung von Strukturdefiziten korrigierenden Programmen sowie die Vermeidung von Identitätskategorien ermöglicht, denkbar wäre bzw. ob sich das aktuelle Verständnis von Genderkompetenz in diese Richtung weiterdenken lässt (vgl. Knapp 2007).
Um einen Ausblick auf die Makroebene zu geben, soll es weiterhin ein besonderes Anliegen sein, die Spannungsverhältnisse zwischen kultureller Flexibilität von Geschlecht und dem strukturellen Beharrungsvermögen von Geschlechterverhältnissen in Bezug auf das Konstrukt von Genderkompetenz zu analysieren (vgl. Bereswill 2004).

http://www.uni-marburg.de/fb03/genderkolleg/stips/ideler_dissvorhaben

Ökonomische und gesellschaftliche Veränderungen haben einen Wandel in der Arbeitswelt bewirkt, der u.a. durch eine zunehmende Vermarktlichung und Flexibilisierung von Arbeitsverhältnissen bei steigenden Leistungsanforderungen gekennzeichnet ist. Den Kontext hierfür bilden Restrukturierungsprozesse auf internationaler Ebene, die mit einer wesentlichen Neuausrichtung der Unternehmensleitbilder, Managementkonzepte und Produktionsstrategien einhergehen.
Am Beispiel der pharmazeutischen und der biotechnologischen Industrie, die als innovativ und wissensintensiv gilt, gehen wir den Veränderungen in der Arbeits- und Geschlechterpolitik nach und untersuchen Auswirkungen auf die Ausformung und Aushandlung der betrieblichen Arbeitspolitik zwischen den verschiedenen Akteuren sowie deren politische Rahmenbedingungen.
Frauen und Männer sind von diesen Veränderungsprozessen in unterschiedlicher Weise betroffen. Trotz der erhöhten Erwerbsbeteiligung von Frauen, ihrem hohen Bildungsstand und gestiegenem Qualifikationslevel führen geschlechtshierarchische Arbeitsteilung und geschlechterstereotype Zuschreibungen weiterhin zu ungleichen Chancen auf dem Arbeitsmarkt. In den Betrieben bewirkt dies die ungleiche Verteilung vonEinkommen, sozialer Absicherung, Anerkennung und betrieblichen Positionen.
In der pharmazeutischen Industrie mit ihrem traditionell hohen Frauenanteil gehen wir der Frage nach, inwiefern sich diese Muster der Ungleichheit fortsetzen oder aufweichen und welche Veränderungen es generell in den betrieblichen Geschlechterverhältnissen gibt. Dabei interessiert uns, ob sich in neueren Biotech-Unternehmen - im Kontrast zu den großen, traditionell regulierten Unternehmen - neue Unternehmensleitbilder und Muster der Personal-führung abzeichnen.
Das Projekt wirft also die Frage auf, inwiefern sich vor dem Hintergrund des Wandels von Arbeits- und Lebensverhältnissen auch die Arbeits- und Geschlechterpolitik in den Betrieben verändert. Anhand betrieblicher Fallstudien in pharmazeutischen und biotechnologischen Unternehmen fragen wir nach der (geschlechter-)politischen Ausrichtung von Beschäftigungsformen und Rekrutierung, Lohn-, Leistungs- und Arbeitszeitgestaltung, Personalentwicklung und Qualifizierung sowie der Unternehmens- und Mitbestimmungskultur.
Wir beziehen nicht nur die betrieblichen Faktoren und Akteurskonstellationen, sondern auch den Einfluss der außer- und überbetrieblichen ökonomischen und politischen Rahmenbedingungen ein.
In der qualitativ ausgerichteten Studie verfolgen wir eine Triangulation von Methoden, in der neben dem Instrument des ExpertInneninterviews auch Beobachtungen und Dokumentenanalysen zum Einsatz kommen.
Weitere Informationen siehe http://www.uni-marburg.de/arbeit-geschlecht

http://www.tzm-marburg.de/forschung-info/forschungsbericht/einzel99.cfm?FB=03&Institut=500&lfd_Nr=37p

Abstract: Die 2010 erschienene Dissertation von Sandra Smykalla gewährt detaillierte Einblicke in die Arbeit von Gendertrainer/-innen im Kontext der Implementierung von Gender Mainstreaming. Zentrale Erkenntnis dieser qualitativen Interviewstudie ist, dass Gendertrainer/-innen neben einer Genderkompetenz über eine Ambivalenzkompetenz verfügen müssen, wollen sie nicht Gefahr laufen, Geschlechterungleichheiten und -stereotypen zu revitalisieren. Überzeugend ist Smykallas Forderung nach der (Re-)Politisierung des Feldes genderorientierter Weiterbildung, wofür ihr Rückgriff auf intersektional orientierte Methodiken einen ersten Ansatzpunkt darstellt.
