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Wieviel »Gleichberechtigung« verträgt das Land?

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Liste Femanzen Anja Kühne (Liste Femanzen)

Oberkellner @, Tuesday, 15.12.2015, 15:02 (vor 3065 Tagen)

F431 Anja Kühne – geboren 1968 in Berlin – Studium der Deutschen und Englischen Philologie an der FU Berlin und in England - seit 1998 Redakteurin beim Tagesspiegel – seit 2003 verantwortlich für die Bildungspolitik und die Seite Wissen - http://www.tagesspiegel.de/images/kuehne_kai-uwe-heinrich/10262636/3-format2.jpg

Der Feminismus lebt - wie etwa Pussy Riot und One Billion Rising beweisen. Doch Neoliberalismus und Gendertheorien, nach denen das Geschlecht gesellschaftlich keine Rolle mehr spielen soll, erschweren das Engagement.
„Jungfrau Maria!“, betete die russische Punkband Pussy Riot vor anderthalb Jahren in der Moskauer Christ-Erlöser-Kathedrale: „Räum Putin aus dem Weg! – Werd’ Feministin, werd’ Feministin, werd’ Feministin!“ – Putin nahm die Performance in bunten Strumpfmasken übel. Maria Aljochina und Nadeschda Tolokonnikowa sitzen im Arbeitslager.
Zum Glück drohen aufmüpfigen jungen Frauen in Deutschland solche Strafen nicht. Vermutlich ist es auch kein Zufall, dass die feministischen Flehrufe an Maria gar nicht erst aus dem Berliner Dom erklangen. Hierzulande bilden Kirchen und Staat keine offen repressive Allianz gegen die Freiheit der Frauen mehr, die solchen Widerstand heraufbeschwören würde.
Deutschland wird sogar von einer Frau regiert, einer, die sich öffentlich beim Patriarchen Putin für Pussy Riot starkmachte. Angela Merkel trug dabei übrigens wie meistens eine Hose zur Jacke – ein Outfit, mit dem die SPD-Abgeordnete Lenelotte von Bothmer 1970 im Bundestag einen Eklat auslöste. Darüber kann man heute nur noch lachen. Frauen in Deutschland geht es im globalen Vergleich ziemlich gut.
„Was wollen Sie noch?“ lautet also der Titel des aktuellen Hefts der „Feministischen Studien“, die Frage der vielen aufnehmend, die den Feminismus nach seinen Erfolgen inzwischen (erst recht) für überflüssig halten. Die Zeitschrift, ein Organ für interdisziplinäre Frauen- und Geschlechterforschung, ist 30 geworden. Die 31 in der Jubiläumsausgabe versammelten Autorinnen geben darum eine Zwischenbilanz über die Lage des Feminismus und der feministischen Theorie. Sie fällt ambivalent aus.
So hat der Staat zwar inzwischen klassische feministische Themen auf seine Agenda gesetzt. Frauen sollen ökonomisch vom Mann unabhängig werden, ein milliardenschweres Kitaprogramm ist auf dem Weg. Doch handelt es sich bei den Entwicklungen nicht eher um eine feindliche Übernahme?, fragen die Wissenschaftlerinnen. Das übergreifende feministische Ziel einer solidarischen Gemeinschaft, in der sozial gewirtschaftet wird, bleibt auf der Strecke: „Fragmentiert und eingebettet in neoliberale Diskurse ist das gesellschaftskritische Potenzial dieser feministischen Forderungen weitgehend verloren gegangen“ (Irene Dölling, Potsdam).
Freiheit und Individualität verspricht das zunehmend deregulierte System. Doch Freiheit bedeutet hier die Freiheit von einer Festanstellung, Individualität wird verstanden als die Individualität der Ich-AG, die sich für nichts als das eigene Fortkommen interessiert. Unter diesen Umständen degeneriert der Feminismus zu einem „neobürgerlichen Eliteprojekt“ (Sabine Hark, Berlin).

