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Wieviel »Gleichberechtigung« verträgt das Land?

How much »equality« the country can stand?

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Liste Femanzen Rosa Logar (Liste Femanzen)

Oberkellner @, Sunday, 17.05.2015, 15:54 (vor 3484 Tagen)

F418 Rosa Logar AUT – geboren 1958 – Dipl.-Sozialarbeiterin – Mitbegründerin des ersten österreichischen Frauenhauses 1978 in Wien – Lehrtätigkeit an Fachhochschulen für Sozialarbeit in Wien - Durchführung von Seminaren zum Thema „Gewalt in der Familie“ in der Aus- und Fortbildung von Justiz, Polizei, Gesundheits-und Sozialwesen seit 1989 - Mitarbeit am Bundesgesetz zum Schutz bei Gewalt in Familien (GeSchG); Mitbegründerin des Europäischen Netzwerks gegen Gewalt an Frauen WAVE; Mitarbeit an mehreren EU Projekten zur Prävention von Gewalt in der Familie - Obfrau des Vereins AÖF (Autonome Österreichische Frauenhäuser) - Publikationen: Mitautorin von „Eingebrochenes Tabu. Frauenhäuser in Österreich (1988), „Gewalt gegen Frauen in der Familie“ (1995), „Gewaltbericht des Familienministeriums“ (2001); Mitherausgeberin des Buches „Gewalttätige Männer verändern (sich)“ (2002) und andere Publikationen, Handbücher und Trainingsmanuals - rosa.logar@interventionsstelle-wien.at – http://images.derstandard.at/t/12/2009/09/24/1253604925174.jpg - http://www.wave-network.org/sites/default/files/rosa_web.jpg - http://fotoservice.bundeskanzleramt.at/.imaging/stk/bka-fotoservice/foto-detail/dms/bka-fotoservice/bundesministerin_heinisch-hosek/fotos_2010_heinisch-hosek/auszeichnung_durch_global_network_of_wo...

4.000 Fälle pro Jahr: Leiterin Logar zufrieden mit Gewaltschutzgesetzen in Österreich, "aber sie werden nicht immer angewendet"
Wien - Die Zunahme an Gewalttaten in der Familie bekommen die Interventionsstellen zu spüren. "Wir haben im Jahr etwa 4.000 Fälle zu betreuen", sagt Rosa Logar, Leiterin der Wiener Interventionsstelle gegen Gewalt in der Familie. Dazu zählen nicht nur jene, die in die Statistik der Wegweisungen und Betretungsverbote fallen, sondern beispielsweise auch Stalkingfälle.
"Wir haben täglich Akutfälle, etwa zehn Prozent der Betroffenen sind sehr gefährdet. Wir arbeiten wie eine Intensivstation auf sozialer Ebene", so Logar.
Hemmschwelle im ländlichen Gebiet höher
Die Statistik der Wegweisungen zeigt ein deutliches Stadt-Land-Gefälle auf. Im städtischen Raum - vor allem in Wien - werden mehr Betretungsverbote für Gewalttäter verhängt als am Land. Dass es in der Stadt mehr aggressive Menschen gebe, "ist sehr unwahrscheinlich", meint Logar. Viel eher gebe es am Land eine größere Hemmschwelle Hilfe, zu suchen und sich als Betroffene zu deklarieren. Außerdem scheuen sich laut Logar "Polizisten am Land eher davor, sich einzumischen als solche in der Stadt". Aus dem einfachen Grund, "weil man den Betroffenen oft kennt". Am Land wird häufig viel zu lange zugewartet, obwohl eh schon gemunkelt werde oder "jeder weiß", dass es in bestimmen Familien Probleme gebe.
Wegweisung "heilsames Mittel"
Im europäischen Vergleich stehe Österreich laut der Expertin bei den Maßnahmen gegen Gewalt in der Familie gut da. "Die Gesetze sind gut, sehr gut sogar. Aber sie werden nicht immer angewendet". Grundsätzlich kann eine Wegweisung ein heilsames Mittel sein, um zu zeigen, "wir tolerieren das nicht". Das "ist eine echte Warnung, die rote Karte", sagte Logar.
Trennung als Gewaltmotor
Die schwersten Gewalttaten passieren in der Zeit von Trennung und Scheidung. In Österreich werden jährlich 30 bis 40 Frauen ermordet, viele von ihnen von ihren Ehemännern oder Ex-Partnern. Oft ist aber auch Geld ein Auslöser für Schläge. "Es gibt Frauen, die nicht genug Geld für Essen oder Kinder für Schulsachen bekommen während der Mann trinkt, raucht und ein Auto hat", meint die Interventionsstellen-Leiterin. (APA)

http://diestandard.at/1253596489401/Interventionsstellen-Arbeiten-wie-Intensivstation-auf-sozialer-Ebene


