Liste Femanzen Prof. Dr. Sabine Berghahn (Liste Femanzen)
F385 Prof. Dr. Sabine Berghahn geboren 1952 in Detmold (NRW) – Studium der Jurisprudenz und Politikwissenschaften in München und Berlin - Berghahn arbeitete in mehreren interdisziplinären Forschungsprojekten und in Verwaltungsberatungsprojekten mit und hielt seit 1986 diverse Stellen in Forschung und Lehre in Berlin, insbesondere war sie ab 1986 Dozentin am Fachbereich politische Wissenschaft der Freien Universität Berlin. Sie übte Vertretungsprofessuren an Universitäten und Fachhochschulen in Bremen und Cottbus aus, war Gastwissenschaftlerin am Wissenschaftszentrum Berlin und war zwischenzeitlich als Rechtsanwältin, Journalistin und freie Wissenschaftlerin tätig - Sie leitete das von der Hans-Böckler-Stiftung geförderte „Projekt Ernährermodell“ der Freien Universität Berlin – Ihre Arbeitsschwerpunkte sind rechtliche Grundlagen der Politik und Verfassungsrecht, die Entwicklung Geschlechtergleichstellung und Antidiskriminierung sowie Familien- und Migrationspolitik – lehrt am Otto-Suhr-Institut für Politikwissenschaft der Freien Universität Berlin - Mitarbeiterin des Portals gender-politi-online (GPO) der Freien Universität Berlin - www.gender-politik-online.de - sabine.berghahn@uni-muenster.de - Berghahn@zedat.fu-berlin.de - Sabine.Berghahn@hwr-berlin.de - http://images.derstandard.at/t/12/2008/11/28/1227316841271.jpg
Männer und Frauen sind gleichberechtigt
"Podium"-Reihe: 60 Jahre Grundgesetz, Teil 4
Von Sandra Pfister
Unter den "Vätern des Grundgesetzes" im Parlamentarischen Rat gab es auch vier Frauen, die allerdings 61 Männern gegenübersaßen. Dennoch fand der Satz: "Männer und Frauen sind gleichberechtigt" 1949 seinen Weg ins Grundgesetz - ein "Wende auf dem Weg der deutschen Frauen", hieß es. Doch in der Praxis war davon lange wenig zu spüren.
"Hallo kleines Fräulein, haben Sie heut Zeit, mit mir auszugehen, nur zum Zeitvertreib. Dann sind wir so selig wie im Paradies, Gisela ich liebe dich, du bist süß."
Noch wird Gisela umschwärmt - aber wenn aus dem kleinen Fräulein eine Ehefrau wird, ist es vorbei mit dem Paradies. 1959 erscheint der Ratgeber "Die gute Ehe", der Gisela sagt, was ihre Pflichten sind. Nämlich,
"ihrem Mann ein Heim zu schaffen, in dem er wirklich zu Hause ist, in das er nach des Tages Arbeit gern zurückkehrt. Dabei muss immer das im Vordergrund stehen, was ihm besonders am Herzen liegt. Der eine verlangt unbedingte Ordnung, einem anderen ist es wichtiger, dass seine Ehefrau immer gepflegt aussieht und hübsch angezogen ist."
Der Ehe-Ratgeber atmet den Geist der Adenauer-Jahre. Im Nachkriegsdeutschland gehört die Frau an den Herd und zu den Kindern, der Mann sagt, wo's lang geht. Dabei hatten kurz nach dem Krieg noch die Frauen den Ton angegeben - mangels Alternative, viele Männer waren gefallen oder in Kriegsgefangenschaft. Die Anwältin und SPD-Politikerin Elisabeth Selbert beriet Frauen bei Scheidungen:
"Wie groß war immer das Erschrecken dieser Frauen, die vielleicht ihr ganzes Leben lang hinter dem Ladentisch gestanden und die bei der Scheidung mit leeren Händen aus dem Haus gingen. Wissen überhaupt die meisten Frauen, wie rechtlos sie sind? Die meisten Frauen wissen es nicht."