„Danke, emanzipiert sind wir selber“
Diesem verpflichtet sind demnach Frauentypen wie Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU), die den Feminismus für überflüssig hält: „Danke, emanzipiert sind wir selber“, heißt der Titel ihres Buches. Frau kommt alleine zurecht: „Wirkte es ehemals befreiend, bestimmte individuelle Lagen als geschlechtstypische zu benennen, wird es heute als übergriffig empfunden, einer Studentin ihre biographische Situation als eine geschlechtsspezifische anzusinnen. Statt consciousness raising nun eben karriereorientiertes Einzelcoaching“ (Friederike Kuster, Wuppertal). Erfolg oder Misserfolg – die Ursachen liegen demnach allein im persönlichen Bereich. Gesellschaftliche Ursachen werden „vernachlässigt oder ausgeblendet“ (Ilse Lenz, Bochum).
Das in der Bundesrepublik noch neue Phänomen einer wachsenden Zahl von gut gebildeten berufstätigen Frauen lässt die Gesellschaft moderner erscheinen, als sie tatsächlich ist. Frauen stoßen weiter an gläserne Decken, sie sind im Schnitt stärker von der Prekarisierung der Arbeitsverhältnisse und von Altersarmut betroffen und erledigen noch immer einen weit größeren Teil der Hausarbeit, stellen die Autorinnen der „Feministischen Studien“ fest.
Auch sonst bleibt die Geschlechterhierarchie stabil: Pornografie und Prostitution blühen weiter. Und noch im Jahr 2013 können wohl nur wenige Frauen von sich sagen, noch nie sexuell belästigt worden zu sein – der FDP-Politiker Rainer Brüderle ist als dirty old man kein Auslaufmodell, wie zuletzt der Twitter-Hashtag „Aufschrei“ mit Tausenden von Beiträgen ins öffentliche Bewusstsein rückte.
Der Widerstand gegen den allgegenwärtigen Sexismus artikuliert sich zuerst jenseits der „Mainstream-Medien“, von den Feministinnen auch „Malestream-Medien“ genannt. Damit zeigt er „unverkennbar Affinitäten mit Protestformen des Feminismus der 70er“ (Sabine Hark, Berlin): nämlich in den Aktionen von Pussy Riot und Femen, den Slut Walks oder in One Billion Rising, dem weltweiten Tanz der Massen zur Anprangerung von Gewalt gegen Frauen.
Während die Besetzung feministischer Themen durch den Staat den Blick darauf verstellt, dass zwischen den Geschlechtern weiter deutliche soziale Asymmetrien herrschen, trägt nach Meinung vieler Autorinnen in den „Studien“ auch die Genderforschung zur Vernebelung der Tatsachen bei. In den vergangenen beiden Jahrzehnten ist die Genderforschung an die Stelle der feministischen Frauenforschung getreten – ein Umstand, der in dem Heft breit problematisiert wird.
Denn zwar wird die Genderforschung von antifeministischen Herrenrechtlern als theoretische Speerspitze des Feminismus wütend bekämpft. Doch viele feministische Wissenschaftlerinnen befürchten im Gegenteil, dass die Genderforschung feministische Kraft in luftigen theoretischen Höhen verloren hat. Während „die Gender Studies bisweilen ein Auskommen an den Universitäten gefunden haben“, will „keine_r mehr so recht feministische Theorie betreiben“ (Hark).
Zwei Ursachen sehen die Autorinnen des Hefts: Im Streben nach akademischer Anerkennung hat sich die Geschlechterforschung darum bemüht, „den Geruch des Politischen, einer kritischen Gesellschaftstheorie abzustreifen“ (Ute Gerhard, Frankfurt/M.) – und ist damit zu ihrem Nachteil den scheinobjektiven normal sciences ähnlicher geworden.
Schwerer aber noch wiegt es nach Meinung einer Reihe von Autorinnen der „Studien“, dass „Gender“ den Gegenstand feministischer Forschung, nämlich die Frau, zum Verschwinden gebracht hat. Dass es „die Frau“ nicht gibt, sondern dass Frauen sehr verschieden sind und vor allem als Projektionsflächen für allerlei (männliche) Wünsche dienen, hatte schon die Frauenbewegung bemerkt.