Aktuelle Maßnahmen gegen Gewalt an Frauen in Europa
Der Artikel von Rosa Logar erschien im Tätigkeitsbericht 2010 der Wiener Interventionsstelle gegen Gewalt in der Familie. Wien, Juni 2011.
Die neue Konvention des Europarates zur Prävention und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt
Bei dem Dritten Gipfel der Staats- und Regierungschefs des Europarates, der im Mai 2005 in Warschau stattfand, bekannte sich der Europarat dazu, seine Maßnahmen gegen Diskriminierung aufgrund des Geschlechts und gegen Gewalt zu verstärken. In der Warschauer Schlusserklärung heißt es dazu: „Wir werden auch weiterhin Maßnahmen zur Schaffung von Chancengleichheit in unseren Mitgliedsstaaten durchführen und unsere Anstrengungen intensivieren, um eine wirkliche Gleichstellung von Mann und Frau in allen Bereichen unserer Gesellschaften herzustellen. Wir verpflichten uns, Gewalt gegen Frauen und Kinder, auch häusliche Gewalt, zu bekämpfen.“
Bei dem Gipfel wurde ein Aktionsplan zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen beschlossen und in der Folge wurde eine Arbeitsgruppe, die Council of Europe Task Force to Combat Violence against Women, including Domestic Violence (EG-TFV) eingerichtet.1 Diese Arbeitsgruppe erstellte einen Plan für eine europaweite Kampagne gegen Gewalt an Frauen, inklusive häusliche Gewalt, die von 2006 – 2008 durchgeführt wurde. Die Institutionen des Europarates, allen voran die Parlamentarische Versammlung, sowie der Kongress der Gemeinden und Regionen und die Mitgliedstaaten wirkten aktiv an der Kampagne mit.
1 Rosa Logar, Geschäftsführerin der Wiener Interventionsstelle gegen Gewalt in der Familie, wurde von Österreich als eine der acht Expertinnen in dieser Arbeitsgruppe nominiert und war zwei Jahre lang in ihr tätig.
2 Europarat Fact Sheet für die Kampagne “Stopp häusliche Gewalt an Frauen”: http://www.coe.int/t/dg2/equality/domesticviolencecampaign/Fact_Sheet_en.asp
Im Zuge der Kampagne wurde festgestellt, dass Gewalt an Frauen, inklusive häusliche Gewalt zu den schwersten Formen der geschlechtsspezifischen Menschenrechtsverletzungen gehört und dass ein Fünftel bis ein Viertel aller Frauen in Europa zumindest einmal in ihrem Leben von Gewalt durch einen Partner oder Ex-Partner betroffen sind.2 Die Arbeitsgruppe stellte im Abschlussbericht auch fest, dass Kinder immer von häuslicher Gewalt mit betroffen sind und dass auch verstärkte Maßnahmen zum Schutz der Kinder notwendig sind (Council of Europe 2008, S. 46 und S. 79).
Ein grundlegendes Ergebnis der Kampagne war, dass in Europa weiterführende und verstärkte Maßnahmen gegen Gewalt an Frauen und häusliche Gewalt notwendig sind, um dieses schwerwiegende Problem, das die Grundfesten jeder demokratischen Gesellschaft angreift, zu bekämpfen. Die Council of Europe Task Force to Combat Violence against Women, including Domestic Violence (EG-TFV) empfahl daher in ihrem Abschlussbericht, die Erstellung und Verabschiedung einer Konvention des Europarates gegen Gewalt an Frauen (Council of Europe 2008). Im Jahr 2006 beschäftigte sich auch die Konferenz der Justizminister des Europarates mit der Frage eines rechtlich bindenden Instrumentes gegen Wiener Interventionsstelle gegen Gewalt in der Familie Aktuelle Maßnahmen gegen Gewalt an Frauen in Europa
Partnergewalt und eine Studie kam ebenfalls zu dem Ergebnis, dass ein solches notwendig sei.
Zur Umsetzung dieser Vorschläge beschloss der Europarat Im Dezember 2008, ein Ad Hoc Komitee einzurichten, das damit beauftragt wurde, ein oder mehrere rechtlich bindende Instrument zur Verhinderung und Bekämpfung von Gewalt an Frauen und häuslicher Gewalt zu erstellen. Das Komitee mit dem Namen „Ad Hoc Committee on Preventing and Combating Violence against Women and Domestic Violence (CAHVIO) nahm im April 2009 seine Arbeit auf. Im Mai 2009 wurde ein Zwischen-bericht erstellt (Council of Europe 2009).
Österreich, vertreten durch das federführende Bundesministerium für Justiz und das Bundeskanzleramt/Frauenministerin, nahm von Anfang an aktiv an den Beratungen des CAHVIO Komitees teil und konnte seine Erfahrungen und seine vorbildhafte Arbeit im Bereich der Prävention von Gewalt an Frauen und häuslicher Gewalt vielfach einbringen.3
3 Rosa Logar wurde von der Frauenministerin als Vertreterin Österreichs im CAHVIO Komitee nominiert und arbeitete von 2008–2010 an der Konvention mit.
Insgesamt tagte das CAHVIO Komitee, an dem neben den VertreterInnen der Mitgliedstaaten auch verschiedene Einheiten des Europarates, Beobachterstaaten des Eu-roparates, die Europäische Union, internationale Organisationen wie UN Women und UNHRC, sowie NGOs teilnahmen, in neun sehr intensiven Sitzungen. Im Dezember 2010 konnte das Komitee seine Arbeit abschließen und im Jänner 2011 auch die Arbeit an den Erläuterungen zur Konvention finalisieren. Die neue „Council of Europe Convention on preventing and combating violence against women and domestic violence” konnte, nach einigen schwierigen Nachverhandlungen auf der politischen Ebene, am 11. Mai 2011 planmäßig vom Ministerkomitee des Europarates in Istanbul angenommen werden (Council of Europe 2011).
Dreizehn Mitglieder des Europarates (Deutschland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Island, Luxemburg, Montenegro, Österreich, Portugal, Schweden, Slowakei, Spanien und Türkei) unterschrieben die Konvention sofort bei Annahme. Diese tritt in Kraft, wenn 10 Vertragsparteien sie ratifiziert haben, darunter 8 Mitgliedstaaten des ER. Durch die Ratifizierung verpflichten sich die Staaten (und alle Verwaltungsebenen in ihrer Zuständigkeit), die in der Konvention festgelegten Standards dauerhaft zu schaffen bzw. einzuhalten.
Beispiele: die Verpflichtung eine Hilfsinfrastruktur vor Ort bereitzuhalten, die Verpflichtung, zumindest ein nationales Hilfetelefon einzuführen, die Prüfung der Anpassung des Strafrechts und des Aufenthaltsrechts.
Die Konvention enthält umfassende Maßnahmen gegen Gewalt an Frauen und häusliche Gewalt in den Bereichen der 4 Ps (policy, prevention, protection and provi-sion). Sie umfasst 12 Kapitel und 81 Artikel sowie ausführliche Erläuterungen. Die Überkapitel der Konvention lauten:
Kapitel I: Zwecke, Begriffsbestimmungen, Gleichstellung und Nicht-Diskriminierung, allgemeine Verpflichtungen
Kapitel II: Ganzheitliche Politiken und Datenerhebung Wiener Interventionsstelle gegen Gewalt in der Familie Aktuelle Maßnahmen gegen Gewalt an Frauen in Europa
Kapitel III: Prävention
Kapitel IV: Schutz und Unterstützung
Kapitel V: Materielles Recht
Kapitel VI: Ermittlung, Strafverfolgung, Prozessrecht und Schutzmaßnahmen
Kapitel VII: Migration und Asyl
Kapitel VIII: Internationale Zusammenarbeit
Kapitel IX: Monitoring
Kapitel X: Beziehung zu anderen völkerrechtlichen Instrumenten
Kapitel XI: Zusätze zur Konvention
Kapitel XII: Schlussbestimmungen
Das Übereinkommen enthält die Verpflichtung umfassender Maßnahmen zur Bekämpfung aller Formen von Gewalt an Frauen und ermutigt die Vertragsstaaten, die vorgesehenen Maßnahmen auch zum Schutz aller anderen Opfer häuslicher Gewalt anzuwenden. Es enthält Bestimmungen zu Präventionsmaßnahmen (wie z. B. Schulungen von Fachleuten), Maßnahmen zum Schutz und zur Unterstützung der Opfer wie z. B. die Einrichtung von nationalen Helplines und Schutzeinrichtungen), (straf)rechtliche Maßnahmen wie die Kriminalisierung aller Formen von Gewalt, Schutzmaßnahmen zum Schutz der Opfer und strafprozessuale Maßnahmen z.B. zur Schonung und Information der Opfer sowie zur effekti-ven Verfolgung von Gewalttaten. Das Übereinkommen enthält auch eine Antidiskriminierungsklausel und geht auf die Situation von besonders verletzbaren Opfergruppen ein. Außerdem beinhaltet das Übereinkommen die Notwendigkeit von integrierten und koordinierten Maßnahmen gegen Gewalt an Frauen und häusliche Gewalt sowie die Erfassung von Daten und Erstellung von Statistiken.
Zur Überwachung der Umsetzung der Konvention wird eine Gruppe von zehn bis fünfzehn ExpertInnen ein-gesetzt (GREVIO). Die erste Wahl der Mitglieder erfolgt innerhalb eines Jahres nach dem In-Kraft-Treten der Konvention.
Die Konvention ist als Meilenstein in Europa zu erachten, um die Maßnahmen gegen Gewalt an Frauen und häusliche Gewalt zu verstärken. Sie bildet eine wichtige Ergänzung zur UN Konvention gegen jede Diskriminierung der Frau (CEDAW), die keine konkreten Bestim-mungen zu Gewalt gegen Frauen enthält. Sie beinhaltet das Potential, zu gemeinsamen europäischen Standards im Bereich der Bekämpfung von Gewalt an Frauen zu kommen, insbesondere dann, wenn auch die EU die Konvention ratifiziert, was seit dem Vertrag von Lissabon möglich ist.
Die Wiener Interventionsstelle gegen Gewalt in der Familie wird sich als Mitglied im europäischen Netzwerk WAVE auch weiterhin dafür einsetzen, dass die neue Konvention von Österreich und möglichst vielen anderen Staaten in Europa sowie auch von der Europäischen Union rasch ratifiziert wird damit die Maßnahmen zur Verhinderung von Gewalt an Frauen und Kindern verstärkt werden.
Österreich hat in der Prävention von Gewalt an Frauen und häuslicher Gewalt seit Mitte der 1990er Jahre mit dem ersten Gewaltschutzgesetz (1997), dem zweiten Gewaltschutzgesetz Wiener Interventionsstelle gegen Gewalt in der Familie Aktuelle Maßnahmen gegen Gewalt an Frauen in Europa
(2009) und zahlreichen anderen rechtlichen und psycho-sozialen Maßnahmen eine Vor-bildfunktion in Europa und international eingenommen. Die Wiener Interventionsstelle begrüßt es, dass Österreich die Konvention als eines der ersten Länder unterzeichnet hat. Er wäre nun ein wichtiges Signal, wenn Österreich seiner Vorbildfunktion weiter gerecht wird und diese auch als einer der ersten Mitgliedsstaaten des Europarates ratifiziert.
Ergebnisse des EU Eurobarometer zu Gewalt gegen Frauen
Im Jahr 2010 wurde ein EU Eurobarometer zu Gewalt gegen Frauen durchgeführt und dazu die Bevölkerung in allen EU Mitgliedstaaten befragt. Insgesamt wurden 26.800 Personen aus allen EU-Länder interviewt, 1.009 davon aus Österreich (European Commission/Eurobaro-meter 2010).4
4 Zu den Ergebnissen aus Österreich steht auch ein Factsheet (deutsch) zur Verfügung:
http://ec.europa.eu/public_opinion/archives/ebs/ebs_344_fact_at_de.pdf, 15. April 2011
98 % der Befragten (97 % der Befragten in Österreich) gaben an, schon einmal von häuslicher Gewalt gegen Frauen gehört zu haben. 21 % (Österreich 17 %) bejahten die Frage, ob sie in ihrem Freundes- und Familienkreis jemanden kennen, der einer Frau irgendeine Form häusli-cher Gewalt angetan hat. 25 % (Österreich 20 %) gaben an, in ihrem Freundes- und Familienkreis eine Frau zu kennen, die von Gewalt betroffen ist.
Bei der Frage: Was denken Sie, wie verbreitet häusliche Gewalt gegen Frauen in unserem Land ist? sind die Unterschiede zwischen dem EU-Durchschnitt und Österreich ziemlich groß: in den EU27 fanden 78 % der Befragten, dass das Problem der häuslichen Gewalt gegen Frauen verbreitet sei, während 18 % das Problem als nicht verbreitet annahmen. In Österreich nahmen gleich 30 % der Befragten an, dass das Problem nicht verbreitet wäre. Im Vergleich dazu, gaben in Spanien nur 20 % der Befragten an, dass sie das Problem als nicht verbreitet ansehen, in Großbritannien waren es sogar nur 10 %.
Bei der Frage, wie schwerwiegend Gewalt gegen Frauen eingeschätzt werde, stuften die befragten Österreicher-Innen die einzelnen Formen der Gewalt (körperliche, psychische, sexuelle Gewalt, Androhung von Gewalt, Freiheitsbeschränkung) als weniger schwerwiegend ein, als der EU-Durchschnitt. Im Fall von Freiheitsbeschränkung zum Beispiel, stuften nur 59 % der Österreicher-Innen diese Form der Gewalt als „sehr schwerwiegend“ ein; in Großbritannien und Spanien waren es 75 % bzw. 74 %; der EU-Durchschnitt liegt bei 69 %.
Dieses Eurobarometer macht sichtbar, dass in Österreich offenbar ein mangelndes Bewusstsein über das Problem der häuslichen Gewalt gegen Frauen besteht. Die Tatsache, dass jede vierte bis fünfte Frau Opfer von Gewalt wird und dass häusliche Gewalt mitunter schwerwiegende Folgen und Formen bis hin zu Mord und Mordversuch haben kann, steht im klaren Gegensatz zu den in der Umfrage in Österreich identifizierten Haltungen, die von Minimalisierung und Bagatellisierung geprägt zu sein scheinen.
Daraus leitet sich ein Handlungsbedarf in Richtung bewusstseinsbildender- und präventiver Maßnahmen im Bereich Gewalt gegen Frauen ab. Kampagnen wie „16 Tage gegen Gewalt“ oder „Silent Witnesses“ sind Beispiele für Sensibilisierungsmaßnahmen in der Bevölkerung. Wiener Interventionsstelle gegen Gewalt in der Familie Aktuelle Maßnahmen gegen Gewalt an Frauen in Europa
Doch es wäre auch dringend notwendig, dass seitens der Regierung weitreichende und länger andauernde Kampagnen gegen Gewalt an Frauen durchgeführt werden. Ein Jahr gegen Gewalt an Frauen, wie es in der EU geplant ist, wäre in Österreich eine sehr wichtige Maßnahme, um problematische und traditionelle Einstellungen, die Gewalt an Frauen möglich machen, zu thematisieren und zu verändern. Solche Kampagnen wären auch notwendig, um den Bekanntheitsgrad der bundesweite Frauenhelpline zu erhöhen; derzeit gibt es immer noch viele Frauen, die nicht wissen, wo sie Hilfe bekommen können.
Aktuelle Maßnahmen der EU gegen Gewalt an Frauen
Mit dem Vertrag von Lissabon haben sich für die Europäische Union neue Verpflichtungen und Aufgaben in der Bekämpfung von Gewalt an Frauen ergeben. In Artikel 8 des Lissabon-Vertrags wird die Gleichstellung der Geschlechter als grundlegendes Ziel genannt: „Bei allen
ihren Tätigkeiten wirkt die Union darauf hin, Ungleichheiten zu beseitigen und die Gleichstellung von Männern und Frauen zu fördern.“ In der Erklärung zu Artikel 8 heißt es: „Die Konferenz ist sich darüber einig, dass die Union bei ihren allgemeinen Bemühungen, Ungleichheiten zwischen Frauen und Männern zu beseitigen, in den verschiedenen Politikbereichen darauf hinwirken wird, jede Art der häuslichen Gewalt zu bekämpfen. Die Mitgliedstaaten sollten alle erforderlichen Maßnahmen ergreifen, um solche strafbaren Handlungen zu verhindern und zu ahnden, sowie die Opfer zu unterstützen und zu schützen“ (Europäische Union 2008).
Auch in weiteren aktuellen Dokumenten und Initiativen der EU wird die Wichtigkeit von umfassenden Maßnahmen der Unterstützung von Opfern von Gewalt an Frauen und Gewalt in der Familie betont:
– Entschließungsantrag des Europäischen Parlaments zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen (2009)
– Council Conclusions on the Eradication of Violence against Women in the European Union, vom 8. März 2010 (Council of the European Union 2010a)
– Stockholm Programme for an open and secure Europe serving and protecting the citizens (Council of the European Union 2009)
– Strategy for equality between women and men 2010 – 2015 (European Commission 2010a)
– Council conclusions on improving prevention to tackle violence against women and care to its victims within the scope of law enforcement (Council of the European Union 2010b).
In den Council Conclusions vom 8. März 2010 wird die Europäische Kommission aufgefordert, eine Europäische Strategie gegen Gewalt an Frauen zu entwickeln (Absatz 46). Diese soll unter Anderem folgende Maßnahmen enthalten:
– Einrichtung eines EU Observatory zu Gewalt gegen Frauen
– Verbesserung des gesetzlichen Schutzes von Frauen vor Gewalt wenn sie von ihrem Recht auf Bewegungs- freiheit in Europa Gebrauch machen
– Förderung der Einführung einer europäischen Frauen- helpline (innerhalb des 116 Nummernsystems)
– Durchführung einer europaweiten Kampagne in Form eines Jahres gegen Gewalt an Frauen.
Im Sommer 2010 wurde von der EU Kommission eine öffentliche Konsultation für eine umfassende Strategie gegen Gewalt an Frauen durchgeführt.
Am 24. November 2010 fand in Brüssel im Rahmen der Belgischen EU Präsidentschaft ein Gipfel von Ministerinnen gegen Gewalt an Frauen statt. Die ca. zwanzig Ministerinnen verabschiedeten eine Wiener Interventionsstelle gegen Gewalt in der Familie Aktuelle Maßnahmen gegen Gewalt an Frauen in Europa
Erklärung, in der sie die Notwendigkeit einer kohärenten, effektiven und globalen Europäischen Politik zur Bekämpfung von Gewalt an Frauen betonen (Belgian Presidency 2010). Die Ministerinnen unterstützen in ihrer Erklärung den Aufbau eines Europäischen Observatorys gegen Gewalt an Frauen, die Installierung einer kostenlosen europaweiten Helpline für Frauen sowie die Durchführung eines Europäischen Jahres gegen Gewalt an Frauen.
Am 25. und 26. November 2010 fand dann eine von der EU Kommission durchgeführte Konferenz gegen Gewalt an Frauen statt. Die Konferenz wurde von der Vizepräsidentin und Kommissarin für Justiz, Grundrechte und Bürgerschaft, Viviane Reding eröffnet. Reding wies in ihrer Rede darauf hin, dass Gewalt an Frauen noch immer weit verbreitet sei. Sie erläuterte, dass laut Schätzungen einer jüngst im Rahmen eines DAPHNE Projektes fertiggestellte Studie, Gewalt an Frauen die EU Mitgliedstaaten jährlich 34 Milliarden Euro kostet, wobei die Kosten von familiärer Gewalt an Frauen schon 16 Milliarden betragen. Weiter wird geschätzt, dass pro 1 Euro, der in die Prävention investiert wird, 87 Euro an Kosten von Gewalt an Frauen erspart werden können und dass es sich daher auch ökonomisch auszahlt, in Prävention zu investieren (Psytel 2009).
Frau Reding betonte in ihrer Rede, dass es Zeit sei, die Maßnahmen gegen Gewalt an Frauen sowohl auf der nationalen Ebene als auch in der EU zu verstärken und eine klare und kohärente Politik zu entwickeln und dass die Gleichstellungspolitik einer der wichtigen Ansatzpunkte sei. Daher sei in der Gender-Strategie 2010 – 2015 Gewalt gegen Frauen einer der fünf Schwerpunkte.
Zur Fachtagung hatte die Kommission mehrere Expertinnen, die im Bereich der Prävention von Gewalt an Frauen tätig sind, eingeladen, einen Beitrag zu halten, darunter auch Rosa Logar.
Bei der Tagung wurde auch eine von der EU Kommission in Auftrag gegebene Studie präsentiert, die eine vergleichende Analyse der rechtlichen Maßnahmen in den Bereichen Gewalt an Frauen, Gewalt an Kindern und Gewalt betreffend die sexuelle Orientierung in der EU enthält (European Commission 2010b).
Vom Europäischen Netzwerk WAVE und von der European Women’s Lobby sowie auch von anderen ExpertInnen wurde bei der Tagung vehement eingebracht, dass das Ausmaß von Gewalt an Frauen in der EU immer noch erschreckend sei und dass es daher einer umfassenden EU Strategie und Richtlinie bedarf, um diese Form der Menschenrechtsverletzung an Frauen wirksam einzudämmen.

