Wenn der Mensch zur MenschIn wird - oder:

Wieviel »Gleichberechtigung« verträgt das Land?

How much »equality« the country can stand?

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Liste Femanzen Prof. Andrea Maihofer (Liste Femanzen)

Oberkellner @, Sunday, 24.05.2015, 17:10 (vor 3477 Tagen)

F420 Prof. Andrea Maihofer CH - Studium der Philosophie, Germanistik und Pädagogik in Mainz, Tübingen und Frankfurt am Main – 1987 Promotion in Philosophie mit der Dissertation “Das Recht bei Marx. Zur dialektischen Struktur von Gerechtigkeit, Menschenrechten und Recht. - 1990 bis 1994 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Gesellschaftswissenschaften in Frankfurt am Main - 1992 Gutachterin in der „gemeinsamen Verfassungskommission" des Deutschen Bundestages in Bonn zu "Gleichstellung und Gleichberechtigung von Frauen und Männern (Art. 3 Abs. 2 G)" – 1995-1996 Vertretungsprofessorin für historische Frauenforschung an der Universität Frankfurt am Main - seit 2001 Professorin für Geschlechterforschung und Leiterin des Zentrums Gender Studies an der Universität Basel – seit 2002 Leiterin des Basler Gender Graduiertenkollegs sowie seit 2004 Leiterin des SUK-Kooperationsprojektes Gender Studies Schweiz - Ziel dieses Projektes ist eine breite Etablierung der Geschlechterforschung auf BA/MA und PhD-Stufe in der Schweiz – Präsidentin der Schweizerischen Gesellschaft für Geschlechterforschng SGGF www.gendercampus.ch – Vizepräsidentin des Centrums für Familienwissenschaften - www.famwiss.ch – Anschrift: Zentrum Gender Studies, Petersgraben 9/11, Büro 110, CH-4051 Basel - andrea.maihofer-at-unibas.ch - http://ais.badische-zeitung.de/piece/05/b9/86/27/96044583-p-590_450.jpg