Wenn Mann nicht will, darf Frau weder ein Konto eröffnen, noch einen Beruf ausüben, obwohl nach langen Verhandlungen der Satz "Männer und Frauen sind gleichberechtigt" als Art. 3 Abs. 2 ins Grundgesetz findet. Zu verdanken ist das vor allem der Beharrlichkeit der Juristin Elisabeth Selbert, einer von vier Frauen, die im Parlamentarischen Rat 61 Männern gegenübersaßen. Am Tag darauf, am 19. Januar 1949 verkündet sie ihren Triumph.
"Dieser Tag war ein geschichtlicher Tag; eine Wende auf dem Weg der deutschen Frauen der Westzonen. Lächeln Sie nicht, es ist nicht falsches Pathos einer Frauenrechtlerin, das mich so sprechen lässt, ich bin Jurist ..."
Erst acht Jahre später, am 3. Mai 1957, verabschiedet der Bundestag das Gleichberechtigungsgesetz. Es schreibt die tradierte Rollenverteilung fort. Die Politikwissenschaftlerin Sabine Berghahn vom Otto-Suhr-Institut in Berlin:
"Es wurden zahlreiche Relikte wieder aufgenommen, beispielsweise das Leitbild der Hausfrauenehe wurde als verbindliches Leitbild wieder aufgenommen in das Gesetz."
Am heftigsten umstritten beim Gleichberechtigungsgesetz bleibt der Stichentscheid des Mannes. Nach der Lesart, die auch Konrad Adenauer verficht, soll der Mann weiterhin das letzte Wort bei allen Entscheidungen haben. Damit liegt er auf der Linie der CDU, die auch deren Abgeordneter Karl Weber bei der letzten Lesung des Gleichberechtigungsgesetzes am 3. Mai 1957 unterstreicht.
"Der Artikel 3, Abs. 2 lautet: Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Weshalb muss nun und soll nun der Mann diese Entscheidung treffen? Das entnehmen wir aus der ganzen Entwicklung seit Jahrhunderten."
Frauen dürfen nach dem Gesetz zwar erwerbstätig sein, allerdings nur, "soweit dies mit ihren Pflichten in Ehe und Familie vereinbar ist". Das ändert sich erst Ende der 70er-Jahre - fast 30 Jahre nach Inkrafttreten des Grundgesetzes gleicht die sozialliberale Koalition das Bürgerliche Gesetzbuch dem Gleichberechtigungsgebot der Verfassung an. Die schuldhafte Scheidung wird abgeschafft, der finanziell schwächere Teil erhält Anspruch auf Unterhalt. Die Eheleute sollen nun die Haushaltsführung in gegenseitigem Einverständnis regeln; die Ehefrau darf grundsätzlich berufstätig sein.
"Sei immer bescheiden, verlang nicht zuviel, dann kommst zwar langsam, aber sicher zum Ziel."
Frauen in Deutschland verdienen aber noch immer im Schnitt ein Viertel weniger als ihre männlichen Kollegen - so groß ist der Einkommensunterschied nirgendwo sonst in Europa. Die Soziologin Kathrin Leuze vom Berliner Wissenschaftszentrum für Sozialforschung:
"Es ist vielleicht ein Problem, dass sie das Falsche studiert haben. Aber unsere Forschung zeigt auch, dass die Nachteile darüber kommen, dass Frauen, wenn sie zum Beispiel Geisteswissenschaften studieren, deswegen schlechtere Chancen haben, weil es so viele Frauen studieren. Insofern ist das auch so ein Teufelskreis."
" Raus mit den Männern ausm Reichstag, raus mit den Männern ausm Landtag, raus mit den Männern ausm Herrenhaus, wir machen draus ein Frauenhaus."
1961 - zwölf Jahre nach Gründung der BRD - wollen die Frauen im Bundestag endlich eine Ministerin im Kabinett Adenauer sehen. Fides Krause-Brewer, spätere ZDF-Korrespondentin, erinnert sich:
"Es ging also bei seiner letzten Regierungsbildung darum, ob nun Frau Dr. Schwarzhaupt einen Ministerposten bekommen sollte, was die Frauen verlangt hatten, Aber er hat, weil ihm das nicht Recht war, hat er sich damit gerächt, dass er in Kabinettssitzungen, wenn von ihrem Ressort die Rede war, hat er sie stereotyp immer als 'datt Fräulein Schwarzhaupt angeredet', immer."