Gender Mainstreaming – Gleichstellung als Querschnittsaufgabe
Seitdem in den 1990er Jahren in der Gleichstellungspolitik ein Paradigmenwechsel hin zu Gender Mainstreaming stattgefunden hat, wird das Angehen geschlechtsspezifischer Ungleichheiten als Querschnittsaufgabe angesehen. Da nun alle genderkompetent zu sein haben, entstand ein großer Bedarf an genderorientierter Weiterbildung und Beratung. In der BRD wurde dies im Kontext der Verwaltungsmodernisierung noch weiter befördert. So konsolidierte sich innerhalb der letzten 10 Jahre ein Gender-Markt.
Genau dies ist der Ausgangspunkt der Dissertation von Sandra Smykalla, in der sie sich kritisch mit Weiterbildung und Beratung im Kontext von Gender Mainstreaming auseinandersetzt. Ihre zentrale These ist, dass sich das Handlungsfeld genderorientierter Weiterbildung zwischen und innerhalb von Wissenschaft, Markt, (emanzipatorischer) Politik und sozialer Bewegung konstituiert, was zu einem Spannungsverhältnis von Integration und Transformation führt. So zeichnen sich in Gendertrainings neue Widersprüche ab, die dazu führen, dass Rollenmuster und Privilegierungen nicht mehr so eindeutig identifiziert und thematisiert werden können. Umso mehr ist es künftig die Aufgabe von Gendertrainer/-innen, diese Rahmenbedingungen kritisch zu analysieren und auf soziale Ungleichheitslagen hinzuweisen.
Die ganze Arbeit legt davon ausgehend den Analysestandpunkt der Ambivalenz zugrunde. Darunter versteht Smykalla eine an Butlers Vorstellungen der Subjektkonstitution angelehnte Forschungsperspektive, wonach Akteur/-innen das Forschungsfeld erst durch ihre Handlungen konstituieren und dies sowohl Unterwerfung als auch Widerständigkeit umfassen kann. Ambivalenz ist besonders für den Kontext der Geschlechterforschung relevant, da auch die dort Tätigen immer wieder dazu aufgefordert sind, sich geschlechtsbezogen zu positionieren, um zugeordnet werden zu können, gleichzeitig jedoch im professionellen Forschen und Handeln diese Verhältnisse verändern und überwinden möchten.
Methodisch verwendet Smykalla in ihrem qualitativen Forschungsdesign Expert/-inneninterviews mit Gendertrainer/-innen. Die Untersuchung umfasst 17 Personen, ausgewählt nach dem Prinzip des theoretical sampling, wie sie schreibt. Jedoch entpuppt sich die gewählte Samplingstrategie eher als eine Form von statistischem Sampling, da Smykalla vorab alle Untersuchungsfälle anhand festgelegter Kriterien in Bezug auf ihre Fragestellung auswählt. Das theoretische Sampling nach Glaser und Strauss sieht demgegenüber eher vor, einen ersten Untersuchungsfall relativ willkürlich zu bestimmen und dann aus diesem z. B. nach dem Prinzip maximaler/minimaler Kontraste den nächsten auszuwählen usw.
Warum Differenz nicht gleich Differenz ist
Auf der theoretischen Ebene setzt sich Smykallas Dissertation mit den Kontroversen um den Genderbegriff und um Gender Mainstreaming sowie mit den Themen Subjektkonstitution im Poststrukturalismus, Diskursanalyse und mit den Debatten um die Entgrenzung von Bildungsorten und die Ökonomisierung von Bildung auseinander, woraus sie u. a. ihre auf dem Standpunkt der Ambivalenz fußende Forschungsperspektive entwickelt.