http://www.interventionsstelle-wien.at/images/doku/aktuelle_massnahmen_europa_ttb2010.pdf


Lücken im Schutz von Kindern und Jugendlichen vor häuslicher Gewalt im Kontext von Obsorge- und Besuchsrechtsverfahren
Der Artikel von Maja Sticker und Rosa Logar erschien im Tätigkeitsbericht 2010 der Wiener Interventionsstelle gegen Gewalt in der Familie. Wien, Juni 2011.
Einleitung
Wir sind sehr besorgt um den Schutz von Kindern und Jugendlichen vor häuslicher Gewalt, der im Zuge von Besuchsrechts- und Obsorgedebatten immer mehr ins Hintertreffen zu geraten scheint. Schon bei der derzeitigen Gesetzeslage orten wir in der Praxis erhebliche Lücken im Schutz von Kindern und Jugendlichen vor Gewalt und wir befürchten, dass sich die Situation noch weiter verschlechtert, wenn es, wie vom Justizministerium geplant, zu einer automatischen gemeinsamen Obsorge nach der Scheidung kommen sollte. Wir nehmen die aktuelle Situation daher zum Anlass, die Erfahrungen der KlientInnen der Interventionsstelle mit gegenwärtigen Obsorge- und Besuchsregelungen darzulegen.
Eine Mehrheit der KlientInnen der Wiener Interventionsstelle haben Kinder (58 % der Haushalte mit Kindern), im Jahr 2010 waren in unserer Beratungsstelle rund 3.800 Kinder und Jugendliche von der Gewalt in der Familie mit betroffen. 240 minderjährige Kinder und Jugendliche wurden als direkte Opfer familiärer Gewalt in der Wiener Interventionsstelle beraten und unterstützt.
Kinder, die Gewalt an der Mutter mit erleben, sind dem auf verschiedene Arten ausgesetzt: sie sind bei Gewalttätigkeiten gegen die Mutter direkt anwesend (in etwa 60 % der Fälle, Jurtela 2007) und sind mit den Auswirkungen konfrontiert. Oft versuchen Kinder, ihre Mütter zu schützen oder zu unterstützen. Daraus ergibt sich ein Leben in ständiger Unsicherheit und Angst. Kinder, die Gewalt durch den Vater an der Mutter miterleben, sind von gesundheitlichen und psychischen Folgen bedroht und leiden schwer darunter. Studien haben auch signifikante Zusammenhänge zwischen dem (Mit)erleben von Gewalt in der Kindheit und psychischen und sozialen Problemen als Erwachsene ergeben: wer in der Kindheit Gewalt erlebt hat, ist gefährdeter, auch als Erwachsener Gewalt zu erfahren bzw. auszuüben.
Aus all diesen Gründen dürfen Kinder, die familiäre Gewalt miterleben, nicht einfach als unbeteiligte ZeugInnen erachtet werden (Ministry of Justice and the Police Norway 2009).
Was bedeutet es für eine Frau und ihre Kinder, wenn sie sich von ihrem gewalttätigen Partner trennt? Im Folgenden werden anhand von Fallgeschichten verschiedene Themen und Problembereiche in diesem Zusammenhang dargestellt und erläutert. Abschließend werden Empfehlungen zu einem verbesserten Schutz von Frauen und Kindern, die von Gewalt betroffen sind, gegeben. Wiener Interventionsstelle gegen Gewalt in der Familie Lücken im Schutz von Kindern und Jugendlichen vor häuslicher Gewalt
Fortgesetzte Gewaltausübung auch nach der Trennung
Es ist ein verbreitetes Missverständnis, dass Gewalt mit der Trennung des Opfers vom Gewalttäter endet (Jaffe/Crooks/Poisson 2003). Leider erweist sich im Gegenteil gerade die Zeit der Scheidung/ Trennung oftmals als besonders gefährliche Zeit für von Gewalt betroffene Frauen und ihre Kinder – die meisten Morde und Mordversuche geschehen in dieser Zeit; viele hoch gefährdete Opfer familiärer Gewalt haben sich bereits vom Täter getrennt (Hester/Pearson/ Harwin 2006).
Die Frau wird für ihr Weggehen „bestraft“ und der Gefährder versucht, die Kontrolle über sie aufrecht zu erhalten. Oft gehen damit neue Formen der Gewalt einher, wie z.B. Stalking, von dem sehr viele Frauen, die sich aus einer Gewaltbeziehung gelöst haben, betroffen sind.
Hier ist auch auf eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (ECHR) zu verweisen, der in einem Urteil die Slowakei für schuldig befand, das Leben zweier Kinder nicht geschützt zu haben, die von ihrem Vater ermordet wurden (ECHR 2007, Fall Kontrovà v. Slovakia). Es war amtsbekannt gewesen, dass der Mann fortgesetzt gewalttätig gegen seine Frau war, eine Schusswaffe besaß und mit der Ermordung seiner Kinder gedroht hatte. Die Sicherheitsbehörden verabsäumten es jedoch nach Ansicht des ECHR, die Kinder vom gewaltausübenden Vater wegzuholen und sie effektiv vor Gewalt zu schützen. Dieses Urteil zeigt, dass die Verpflichtung, Menschen, und natürlich auch Kinder, mit angemessener Sorgfalt vor Gewalt zu schützen, schwerer wiegt als die Elternrechte des gewaltausübenden Vaters.
Ein Mittel zum Zweck der Kontrolle der Ex-Partnerin sind oftmals Obsorgeverfahren (Jaffe/Crooks/Poisson 2003). Eine gemeinsame Obsorge wird von gewaltausübenden Vätern häufig dazu benutzt, die (Ex)-Frau weiterhin unter Druck zu setzten, zu kontrollieren, und zu belästigen. Gewaltausübende Männer scheuen auch nicht davor zurück, über ihre Kinder alles über die Ex-Frau in Erfahrung zu bringen. Die väterliche Sorge über das Wohlergehen der Kinder scheint in solchen Fällen gering.
Der erforderliche Kontakt bei einer gemeinsamen Obsorge der Kinder bringt diese und ihre Mutter immer wieder in Gefahr und die Frau hat wenige Möglichkeiten, ihre Kinder zu schützen.
Folgendes Beispiel aus der Praxis der Wiener Interventionsstelle veranschaulicht, wie sich Gewalt auch nach der Trennung fortsetzen kann und welche Belastung dies für Frauen und ihre Kinder ist.
Frau A1 und ihre zwei Kinder wurden von ihrem Mann bzw. Vater immer wieder misshandelt. Dieser, Herr A drohte auch damit, eines seiner Kinder aus dem Fenster zu werfen. Aufgrund seiner Gewalttätigkeit reichte Frau A schließlich die Scheidung ein. Trotz wiederholter Ge-walt wurde bei der Scheidung ein gemeinsames Sorgerecht vereinbart. In Folge kam es in Zusammenhang mit dem Besuchsrecht zu Konflikten und Gewalttätigkeiten durch Herrn A: er hielt sich nicht an Vereinbarungen bezüglich der Abholung und Rückkehr der Kinder, wurde bei den Treffen immer wieder gewalttätig und bedrohte seine Ex-Frau. Daraufhin beantragte Frau A schließlich die alleinige Obsorge und eine Aussetzung des Besuchsrechts. Die alleinige Obsorge wurde ihr übertragen, doch Herr A‘s Besuchsrecht blieb aufrecht. Dies,
1 Die Namen wurden anonymisiert. Wiener Interventionsstelle gegen Gewalt in der Familie Lücken im Schutz von Kindern und Jugendlichen vor häuslicher Gewalt
obwohl die Kinder große Angst vor ihrem Vater hatten und ihn nicht sehen wollten. Nachdem Herr A die Kinder zum wiederholten Male nicht wie vereinbart zurück gebracht hatte, wurden sie von ihrer Mutter (in Begleitung der Polizei) von ihm abgeholt. Selbst nach diesem Vorfall durfte Herr A seine Kinder im Rahmen begleiteter Besuchskontakte weiterhin sehen.
Inzwischen waren mehrere Jahre seit der Scheidung vergangen. Die Gewalt, Drohungen und die beharrliche Verfolgung setzten sich fort. Mehrere Einstweilige Verfügungen gegen Herrn A wurden erlassen, außerdem wurde er angezeigt und schließlich wegen beharrlicher Verfolgung (bedingt) verurteilt; doch stoppten diese Maßnahmen den Gefährder nicht. Nachdem er seine Ex-Frau mit dem Umbringen bedroht hatte, musste sie mir ihren Kindern ins Frauenhaus fliehen.
Schlussendlich wurde das Besuchsrecht von Herrn A ausgesetzt.
Die Kinder sind durch die mehrjährigen Gewalterfahrungen stark traumatisiert und weisen psychosomatische Symptome auf; sie sind deshalb in psychologischer Betreuung.
Nach Einschätzung der Beraterin der Wiener Interventionsstelle war die gemeinsame Obsorge nach der Scheidung in diesem Fall sehr problematisch. Herr A benutzte diese, um (weiterhin) Kontrolle über seine Ex-Frau auszuüben, z. B. indem er den Kindern Handys gab, um Kontrollanrufe machen zu können. Neben den wiederholten und fortgesetzten Gewalttätigkeiten gegen Frau A und die Kinder hielt sich der Mann auch nicht an Besuchszeiten und andere Vereinbarungen, von polizeilichen Maßnahmen ließ er sich nicht abschrecken. – Dies gilt als Zeichen für die besondere Gefährlichkeit von Gewalttätern.
Nachdem die Mutter das alleinige Sorgerecht erkämpft hatte mussten sie und ihre Kinder im Bezug auf das Besuchsrecht noch mehrere Jahre Gewalt durch Herrn A erleiden. Obwohl die Kinder wiederholt ihre Angst vor dem Vater zum Ausdruck gebracht hatten, wurden sie sehr lange gezwungen, diesen zu sehen. Hier stellt sich die Frage, wer denn in der Praxis wirklich auf die Wahrung des Kindeswohls achtet und wie dieses geprüft und garantiert wird. Diese Frage stellt sich im vorliegenden Beispiel auf besonders erschreckende Weise, denn es wurde (zunächst) eine gemeinsame Obsorge beschlossen, obwohl der Vater seine Kinder misshandelt hatte.