Dass aus Fräuleins und Mädchen sogar Bundeskanzlerinnen werden können, beweist Kohls "Mädchen", Angela Merkel. Am 22. November 2005 wird sie zur ersten Bundeskanzlerin vereidigt:
"Ich schwöre, dass ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde. So wahr mir Gott helfe."
Eine Frau im Kanzleramt - noch lange nicht die letzte Wegmarke der Gleichberechtigung. Familie und Beruf sollen künftig - für Männer und für Frauen - besser unter einen Hut passen. Darum setzt die CDU-Familienministerin Ursula von der Leyen vor zwei Jahren den Ausbau von Kinderbetreuungsmöglichkeiten durch und führt ein Elterngeld ein. Die Idee geht zurück auf die Sozialdemokratin Renate Schmidt, in der Union stößt sie auf erheblichen Widerstand. Auch bei den Wählern ist das Thema kein Selbstläufer.
http://www.dradio.de/aktuell/965143/
Von Larissa Schulz-Trieglaff
In der Reihe PDS-Forum 2000plus diskutierten zu Wochenbeginn in Berlin Künstler, Wissenschaftler und Politiker über Familie und Sinn und Unsinn der Ehe.
Bettina (52) hat immer versucht, es allen Recht zu machen. Ihren Kindern, ihrem Mann. Sie war ihm treu, weil sie dachte, das müsse so sein, er nicht. Bis sie Ende 40 war und eine Beziehung begann mit einem wesentlich jüngeren Mann. Sie wollte endlich wieder eigene Wünsche verwirklichen. Zum Auftakt des PDS-Abends las Martina Rellin, Ex-Chefredakteurin der Zeitschrift »Das Magazin«, Auszüge aus ihrem eben erschienenen Buch »Ich habe einen Liebhaber«, in dem Frauen von ihren heimlichen Geliebten erzählen. Da ist Christine (48), die mit einem Mann verheiratet ist, mit dem sie sich nicht mehr versteht. Sie liebt einen anderen, der Kinder hat, ein Haus und eine Frau. Auch dessen Ehe beruht mehr auf Abhängigkeiten. Christines Schwester rät von einer Scheidung ab: »Denk an deine Versorgung.«
Ehe als Hafen für Frust und Konflikte? Liest man diese Beispiele, fällt einem kein Grund ein, der Menschen noch ins Standesamt oder sogar vor den Traualtar treibt. Und obwohl es keinen Heiratszwang mehr gibt, ist die mit staatlichem Segen legitimierte Zweierbeziehung längst nicht ausgestorben. Nach wie vor wird viel geheiratet – und viel geschieden. Gleichzeitig gibt es alle möglichen Lebensformen mit und ohne Kinder: Fernbeziehungen, Paare ohne Trauschein, Wohngemeinschaften, Kommunen, überzeugte und nicht überzeugte Singles. Die Ehe als Auslaufmodell? Eher nicht, darin waren sich die Diskutanten auf dem Podium einig. Ihre Sichtweisen auf die Ehe waren dafür umso unterschiedlicher.
Frauen als Erwerbstätige nicht ernst genommen
»An die Ehe sind immer noch Rechte geknüpft, die Menschen, die in anderen Beziehungen leben, nicht haben«, sagte Christina Schenk, familienpolitische Sprecherin der PDS-Bundestagsfraktion. Damit meinte sie unter anderem das Ehegattensplitting, das die traditionelle, patriarchale Ehe mit Mann als Familienernährer und Frau als Zuverdienerin auch unter Rot-Grün zementiert. Denn vom Splitting profitieren nur jene Ehepartner, bei denen einer (in der Realität meistens der Mann) ein wesentlich höheres Einkommen hat. 25 Milliarden Euro Steuerausfälle im Jahr hätte der Staat damit, so Schenk. Allein erziehende oder unverheiratete Paare, aber auch verheiratete Paare mit gleichhohem Einkommen, werden benachteiligt.