Die poststrukturalistische Gendertheorie lenkte zu Beginn der neunziger Jahre das Augenmerk aber immer radikaler darauf, wie „Frauen“ und „Männer“ in performativen Akten erst kulturell hervorgebracht werden, vergleichbar einem Auto, das am Fließband zusammengesetzt wird. Von dieser Erkenntnis wurde nicht nur das soziale Geschlecht (gender), sondern sogar das biologische (sex) erfasst, das ebenfalls als kulturelles Konstrukt entlarvt wurde – schließlich realisiert sich auch der Körper erst im kulturellen Akt seiner Wahrnehmung.
Geschlecht soll gesellschaftlich keine Rolle mehr spielen
Die Einsicht, dass es einheitliche Subjekte wie „Frauen“ oder „Männer“ gar nicht gibt, hat plumpe Annahmen als solche entlarvt. Doch in Zweigen der Gender-, Diversity- und Queer-Studies gilt es nun in der Konsequenz als politisch unerwünschter Akt, geschlossene Identitäten zu erzeugen – etwa, indem die „Frauen“-Beauftragte mit ihrem noch so gut gemeinten Engagement Personen auf einen Minderheitenstatus festlegt und damit auch noch Hierarchisierungen gegenüber anderen Minderheiten schafft. An diesem Punkt kann sich Genderforschung aber ungewollt mit den neoliberalen Vorstellungen einer Kristina Schröder verbinden: Man sollte nicht versuchen, einer Person eine „Frau“ überzuhelfen, Geschlecht soll gesellschaftlich keine Rolle mehr spielen.
Für den Feminismus ist das ein Problem: „Die dekonstruktivistische Infragestellung der Geschlechter hat es vielleicht noch mehr als männliche Machtmonopole, Kleidervorschriften und Diskreditierungen des Weiblichen vermocht, die Existenz von Frauen als erkennbare Subjekte, als soziale und politische Kategorie zu vernichten“ (Gabriele Kämper, Berlin).
In der Wissenschaft ist Gender eher ein stumpfes Schwert: „So hat Gender beispielsweise bisher kaum dazu geführt, Literaturgeschichte als Geschichte von Geschlechterbeziehungen wirksam zu hinterfragen oder gar neu zu schreiben. (…) Männlichkeitskonstruktionen in der Literatur sind immer noch wenig erforscht, Autoren geschlechtslose Wesen. Gleichzeitig wurden historische Untersuchungen zu Frauen und insbesondere zu Leben und Werk von Autorinnen unter Ideologieverdacht gestellt. So führte der Erfolg der Gender Studies zum (erneuten) Verschwinden der Frauen aus der Literaturgeschichte“ (Anne Fleig, Berlin).
Wie geht es weiter? „Mehr Empirie, mehr Bezug auf Praxis, mehr Adressierung an die alteingesessenen Disziplinen“, fordert Hilge Landweer (Berlin). Glaubt auch niemand mehr daran, dass es die Frau in ihrer Essenz gibt, so empfiehlt sich doch ein „strategischer Essentialismus“, um einen „Weltbegriff feministischer Kritik“ zu ermöglichen (Gudrun-Axeli Knapp, Hannover). Die feministische Forschung, die im Neoliberalismus und in der Gendertheorie ihr „Bewusstsein verlor“, soll wieder zu sich kommen (Fleig). Oder in den Worten von Mechthild Veil (Frankfurt): Die Wissenschaft soll wieder „mehr Feminismus wagen“.

http://www.tagesspiegel.de/wissen/feminismus-und-gender-werd-feministin/8472496.html


Liebe Frau Kühne, können Sie kurz Ihr Berufsprofil beschreiben?