Eine wichtige Erkenntnis, die der/die Leser/-in aus diesem Teil ziehen kann, ist ein informativer Überblick über den heterogenen Markt der Gendertrainer/-innen sowie über konzeptionelle Differenzen von Gender Trainings. Weiterhin liefert der Band eine treffende Zusammenfassung des oftmals diffus formulierten Ziels der Genderkompetenz, das einem bei Gender Mainstreaming immer wieder über den Weg läuft. Hierbei verweist Symkalla folgerichtig auf Leerstellen in der Definition des Begriffes in Praxis und Theorie. Sie betont zu Recht, dass Genderkompetenz individuelle und kollektive Dimensionen aufweise und daher Gendertrainings und die damit verbundenen Bedeutungskämpfe auch als politisches Handlungsfeld begriffen werden müssten.
Darüber hinaus liefert sie einen informativen Überblick über das konfliktive Verhältnis von Geschlechterforschung und Gleichstellungspolitik. Zentral ist dabei die Debatte um Differenz, welche durch das Thema Gender Mainstreaming eine Art Widerbelebung erfahren hat. In diesem Konflikt möchte Smykalla eine vermittelnde Position einnehmen. Sie begreift Gender in Anlehnung an Donna Haraway als „situierte Differenz“. Entsprechend steht bei Smykalla im Rekurs auf Judith Butler die Kontingenz der Geschlechterdifferenz und die damit einhergehende Dauerhaftigkeit von Diskontinuitäten und Brüchen im Geschlechterverhältnis im Mittelpunkt der Betrachtung.
Die Arbeit von Gendertrainer/-innen
Die Kontingenzperspektive fundiert auch die empirische Untersuchung, deren Ergebnisse Smykalla im Hauptkapitel „Aushandlungsräume – Interventionen in gender-orientierter Weiterbildung und Beratung“ ausführlich darstellt. Sie unterteilt dabei die interviewten Gendertrainer/-innen in Gruppen mit eher organisations- und mit eher subjektorientierten Perspektiven.
Anhand der Interviews werden drei Dimensionen des Feldes genderorientierter Weiterbildung herausgearbeitet. Zunächst wertet Smykalla kursierende Lesarten von Gender Mainstreaming dahingehend aus, ob die Strategie als Chance oder als Bedrohung wahrgenommen wird. Danach setzt sie sich mit den Zielsetzungen der Trainer/-innen auseinander, also mit deren Verständnis von Gleichstellung und den Vorstellungen, was mit Gender Mainstreaming erreicht werden soll. Zuletzt befasst sie sich mit den Professionalisierungsmodi, also der Bedeutung der Tätigkeit als Gendertrainer/-in im Kontext der eigenen Berufsbiographie. In einer Zusammenfassung wird deutlich, wo sich Allianzen und Konkurrenzverhältnisse zwischen den Trainer/-innen auftun.
Besonders kritisch setzt sich Smykalla dabei mit dem Konzept des Team-Teachings in der Form des Gender-Teams auseinander, welches bei nahezu allen Gendertrainings praktiziert wird und bei ungenügender Reflexion Geschlechterdisparitäten auf Team- und Trainingsebene reproduzieren kann. Kritik äußert sie weiterhin an der eingangs erwähnten rein organisationsorientierten Perspektive: „Dabei wird die Auseinandersetzung um den Zusammenhang von Theorie und Praxis zugunsten der Machbarkeit entschieden. Die Auseinandersetzung mit dekonstruktivistischen Theorien wird wegen ihres Grades an Abstraktheit als eine Zumutung für die Teilnehmenden deklariert.“ (S. 234) Hierbei macht sich ein Bruch in der auf Ambivalenz basierenden Forschungsperspektive bemerkbar: Smykalla identifiziert bessere und schlechtere Gendertrainer/-innen. Um Wertungen dürfte es aber innerhalb des gewählten Paradigmas gar nicht gehen, sondern vielmehr um das Aufzeigen der Konstitutionsbedingungen und der Prozesshaftigkeit der Arbeit der Gendertrainer/-innen.
Im Anschluss daran definiert Smykalla Dilemmata professioneller Interventionsstrategien auf dem Feld der genderorientierten Weiterbildung, für welche sie funktional-fachliche und ideell-reflexive Lösungsstrategien identifiziert. Sie präferiert hier letztere, wenn sie dafür plädiert, die Lernebene der personenbezogenen Sensibilisierung nach Möglichkeit stärker in den Vordergrund zu rücken. Diese Ergebnisse sind aus der Perspektive der Ambivalenz nachvollziehbar, rücken sie doch deutlicher Widersprüche und Brüche in den Mittelpunkt.