In eine ähnliche Richtung ging Sabine Berghahn, Juristin und Wissenschaftlerin. Die Ehe sei einfach überholt, sagte sie. »Im 19. Jahrhundert war sie die einzige legitime Form für einen Mann und eine Frau zusammenzuleben.« Das hat sich grundlegend geändert. Allerdings entspricht die Rechtsform längst nicht der heutigen Realität. »Frauen als Erwerbstätige werden nicht ernst genommen«, sondern rechtlich noch immer über ihre Ehemänner definiert. Daher forderte Berghahn, dass das Individuum besteuert werde, nicht das Ehepaar.
Ehe als Illusion. Für viele Menschen sei die Ehe ein Traum, die Heirat ein Akt, mit dem die Liebe zementiert werden solle, sagte Martina Rellin. »Viele Männer und Frauen sind unglücklich in ihren Ehen.« Wahrscheinlich seien noch viel zu wenige geschieden. »Der Mythos Ehe richtet einen unglaublichen Schaden in den Köpfen der Menschen an«, sagte Christina Schenk. Ihnen werde suggeriert, dass es nur dort den Kinder gut gehe. Dabei ist das Gefüge so zerbrechlich.
Was überhaupt ist eine intakte Ehe, fragte Gerhard Hafner, Psychologe, der mit gewalttätigen Männern arbeitet. Die Ehe sei eben auch ein Ort der Gewalt. Bei Trennungen würde ein Teil der Männer mit Gewalt reagieren. In der Vergangenheit wurde die Ehe vom Staat oft auf Kosten der Frauen geschützt, die ökomomisch abhängig waren. Jürgen Borchert, Richter am hessischen Landessozialgericht, wollte die miese ökonomische Situation und die niedrigen Männerlöhne für die Gewaltbereitschaft mancher Männer verantwortlich machen. Nur, wurde ihm entgegengehalten, eine allein erziehende Verkäuferin läuft auch nicht Amok oder schlägt die Kaufhauseinrichtung zusammen auf Grund ihres niedrigen Gehalts. Was also ist eine intakte Ehe? Meistens etwas vorübergehendes, zeitweiliges. Wie alle Beziehungen ist sie Veränderungen, Begrenzungen unterworfen. Nur wird heute noch Ehe gleichgesetzt mit dauerhafter Intaktheit. Intaktsein bedeutet funktionsfähig sein. Einige Ehen funktionieren nur, weil sie meinen, es zu müssen.
Familie ist einfach dort, wo Kinder sind
»Der Staat soll sich raushalten aus der Gestaltung zwischenmenschlicher Beziehungsformen«, forderte Christina Schenk. Er habe nicht das Recht, zu definieren, was Familie ist. Traditionell wird Familie gleichgesetzt mit Ehe plus Kinder. Allein erziehende, Patchworkfamilien, unverheiratete Paare, Lesben, Schwule fallen da raus. Familie aber ist, wo Kinder sind, hat Familienministerin Christine Bergmann mal gesagt. »Und Familie ist, wo Nähe ist«, fügte Schenk hinzu. Jeder muss selbst entscheiden, wer zur Familie gehört (*) : Kinder, Freunde, Eltern, Partner, Partnerin. Laut Schenk müsse die Politik ihre Förderung an die Kinder binden und an die Menschen, die mit ihnen leben. Nicht an die Beziehungsform der Erwachsenen.
Der Staat schreie, es gibt zu wenig Kinder, aber er ist nicht bereit, die Sozialstruktur zu Gunsten der Kinder zu verbessern, sagte Claudia Pinl, Buchautorin, Journalistin, Feministin. Ebenso würde es Frauen auf Grund der harten Konkurrenz im Arbeitsleben schwerer gemacht, Kinder zu bekommen. Frauen mit Kindern sind beruflich schnell außen vor. Oft heißt es: Kinder oder Erwerbstätigkeit – dazwischen gibt es ziemlich wenig. Daher ist von den unter 40-Jährigen jede dritte Frau kinderlos, von denen mit akademischer Ausbildung sogar die Hälfte.