AK: Ich bin als Redakteurin im Tagesspiegel verantwortlich für Bildungs- und Wissenschaftspolitik. Die Aufgabe ist es, die tagesaktuellen Debatten in diesem Gebiet zu verfolgen, etwa indem man zu Pressekonferenzen geht, sich mit Politikern und anderen Akteuren unterhält, wissenschaftliche Studien liest oder sogar, indem man versucht, an vertrauliche Papiere zu gelangen, die man dann exklusiv veröffentlicht. Man versucht, die sich ständig verändernde und oft zuerst undurchsichtige politische Gemengelage selbst zu verstehen, die womöglich komplexen Sachverhalte dann zu komprimieren, sie möglichst schnell und anschaulich den Leser/-innen mitzuteilen und in Kommentaren zu bewerten.
Anders als frei flottierende Reporter/-innen oder freie Mitarbeiter/-innen müssen Redakteur/-innen auch entscheiden, wie ein Thema in der Zeitung inszeniert wird, wie viel Platz es einnehmen soll und welche journalistische Gattung dafür in Frage kommt (Porträt, Reportage, Interview, Kommentar). Redakteur/-innen suchen Fotos und dichten Überschriften, sie suchen ständig neue Ideen für Artikel, die vielleicht von freien Mitarbeiter/-innen geschrieben werden können.
Wegen des medialen Umbruchs werden die Online-Ausgaben der Zeitungen immer wichtiger. Trotzdem glaube ich nicht, dass die Zeitung aus Papier aussterben wird.
Wo haben Sie studiert, was haben Sie studiert? Welchen Berufsabschluss haben Sie?
AK: Ich habe an der Freien Universität Ältere deutsche Literatur als Hauptfach im Magisterstudium studiert, neben Neuerer deutscher Literatur und Anglistik. Die Dissertation habe ich geschrieben, als ich schon berufstätig war.
Wie kam es zu der Wahl des Studienschwerpunkts ‚Ältere Literatur’? Gab es einschneidende Erlebnisse, besondere Inhalte oder Personen des Fachs, die ausschlaggebend für Ihre Wahl waren?
AK: Der eigentliche Auslöser für die Wahl von ÄdL als Hauptfach war mein erstes Seminar bei dem inzwischen emeritierten Volker Mertens. Mertens’ sinnliches Verhältnis zu den alten Texten hat mich für die mittelalterliche Literatur begeistert. Von meinem Lehramtsstudium fühlte ich mich fortan am intensiven Fachstudium gehindert, so dass ich es nach vier Semestern aufgegeben habe.
Heute sind Sie als Journalistin beim „Tagesspiegel“ tätig, wie kam es dazu?
AK: Zu Schulzeiten wäre ich liebend gern Journalistin geworden, die Schülerzeitung war jahrelang ein wichtiger Lebensinhalt für mich. Dass das was werden könnte, habe ich aber nicht geglaubt und später auch nicht mehr dran gedacht. Gegen Ende meines langen Studiums habe ich mich an einem Kurzgeschichtenwettbewerb im Tagesspiegel beteiligt und wurde mit anderen Teilnehmern in die Redaktion eingeladen. So kam ich mit einer Redakteurin in Kontakt, bei der ich mich zuerst um freie Mitarbeit bewarb, später um ein Praktikum. Solche Geschichten über ihren planlosen Weg in den Journalismus können viele Kollegen erzählen.
Was schätzen Sie an Ihrem Beruf?
AK: Niemals Langeweile, viel Verantwortung, große Freiheiten und schnelle Erfolgserlebnisse.
In welcher Weise kommt Ihre Ausbildung in Ihrem jetzigen Beruf zum Tragen? Welche Inhalte oder Erfahrungen des Studiums sind hilfreich?
Einen direkten Transfer des ÄdL-Studiums in den Journalismus wird es nur ausnahmsweise geben. Am ehesten, wenn man im Feuilleton arbeitet: Im ÄdL-Studium hatte man die Gelegenheit, Literaturtheorien kennen zu lernen, sich mit berühmten Denker/-innen von Hegel über Niklas Luhmann und Foucault bis zu Judith Butler zu befassen und einen Überblick über die literarische Entwicklung zu bekommen – von der Antike bis zur heutigen Mittelalterrezeption.