Männerseminare oder Bücher, die sich mit der angeblich verloren gegangenen Männlichkeit («Krise der Kerle», «Die Helden der Familie», «Was vom Manne übrigblieb – Krise und Zukunft des starken Geschlechts») befassen, boomen. Und auch die Genderforschung befasst sich seit Jahren umfassend mit dem Thema Männlichkeit. Tagesanzeiger.ch/Newsnetz hat mit Andrea Maihofer, der Leiterin des Zentrum Gender Studies, das am 15. September sein 10-jähriges Bestehen feiert, über die Veränderung der Geschlechterverhältnisse gesprochen.
Sie halten einen Vortrag mit dem Titel «Geschlechterverhältnisse im Umbruch – Männlichkeit in der Krise?» Sind die Männer denn überhaupt in Not?
Wenn wir den Medien glauben dürfen, dann steckt die Männlichkeit in einer tiefen Krise. Geradezu explosionsartig sind in den letzten Jahren Artikel erschienen, in denen konstatiert wird, dass Männlichkeit beziehungsweise «der» Mann problematisch geworden ist. Viele als typisch männlich geltenden Verhaltensweisen werden infrage gestellt und als nicht mehr zeitgemäss oder gar als gefährlich für die Menschheit bezeichnet. Diese Artikel sind interessanterweise fast alle von Männern geschrieben und in sich meist recht ambivalent. Einerseits wird diese Entwicklung als dramatisch dargestellt, andererseits werden die darin für Männer liegenden emanzipatorischen Möglichkeiten betont.
Und wie sehen Sie das selbst?
Ich bin der Meinung, dass Männlichkeit in den westlichen Gesellschaften in der Tat in Bewegung und in diesem Sinne in eine Krise geraten ist. Der Begriff Krise meint ja, etwas befindet sich an einem Wendepunkt, dessen Richtung jedoch noch unklar ist. So ist auch derzeit nicht ausgemacht, in welche Richtung diese Entwicklung gehen wird. Unübersehbar ist aber, dass derzeit in der Gesellschaft sehr breit über alte und neue Vorstellungen und Praxen von Männlichkeit diskutiert und verhandelt wird. Dass dies allerdings oft als Krise dramatisiert wird, verweist auf die in der Männer- und Geschlechterforschung immer wieder betonte grundlegende psychische Fragilität von Männlichkeit. Es scheint, wenn bestimmte Elemente von Männlichkeit problematisiert werden, steht für viele gleich die Männlichkeit als solche auf dem Spiel. Letztlich geht es aber aktuell um neue Formen von Männlichkeit und um eine grössere Bandbreite männlicher Existenzweisen.
Wo liegen die Ursachen für diese Krise?
Neben der Frauenbewegung ist sicherlich die wachsende Kritik vieler Männer am traditionellen Bild von Männlichkeit ein zunehmend wichtiger Faktor. Diese Kritik kommt ja gleichsam von innen und zeigt alternative Möglichkeiten von Männlichkeit auf: Neue Formen von Väterlichkeit, von Erwerbstätigkeit oder von einem anderen Gesundheits- und Körperbewusstsein von Männern. Ausserdem findet eine zunehmende Normalisierung homo- und bisexueller Männlichkeiten statt. Auch ist die zur herkömmlichen Männlichkeit gehörende Überzeugung von der grundlegenden männlichen Überlegenheit in vielerlei Hinsicht brüchig geworden. Des Weiteren ist durch die gestiegene Erwerbstätigkeit von Frauen die Position des Alleinernährers der Familie ins Wanken geraten. Und nicht zuletzt werden in der Arbeitswelt vermehrt Kompetenzen von Männern gefordert, die nicht dem herkömmlichen Männerbild entsprechen, wie soziale Kompetenzen, Teamfähigkeit oder neue Führungsstile.
Was sind die Konsequenzen dieser Veränderung? Bringt sie die gängigen Geschlechterverhältnisse durcheinander?