Pinl allerdings interpretierte diese Entwicklung gar als Gebärstreik. Frauen hätten unter diesen schlechten Bedingungen keine Lust, Kinder zu bekommen. Daher müssten die Einkommen zwischen den Geschlechtern gerechter verteilt werden, forderte sie. Andererseits müssten sich die Frauen auch mehr trauen. Die geschlechtsspezifische Sozialisation führe noch immer dahin, dass Frauen sich eher mit schlechteren Stellen und niedrigeren Einkommen zufrieden geben. Welcher Mann wird schon Zahnartzhelfer? Immer die gleichen Fragen und zu wenig Antworten von Seiten der Regierungspolitik.
Aufgefrischt wurde die abendliche Debatte von Caspar & Bianca, einem lesbischen Musikkabarett. In ihrer Ode an die werktätige Frau sangen sie eine kleine skeptische Hymne auf ihre gestressten und leicht workoholischen Freundinnen. Nachdem die anfängliche Verliebheit abflaute und sich der Alltag einstellte, bekamen sie ihre Frauen immer weniger zu Gesicht, beklagen sie. Das Problem löste sich dadurch, dass sie selbst zu Workoholics werden. Alles ganz einfach? Nein. Nichts ist einfach beim Thema Beziehung, Ehe, Familie.
ND 31.01.02
www.nd-online.de/artikel.asp?AID=11942&IDC=3
http://www.vaeter-aktuell.papaserver.de/politik/politik-2002/PDS_20020131.htm
Das Portal gender-politik-online wird gestaltet von einer Gruppe von Wissenschaftlerinnen, die am Fachbereich Politik- und Sozialwissenschaften der Freien Universität Berlin mit einem Schwerpunkt in der Geschlechterforschung arbeiten, mit dabei u.a. Prof. Dr. Brigitte Wehland-Rauschenbach (Projektleitung), Dr. Sabine Berghahn (stellvertretende Projektleitung) und Barbara Strobel.
Die Geschlechterverhältnisse sind seit geraumer Zeit zu einem anerkannten Gegenstand der Sozialwissenschaften geworden, vor allem der Politikwissenschaft und der Soziologie. Es handelt sich um ein Querschnittthema, das alle Teilgebiete des jeweiligen Faches berührt, vom geschlechtsspezifischem Wahlverhalten über ungleiche Chancen im Erwerbsleben bis zur grundlegenden Infragestellung der Prämissen "klassischer" politischer Philosophen und Gesellschaftstheoretiker. Zudem zeigt sich die unmittelbare Praxisrelevanz von Kenntnissen zur Kategorie "Gender" beispielsweise in der heute allgegenwärtigen Strategie des "Gender Mainstreaming", mit deren Hilfe das Geschlecht zum integralen Bestandteil aller politischen Entscheidungsprozesse in der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten gemacht werden soll.
Den Schwerpunkt Geschlechterforschung wollen die Wissenschaftlerinnen mit dem Portal auch im Internet präsent und allgemein zugänglich machen. Sie reagieren damit auf den Mangel an geschlechterwissenschaftlichen Lehr- und Lernmaterialien im Netz und verstehen das Projekt daher auch als Ergänzung anderer fachlicher Wissenschaftsportale, soweit dort Geschlechterthemen nicht systematisch berücksichtigt werden.
http://web.fu-berlin.de/f-polsoz/projekte.html
Eine moderne, innovative Gesellschaft nutzt die vielfältigen Potentiale
ihrer Mitglieder und bietet allen die gleichen Chancen auf ein
selbstbestimmtes, von Rollenzwängen freies Leben. Eine solche
Gesellschaft sollte von einer ausgewogenen Repräsentation und
gleichberechtigten Teilhabe von Frauen und Männern und anderen
Personengruppen geprägt und durch eine effektive Anti-
Diskriminierungspolitik gekennzeichnet sein. Die Realität in der
Bundesrepublik Deutschland zeigt bisher in vielen Bereichen ein
anderes Bild. Frauen sind trotz gleicher Rechte vor allem bei
beruflicher Teilhabe und Einkommen noch immer deutlich
benachteiligt. Diskriminierung und Ausgrenzung gehören für viele
Menschen zum Alltag. Das Recht liefert oft keine effektiven Mittel zur
Vermeidung oder zum Abbau von Diskriminierung oder mangelnder
Repräsentation. Gleichberechtigte Teilhabe bleibt so in vielen
Bereichen ein normatives Versprechen.