Smykallas Schlussfolgerung, dass sich Gendertrainer/-innen mit den eigenen Verstrickungen und Positionierungen in Privilegierungs- und Diskriminierungsstrukturen auseinandersetzen und diese offenlegen und in den Trainings transparent machen müssen, ist konsequent. Ohne diese notwendige Selbstreflexion der Trainer/-innen liefen Gendertrainings Gefahr, die gleichen Hierarchie- und Ungleichheitsverhältnisse zu reproduzieren, welche sie für eine geschlechtergerechte, demokratisch verfasste Gesellschaft eigentlich zu überwinden suchen. Die didaktische Gestaltung von Trainings dürfe nicht hinter diesen Anspruch auf Komplexität zurückfallen, wofür das Offenhalten der Ambivalenz als Differenz sowie eine intersektionale Perspektive entscheidend sind. Als vielversprechende methodische Ergänzung zu dem von Smykalla Genannten sei hier noch der Anti-Bias-Ansatz erwähnt.
Ziel: geschlechteremanzipatorische Weiterbildung und Beratung
Das Buch schließt mit einer kritischen Reflexion der Praxis von Gendertrainer/-innen. Dabei wirft Smykalla konsequenterweise die Frage nach dem politischen Subjekt im Prozess des Gender Mainstreamings auf. Hier richtet sie alle Hoffnungen auf die Gendertrainer/-innen. Interessanterweise bleiben andere Akteur/-innen in Bezug auf emanzipatorisches Handlungs- und Widerstandspotenzial gegen die Ökonomisierung von Gender Mainstreaming eher unterbelichtet.
Daher wäre es ein meiner Meinung nach anzugehendes Forschungsdesiderat, den Transfer von Gender Mainstreaming in den Arbeitsalltag zu untersuchen. Hierbei könnte u. a. eine organisationssoziologische Studie aufschlussreich sein, die neben der in der Dissertation von Smykalla berücksichtigten Expert/-innenebene einen stärkeren Fokus auf die Aushandlung von Genderkompetenz im Arbeitsalltag legt und dies mit den bisherigen Expertisen zum Gender-Markt relational in Verbindung bringt. Ebenso könnte eine Netzwerkanalyse der Trainer/-innen, Auftraggeber/-innen und Teilnehmer/-innen ein lohnenswertes Forschungsvorhaben sein, um die Konstitutionsbedingungen von genderorientierter Weiterbildung und Beratung im Kontext von Ökonomisierung und Entgrenzung detaillierter zu erfassen und zu zeigen, wie unterschiedliche Akteur/-innen auf diesem Feld miteinander in Wechselwirkungen verstrickt sind.
Das Buch bietet, abschließend gesagt, eine lohnenswerte Expertise zu den Gendertrainer/-innen als Akteur/-innen in einem spezifischen Feld. Leider ist das Buch phasenweise nicht so flüssig zu lesen, wie ich mir das gewünscht hätte, da der rote Faden nicht immer erkennbar ist und die Autorin sich manchmal bei der Aufarbeitung verschiedener Diskurse im Kontext ihrer Fragestellung etwas verliert. Eine kleine Schwäche des methodischen Designs ist die Anonymisierung, da das Feld der Gendertrainer/-innen in der BRD sehr überschaubar ist und es nicht einfach ist, diese spezifische Feldlogik zu umgehen.
Ambivalenz als Forschungsperspektive stellt empirische Forschungsprojekte vor große Herausforderungen, erstens, weil sie eine starke Offenheit und Flexibilität von Wissenschaftler/-innen verlangt, zweitens, weil sie nahelegt, dass die gewonnenen Erkenntnisse nur eine Momentaufnahme sind, die morgen schon obsolet sein könnten, und drittens, da sie ein Grundproblem der Geschlechterforschungs aufwirft, welches in der Frage liegt, wie Geschlecht benannt und beforscht werden kann – ohne Geschlechterdifferenzen damit gleichzeitig festzuschreiben. Die von Smykalla zugrunde gelegte Forschungsperspektive der Ambivalenz könnte im Hinblick auf diese Herausforderungen für andere empirische Studien bereichernd sein.
Die Dissertation von Sandra Smykalla macht überzeugend deutlich, dass es für eine zukunftsfähige feministische Geschlechterforschung essenziell ist, ihre Forschungsgegenstände zu repolitisieren und aus ihnen heraus und nicht über sie hinweg zukunftsweisende Lösungsoptionen kritisch mitzugestalten.

http://www.querelles-net.de/index.php/qn/rt/printerFriendly/959/995

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