Meine journalistischen Gegenstände kommen aber nun einmal aus der Politik. Darum strahlt mein Fach eher indirekt auf meine Arbeit aus. Ich merke, dass ich stark auf historische Entwicklungen und kulturellen Wandel achte, viel stärker als jene meiner Kollegen, die Naturwissenschaften studiert haben und nun davon überzeugt sind, der Mensch sei rein biologisch bestimmt. Geisteswissenschaftler/-innen sind sensibilisiert für Rituale, diskursive Praktiken und Subjektivität. Kritisch denken gelernt habe ich zu Hause, das Studium gibt mir dafür ein breiteres Fundament.
Trotzdem muss man natürlich nicht ÄdL studiert haben, um Journalistin zu werden. Umgekehrt ist ÄdL kein Handicap für den Einstieg in den Journalismus. Ich denke, dass man mit dem Fach auf dem Arbeitsmarkt (auch in anderen Branchen) sogar Pluspunkte hat: Man leidet nicht unter den (natürlich ungerechten) Klischees über die Neugermanist/-innen, die leichter in Verdacht geraten, sich gerade mal mit Thomas Brussig auszukennen und ihr Fach nach dem Motto „Deutsch kann jeder“ gewählt zu haben. ÄdL-Absolventinnen wirken seriöser, aber auch exotischer, also interessanter.
Aber ganz abgesehen vom Beruf ist es eine große Bereicherung, ÄdL studiert zu haben, und ich würde es sofort wieder tun.
Viele Studentinnen möchten perspektivisch „irgendwas mit Medien machen“? Wie wird man Journalistin? Was muss man mitbringen, wenn man sich für diesen Beruf interessiert?
AK: Journalistinnen werden auch für Fachzeitschriften wie „Computer-Bild“ oder „Der Hundefreund“ gebraucht. Für Hochschulabsolventinnen tut sich also ein sehr großes Betätigungsfeld auf. Den wichtigsten Hinweis darauf, ob jemand erfolgreich im Journalismus sein wird, geben meiner Meinung die Zensuren in Deutsch auf den Schulzeugnissen – weit mehr als die Abschlussnote im Studium. Wer schon immer gerne und gut geschrieben hat, wird es beim Einstieg leichter haben (auch beim Radio oder TV). Hilfreich ist auch eine gewisse Meinungsfreude. Gut, wenn man schon als Kind mit seinen Eltern und Geschwistern über Politik gestritten hat, Klassensprecherin war und Lust hatte, Leserbriefe an Zeitungen zu schreiben. Gut auch, wenn man an einer Studierendenzeitung mitwirkt. Schüchternheit ist kein Knock-out Kriterium für den Journalismus – man überwindet sie im Job, weil man sie sich ohnehin nicht erlauben kann.
Leider ist der Weg in den Journalismus nicht planbar wie der Weg in den Lehrerinnenberuf. Manchmal sieht man große Talente, die sich fast aus dem Stand in eine Position bei der „Zeit“ bringen. Andere fristen Jahre in unsicheren, schlecht bezahlten Verhältnissen als freie Mitarbeiterin und müssen die Hoffnung auf eine Redakteursstelle irgendwann begraben.
Darum ist es gut, schon früh als Studentin in die freie Mitarbeit einzusteigen. Dann macht einem das schmale Zeilengeld noch nicht so zu schaffen und man hat Zeit zu üben. Den Redaktionen ist im Grunde völlig egal, wer die freien Mitarbeiter sind. Sie wollen einfach nur gute Artikel geliefert bekommen: also solide Recherchen über ein Thema allgemeinen Interesses, die anschaulich aufgeschrieben sind und keine zusätzliche Arbeit für die Redakteurin bedeuten. Insofern können Studierende einen Artikel einer Redaktion einfach anbieten – natürlich dem „Hundefreund“ keinen Erfahrungsbericht über das Studium im Bachelor. Man sollte sich anstrengen, damit es ein guter Artikel wird.
Dann bewirbt man sich um ein Praktikum. Wer noch wenig erfahren ist, sollte nicht gleich auf die große Bühne wollen und es bei der „SZ“ versuchen, sondern vielleicht erstmal die „Märkische Oderzeitung“ ausprobieren. Merkt man über einige Zeit hinweg, dass man in dem Beruf nicht weiterkommt oder ihn auch gar nicht mehr ergreifen will, wird man wiederum bei Bewerbungen in anderen Bereichen (Verlagswesen, Politik, Pressearbeit) im Vorteil sein, wenn man in Qualitätsmedien abgedruckte Artikel vorzeigen kann.
Gerade Frauen haben es in Medienberufen oft schwer: Obwohl sich so viele junge Frauen wie nie als Journalistin ausbilden lassen, erreichen nur wenige Führungspositionen. Woran liegt das Ihrer Meinung nach? Mit welchen Problemen und Vorurteilen haben Frauen im Journalismus zu kämpfen und wie können sie denen begegnen?
AK: Für Frauen in Medienberufen sieht die Lage bestimmt nicht schlechter aus als für Frauen in anderen Männerdomänen, zum Beispiel in der Wissenschaft. Offenbar gibt es allerlei Mechanismen in männlich geprägten Berufen, die es Frauen manchmal schwerer machen, voran zu kommen. Das ist aber kein Grund zu verzagen. Man begegnet durchaus Männern, die gute Leistungen auch von Frauen zu schätzen wissen.
Zum Schluss: Was würden Sie jungen Frauen, die heute studieren hinsichtlich ihrer Berufswahl raten?
AK: Wenn eine schon weiß, in welchen Beruf sie will, hat sie es gut und sollte unbedingt darauf hinarbeiten – auch wenn der Arbeitsmarkt in dem Bereich vielleicht gerade schwierig ist. Denn Erfolg wird man letztlich nur haben, wenn man Spaß an dem hat, was man macht.
Viele wissen aber gar nicht genau, was sie wollen. Sollten sie deshalb aus Sicherheitsdenken das zeitaufwendige Lehramtsstudium auf sich nehmen, obwohl sie gar nicht in die Schule wollen? Damit könnte man am Ende sogar ein neues Risiko heraufbeschwören. Die Gefahr besteht, dass Menschen, die diesen Beruf überhaupt nie wirklich angestrebt haben, ihm später auch nicht gewachsen sind. Schon jetzt sind viele Pädagoginnen mit ihrer Arbeit unzufrieden und fühlen sich überfordert. Einer großen, durchaus ernst zu nehmenden Potsdamer Untersuchung zufolge sind zwei Drittel der deutschen Lehrer/-innen burn-out-gefährdet – darunter vermutlich viele, die einen Beruf, bei dem man jeden Tag vor 30 Teenagern bestehen muss, ursprünglich gar nicht ergreifen wollten.
Hinzu kommt, dass der Lehrer/-innenberuf immer anspruchsvoller wird. In Zeiten der Ganztagsschule kommen Lehrerinnen selbst vom Gymnasium nicht mehr um 14 Uhr nach Hause. Auch wird es schwieriger, beschaulich sein fachliches Steckenpferd im Klassenzimmer zu reiten. Von den Lehrerinnen wird nicht selten Arbeit im Team und in Projektform erwartet. Und weil immer mehr Schüler/-innen persönliche Probleme haben, müssen Lehrerinnen sich oft wie Sozialpädagoginnen verhalten.
Ich denke, wenn man eigentlich nicht Lehrerin werden will, sollte man seine Zeit im Studium vielleicht lieber nicht mit Erziehungswissenschaften und Fachdidaktik verbringen. Besser ist es dann, seinen Interessen im Fachstudium nachzugehen und schon mal mögliche Berufe in Praktika auszuprobieren, um Klarheit zu gewinnen.
Das Interview führte Franziska Ziep.

http://www.geisteswissenschaften.fu-berlin.de/we04/germanistik/faecher/aedls/frauen/berufswege/interview_kuehne.html

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