Wie unsere Erfahrung zeigt, wird die Gewaltgeschichte von Gerichten vor allem bei einvernehmlichen Scheidungen häufig nicht berücksichtigt. Frauen stehen oft unter Druck oder haben keine ausreichende und stärkende Beratung erhalten und stimmen aus dieser Situation heraus einer einvernehmlichen Scheidung und gemeinsamen Obsorge zu. Sie wollen die Scheidung möglichst rasch vollziehen, was bei einer einvernehmlichen Scheidung realistischer ist. Zum Teil wird auch von Institutionen Druck auf Frauen ausgeübt, einer gemeinsamen Obsorge zuzustimmen.
Von Gewalt betroffene Frauen haben oft auch Angst vor ihrem (Ex-)Partner und es fällt ihnen daher schwer, die alleinige Obsorge zu beantragen. Häufig dauern Obsorgeverhand-lungen lange; während dieser Zeit ist die gemeinsame Obsorge oftmals noch aufrecht. Dies ist sehr problematisch, da eine gemeinsame Obsorge den weiteren Kontakt und gemeinsame Entscheidungen der Eltern voraussetzt, was in Kontext einer Gewaltbeziehung nicht möglich ist bzw. die Sicherheit der Betroffenen gefährdet. Es ist paradox, dass der Gesetzgeber Wiener Interventionsstelle gegen Gewalt in der Familie Lücken im Schutz von Kindern und Jugendlichen vor häuslicher Gewalt
einerseits Opfern von Gewalt zugesteht mittels einstweiliger Verfügung ein Kontaktverbot zu erwirken, und sie andererseits durch Regelungen wie die gemeinsame Obsorge zu Kontakten verpflichtet.
Wie das Beispiel von Frau A und ihren Kindern zeigt, erhalten manchmal sogar Väter, die gegen die Kinder gewalttätig sind, die gemeinsame Obsorge. Die gemeinsame Obsorge mit einem gewalttätigen Mann bedeutet, dass dieser in allen Belangen, die die Obsorge betreffen (Schulbesuch, Erziehung, Pflege, Krankenhausaufenthalte, Verwaltung der Finanzen etc.) mitbestimmen kann; er kann z. B. auch verhindern, dass seine Ex-Frau mit ihren Kindern auf Urlaub oder Familienbesuch ins Ausland fährt. Wie im Fallbeispiel von Frau A bereits evident wurde, hören aber auch bei einer geregelten alleinigen Obsorge die Probleme nicht auf. Daher soll im Folgenden auf Besuchskontakte eingegangen werden, da sich diese für viele Frauen und Kinder, die in Gewaltbeziehungen gelebt haben/ leben, als sehr schwierig erweisen.
Gewaltausübung im Zusammenhang mit Besuchskontakten
Betreffend Besuchsrecht wird häufig ins Treffen geführt, dass dieses ein Recht des Kindes sei und auch in der UN Kinderrechtskonvention verankert sei. In der Anwendung kann dieses „Recht des Kindes“ dann jedoch schnell zur Pflicht werden – wenn Kinder, leider auch gegen ihren Willen – von Gerichten zu Besuchskontakten zu den Eltern gezwungen werden, manchmal sogar in Fällen von Gewalt. Hier wird vergessen, dass Kinder das Recht, nicht aber die Pflicht zu Kontakt mit beiden Eltern haben. In Österreich können Kinder erst mit 14 Jahren selbst entscheiden, ob sie ihre Eltern sehen wollen oder nicht. Selbst ein gewaltausübender Vater bekommt Besuchsrechte zugesprochen und es wird „vergessen“ dass das Kind nach Art. 19 der Kinderrechtskonvention vor allem auch das Recht auf ein Leben frei jeder Form des Zwanges und der Gewalt hat (Vereinte Nationen 1989).
So kommt es im Zuge von Besuchskontakten auch in Fällen von Gewalt in der Familie leider häufig zu einer Fortsetzung der Gewalt und sowohl die Mutter als auch ihre Kinder sind einem erhöhten Risiko ausgesetzt. Wenn der Kontakt mit dem Elternteil das Kindeswohl gefährdet kann das Besuchsrecht gerichtlich eingeschränkt werden; es werden dann z.B. Kontakte in sog. Besuchscafés gewährt, in denen SozialarbeiterInnen anwesend sind, die die Besuche begleiten. Diese Einrichtungen sind jedoch nicht in der Lage, einen wirkungsvollen Schutz vor Gewalt zu bieten und verfügen oft nicht einmal über minimale Sicherheitsvorkehrungen für den Fall einer Eskalation.
Trotz weiterer Gewalt und unzureichendem Schutz wird eine (vorübergehende) Aussetzung des Besuchsrechts nur in sehr schwerwiegenden und wiederholten Fällen von Gewalt angeordnet (Jurtela 2007).
In den zwei folgenden Fallgeschichten kommen die konkreten Schwierigkeiten der Betroffenen in Zusammenhang mit Besuchsrechten zum Ausdruck. Leider sind viele Frauen und ihre Kinder nach der Trennung vom Gefährder mit ähnlichen Problemen konfrontiert. Wiener Interventionsstelle gegen Gewalt in der Familie Lücken im Schutz von Kindern und Jugendlichen vor häuslicher Gewalt
Frau B war fünf Jahre lang mit ihrem Mann verheiratet, die beiden haben ein Kind. Herr B misshandelte seine Frau wiederholt und bedrohte sie mehrmals mit dem Umbringen. Er ist extrem eifersüchtig. Frau B bekam die alleinige Obsorge zugesprochen.
Nach der Scheidung begann Herr B, seine Ex-Frau zu verfolgen. Er belästigte sie mit zahlreichen täglichen Anrufen, kaufte seiner kleinen Tochter ein Handy, über das er Frau B zusätzlich belästigte, bedrängte das Kind, ihm Informationen über die Mutter zu geben, …
Daraufhin erstattete Frau B eine Anzeige wegen Stalkings gegen ihren Ex-Mann und beantragte eine Einstweilige Verfügung; auch ein Betretungsverbot für Herrn B wurde ausgesprochen.
Die Tochter litt sehr unter dieser Situation und der psychischen Gewalt des Vaters – dieser hatte ihr gegenüber auch damit gedroht, die Mutter umzubringen. Infolge dessen wollte das Kind den Vater nicht mehr sehen. Das Besuchsrecht wurde vorläufig ausgesetzt. Frau B befürwortete prinzipiell den Kontakt zwischen Tochter und Vater, musste jedoch erkennen, dass der Ex-Mann nicht einmal Rücksicht auf die Tochter nahm und diese durch die weiteren Gewalthandlungen gegenüber der Mutter schwer ängstigte und traumatisierte.
Nach Einschätzung der Betreuerin der Wiener Interventionsstelle ist Herr B extrem gefährlich. Bei jeder Begegnung der Eltern verlor der Vater die Kontrolle und bedrohte die Mutter. Den Kontakt zu seinem Kind benutzte er, um die Mutter zu überwachen.
Den Kontakt zu den Kindern dazu zu benützen, Informationen über die Mutter zu bekommen ist ein häufiges Verhalten gewalttätiger Männer nach einer Trennung. Damit verbunden sind oft auch Anweisungen an die Kinder, auf die Mutter „aufzupassen“ (sie zu kontrollieren). Auch Beschimpfungen über-, oder Drohungen an die Mutter sind bei Besuchskontakten keine Seltenheit. Das Interesse an den Kindern selbst scheint bei einem solchen Verhalten gering zu sein, vor allem ist es höchst unverantwortlich und eine Form der psychischen Gewalt gegen die Kinder.
Verstöße von Vätern gegen Besuchsregelungen oder Einstweilige Verfügungen sind eine große zusätzliche Belastung für Frauen – die sich gerade aus einer Gewaltbeziehung befreit haben – und ihre Kinder. Die alleinige Obsorge kann hier Frauen und ihre Kinder bis zu einem gewissen Grad davor schützen, da sie die Möglichkeiten solcher Väter einschränkt. Eine gemeinsame Obsorge erfordert ein hohes Maß an Kooperation und Verantwortung. Bei Vätern, die weiterhin gegenüber der Mutter Gewalt ausüben, Regelungen missachten bzw. sich darüber hinwegsetzen ist eine gemeinsame Obsorge daher äußerst problematisch.
Die folgende Geschichte einer Klientin und ihrer Kinder zeigt auf, wie von Seiten der Behörden das Besuchsrecht gewalttätiger Väter zuweilen Vorrang vor dem Wohl der Kinder gegeben wird bzw. wie schwierig es in der Praxis sein kann, einem gewaltausübenden Vater das Besuchsrecht zu entziehen um die Kinder zu schützen.
Frau C wurde während ihrer langjährigen Ehe wiederholt misshandelt und auch die gemeinsamen Kinder wurden vom Vater geschlagen. Nach der Scheidung verfolgte, terrorisierte und bedrohte Herr C seine Ex-Frau und Kinder wiederholt. Eine darauf folgende Stalkinganzeige wurde eingestellt, doch eine Einstweilige Verfügung erlassen.
Frau C hatte das alleinige Sorgerecht für ihre Kinder bekommen, ihrem Ex-Mann wurde begleiteter Besuchskontakt zugesprochen. Keines der Kinder wollte den Vater sehen, sie Wiener Interventionsstelle gegen Gewalt in der Familie Lücken im Schutz von Kindern und Jugendlichen vor häuslicher Gewalt
fürchteten sich vor ihm. Doch das Jugendamt drängte auf begleitete Besuchskontakte. Die Zeit mit den Kindern verbrachte Herr C damit, deren Mutter zu beschimpfen. Daraufhin wurden die Besuchskontakte vom Jugendamt vorübergehend ausgesetzt. Einige Zeit später wurden jedoch gerichtlich und gegen den Willen der Kinder wieder begleitete Besuchskontakte angeordnet. Da die Kinder Angst vor dem Vater hatten, stellte Frau C einen Antrag auf Aussetzung des Besuchsrechtes. Der Vater wiederum forderte, dass das Besuchsrecht zwangsweise durchgesetzt werden solle. Sein Antrag wurde abgewiesen und das Besuchsrecht wieder ausgesetzt. Einige Zeit später lauerte der Mann seinem Sohn auf dem Spielplatz auf, wo er ihn schlug. Eine Einstweilige Verfügung mit einem Kontaktverbot zu dem Sohn wurde erlassen.
Nach Einschätzung der Beraterin von Frau C handelt es sich in diesem Fall um ein „klassisches Beispiel“: das Besuchsrecht wurde vom Gefährder ausgenutzt, um weiterhin Einfluss auf das Leben seiner Ex-Frau zu nehmen. Nachdem sich die die Kinder bereits vor ihm fürchteten wollte Herr C den Kontakt auch noch zwangsweise durchsetzen lassen. Besonders erschreckend ist in diesem Fall, wie oft und wie lange (über zwei Jahre lang!) die Kinder vor Gericht und vor dem Jugendamt deutlich machen mussten, dass sie den Vater nicht sehen wollen und wie lange es gedauert hat, bis das Besuchsrecht ausgesetzt wurde. Während dieser Zeit waren die Kinder nicht ausreichend geschützt und wurden weiterer Gewalt ausgesetzt.
Für Frau C und ihre Kinder war und ist es sehr schwierig, gegenüber dem Recht des Vaters auf Kontakt mit den Kindern ihr Recht auf ein angst- und gewaltfreies Leben durchzusetzen.
Ein großes Problem stellt hierbei die leider immer noch anzutreffende Sichtweise dar, dass Kinder von der Gewalt gegen die Mutter nicht betroffen sind. Ist der Mann „nur“ gewalttätig gegen die Frau, wird dies als „Paarproblem“ definiert. Zwar wird von den zuständigen Behörden (Jugendamt und Familiengerichte) die Trennung vom gewalttätigen Mann/ Partner oft als Lösung erachtet, und der Frau geraten, sich vom Gefährder zu trennen, um die Kinder zu schützen. Doch in der Beurteilung des Kindeswohls (Verfahren zu Obsorge und Besuchsrech
ten) wird die Gewalttätigkeit des Vaters dann häufig nicht (mehr) ausreichend berücksichtigt. Es wird in erster Linie das Recht des Vaters auf Kontakt mit dem Kind betont. Diese widersprüchliche Reaktion wird durch die Spaltung in den „gewalttätigen“ und den „guten Vater“ ermöglicht (Hester, zitiert in Logar 2007: 189). Doch, wie die Erfahrungen der betroffenen Kinder zeigen, stellt auch ein Vater, der „nur“ gegenüber seiner Frau physisch gewalttätig war, eine Gefährdung des Kindeswohls dar.
Kindesentziehung und Entführung
Ein weiteres Problem im Schutz von Kindern vor Gewalt sind Kindesentführungen: diese werden häufig während eines Scheidungs-/Trennungsprozess ausgeübt. Die psychischen und sozialen Auswirkungen der von einer Entführung betroffenen Kinder sind zahlreich: Ängste, Schuldgefühle, Verlust von Sicherheit und Stabilität, und vieles mehr traumatisieren die Wiener Interventionsstelle gegen Gewalt in der Familie Lücken im Schutz von Kindern und Jugendlichen vor häuslicher Gewalt
Kinder. Meist ist mit einer Kindesentführung durch einen Elternteil auch der Verlust der vertrauten Umgebung, oder gar der „Umzug“ in ein anderes Land verbunden (KiJa 2010).
Klientinnen der Wiener Interventionsstelle sind immer wieder von Entführungen betroffen. Besonders gravierend waren die Erfahrungen von Frau D und ihrer Tochter:
Frau D wurde während ihrer Ehe schwer von ihrem Mann misshandelt. Sie flüchtete schließlich mit der gemeinsamen Tochter ins Frauenhaus und reichte die Scheidung ein. Nachdem Herr D ihr die Tochter entzogen hatte, und diese erst nach Wochen von der Polizei zu ihrer Mutter zurück gebracht werden konnte, erhielt Frau D vorläufig die alleinige Obsorge zugesprochen. Aus Angst vor Herrn D flüchtete Frau D erneut mit ihrer Tochter ins Frauenhaus. Ihrem (Ex)Mann gelang es, die Tochter vor dem Frauenhaus zu entführen – er bedrohte Frau D damit, dass sie ihre Tochter nie wieder sehen würde, sollte sie nicht ebenfalls in das Auto steigen. Aus Angst vor ihm gehorchte Frau D, woraufhin sie in einem Keller gefangen gehalten und misshandelt wurde. Währenddessen brachten Verwandte des Mannes die Tochter in sein Herkunftsland, die Türkei.
Dort wurde die einstweilige alleinige Obsorge der Mutter nicht anerkannt, es galt die gemeinsame Obsorge. Daher war es sehr schwierig, gegen Herrn D vorzugehen. Die Tochter musste zwei Jahre lang ohne ihre Mutter verbringen.
Durch das internationale Haager Kindesentführungsübereinkommen konnte schließlich doch erreicht werden, dass die Tochter zu ihrer Mutter nach Österreich zurück kam. Allerdings mussten das Mädchen und Frau D nach ihrer Rückkehr aus der Türkei aus Sicherheits-gründen nach wie vor im Frauenhaus wohnen – Frau D befürchtete eine weitere Entführung durch ihren (Ex-)Mann, der damit gedroht hatte, die Tochter in ein Land mitzunehmen, in dem das Haager Übereinkommen nicht gültig ist.
Die Beraterin von Frau D von der Wiener Interventionsstelle gegen Gewalt in der Familie unterstützte die Frau in ihrem jahrelangen Kampf für das Kind und gegen den gewaltausübenden Ex-Mann intensiv. Ihrer fachlichen Einschätzung nach birgt die gemeinsame Obsorge in Fällen von Gewalt in der Familie vor allem bei Migrantinnen eine große Gefahr der Kindesentführung.
Die Problematik ergibt sich daraus, dass bei einer gemeinsamen Obsorge keine rechtlichen Möglichkeiten bestehen, gegen den Elternteil, der das Kind außer Landes bringt vorzugehen. – Bei gemeinsamer Obsorge ist Kindesentzug strafrechtlich nicht als Entführung zu belangen.
Denn der Straftatbestand der Kindesentziehung (§195 StGB) ist nur gegeben, wenn ein nicht Erziehungs-berechtigter das unter 16-jährige Kind entführt. Infolgedessen können Strafverfolgungsbehörden bei Kindesentziehungen von einem Elternteil mit (alleinigen oder gemeinsamen) Obsorgerechten nicht handeln (Huber 2010). Daher bleibt nur mehr die Möglichkeit eine Rückführung des Kindes nach dem Haager Kindesentführungs-übereinkommen zu beantragen Diese Verfahren sind jedoch meist sehr langwierig und komplex, kostenintensiv und psychisch belastend. Vor allem sog. Internationale Kindesentführungen, bei denen Kinder ins Ausland gebracht werden, sind oft sehr schwierig zu lösen. Dabei spielen die rechtlichen Regelungen in zwei Ländern eine Rolle (KiJa 2010).
Eine (automatische) gemeinsame Obsorge kann in Fällen von vorheriger Gewalt in der Familie daher dem Gefährder die Tür für eine Kindesentführung öffnen. Wiener Interventionsstelle gegen Gewalt in der Familie Lücken im Schutz von Kindern und Jugendlichen vor häuslicher Gewalt
Resümee und Empfehlungen
Die dargelegten Beispiele zeigen, was auch viele Untersuchungen belegen: die Zeit der Trennung bzw. Scheidung ist für Betroffene von häuslicher Gewalt häufig der Zeitraum des höchsten Risikos. Gefährder versuchen in dieser Zeit oft, Macht und Kontrolle zu erhalten und weiteren Druck auf die (Ex-)Partnerin auszuüben. Dabei werden auch gemeinsame Kinder als „Waffe“ benutzt: etwa mit Drohungen, der Partnerin die Kinder wegzunehmen oder mit Belästigungen bzw. kontrollierendem Verhalten in Zuge von Besuchskontakten. Kin-der werden ausgenutzt, um Zugang zur Ex-Frau bzw. Mutter der Kinder zu bekommen, und diese weiterhin zu tyrannisieren. Dadurch werden die Risiken, die von einem Gefährder ausgehen sowohl für die Frau als auch für die Kinder verlängert. Es ist daher erforderlich, von Gewalt betroffene Frauen und ihre Kinder auch nach der Trennung vor Gewalt zu schützen und effektive Maßnahmen dafür zu setzen.
Auch in der, im Mai 2011 unterzeichneten Europaratskonvention zur Bekämpfung und Prävention von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt wird auf diese Fragen Bezug genommen. Artikel 31 geht auf die Obsorge, Besuchsrechte und Sicherheit ein. Die Staaten werden dazu aufgefordert sicherzustellen, dass in Entscheidungen von Sorge- und Besuchsrechten Vorfälle von Gewalt berücksichtigt werden. Punkt 2 führt aus, dass die Aus-übung von Besuchs- oder Obsorgerechten die Rechte und Sicherheit von Opfern oder Kindern nicht gefährden darf (Council of Europe 2011).
Empfehlungen in Bezug auf Obsorge- und Besuchsrechtsregelungen in Fällen von Gewalt in der Familie
Wie die Fallgeschichten illustrieren, können Obsorge- und Besuchsrechte für gewalttätige Väter Kinder und ihre Mütter zusätzlich gefährden. Es ist daher unbedingt notwendig, in Entscheidungen zur Obsorge die Gewaltgeschichte zu berücksichtigen. Es muss alles getan werden, um weitere Gewalt zu verhindern; der Schutz von betroffenen Kindern und Frauen und ihr Recht auf ein gewaltfreies Leben muss oberste Priorität haben.
Um dies zu gewährleisten sollten folgende Standards zum Schutz von Kindern vor Gewalt gelten:
Einrichtungen und Institutionen (Justiz, Polizei, Jugendämter, Hilfseinrichtungen,...), die mit Betroffenen arbeiten, sollen über familiäre Gewalt und die Auswirkungen auf Kinder Bescheid wissen und anerkennen, dass Kinder in jedem Fall von der Gewalt mitbetroffen sind;
Kinder müssen unter allen Umständen vor Gewalt geschützt und ihr Recht auf ein gewalt- und angstfreies Leben ernst genommen werden;
Obsorge- und Besuchsrechte für Gefährder müssen sofort von Amts wegen ausgesetzt werden, wenn deren Gewalttätigkeit behördlich bekannt wird;
gewaltausübende Väter sollen im Falle einer Scheidung/Trennung der Eltern keine gemeinsame Obsorge erhalten (oder diese behalten);
Kinder dürfen gegen ihren Willen nicht zu Kontakten mit dem gewalttätigen Elternteil verpflichtet werden;
Wiener Interventionsstelle gegen Gewalt in der Familie Lücken im Schutz von Kindern und Jugendlichen vor häuslicher Gewalt

bei Gewalt muss von Amts wegen eine sofortige Aussetzung von Besuchsrechten erfolgen und der gewaltausübende Vater muss zu einer Änderung seines Verhaltens durch Teilnahme an einem Anti-Gewalt- Training verpflichtet werden; erst danach sollen Besuchskontakte wieder zugelassen werden, sofern es in dieser Zeit zu keinerlei Gewaltausübung gegenüber der Mutter oder den Kindern gekommen ist;
die „Beweislast“ für die Gewaltausübung darf nicht beim Kind oder bei der Mutter, die selbst von Gewalt betroffen ist, liegen; vielmehr muss es Aufgabe der Jugendwohlfahrt sein, nachzuweisen, dass das Kindes- wohl nicht gefährdet ist;
alle Kinder und Jugendlichen, die von Gewalt (mit)be- troffen sind, haben das Recht auf rasche und kostenlose Krisenhilfe, Begleitung und längerfristige Unterstützung durch eine Person ihres Vertrauens;
Es muss in jedem Fall eine rasche und genaue Prüfung des Kindeswohls geben; eine „automatische gemein- samen Obsorge“ nach der Scheidung darf die Einzelfallprüfung nicht ersetzen.

http://www.interventionsstelle-wien.at/images/doku/schutz_von_kindern_ttb2010.pdf


Internationale Verpflichtungen zur Eliminierung von Gewalt an Frauen und Kindern
Der Artikel erschien im Tätigkeitsbericht 2007 der Wiener Interventionsstelle gegen Gewalt in der Familie, er-stellt von: Rosa Logar und Klara Weiss. Wien, Juni 2008.
Die UNO hat in den letzten drei Jahrzehnten, unterstützt durch Lobbying von internationalen
Frauenorganisationen, vielfältige Maßnahmen gegen Diskriminierung und Gewalt an Frauen ergrif-fen, wie zum Beispiel die Einführung einer UN Frauenrechtskonvention (1979)1 und die Durchführung von vier Weltfrauenkonferenzen. 1993, nach einer weltweiten Kampagne von Frauenorganisationen zum Thema „Frauenrechte sind Menschenrechte“, die bei der Menschenrechtskonferenz 1993 in Wien ihren Höhepunkt fand (Bunch/ Reilly 1994)213, wurde eine Deklaration gegen Gewalt an Frauen sowie die Einsetzung einer Sonderberichterstatterin beschlossen. Das UN Generalsekretariat verfügt über eine spezielle Beraterin des Generalsekretärs zu Genderfragen sowie eine Frauenabteilung, die sich ebenfalls mit dem Problem Gewalt an Frauen beschäftigen.3 UNIFEM, der Frauenfond der UN fördert unter anderem Projekte zur Verhinderung von Gewalt an Frauen.4 In jüngster Zeit wurde eine Studie gegen Gewalt an Frauen erstellt (UN 2006) und im Jahr 2008 die Durchführung einer mehrjäh-rigen Kampagne gegen Gewalt an Frauen (2008-2013) beschlossen. Schließlich schützt die UN Kon-vention für Kinderrechte (1989) das Recht von Mädchen und Buben auf körperliche und seelische Unversehrtheit und stellt dieses Recht über die Rechte eines gewaltausübenden Vaters/Elternteils auf Obsorge und Besuchsrecht.
1 Konvention zur Beseitigung jeder Form der Diskriminierung der Frau siehe BGBl. Nr. 443/1982
2 Bunch, Charlotte/ Reilly, Niamh (1994): Demanding Accountacility. The Global Campaign and Vienna Tribunal for Women’s Rights, New York
3 http://www.un.org/womenwatch/daw/
4 www.unifem.org
5 Organisation for Security and Co-operation in Europe OSCE (2005): Ministerial Council Decision No 15/05 Preventing and Combating Violence against Women
6 Council of Europe (2002): Recommendation Rec(2002)5 of the Committee of Ministers to member States on the protec-tion of women against violence adopted on 30 April 2002 and Explanatory Memorandum, Strasbourg
7 Council of Europe/Equality Division Directorate General of Human Rights (2006): Stocktaking study on the measures and actions taken in Council of Europe member States to combat violence against women; prepared by Prof. Carol Hagemann-White et al., University of Osnabrück
8 www.coe.int/stopviolence
9 Council of Europe (2008): Recommendations of the Council of Europe Task Force to combat violence against women, including domestic violence, Strasbourg http://www.wave-network.org/start.asp?ID=23001&b=7, 30.06.2008
Auch der Europarat und andere internationale Organisationen, wie etwa die Organisation für
Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSCE 2005)5 haben in den letzten Jahren Maßnahmen
gegen Gewalt an Frauen gesetzt. Der Europarat hat 2002 eine wichtige Empfehlung gegen Gewalt an
Frauen beschlossen und ein Monitoring-Instrument zur Umsetzung der Maßnahmen eingeführt
(Council of Europe 2002).6 Die daraus resultierenden Ergebnisse haben gezeigt, dass es in vielen
der 47 Mitgliedstaaten des Europarates noch erheblichen Lücken bei der Verhinderung von Gewalt an Frauen gibt, sowohl auf rechtlicher Ebene als auch bei der Unterstützung der von Gewalt betrof-fenen Frauen (Council of Europe 2006).7 Von November 2006 bis Juni 2008 führte der Europarat die Kampagne „Stop domestic violence against women“ durch.8 Eine wichtige Erkenntnis der Kampagne ist, dass in Europa in den letzten Jahren zwar viele Initiativen gegen Gewalt an Frauen gesetzt wur-den, dass das Ausmaß von Gewalt aber noch immer hoch ist und dass es daher noch weiterer inten-siver Bemühungen bedarf, um diese verbreitete Art der Menschenrechtsverletzungen zu eliminieren. Die Task Force des Europarates empfiehlt daher die Verabschiedung einer rechtlich
bindenden Konvention des Europarates gegen alle Formen der Gewalt (Council of Europe 2008).9 Wiener Interventionsstelle gegen Gewalt in der Familie Internationale Verpflichtungen zur Eliminierung von Gewalt an Frauen und Kindern 2
Im Rahmen der EU regelt eine Richtlinie das Verbot der sexuellen Belästigung am Arbeitsplatz
(Europäische Union 2006), andere Formen der Gewalt an Frauen werden derzeit leider noch nicht im
Gemeinschaftsrecht geregelt, was jedoch für die Verstärkung der politischen Maßnahmen gegen alle
Formen der Gewalt an Frauen in der EU sehr wichtig wäre. Die EU-Kommission und das Europäische
Parlament haben jedoch vielfältige Initiativen in diesem Bereich gesetzt, wie zum Beispiel die
Einführung des DAPHNE Programms10 oder die Verabschiedung einer Resolution gegen Gewalt an
Frauen (European Parliament 2006). Nicht zuletzt ist der Amsterdamer Vertrag (1999), der die
Gleichstellung von Frauen und Männern zu einem der Rahmenziele der EU Politik macht, ein Auftrag
zur Eliminierung von Gewalt an Frauen, da Gewalt Frauen an der Erlangung der tatsächlichen
Gleichstellung behindert. Der Fahrplan der EU-Kommission für die Gleichstellung von Frauen und
Männern (2006) beinhaltet die Bekämpfung geschlechtsspezifischer Gewalt und Menschenhandel als
einen der sechs Schwerpunkte für die Periode 2006-2010.

http://www.interventionsstelle-wien.at/images/doku/internationale_verpflichtungen_ttb2007.pdf

Gewalt an Frauen muss daher im Kontext der Beendigung jeglicher Form von Diskriminierung gegenüber Frauen und der Förderung der Gleichstellung von Frauen und Männern behandelt werden …
Eine Haltung, die Ursachen der Gewalt an Frauen verschleiert, das Problem relativiert oder aufrechnet, weil auch Männer Opfer von Gewalt werden, hilft im besten Fall nicht weiter und verhindert im schlimmsten Fall wirkungsvolle präventive Maßnahmen.
Kein Mann, der gewalttätiges Verhalten von Männern gegenüber Frauen ablehnt, wird eine Kampagne gegen Gewalt an Frauen als Kampagne gegen Männer oder Väter interpretieren oder darin sogar, wie Gerhard Amendt, eine Diskriminierung von Männern sehen. Er wird diese vielmehr als notwendige Maßnahme gegen gewalttätiges Verhalten – nicht gegen Männer! – unterstützen.
(Printausgabe der Standart vom 09.01.2008)
Österreich – Konvent
Anhörung am 26. 01. 2004

Statement von Rosa Logar - Geschäftsführerin der Wiener Interventionsstelle gegen Gewalt in der Familie


Sehr geehrte Damen und Herren!

Zuerst möchten wir uns für die Einladung zur Stellungnahme bei der Anhörung des Österreich-Konvent herzlich bedanken.

Unsere Einrichtung ist eine staatlich anerkannte Opferschutzeinrichtung und wurde 1997 als Begleitmaßnahme zum Gewaltschutzgesetz eingerichtet. Ich selbst bin schon seit über 25 Jahre im Bereich der Prävention familiärer Gewalt tätig.

Österreich hat mit dem Bundesgesetz zum Schutz bei Gewalt in der Familie ein für Europa beispielhaftes Gesetz geschaffen, das überall auf große Anerkennung und Interesse stößt.

Mit dem Gesetz wurde anerkannt, dass ein demokratischer Rechtsstaat, der die Grund- und Menschenrechte achtet, in keinem Bereich, auch nicht im Privatbereich Gewalt dulden darf und dass die Opfer Anspruch auf Schutz und Unterstützung haben. Der Unrechtszustand, dass Opfer von Gewalt flüchten und sich verstecken müssen, wurde beendet. Nun sind es die Täter, die von der Polizei der Wohnung verwiesen werden und die Folgen ihrer Gewaltausübung zu tragen haben.

Doch Österreich darf bei dieser wichtigen Reform nicht stehen bleiben. Die Verpflichtung zum Schutz der Grundrechte auf Leben, Gesundheit und Freiheit erfordert weitere Anstrengungen in der Bekämpfung von Gewalt an Frauen und Gewalt in der Familie.

Die Familie, die eigentlich der sicherste Ort sein sollte, ist für zu viele Menschen der gefährlichste Ort: Tag für Tag werden in Österreich tausende Menschen misshandelt und gequält. Die Opfer sind überwiegend Kinder und Frauen, die Täter häufig Ehemänner, Lebensgefährten oder Väter.

Besonders Kinder leiden seelisch und körperlich schrecklich unter der Gewalt und werden in ihrer Entwicklung enorm behindert. Es besteht die Gefahr, dass die Ausübung von Gewalt von Generation zu Generation weitergegeben wird, Kinder die Gewalt zwischen den Eltern erleben, haben ein erhöhtes Risiko als Erwachsene selbst zu Tätern oder Opfern zu werden.

Die Gefahr von Gewalteskalationen ist besonders in Zeiten von Trennung und Scheidung hoch, es kommt in diesen Phasen regelmäßig zu schweren Gewalttaten wie Morden und Mordversuchen.

Die Prävention von Gewalt in der Familie ist daher für die Gesellschaft ein wichtiges Ziel. Um Gewalt erfolgreich verhindern zu können ist es notwendig, die Ursachen zu beachten und die Entstehung von Gewalt zu verhindern.

Die Vereinten Nationen haben dazu folgende Definition festgelegt: „Violence against women is a manifestation of the historically unequal power relations between men and women, which have led to domination over and discrimination against women by men and to the prevention of women’s full advancement.“ [1]

Die Ungleichheit von Frauen und Männern ist also eine der zentralen Wurzeln von Gewalt an Frauen. Armut und Abhängigkeit von Frauen sind Risikofaktoren für Gewalt. Frauen verdienen noch immer ein Drittel weniger als Männer und ihre Pensionen betragen durchschnittlich nur ca. die Hälfte der Männerpensionen.

Die Herstellung von Gleichheit und die Beendigung von Diskriminierungen und Benachteiligungen von Frauen sind daher wichtige Maßnahmen zur Bekämpfung von Gewalt.

Österreich hat sich im Rahmen zahlreicher internationaler Vereinbarungen und Verträge zur Prävention von Gewalt an Frauen, zum Ziel der Gleichstellung von Frauen und Männern und zum Gender Mainstreaming bekannt. Die Ratifizierung der Frauenkonvention der Vereinten Nationen (CEDAW) durch Österreich bringt die Verpflichtung auf allen Ebenen gegen Diskriminierung und Benachteiligung von Frauen tätig zu werden. Der Artikel 3 Absatz 2 des EG Vertrags beinhaltet das Prinzip des Gender Mainstreamings.

Wir ersuchen die Mitglieder des Konvents, die Gleichstellung von Frauen und Männern und die Beendigung von Diskriminierungen und Benachteiligungen von Frauen zu einem wichtigen und zentralen Element der Beratungen zu machen. Wir unterstützen die Vorschläge des Österreichischen Frauenrings und ersuchen den Konvent, diese vollinhaltlich zu berücksichtigen.

Zusatz zum mündlichen Beitrag:

Insbesondere erachten wir für notwendig:

Den Ausbau des Gleichheitssatzes der Bundesverfassung Artikel 7 B VG:

- die Verpflichtung zu Geschlechtergleichstellung und Frauenförderung
diese Verpflichtung soll für alle Gebietskörperschaften und sonstigen Selbstverwaltungskörper gelten; also z.B. auch für die Träger der beruflichen und sozialen Selbstverwaltung (Kammern, Sozialversicherungsträger)


- Subjektives Recht jeder Frau auf Gleichstellung und Frauenförderung

- geeigneter Rechtsschutz zur besseren Durchsetzung dieser Rechte, z.B. beim Verfassungsgerichtshof, aber auch bei allen anderen Gerichten; Einführung von Verbandsklagen (z.B. Klagerecht für Frauenorganisationen, wenn Ungleichheiten nicht beseitigt werden bzw. keine Fördermaßnahmen ergriffen werden).

- Einführung einer Geschlechterverträglichkeitsprüfung im Gesetzgebungs-verfahren (für alle Gesetze, also einfache Gesetze, Verfassungsgesetze, Bundesgesetze, Landesgesetze), aber auch bei allen anderen Tätigkeiten (Vollziehung Privatwirtschaftsverwaltung). Dies dient der Verwirklichung des im Artikel 3 Absatz 2 des EG-Vertrages verankerten Prinzips des "Gender Mainstreaming".

- die Verankerung der Verpflichtung zu effektiven Maßnahmen zur Prävention von Gewalt an Frauen und Gewalt in der Familie in der Verfassung


Diese Maßnahmen wären ein entscheidender Beitrag zur Prävention von Gewalt in der Familie.

Danke für Ihre Aufmerksamkeit!
http://www.konvent.gv.at/K/DE/POSP-K/POSP-K_00094/fnameorig_015001.html

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Die ultimative Dienstleistungsoffensive des Antifeminismus

Ein bisschen Frauenhass steht jedem Mann!

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