Wenn der Mensch zur MenschIn wird - oder:

Wieviel »Gleichberechtigung« verträgt das Land?

How much »equality« the country can stand?

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Liste Femanzen Charima Reinhardt (Liste Femanzen)

Oberkellner @, Sunday, 03.01.2016, 10:26 (vor 3253 Tagen)

F436 Charima Reinhardt, freie Journalistin - war stv. Sprecherin der rot-grünen Bundesregierung 1998-2002 – http://www.photothek.de/PHOTOS/2001/01/217N/010126_REINH_IMO01.jpg

Männer sind lernfähig. Jedenfalls im Prinzip. Ihr Können hängt stark vom Wollen ab - von einigen mustergültigen Sonderexemplaren abgesehen, die über so etwas wie Einsicht verfügen. Grundsätzlich aber stellen sich Männer oft grottendämlich an, wenn sie Wäsche waschen sollen, ohne dass sie verfärbt oder im Trockner auf Kleinstformat schrumpft. Oder sie bestücken die Spülmaschine so, dass uns beim Ausräumen Wasser aus liegend oder stehend, auf jeden Fall falsch einsortierten Gläsern und Tassen entgegenschwappt.
Wir nehmen zu ihren Gunsten an: Es liegt nicht an einem zu niedrigen IQ. Ein genetischer Defekt? Kaum. Es handelt sich um Boykott. Manches wollen Männer einfach nicht können. Weil sie es dann auch machen müssten. Lieber stellen sie sich dumm an. Wir Frauen dürfen zwar mittlerweile Karriere machen, was aber keineswegs bedeuten muss, dass Mann die Hälfte der Arbeit im Haushalt und bei der Kindererziehung zu übernehmen bereit wäre. Wenn wir meinen, unseren Männern im Job Konkurrenz machen zu müssen: bitte schön. Die Doppelbelastung ist zu viel? Es hat eben alles seinen Preis!
 
Es wäre also prima, wenn Männer endlich zu richtiger Arbeitsteilung fänden, mithin zu jenem modernen Rollenverständnis, von dem wir Frauen allzu wohlwollend unterstellt haben, sie hätten es längst oder wären auf bestem Wege, es zu lernen. Das aber ist höchstwahrscheinlich nicht das Ziel der eigenständigen "Jungen- und Männerpolitik" im Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung. Vielmehr geht es darum, tatsächliche oder gefühlte Nachteile in Schule und Berufsleben für das ach so starke Geschlecht zu beseitigen. So will Schwarz-Gelb "bereits bestehende Projekte für Jungen und junge Männer fortführen und intensivieren", um ihnen "erweiterte Perspektiven" etwa in erzieherischen und pflegerischen Berufen zu eröffnen.

Nun hat schon bisher kein Mensch Männern verwehrt, Alte und Kranke zu pflegen oder Kinder zu erziehen, und zwar weder freiwillig zu Hause noch professionell als Beruf. Bloß sind solcherlei traditionell Frauen zugewiesene Aufgaben notorisch unterbezahlt und gesellschaftlich kaum anerkannt. Wenn Männer in weibliche Domänen vorstoßen, dann hauptsächlich, wenn sie dort Starpotenzial für sich wittern. Kaum gelingt dem Mann am Herd einmal die Soße, schwupp, ist er schon Starkoch. Ein Mann als Friseur? Hat beste Aussichten, zum Starfigaro zu avancieren. Eine männliche Direktrice? Kann nur ein Stardesigner werden. Demnächst dürfen wir wohl mit dem Starpfleger und dem Starerzieher rechnen. Den genetischen Defekt haben offensichtlich wir Frauen. Uns fehlt das Wichtigkeitsgen, das uns in den Vordergrund drängeln lässt. Wir wollen einfach nur unseren Job machen.

Seit bekanntgeworden ist, dass Jungens den Mädchen in der Schule bloß hinterherhecheln, was ihre Leistungen betrifft, leidet konservativer Männerstolz. Familienministerin Ursula von der Leyen hat es bisher verstanden, sich bei Forderungen nach gezielter Jungenförderung taub zu stellen. Vielleicht wird das jetzt schwieriger. Vielleicht aber auch nicht. Von Männern haben wir gelernt, dass es besser ist, manches nicht zu können. Eine Frauenministerin soll Politik zugunsten von Männern machen? Kann nur Männern einfallen. Zum Teufel mit der erweiterten Perspektive!

Charima Reinhardt, freie Autorin, war Vizesprecherin der rot-grünen Bundesregierung.

http://www.fr-online.de/in_und_ausland/politik/meinung/?em_cnt=2053243&em_comment=1


Wehmütig blickte am vergangenen Samstag die Journalistin Charima Reinhardt in der Frankfurter Rundschau auf zeternde Jutta Ditfurths, PorNo-Kampagnen, auf Aktionen und Demonstrationen der Neuen Frauenbewegung zurück. Und während sich die in den alten Sentimentalitäten schwelgende ehemalige Regierungssprecherin noch fragt, „Frauenpower – wo ist sie geblieben?“, erobern sich die neuen Power-Frauen ganz subtil sämtliche gesellschaftlichen Spitzenpositionen.

Frauen auf der Überholspur prägen die gleichberechtigte Gesellschaft von morgen

Die „letzte Bannerträgerin des deutschen Feminismus“ sei Alice Schwarzer, so Reinhardt. Und das, obwohl der Kampf gegen die Diskriminierung von Frauen keineswegs gewonnen sei. Keine Frage, natürlich ist es eine schreiende Ungerechtigkeit, wenn Frauen durchschnittlich 22 Prozent weniger verdienen als Männer, Führungspositionen nur nicht bekommen, weil sie vielleicht irgendwann mal die biologische Uhr ticken hören könnten und sich für jeden Lebensschritt rechtfertigen müssen. („Wie, Du arbeitest Vollzeit trotz der Kinder?“ resp. „Was, Du hast Deinen Beruf für die Familie aufgegeben?“). Aber brauchen wir deshalb einen neuen Kampf? Wir modernen Frauen haben das Kriegsbeil doch längst begraben, wollen gar kein neues Schubladendenken, keine neuen Grabenkämpfe gegen so etwas abstraktes wie das Patriarchat führen. Denn längst befinden wir uns auf der Überholspur und lassen Männer mit tradiertem Rollenverständnis ignorant einfach links liegen.
Dass gegenwärtig ein gewaltiger Ruck durch die Geschlechterwelten geht, kann niemand bestreiten

Keiner der Aktivistinnen in den Frauenbildungsvereinen des ausgehenden 20. Jahrhunderts hätte sich jemals träumen lassen, dass Mädchen hundert Jahre später häufiger Abitur machen als Männer, die Mehrzahl der Erstsemestler an den Universitäten stellen und selbstverständlich vor „Kinder“ erstmal „Karriere“ sagen. Niemand hätte es vor 30 Jahren für möglich gehalten, dass heute Frauen die Kinos nicht unter dem Motto „PorNo!“ stürmen, sondern, um sich beim Porno-Filmfestival in Berlin explizit Sexstreifen anzusehen, die von Frauen für Frauen gemacht wurden. Und seit Deutschlands Fußball-Damen zum zweiten Mal den Herren gezeigt haben, wie sich eine Weltmeisterschaft gewinnen lässt, sind sie nun sogar offiziell die „besseren Männer“ (Professor Dieter H. Jütting, Direktor des Instituts für Sportkultur, im Interview mit der „Welt“, 29.09.2007). Die moderne Frauengeneration weiß was sie kann und nimmt sich die Freiheit heraus, ihre Ziele mit viel Optimismus aber auch Realitätsnähe zu planen – egal worum es sich handelt.
Längst geht es nicht mehr nur darum, das Private zum Politikum zu machen

Vielmehr drehen wir den Spieß wieder um und integrieren das Politische in unser Privatleben. Statt die Welt im Großen und Ganzen ändern zu wollen, beginnen wir im Kleinen. Wir neuen Power-Frauen sind pragmatische Idealisten, die selbstreflektiert dort ansetzen, wo es je nach unserer individuellen Situation möglich ist. Frauenpower der Zukunft beginnt dort, wo Frauen sich nicht den Weg in die Riege der Top-Manager und ihren halbseidenen Millionenbezügen erkämpfen, sondern selbstbewusst und authentisch ihren eigenen Karriereweg beschreiten und dabei auch auf den Spitzenjob verzichten. So wie die Präsidentin und Geschäftsführerin der nordamerikanischen Filiale von PepsiCo, die gute Chancen auf den CEO-Sitz hatte und trotzdem einen Schritt zurücktrat. Oder Martha Cabrera, ehemals Vice-President bei JPMorganChase. Sie verließ die Firma auch um ihrer Kinder willen – jedoch nicht, um Vollzeit-Mutter zu werden. Sie wollte „einfach anders“ arbeiten und wechselte als Executive Director zu EMPower, einem Unternehmen, das Micro-Kredite in Entwicklungsländern vergibt. Frauen beginnen zunehmend, abseits der linearen Aufstiegs- und Karrierepfade, „ihre“ Karriere nach den ganz eigenen Vorstellungen zu planen.
Frauenpower 2007: Subtil, individuell und selbstbewusst

Nach den eigenen Spielregeln und Vorstellungen Leben und Arbeiten, dabei finanziell unabhängig sein und von der Außenwelt wahrgenommen werden, das ist es, was wir Frauen heute und in Zukunft anstreben und umsetzen. Immerhin bezeichnen sich heute bereits 44 % der Frauen als selbstbewusst und emanzipiert, während noch vor fünf Jahren gerade einmal jede Dritte das von sich behauptete. Eine Tendenz, die mit immer höherer Bildung und damit auch Selbstbewusstsein weiter zunehmen wird. Und dieses neue Selbstverständnis ist es das den Lebensstil der Frauengeneration von morgen prägt: Frauenpower immer und überall!

http://www.zukunftsinstitut.de/verlag/zukunftsdatenbank_detail?nr=1998

Zurück zu Herd und Familie: Das ist offenbar ein Trend. Der Kampf um gleiche Rechte für Frauen ist längst nicht gewonnen.
Jetzt, in diesen Sommermonaten, sind sie wieder unterwegs in Prenzlauer Berg, dem – wie es heißt – kinderreichsten Bezirk Berlins. Wer hier lebt, kennt die Übung, hochschwangeren Frauen auszuweichen. Triumphierenden Blickes schieben sie sich durch volle Kneipen, schwingen sich ungebremsten Schrittes um Straßenecken, drängeln an Supermarktkassen, das enge Shirt spannt sich überm Bauch, der sich, einer Trophäe gleich in Siegerpose hochgehalten, den Blicken aufdrängt. Kein Entrinnen möglich.
Die – oft von Bürgerinitiativen betreuten – Spielplätze sind an schönen Tagen überfüllt mit Müttern, die unübersehbar in Bälde dem spielenden Sprössling ein Brüderchen oder Schwesterchen zu schenken gedenken. Und wieder gibt es ein paar dieser kreischenden Wesen mehr im Bezirk, deren Eltern unter Verzicht auf Erziehung dem lärmenden, tobenden, vorlauten Nachwuchs in seinem Entfaltungsdrang keinen Einhalt gebieten. Die das Kleinkind beim Spielen unterbrechen: „Iss noch ein Stückchen Biobanane“, wie eine Kollegin genervt in der Zeit zu berichten wusste. Die ganz Kleinen tragen die Mütter praktischerweise gleich am Busen, um jederzeit und allerorten den BH öffnen und das Baby stillen zu können. Mit dem Kinderwagen halten sie frontal auf Entgegenkommende zu, die einschüchternde Gewissheit im Blick, selbst schwer mit Einkaufstüten Bepackten nicht zu weichen. Die Kampfmütter sind wieder unterwegs.
Vielleicht besser als anderswo lässt sich in Prenzlauer Berg diese neuartige, trotzdem altmodisch anmutende Überhöhung der Mutterrolle beobachten, eine Art „Zurück-zur-Natur-Bewegung“, die ihr Sorgen bereite, wie die französische Philosophin Elisabeth Badinter kürzlich der Süddeutschen Zeitung sagte. Zu beobachten ist er allenthalben dieser Trend, der Frauen zurückschickt an den Herd und in die Familie, unter Verzicht auf eine Karriere, schlimmer noch: auf ein Berufsleben, das ihnen ein eigenes Einkommen sichert, unabhängig vom Mann. Schon vor sechs Jahren kritisierte eine Ex-Prenzlauer-Berg-Anwohnerin (natürlich kinderlos) in der Emma diese „hauptberuflichen Mütter, die rund um die Uhr mit Aufzucht und Beaufsichtigung ihres Nachwuchses beschäftigt sind“. Die Kind und Karriere nicht vereinbaren müssten, weil eine Karriere bei den meisten von ihnen gar nicht stattfinde. Sie sind nicht weniger geworden seitdem.
Armutsrisiko für Alleinerziehende
Natürlich gibt es auch sie: die Karrierefrau, die ihrem Beruf stets Priorität eingeräumt hat – meist um den Preis der Kinderlosigkeit. Insgesamt aber sind Frauen nach wie vor deutlich seltener als Männer ökonomisch unabhängig, ist ihre Vollbeschäftigung rückläufig, verdienen sie bei gleicher Qualifikation weniger. Dafür finden sie sich immer häufiger abgedrängt in geringfügige Beschäftigung oder ganz in die Berufslosigkeit. Signifikant gestiegen hingegen ist das Armutsrisiko Alleinerziehender. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes sind 40 Prozent der Alleinerziehenden armutsgefährdet – und es sind zum allergrößten Teil Mütter.
Wacht auf, ihr jungen Frauen! Der Kampf um gleiche Rechte, um gleiche Bezahlung ist ja längst nicht gewonnen. Gebt euch nicht zufrieden mit der scheinbar bequemeren Rolle der Hausfrau und Mutter. Denn geht das Projekt Familie schief, seid ihr die Verlierer – ihr und eure Kinder.
Charima Reinhardt ist freie Autorin und war Vizesprecherin der rot-grünen Bundesregierung.

http://www.fr-online.de/meinung/kolumne-kampfmutter-statt-karriere,1472602,4615602.html

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