Die Veranstaltung liefert eine Einführung in die grundlegenden
Fragestellungen des Anti-Diskriminierungsrecht sowie in die damit
zusammenhängenden sozialwissenschaftlichen Forschungsfragen, die
sich mit Repräsentation und gleichberechtigter Teilhabe beschäftigen.
Studium Generale _Mittendrin und außen vor_.doc
"Nach den Interpretationen der Trägerinnen wird nicht gefragt"
MARIA FANTA, 25. Juli 2009, 17:21
Rechtswissenschafterin Sabine Berghahn über rechtliche und historische Hintergründe der Kopftuch-Debatte in Europa
Die Rechts- und Politikwissenschafterin Sabine Berghahn analysiert gemeinsam mit sieben weiteren internationalen ForscherInnenteams im EU-Projekt VEIL ("Values, Equality and Differences in Liberal Democracies. Debates about Muslim Headscarves in Europe") die Ursachen der unterschiedlichen Regelungen rund um das islamische Kopftuch in Europa. Im dieStandard.at-Interview spricht sie über den Ausreißer Deutschland, die türkische Auffassung von Modernität und Nordeuropas faire Regeln. Die Fragen stellte Maria Fanta.
dieStandard.at: In Österreich ist der Islam seit 1912 als Glaubensgemeinschaft anerkannt und hat heute den Status einer Körperschaft öffentlichen Rechts. Wie sieht die rechtliche Situation in anderen europäischen Ländern, zum Beispiel Deutschland, aus?
Sabine Berghahn: Im Gegensatz zu den großen christlichen Kirchen oder den jüdischen Gemeinden ist der Islam in Deutschland keine Körperschaft des öffentlichen Rechts, sondern als Körperschaft des Privatrechts anerkannt. Dabei handelt es sich um eine sehr heterogene Landschaft der islamischen Gemeinschaften in Deutschland und darin liegt auch ein großes Problem.
dieStandard.at: Warum?
Sabine Berghahn: Die Körperschaften des öffentlichen Rechts, also die lange etablierten Religionsgemeinschaften, haben einen Status, der mit diversen Privilegien verbunden ist. Das ist vor allem historisch zu erklären. Denn am Ende des deutschen Kaiserreichs wurden die Staatskirchen abgeschafft. In der Weimarer Republik haben diese Kirchen aber trotzdem ihren Status als öffentlich-rechtliche Körperschaften weiterführen können. Dieses System ist auch in der Bundesrepublik übernommen worden und so konnten die Kirchen diesen privilegierten Status behalten. Diese Privilegien gelten für jene Religionen, die in Deutschland neu sesshaft geworden sind, eben nicht. Sie sind nur privatrechtlich organisiert.
dieStandard.at: Wie sieht der rechtliche Hintergrund in England aus, ein Land, das im Zuge des Projekts VEIL auch untersucht wurde?
Sabine Berghahn: In England gibt es zwei Staatskirchen und sonst eine Gleichordnung auf der privatrechtlichen Ebene. Der Gesamtzusammenhang ist dort ein anderer, weil der Liberalismus die herrschende Anschauung ist und der Staat sich von vornherein nicht so in die gesellschaftlichen Aspekte einmischt.
In dem Sinn hat dieses Nichtvorhandensein des öffentlich-rechtlichen Statuses für muslimische Gemeinden in Deutschland natürlich eine stärkere Bedeutung als in Großbritannien, wo es vollkommen egal ist, welche Statusform diese muslimischen Körperschaften haben.
dieStandard.at: Und in Nordeuropa?
Sabine Berghahn: In Norwegen und Dänemark gibt es auch heute noch Staatskirchen, in Schweden wurden sie abgeschafft. Aber das macht eigentlich keinen großen Unterschied, weil sich diese Länder politisch einer liberalen Auffassung verpflichtet fühlen. Sie tarieren die Rechte der Religionsgemeinschaften und des Einzelnen gegen das Interesse der Mehrheit der Bevölkerung, die einer bestimmten Kirche angehören, aus. Es findet ein Abwägungsprozess statt. Das Ergebnis sind fairere Regeln. Die Religionsfreiheit des Einzelnen und der Gruppen wird auch dann hochgehalten, wenn es Minoritäten sind.