Aktuell lässt dies eine komplexe Gleichzeitigkeit von Wandel und Persistenzen in den Geschlechterverhältnissen entstehen. Wohin das aber letztlich führen wird, zu einer grundlegenden Veränderung oder zu einer Neuformierung der traditionellen Geschlechterverhältnisse, lässt sich jetzt noch nicht ausmachen. Allemal werden in den nächsten Jahren die gesellschaftlichen Auseinandersetzungen darum vermutlich eher zunehmen, und zwar insbesondere zwischen Männern. Denn es gibt ja immer mehr Männer, die diese neuen Entwicklungen positiv besetzen und diese als Chance verstehen.
Was bedeutet das für die Frauen?
Zum einen müssen sie verstärkt mit Gegenreaktionen rechnen. So finden sich ja auch vermehrt Stimmen, die ihnen an «all dem» die Schuld geben, oder Aufforderungen, sich auf ihre eigentlichen weiblichen Aufgaben zu besinnen. Zum anderen aber werden sich immer mehr Männer finden, die diese neuen Möglichkeiten ausschöpfen werden.
An welche Möglichkeiten denken Sie?
Nun, zum Beispiel neue Formen von Väterlichkeit und Elternschaft zu leben, Elternzeit zu nehmen – wenn es sie in der Schweiz dann mal gibt – andere, nicht männertypische Berufe ergreifen, die ihnen möglicherweise mehr liegen und vieles in diesem Sinne mehr.
Dann kann man diesen Wandel als eine positive Entwicklung sehen?
Zunächst, vermute ich, werden die gesellschaftlichen und individuellen Auseinandersetzungen über die Geschlechterverhältnisse, über Frauen- und Männerleben eher zunehmen. Das macht auch die ganz aktuelle Brisanz der Geschlechterforschung aus. Alles, was hier verhandelt, um was gesellschaftlich und individuell gestritten und gerungen wird, ist ja Thema der Geschlechterforschung. Zugleich aber wird es zu einer Pluralisierung der Lebensformen von Männern und Frauen führen.
Definieren junge Männer Männlichkeit anders als früher?
Natürlich ist für die meisten jungen Männer «Ernährer der Familie» und berufstätig zu sein noch immer zentral. Aber für immer mehr ist Mode, die Beschäftigung mit dem eigenen Körper oder auch Schminken keine reine Frauensache mehr. Auch das Sprechen über die eigenen Gefühle, Ängste und Wünsche ist es nicht mehr. Väterlichkeit, Hausarbeit, Teilzeit, all dies wird immer mehr in die Vorstellung von Männlichkeit integriert. Für viele Frauen, aber auch Männer ist selbstverständlich, was noch vor 20 Jahren absolut undenkbar war, dass Frauen eine gute Ausbildung haben und auch mit Familie berufstätig sein wollen und dass umgekehrt zunehmend mehr Männer in der Familie präsenter sein wollen. Wie schwierig das unter den gegebenen gesellschaftlichen Bedingungen ist, werden sie dann merken, wenn sie in diese Lebensphase kommen. Ich bin sicher, dann werden die Forderungen nach den dafür nötigen institutionellen und beruflichen Rahmenbedingungen auch in der Schweiz nochmals deutlicher werden.
Wie kommt dieser «neue Mann» bei den Frauen an?
Für viele Frauen ist inzwischen klar, dass sie sich nicht vorstellen können, mit einem Mann zusammenzuleben, der ihnen nicht zugesteht, erwerbstätig zu sein oder berufliche Karriere zu machen. Auch erwarten sie, eine gleichberechtigte Arbeitsteilung im alltäglichen Zusammenleben bezogen auf Hausarbeit und Kinderbetreuung, wie auch immer das dann konkret aussieht. Da hat sich also ganz entschieden was geändert.
Ihre Prognose für die Geschlechterverhältnisse in 20 Jahren?
Ich vermute, die Vervielfältigung geschlechtlicher und sexueller Existenzweisen wird zunehmen und damit werden sich auch die Möglichkeiten, wie Frauen und Männer leben werden, vergrössern. Auch werden die Verhältnisse gleichberechtigter sein, privat, beruflich und allgemein.

http://www.tagesanzeiger.ch/leben/gesellschaft/Mann-du-hast-die-Krise/story/14276892

«Das Bildungssystem sollte mehr auf konkrete, individuelle Förderung setzen»
Geschlechterforscherin Andrea Maihofer von der Universität Basel über die bubenspezifischen Probleme in der Schule

Interview: Claudia Wirz
Frau Prof. Maihofer, in der Schule sind Mädchen erfolgreicher als Buben. In der Berufswelt ist es umgekehrt. Ist Bubendiskriminierung also nur ein Phantom?
Nein, hier besteht in der Tat ein ernstzunehmendes Problem. Viele Jungen können in der Primar- und Sekundarschule, wie sie derzeit verfasst ist, ihre Fähigkeiten nicht optimal entwickeln. Das betrifft insbesondere Jungen mit Migrationshintergrund, aber auch viele Schweizer Jungen. Falsch an der Debatte ist allerdings, die Förderung von Jungen und Mädchen gegeneinander auszuspielen. Alle Menschen haben das Recht auf optimale Förderung in Schule, Ausbildung und Beruf. Hierfür hat eine Gesellschaft Sorge zu tragen. Und wenn sich heute zeigt, dass Jungen Schwierigkeiten haben, müssen das Bildungssystem und die Politik reagieren.
Wie kommen die schwächeren Schulleistungen der Buben überhaupt zustande?
Ein Grund ist sicher das Fehlen von männlichen Vorbildern für Jungen in der Schule; zumal ihre Väter noch immer zu wenig in ihrem familialen Alltag präsent sind. Sie orientieren sich daher sehr stark an medialen Idolen, z. B. aus Videospielen und Actionfilmen. Diese repräsentieren aber meist traditionelle Männlichkeitsvorstellungen. Noch entscheidender sind die schulischen Anforderungen. So wird viel selbständiges Arbeiten erwartet, obwohl wir aus der Forschung wissen, dass Jungen viel besser auf Frontalunterricht reagieren, zumal sie in Kleingruppen schnell in sich wechselseitig blockierendes Konkurrenzverhalten verfallen.
Oft hört man, Stillsitzen sei im jugendlichen Alter keine männliche Tugend.
In der Tat wird sehr viel Wert auf Ordentlichkeit gelegt, Stillsitzen und Konzentration. Zugleich werden Jungen aber anders als Mädchen dazu erzogen, sich viel zu bewegen. Sport ist für viele in diesem Alter das absolute Lieblingsfach. Sie sollen risiko- und konkurrenzorientiert und vor allem cool sein und ihre Probleme und Unsicherheiten möglichst alleine lösen. Alles Verhaltensweisen, die für Erfolg in der Schule eher kontraproduktiv sind.
Im Gymnasium haben Buben häufiger ein egalitäres Rollenverständnis als in der Realschule. Hilft eine «politisch korrekte» Einstellung in der Schule?
Das hat mit politischer Korrektheit nichts zu tun, sondern mit dem eben Gesagten. Ein stark traditioneller männlicher Habitus widerspricht über grosse Strecken den schulischen Anforderungen. Dazu gehört auch, je traditioneller die Vorstellungen über die Rollenverteilung bei den Jungen sind, umso eher gehen sie davon aus, den Mädchen überlegen sein. Wenn sie in der Schule dann merken, dass Mädchen oft bessere Leistungen bringen, ist das für sie sehr irritierend und passt ganz und gar nicht in ihr männliches Selbstbild. Auf diese Erfahrung sind sie nicht vorbereitet; das ist frustrierend und überfordert viele.
