Die 4. Gewalt und ihre putzigen Leser (Lügenpresse)
Bis heute haben es viele Medien nicht gelernt, mit den Reaktionen ihrer Leser und Zuschauer umzugehen. Das weiß ich aus eigener Erfahrung.
Bei der “Thüringer Allgemeinen” in der Thüringen-Redaktion haben wir regelmäßig die Leserpost gesichtet und ausgesucht, welche wir veröffentlichen. Das Problem dabei: Die Lokalausgaben wurden mit Reaktionen überschüttet, die Mantelredaktion nicht unbedingt. Also setzten wir uns auch schon mal hin und schrieben uns selbst, damit der Platz gefüllt war. Ein bisschen kritisch, ein bisschen generalisierend, aber ansonsten gutheißend – das waren wir uns schon wert.
Später, bei der “Financial Times Deutschland” war ich im Kommentarteam, zu dessen Zuständigkeit ebenfalls die Leserbriefspalte gehörte. Hier war weniger das Problem der Eingangsmenge, sondern der Qualität, die wir unseren Lesern zumuten wollten. Manche Mails waren uns zu platt, was wir unserer vermeintlich gebildeten Kundschaft nicht immer zumuten wollten. Andere waren seitenlang, was wir entsprechend eindampften, was vielen Lesern dann aber nicht recht war, weil es ihre Argumente verkürzte. Wenn wir uns es nicht sogar komplett ersparten. Und die dritten waren zwar in der richtigen Länge, mit aktuellem Bezug und mitunter sogar pointiert. Oft kamen diese jedoch von professionellen Leserbriefschreibern, die gern ihren Namen in der Zeitung lesen – wenn möglich, dann täglich und in so vielen Medien wie möglich. Die kamen alle auf einen Index. Es sei denn, sie lobpreisten uns.
Nun gab es gab auch sehr viele Leser, die nicht an die zentrale Sammeladresse schrieben, sondern direkt an die Redakteure. Jeder konnte damit aber umgehen wie er wollte. Es wurde selten darüber gesprochen und noch weniger ausgewertet. Und Ignorieren war manchmal schlicht einfacher, angesichts des Zeitdrucks. Es dankte einem ja keiner, wenn man auf einen Brief mal ausführlich einging. Zumindest keiner in der Redaktion.
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Die Veranstalter hatten unter anderem Maren Müller eingeladen, die den Verein „Ständige Publikumskonferenz der öffentlich-rechtlichen Medien“ gegründet hat. Müller und ihr Verein senden mindestens im Wochentakt eine Programmbeschwerde an die ARD oder das ZDF. Und die fühlen sich davon, das machten sie in Hamburg erneut klar, ziemlich belästigt. (...) Die Programmbeschwerde sei doch ein ziemlich aufwändiges Verfahren, entgegnete er Müller. Auf diese Masse an Beschwerden, wie sie von dem Verein ausgingen, seien die Gremien gar nicht eingestellt, sie zu bearbeiten viel zu aufwändig.
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Die Sender haben also ein veraltetes und ineffektives Verfahren, um auf Beschwerden zu reagieren. Aber anstatt dieses umfänglich zu überdenken, fordern sie lieber die Kritiker auf, sich dem Verfahren anzupassen.
Falk Heunemann, Autor in Berlin,
Opinion Club via Arne Hoffmann
P.S.
Es ist mal wieder soweit: Gähnend lange Abrufzeiten.
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Go Woke - Get Broke!
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adler,
10.07.2015, 22:58
- Herr Homann, schweigen Sie zum Thema, weil Sie fürchten verklagt zu werden? - WWW, 10.07.2015, 23:39