Das ist in Deutschland formal auch so. Denn alle Länder, die Menschenrechte und Grundfreiheiten akzeptiert und festgeschrieben haben, müssen einen solchen Ausgleich herbeiführen. Aber ob sie das dann tatsächlich tun oder kollektivistische Aspekte viel stärker berücksichtigt werden, das ist dann eine Frage der Realpolitik und der jeweiligen politischen Strömungen.
dieStandard.at: Die Regelungen zum Tragen des Kopftuches unterscheiden sich in den verschiedenen europäischen Ländern. Wie sieht der gesetzliche Hintergrund aus?
Sabine Berghahn: Es gibt sehr große Unterschiede. Wir haben im Zuge des VEIL-Projekts acht verschiedene Länder ausgewählt, sieben EU-Länder und die Türkei, weil sie beispielhaft und aussagekräftig für bestimmte Umgangsweisen sind. Innerhalb dieser acht Länder haben wir drei Staat-Kirche- oder Staat-Religion-Regime.
Die sehr streng säkularen, also laizitären Staaten sind nur Frankreich und die Türkei. Die beiden anderen Regime sind sich im Hinblick auf das Kopftuch sehr ähnlich, nämlich eher tolerant und liberal. Das sind einerseits die neutralen Staaten, wie Deutschland, Österreich und die Niederlande, wo Staat und Kirche getrennt sind, aber eine kooperative Haltung von Seiten des Staates existiert, und andererseits die Staatskirchen-Länder; in unserem Projekt sind das Großbritannien, Dänemark oder auch Griechenland.
dieStandard.at: Es gibt jedoch liberale Länder, die jetzt ihren lockeren Umgang mit dem Kopftuch ändern.
Sabine Berghahn: Es gibt den Ausreißer Deutschland und auch Tendenzen der Verschärfung in anderen Ländern; zum Beispiel wird ein Kopftuchverbot für Richterinnen in Dänemark diskutiert. In Holland gibt es auch eine ministerielle Verfügung, dass Richterinnen und Gerichtsbeschäftigte kein Kopftuch tragen dürfen.
Stärkere Verhüllungen wie Burka und Gesichtsverschleierung sind natürlich sehr umstritten und Gegenstand von Verboten oder dem Versuch zu verbieten. Aber da sind die meisten Diskussionen noch im Gange und es ist noch nicht alles klar entschieden.
In Großbritannien gibt es beispielsweise bestimmte Regularien für Schulen und Gerichtspersonen. Dabei geht es darum, ob die Kommunikation aufrechterhalten werden kann. Diese Bestimmungen richten sich überhaupt nicht gegen das Kopftuch, sondern nur gegen den Gesichtsschleier - und immer nur dann, wenn die Kommunikation nicht mehr unverstellt stattfinden kann. Dann kann der Schleier verboten werden. Das wird aber dezentral vom Schulleiter oder der Schulleiterin verboten und nicht durch ein Gesetz oder übergeordneten Behörden.
dieStandard.at: Wieso ist Deutschland ein Ausreißer?
Sabine Berghahn: Deutschland ist insofern ein Ausreißer, als dort ja eine Tradition der offenen Neutralität praktiziert wird. Das heißt, man trennt nicht zwischen Öffentlichkeit und Privatheit und verbietet öffentlich Beschäftigten nicht, ihre Religion zu zeigen. Aber das hat implizit nur für christliche, und vielleicht auch jüdische Symbole und Kleidungsstücke gegolten. Für den Islam scheint es nicht zu gelten - nach Meinung der Bevölkerung und einiger herrschender Politiker.
So hat sich nach einem verfassungsgerichtlichen Urteil von 2003 ergeben, dass einige Bundesländer in Deutschland das Kopftuch für Lehrerinnen verboten haben. In fünf Bundesländern, wo eine Nähe zu christlichen Bekenntnissen existiert, wurde dann in der Formulierung unterschieden und eine Art Ausnahmeklausel untergebracht, damit dieses Verbot, religiöse Kleidung zu tragen und Symbole zu zeigen, nicht für die Darstellung christlich-abendländischer Traditionen und Werte gilt.