Das Umfeld vieler Kinder ist weiblich dominiert. Welchen Einfluss hat das auf die Entwicklung der Männlichkeit?
Das bleibt, wie gesagt, nicht ohne negative Folgen. Doch das «weiblich dominierte Umfeld» ist nicht zuletzt das Ergebnis der traditionellen Vorstellung, nach der die Erziehung von kleinen Kindern vor allem eine Aufgabe für Frauen ist. Erst langsam entwickeln auch Männer, wie wir in einer Studie haben zeigen können, vermehrt den Wunsch, im familialen Alltag präsent zu sein. Zudem werden der Beruf der Erzieherin und jener der Primarschullehrerin als typische Frauenberufe eher schlecht bezahlt, schon gar gemessen an der gesellschaftlichen Verantwortung. Das würde sich ändern, wenn mehr Männer diese Berufe ergreifen würden.
Besteht denn ein Zusammenhang zwischen dem Geschlecht der Lehrperson und dem Schulerfolg von Mädchen und Buben?
Wie schon angesprochen liegt das Problem vor allem an der Diskrepanz zwischen den schulischen Anforderungen und der häufig sehr traditionellen Erziehung bzw. Orientierung von Jungen. Daher ist es recht egal, wie die Studien auch zeigen, wer diese Anforderungen stellt, ein Lehrer oder eine Lehrerin. Aber anders als bei Mädchen früher wird bei Jungen heute nicht behauptet, sie seien von Natur aus nicht zu schulischem Erfolg in der Lage. Vielmehr wird danach gefragt, was am Bildungssystem und an traditionellen Rollenvorstellungen möglicherweise kontraproduktiv ist und welche Konsequenzen darauf gesellschaftlich gezogen werden müssen. Und das ist gut so.
Seit Jahren klagen die technischen Branchen über Nachwuchsmangel. Ist die «verweiblichte» Schule schuld?
Der Mangel an Nachwuchs in den technischen und «harten» Naturwissenschaften hat vor allem mit dem steigenden Bedarf in diesen Bereichen zu tun. Deshalb braucht es in Zukunft mehr Frauen in diesen Berufen. In den nordischen oder manchen asiatischen Ländern wurde das viel früher erkannt als in der Schweiz oder in Deutschland, und es wurden Massnahmen ergriffen. Dabei hat sich das alte Vorurteil, Frauen hätten kein Sensorium für diese Fächer und Berufe, als falsch erwiesen.
Was also ist zu tun?
Das Bildungssystem und die Politik müssen auf die vorhandenen Probleme bei den Jungen, aber auch bei den Mädchen reagieren. Aber diese sind nicht nur einfach Jungen oder Mädchen, sondern individuell sehr unterschiedlich. Um einen optimalen schulischen und später beruflichen Erfolg zu ermöglichen, braucht es ein Bildungs- und Ausbildungssystem, das vermehrt auf die konkrete individuelle Förderung schaut. Schliesslich ist in der Schweiz die Reproduktion von schichts- und migrationsbedingten Ungleichheiten nach wie vor sehr hoch. Dabei könnte die Schweiz von den Erfahrungen in anderen Ländern profitieren. Zudem ist ein Abbau traditioneller Geschlechtervorstellungen nötig, sowohl bei Jungen wie bei Mädchen, denn bei Letzteren haben diese sehr häufig vor allem in der späteren Ausbildungs- und Berufsentwicklung ebenfalls kontraproduktive Folgen.
Andrea Maihofer ist Professorin für Geschlechterforschung und Leiterin des Zentrums Gender Studies an der Universität Basel.

http://www.nzz.ch/aktuell/startseite/das-bildungssystem-sollte-mehr-auf-konkrete-individuelle-foerderung-setzen-1.11303219

Geschlechterforscherin Andrea Maihofer erklärt, warum Gender-spezifisches Spielzeug aus ihrer Sicht zur Gefahr werden kann.
Frau Maihofer, weshalb spielen Buben mit Autos und Mädchen mit Puppen?
Soziale Faktoren sind entscheidend. Dies genau aufzuzeigen, ist aber sehr schwierig. Hier wirkt die Akkumulation verschiedener Verhaltensweisen.
Welches konkrete Verhalten meinen Sie?

Ab dem Zeitpunkt ihrer Geburt werden Buben und Mädchen unterschiedlich behandelt. Ihnen wird beispielsweise Unterschiedliches vor die Augen gehalten oder in die Hände gedrückt. Dadurch entwickeln sie verschiedene Interessen. Es laufen viele kleine Prozesse ab, die dazu führen, dass ein Bub zum Auto greift. Dass er zuvor 100 Mal ein Auto in die Hand gedrückt bekommen hat, daran denkt man dann nicht mehr.
Gibt es noch andere Einflüsse?
Ebenfalls eine grosse Rolle spielen die Medien: Von allen Seiten wird Kindern und Eltern vorgehalten, wie ein Bub zu sein hat und wie ein Mädchen. Wir wissen aber inzwischen, dass Umwelteinflüsse die Hirnentwicklung von Kindern sehr stark beeinflussen.
Spielt Biologie auch sonst eine Rolle?
Sicher spielt sie irgendwie eine Rolle. Aber wie, das ist schwer festzustellen. Denn sobald Kinder auf der Welt sind, werden sie beeinflusst. Dabei werden Buben bezogen auf Spielzeug viel stärker gesteuert als Mädchen.
Also spielt die Biologie aus Ihrer Sicht keine Rolle?
Als sozialwissenschaftlich arbeitende Geschlechterforscherin entscheide ich mich von Anfang an, die Einflüsse für die kindliche Entwicklung zu untersuchen, die wir beobachten können. Und die sind sozialer Art. Demgegenüber sind die biologischen Prägungen nur schwer nachweisbar.
Forscher haben allerdings herausgefunden, dass bereits einen Tag alte Babys unterschiedliche Interessen aufweisen. Buben schauen häufiger und länger Gegenstände an, während Mädchen personenbezogener sind. Was sagen Sie dazu?
Das scheint mir problematisch zu sein. Da müsste man genau schauen, wer diese Studie wie gemacht hat. Es ist schwierig, das nachzuweisen. Ich bin keine Biologin. Aber die Geschlechterforschung zeigt, dass biologische Einflüsse auf unterschiedliches Spielverhalten schwach sind. Sonst könnte man sich dem ja nicht entziehen. Aber es sind ja nicht alle Mädchen so: Manche spielen mit Autos.
Stellen Sie die biologisch-psychologische Forschung als Ganzes infrage?
Wir wissen, dass scheinbar objektive naturwissenschaftliche Erkenntnisse stark von den normativen Vorstellungen der Forschenden beeinflusst sind. So galt es noch bis vor kurzem als bewiesen, dass Homosexualität unnatürlich ist. Mit der wachsenden Akzeptanz der Homosexualität zeigen Forschungen vermehrt, wie verbreitet bei vielen Tieren homosexuelle Praktiken sind. Auch basieren viele naturwissenschaftliche Forschungen auf sehr kleinen Fallzahlen, so wird in der Hirnforschung oft mit 5 bis 10 Personen gearbeitet. Das macht die Verallgemeinerung der Ergebnisse problematisch.
Psychologen argumentieren, das unterschiedliche Spielverhalten sei sowohl in verschiedenen Kulturen als auch bei Tieren zu beobachten. Es sei universell.
Es gibt so viele Studien, die ganz unterschiedliche Aussagen machen. Daraus abzuleiten, das Spielverhalten sei biologisch bedingt, ist sehr problematisch. Die soziale Prägung aber lässt sich direkt beobachten.
Welche Belege liefert die Gender-Forschung hierfür?
Zum Beispiel die Tests mit unterschiedlich gekleideten Kindern: Wird ein Kind blau angezogen, nehmen die Leute an, es handle sich um einen Buben. Deshalb gehen sie mit dem Kind anders um: Seine Stärke wird hervorgehoben, während bei Mädchen die Schönheit gelobt wird. Dieses Beispiel zeigt, wie Kinder von Beginn an geprägt werden. Und ausserdem: Wenn das Ganze biologisch festgelegt wäre, wieso sollten wir uns mit der Erziehung dann so viel Mühe geben? Mit der Sozialisierung hingegen kann man Einfluss nehmen und das verändern, was man nicht so gut findet. Durch Erziehung kann man das Spektrum der Kinder zum Beispiel erweitern. Das ist eine gesellschaftliche Entscheidung.
Geht es dann nicht eher um Ideologie als um Forschung?
Jede Forschung geht von kulturell bestimmten Annahmen aus. Das beeinflusst, was gesehen oder gemessen wird. Forschung ist immer kulturell geprägt.
Nun, Ideologie hin oder her: Viele Buben wünschen sich nun einmal ein Auto.
Ja, weil besonders kleine Kinder gerne dem entsprechen, was von ihnen erwartet wird. Kinderfilme oder Werbung zum Beispiel führen ihnen permanent vor, was sich ein Bub oder ein Mädchen wünschen sollte.
Was für Auswirkungen hat Spielzeug?
Spielzeug führt Kinder in das Leben ein. Es kann spätere Lebensentscheidungen wie die Berufswahl beeinflussen.
Sollen Eltern ihrer Tochter also lieber keine Puppe zu Weihnachten schenken?
Ein Geschenk soll ja Freude machen. Man sollte den Kindern aber auch andere Angebote machen. Dabei geht es nicht darum, alle Kinder gleich zu machen, sondern darum, Unterschiede zwischen Buben und zwischen Mädchen möglich zu machen.
Andrea Maihofer ist Professorin für Geschlechterforschung und Leiterin des Zentrums Gender-Studies in Basel.

http://www.nzz.ch/wissenschaft/bildung/biologische-einfluesse-sind-schwer-nachweisbar-1.18449168


LÖRRACH. Familie – ein soziales Konstrukt? Das ist die Leitfrage der diesjährigen Vortragsreihe Samstagsuni an der Volkshochschule Lörrach. Die Soziologin Andrea Maihofer bejahte diese Frage ganz klar beim letzten Vortrag der Reihe. Sie erklärte, dass Familie einem ständigen Wandel unterworfen sei und es heute ganz unterschiedliche Formen von Familie gebe.
Seit fast 30 Jahren befasst sich Andrea Maihofer in ihren Studien mit dem Thema "Familie im Wandel". Die Soziologin und Philosophin ist Professorin für Geschlechterforschung und Leiterin des Zentrums Gender Studies der Universität Basel. "Wir erleben keine Krise, sondern eine Transformation der Familie und eine Pluralisierung familiärer Lebensformen", sagte sie.

Die traditionelle Kleinfamilie mit einem heterosexuellen Ehepaar, dessen Ehe für immer halten soll, mit Kindern und gemeinsamem Haushalt, dem Mann als Alleinverdiener und Ernährer und der Frau als Hausfrau und Mutter sei in Bewegung geraten. Dieser Familienbegriff auf der Basis von Liebe und Zuneigung sei überhaupt erst im 18. und 19. Jahrhundert in den bürgerlichen Schichten entstanden. Historisch und gesellschaftlich gestalte sich Familie sehr unterschiedlich.

Neben der traditionellen Familie gebe es heute die Einelternfamilie, die uneheliche heterosexuelle Familie, homosexuelle Familien, vor allem aber Patchworkfamilien, in denen nach Trennungen Teile von Familien ganz neu gemischt würden. Mehr als jede zweite Ehe werde heute geschieden, meist nach sieben bis zehn Jahren. Die soziale Elternschaft gewinne daher immer mehr an Bedeutung: "Zuneigung und Fürsorge haben nicht mehr unbedingt mit biologischen Faktoren zu tun", sagte die Referentin. In solch einer Familie seien Kommunikation und Organisation, Flexibilität, aber auch Verbindlichkeit sehr wichtig.
Es gibt immer noch gesellschaftliche Vorurteile

Immer noch würden sich Frauen eher der Hausfrau- und Mutterrolle und Männer eher der Erwerbstätigkeit zuordnen. Auch in gleichberechtigten Partnerschaften werden die Strukturen laut Maihofer traditioneller, sobald das erste Kind da ist. Die Beteiligung der Männer an der Hausarbeit und Kinderbetreuung nehme jedoch zu. Männer möchten heute demnach im Haushalt mehr tun, doch weil die Frau dort das Meiste macht und den Gesamtüberblick hat, kommt es nicht selten zu Konflikten. So werde die Vereinbarkeit von Familie und Beruf für beide zum Problem, weil Krippenplätze oder Ganztagsschulen fehlten.

Für Frauen sei das Problem aber größer. Oft seien sie es, die zu Hause blieben, weil Frauen im Beruf immer noch weniger verdienen würden als Männer. Auch bestünden noch immer gesellschaftliche Vorurteile: Mütter, die arbeiteten, seien Rabenmütter. Väter, die Kinder erziehen würden, seien unmännlich. "Familie ist immer mehr das, was faktisch gemeinsam gelebt wird, und Familie wird immer weniger aus konventionellen Gründen gelebt, sondern wegen ihrer emotionalen Qualität, wegen der Geborgenheit, sie die bietet", stellte Andrea Maihofer abschließend fest.

http://www.badische-zeitung.de/loerrach/haushalt-familie-und-kuenftig--96044587.html

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