Folge 54637389876: Die hirnerweichten Pudel sind das Problem (Gesellschaft)
Der Täter im Fall Tugce war kein "Koma-Schläger", das Opfer kein "Engel der Barmherzigkeit" - alle Vorverurteilungen gingen fehl. Wer keine Ahnung hat, sollte also bei zukünftigen Fällen besser schweigen. Schlechtestes Vorbild: Bundespräsident Gauck.
Früh am Morgen auf einem Parkplatz. Junge Leute streiten. Ein Mann schlägt eine Frau nieder. Sie stirbt an ihren Verletzungen. Ihr Leben endet. Seines wird nie wieder sein wie zuvor. Die Öffentlichkeit stürzt sich auf den Fall. Sie wird "Engel der Barmherzigkeit" genannt. Er ist der "Koma-Schläger".
So einfach kann man es sich mit dem Leid der Menschen machen....
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Mitleid und Respekt für das Opfer. Hass und Verachtung für den Täter... - das waren die Gefühle, die das ganze Land erfassten, nachdem im vergangenen November die Maschinen abgeschaltet wurden, die noch den Körper der jungen Tugce Albayrak am Leben gehalten hatten. Und jeder wusste genau, was in jener Nacht geschehen war: wie der Täter zwei Mädchen belästigt hatte, wie sein späteres Opfer beherzt dazwischen ging, wie der junge Mann sich gedemütigt fühlte und auf Rache sann, und schließlich der mutigen Tugce Albayrak einen tödlichen Schlag versetzte.
Mit Urteilen und Vorurteilen viel zu schnell bei der Hand
Aber in Wahrheit war das nichts als "Rashomon" hinter dem Schnellrestaurant. Wie in Akira Kurosawas berühmten Film über Recht und Gerechtigkeit waren alle Zeugen - und dann auch noch das ganze Land - viel zu schnell mit ihren Urteilen und Vorurteilen bei der Hand.
Ein Landtagsabgeordneter der CDU wollte eine Straße nach der jungen Frau benennen lassen. Im Internet sammelten Leute Unterschriften dafür, ihr posthum das Bundesverdienstkreuz verleihen zu lassen. Der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) verkündete sofort, er halte das für eine gute Idee, und der Bundespräsident höchstpersönlich ließ mitteilen, er wolle das gerne prüfen lassen.
Joachim Gauck schrieb sogar an die Familie der Toten einen Brief. Tugce werde immer ein Vorbild bleiben und habe "unser aller Dankbarkeit und Respekt verdient", schrieb der Präsident: "Wo andere Menschen wegschauten, hat Tugce in beispielhafter Weise Mut und Zivilcourage bewiesen." Dabei sei sie "selbst zum Opfer eines brutalen Verbrechens geworden".
Dieser Präsident hört sich selber gerne reden. Wenigstens dieses Mal hätte er besser geschwiegen. Artikel 101 des Grundgesetzes bestimmt: "Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden." Wenn der höchste Repräsentant des Staates im laufenden Verfahren eine Vorverurteilung ausspricht, dann verletzt er das Grundgesetz und den Geist unseres freiheitlichen, demokratischen Rechtsstaats.
Gauck, Bouffier und all die anderen Politiker, die meinten, sich zum Tod der jungen Frau äußern zu müssen, haben der Justiz die Arbeit erschwert. Paragraf 261 der Strafprozessordnung legt fest, wie ein Gericht über das Ergebnis der Beweisaufnahme zu entscheiden hat: "nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung" - und nicht nach Auswertung der Boulevardzeitungen, Politiker-Statements und Internetblogs.
Die unabhängige Justiz bedeutet Zivilisation. Aber auch in Deutschland ist beides beständig in Gefahr, unabhängige Justiz und Zivilisation. Wenn sich Medien und Meute mit verantwortungslosem Leichtsinn auf jedes spektakuläre Verbrechen stürzen, dann verlassen sie sich blind darauf, dass Staatsanwälte und Richter unbeeindruckt ihre Arbeit tun. Das ist kindisch und gefährlich.
Aber wie soll man von Bürgern und Journalisten Disziplin erwarten, wenn selbst die höchsten Repräsentanten des Staates nicht an sich halten können?
Quelle: Lügenpresse