Was das heißen sollte, war natürlich ein wenig unklar. Von der Intention her sollte es eine Ausnahme für den Nonnen-Habit und die jüdische Kippa sein. Man wollte nur das Kopftuch verbieten. Gerichte haben dann aber entschieden, dass das gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstößt und dass durch dieses Gesetz auch andere religiöse Symbole verboten sind.
dieStandard.at: Wie haben die anderen Bundesländer entschieden?
Sabine Berghahn: Drei Bundesländer haben von vornherein alle religiösen Symbole verboten. Das sind die norddeutschen Bundesländer Berlin, Bremen und Niedersachsen. Die andere Hälfte der deutschen Bundesländer hat gar keine neue Regelung getroffen. Sie praktizieren weiterhin die alte Regelung, dass man von Fall zu Fall unterscheidet. Religiöse Symbole sind dann erlaubt, wenn sie nicht missionarisch oder als politisches Symbol eingesetzt werden und die Neutralität des Staates gewahrt wird.
dieStandard.at: Welche Assoziationen mit dem islamischen Kopftuch gibt es in Deutschland?
Sabine Berghahn: Die Gegner des Kopftuch-Tragens assoziieren in erster Linie einen Verstoß gegen die staatliche Neutralität, weil sie darin eine islamisch-fundamentalistisch-politische Aussage sehen und eine Separierung von der Mehrheitsgesellschaft.
Das zweite Argument ist ein Verstoß gegen die Geschlechtergleichbehandlung. Das sind Interpretationen und müssen überhaupt nicht mit den Interpretationen der Trägerinnen des Kopftuches übereinstimmen. Aber nach den individuellen Interpretationen der Trägerinnen wird nicht gefragt.
dieStandard.at: Wie sieht die Situation in den laizitären Staaten Frankreich und der Türkei aus?
Sabine Berghahn: Da ist das Gegenteil der Fall, denn in diesen Ländern gibt es restriktive Verbotsregelungen durch Gesetze, beziehungsweise in der Türkei wird das Verbot aus der Verfassung abgeleitet.
Im Jahr 2008 gab es in der Türkei den Versuch, diesen Bann zu lockern. Er wurde aber vom Verfassungsgericht aufgehoben. Man kann annehmen, dass diese Diskussion jetzt für die nächsten Jahre beendet ist. Dann gilt weiterhin ein striktes Kopftuchverbot, auch für Studentinnen.
Denn Hauptstreitpunkt und Gegenstand der Lockerung waren, dass wenigstens Studentinnen, die ja schon erwachsen sind, selbst entscheiden können, ob sie sich bedecken oder nicht. Aber selbst das ist gescheitert, weil die Nicht-Verhüllung von Frauen für die Türkei offenbar das Hauptkriterium für Modernität und Offenheit gegenüber modernen Entwicklungen zu sein scheint.
Das muss man politisch interpretieren, für die Betroffenen ist es natürlich problematisch. Der europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat aber entschieden, dass es Ländern erlaubt ist, das Recht auf Religionsfreiheit einzuschränken, wenn es zur Aufrechterhaltung der demokratischen Ordnung notwenig ist.
Diese Entscheidungen wurden kritisiert, vorläufig bleibt es aber bei dieser Rechtssprechung. Fälle, wo Frauen mit Kopftuch in der Privatwirtschaft diskriminiert werden, sind natürlich andere Angelegenheiten. Sie müssen unter Umständen vom Europäischen Gerichtshof entschieden werden und da bin ich sehr optimistisch, dass auch die Verbote für den öffentlichen Dienst, wie sie in Deutschland existieren, sicherlich kritisch betrachtet und möglicherweise verändert werden müssen. (dieStandard.at, 28. November 2008)
Zur Person
Sabine Berghahn ist Juristin und Politikwissenschafterin und arbeitet am Otto-Suhr-Institut für Politikwissenschaft an der Freien Universität Berlin.
--
Die ultimative Dienstleistungsoffensive des Antifeminismus
Ein bisschen Frauenhass steht jedem Mann!
wikimannia statt femipedia
gesamter Thread: