Wenn der Mensch zur MenschIn wird - oder:

Wieviel »Gleichberechtigung« verträgt das Land?

How much »equality« the country can stand?

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Liste Femanzen Katja Grieger (Liste Femanzen)

Oberkellner @, Sunday, 28.02.2016, 17:32 (vor 3199 Tagen)

F454 Katja Grieger – Studium der Psychologie an der Universität Trier und der FU Berlin mit Schwerpunkt Gemeindepsychologie und psychologische Frauenforschung – vor allem in der Evaluation von Interventionsstrategien bei häuslicher Gewalt tätig - Leiterin des Bundesverbands Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe (bff) – grieger@bv-bff.de - https://www.frauen-gegen-gewalt.de/assets/images/d/Katja_foto-9ca76b3d.jpg

“Wir brauchen Feminismus, weil in Deutschland noch immer jede 3. Frau Gewalt erlebt. Gemeinsam müssen wir dafür sorgen, dass das Recht auf ein gewaltfreies Leben endlich durchgesetzt wird.”

http://werbrauchtfeminismus.de/katja-grieger/

Es wird Zeit: Der Vergewaltigungsparagraf soll verschärft werden. Frauenrechtlerin Katja Grieger erklärt im Interview, warum der bislang sehr problematisch ist und dazu führt, dass Missbrauchsopfer sich nicht wehren.
Eigentlich ziemlich unvorstellbar: Bisher galt ein klares "Nein" im Falle einer Vergewaltigung nicht als Akt der Verteidigung. Das Opfer muss sich schon körperlich wehren, um überhaupt eine Anklage möglich zu machen – so steht es bislang im Strafgesetzbuch. So geht's aber nicht! Das haben die Justizminister unseres Landes jetzt beschlossen und arbeiten an einer Verschärfung des Strafrechtsparagrafen 177.
Wir haben uns mit Katja Krieger vom Bundesverband der Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe darüber unterhalten.

Katja Krieger:
Das freut mich sehr! Das war schon lange überflüssig. Alle, die mit betroffenen Frauen täglich zu tun haben, wissen einfach, dass die sich in den meisten Fällen gar nicht körperlich aktiv wehren können - aus den verschiedensten Gründen. Manchmal treffen sie sogar bewusst die Entscheidung, sich nicht zu wehren, weil sie Angst haben, dadurch noch Schlimmeres zu provozieren.
Diese Art von Vergehen, bei denen sich die Frau nicht wehrt, die sind eigentlich der Hauptbestandteil der Fälle, die geprüft werden – und bisher eben nicht strafbar. Deshalb war es längst überflüssig, dass man das angeht.
Kann denn so eine Gesetzesänderung wirklich etwas bewirken? Kann sie die Macht der Richter beeinflussen oder die juristische Auslegung solcher Fälle ändern?
RichterInnen müssen sich ja an die Gesetze halten. Und momentan sind die tatsächlich so klar formuliert, dass sie eigentlich wenig Handlungsspielraum haben. Unser Verband hat Freisprüche und Einstellungsbescheide von Staatsanwaltschaften analysiert und Schreiben bekommen, die darauf schließen lassen, dass sie lieber anders gehandelt hätten. Da kamen dann Sätze wie: "Was Ihnen zugestoßen ist, finden wir persönlich moralisch sehr verwerflich, aber leider ist es vom deutschen Gesetzgeber nicht unter Strafe gestellt." Daran merkt man, dass es auf jeden Fall Menschen in der Justiz gibt, die in solchen Fällen gerne mehr Möglichkeiten hätten.
Da war dann praktisch einfach nichts zu machen. Woher kommt jetzt auf einmal der frische Wind? Das Problem ist ja schon lange bekannt.
Ich glaube, das hat mit der Istanbul-Konvention zu tun, die jetzt in aller Munde ist. Das ist eine Konvention des Europarates, der in Europa für Menschenrechte zuständig ist. Sie behandelt Gewalt gegen Frauen. Deutschland wollte sie schon 2011 anerkennen, hat das aber noch nicht gemacht, weil darin steht, dass nicht im gegenseitigen Einverständnis vorgenommene sexuelle Handlungen unter Strafe zu stellen sind – egal, ob Gewalt ausgeübt wurde oder nicht.
Und weil das bei uns bisher nicht so war, konnte man auch nicht unterzeichnen. Ich glaube, dass den Politikern aufgefallen ist, wie peinlich es ist, wenn Deutschland ein so wichtiges Menschenrechtsabkommen einfach nicht genehmigen kann.
Könnte es vielleicht auch daran liegen, dass es gerade viele weibliche Justizministerinnen in den Ländern gibt?
Ja, uns ist auch aufgefallen, dass die Meinungsgrenzen zu diesem Thema nicht entlang der politischen Einstellung, sondern der Geschlechter verlaufen. Die Justizministerinnen vieler Länder haben sehr schnell gesagt, dass hier etwas passieren muss, während die männlichen Kollegen scheinbar doch länger gebraucht haben, um sich überzeugen zu lassen. Es ist halt ein Thema, das das Geschlechterverhältnis angeht.
In einem Artikel in der "Zeit" hat sich ein Richter vom Bundesgerichtshof ziemlich deutlich gegen eine Änderung ausgesprochen. Sein Argument klang ganz schön zynisch: “Das bloße ‚Nein‘ zeigt den entgegenstehenden Willen – aber nicht mehr, vor allem keine ‚Nötigungshandlung‘. Oder werden Millionen Deutsche allmorgendlich in strafbarer Weise genötigt, zur Arbeit zu gehen, auch wenn sie keine Lust haben?“ - Was geht Ihnen durch den Kopf, wenn Sie so etwas hören?
Ja, ich hab das auch gelesen. Wir reden nicht darüber, dass jemand keine Lust hat, zur Arbeit zu gehen. Wir reden davon, dass Betroffene sehr klar deutlich machen, dass sie jetzt keinen Sexualkontakt wollen, viele weinen dabei, betteln, dass er von ihr ablassen möge – aber all das zählt überhaupt nicht. Dahinter stecken meiner Meinung nach sehr veraltete Vorstellungen darüber, was eine Frau wirklich meint, wenn sie Nein sagt – nämlich bestimmt doch irgendwie Ja.
http://www.br.de/puls/themen/welt/sexualstrafrecht-vergewaltigung-interview-frauenrechtlerin-katja-grieger-100.html

"Spezialisierte Frauenberatung ist unverzichtbar, solange es Gewalt gegen Frauen gibt." Beraterin Katja Grieger ist dagegen, Frauenhäuser in Familienhäuser umzuwandeln, wie es der Genderforscher Gerhard Amendt fordert.
Die Aussagen des Genderforschers Gerhard Amendt zur Schließung von Frauenhäusern im BRIGITTE-Interview haben Katja Grieger empört. Die 35-Jährige leitet den Bundesverband Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe (bff) und weiß als Expertin viel über das Thema Gewalt gegen Frauen. BRIGITTE-Redakteurin Silke Baumgarten hat mit ihr gesprochen.
BRIGITTE.de: Sie haben sich über das Interview mit Professor Amendt sehr geärgert. Warum?
Katja Grieger: Am meisten hat mich der Satz erschüttert: "Frauen kränken und reizen Männer mitunter bis aufs Blut". So rechtfertigt Amendt Gewalt. Und gleichzeitig stellt er damit die grundlegende Basis für Arbeit gegen Gewalt in Frage, nämlich: Jeder Mensch trägt zu 100 Prozent die Verantwortung für sein Handeln. Gewalt ist nie zu rechtfertigen - egal, von wem sie ausgeübt wird.
Außerdem hat Amendt grundsätzlich die Professionalität und die Kompetenz der gesamten Arbeit zur Frauenunterstützung in Frage gestellt. Er scheint nicht zu wissen - oder nicht wahrnehmen zu wollen - dass dort nur ausgewiesene Expertinnen arbeiten. Sie haben zudem genau die Qualifikationen, die er für die Familienhäuser vorschlägt.
BRIGITTE.de: Amendt fordert aber Zusatz-Ausbildungen.
Katja Grieger: Ich kenne keine einzige Frauenberaterin, die nicht zwei oder drei Zusatzausbildungen hat. Insofern findet die Arbeit auf einen sehr hohem professionellen Niveau statt. Das wird im Übrigen auch kontrolliert. Denn viele Einrichtungen bekommen ja öffentliche Gelder und müssen daher regelmäßig die Qualität ihrer Arbeit nachweisen.
BRIGITTE.de: Amendt meint, ein Beweis für die schlechte Arbeit der Frauenhäuser sei, dass viele Frauen öfter in ein Frauenhaus fliehen - der Kreislauf also nicht wirklich durchbrochen wird. Hat er da nicht Recht?
Katja Grieger: Die entscheidende Frage ist doch: Warum gibt es Frauenhäuser? Welche Aufgabe haben sie? Frauenhäuser sollen bedrohten Frauen Schutz und Sicherheit gewähren. Das allein schon ist ihre komplette Existenzberechtigung. Wie lange die Frauen dort bleiben, und ob sie häufiger wiederkommen ist eine Frage der Gewaltdynamik. Wenn in einer Partnerschaft teilweise über viele Jahre ein Macht-Ohnmacht-Gefälle geherrscht hat, hört das natürlich nicht in dem Moment auf, wo das Paar räumlich getrennt ist. Die Frau ist in Sicherheit und hat die Chance, zu sich zu finden. Aber das klappt oft nicht beim ersten Mal. Weil diese Gewaltdynamik auf die gesamte Persönlichkeit wirkt. Es ist ein utopischer Anspruch zu sagen: Ich habe die Methode gefunden, mit der ein Gewaltopfer seine Erfahrung innerhalb kurzer Zeit verarbeiten kann.
BRIGITTE.de: Amendt sagt: Gewalt in der Familie betrifft alle, deshalb sollten Familienhäuser eingerichtet werden. Klingt doch vernünftig.
Katja Grieger: Es ist immer die ganze Familie betroffen. Da hat Amendt absolut Recht. Aber: Gewalt ist nicht gleich und Gewalt macht nicht gleich. Deshalb plädiere ich sehr für große Vielfalt in den Unterstützungssystemen, für Differenzierung. So dass jede und jeder die Hilfe bekommt, die sie oder er braucht. Auch die Kinder. Aber das ist nicht an einem Ort zu regeln, davon bin ich fest überzeugt. Es würde doch auch niemand einer Frau, die von einem Fremden vergewaltigt wurde, ernsthaft vorschlagen: Geh mit dem Vergewaltiger in ein Haus und arbeitet dort mal schön alles zusammen auf. Warum aber sollte das funktionieren, wenn der Vergewaltiger der Ehemann ist? Amendt leugnet mit diesem Vorschlag außerdem, dass es Frauen gibt, die ihres Lebens nicht mehr sicher sind. Vor dem Hintergrund, dass immer wieder Frauen von Partnern ermorden werden, halte ich das für starken Tobak.
BRIGITTE.de: Amendt fordert ja auch mehr Beratung, für Familien in denen Gewalt herrscht. Können Sie sich dem anschließen?
Katja Grieger: Auf jeden Fall. Aber aus meiner Sicht kommt es darauf an, für die jeweilige Situation das passende Angebot zu finden. Manchmal ist das die Unterstützung in der Frauenberatungsstelle, manchmal muss eine Frau eine Zeitlang ins Frauenhaus, und nimmt später die Familienberatung in Anspruch. Das schließt sich ja alles nicht gegenseitig aus. Und die unterschiedlichsten Einrichtungen kooperieren ja auch jetzt schon sehr gut miteinander. Natürlich empfiehlt eine Frauenhaus-Mitarbeiterin einer Frau die Familienberatung, wenn sie mit ihrem Mann das Problem aufarbeiten will. Und die Familienberatungsstelle verweist eine Frau, die schutzbedürftig ist, an ein Frauenhaus. Das funktioniert und ergänzt sich sehr gut. Nur Herr Amendt blendet das leider aus.
BRIGITTE.de: Amendt sagt, Männer leiden mindestens genauso unter Gewalt, die von ihren Frauen ausgeübt wird. Würden Sie denn die Einrichtung von Männerhäusern begrüßen?
Katja Grieger: Ich hätte nichts dagegen. Ich teile nur dieses Gegeneinander-Ausspielen nicht, nach dem Motto: Wer sind nun die wirklichen Opfer. Diese Diskussion bringt uns nicht weiter. Ich finde, dass jeder Mensch der Gewalt erlebt, eine professionelle, auf seine Situation zugeschnittene Unterstützung erhalten muss. Spezialisierte Frauenberatung ist unverzichtbar, solange es Gewalt gegen Frauen gibt.

http://www.brigitte.de/frauen/gesellschaft/gewalt-gegen-frauen-frauenhaeuser-1032984/

Katja Grieger ist die Geschäftsführerin des Bundesverbandes der Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe in Deutschland. Im Interview kritisiert Sie Gesetzeslücken im Kampf gegen sexuelle Gewalt.
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Frau Grieger, es gibt ein Gesetzesvorhaben von Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD), das zum Ziel hat, dass Vergewaltigung und sexuelle Nötigung künftig leichter verfolgt werden können. Sind Sie mit dem Entwurf zufrieden?

Er ist ein Schritt in die richtige Richtung. Es gibt gravierende Lücken im deutschen Sexualstrafrecht. Damit eine Tat als Vergewaltigung oder sexuelle Nötigung gilt, reicht es nach der bestehenden Rechtslage nicht aus, dass jemand einen sexuellen Übergriff gegen den Willen eines anderen begeht. Damit der Täter entsprechend belangt werden kann, muss er zusätzlich noch Gewalt angewendet, mit ihr gedroht oder aber eine schutzlose Lage ausgenutzt haben. Wir kritisieren seit vielen Jahren, dass es für eine Strafverfolgung diese Voraussetzungen braucht.

Warum genau reicht das derzeitige Recht nicht aus?

Nehmen Sie einen Fall wie den einer Studentin, die mit Kommilitonen beim Zelten war. Während die anderen schon schliefen, saß sie draußen mit einem der jungen Männer. Er begann sie auszuziehen – und sie sagte ihm immer wieder, dass sie das nicht will. Er hörte aber nicht auf und drang schließlich zum Geschlechtsverkehr in sie ein. Sie war wie gelähmt, konnte sich nicht mehr wehren, als immer wieder nein zu sagen. Doch nach ihrer Anzeige hat die Staatanwaltschaft das Verfahren eingestellt.

Mit welcher Begründung?

Die haben der Studentin schwarz auf weiß geschrieben, sie hätte doch einfach nur um Hilfe rufen müssen. Einfach? Dieses Wort hat sie dann noch einmal unendlich gequält. Denn das war es für sie nicht. Für sie persönlich war unmöglich, noch mehr zu tun.
Proteste am Kölner Dom nach den sexuellen Übergriffen in der Silvesternacht. Foto: dpa

Wenn die Gesetzesänderung kommt, würde in einem solchen Fall künftig der Mann verurteilt?

Das ist leider alles andere als sicher. Denn auch der Gesetzentwurf aus dem Justizministerium legt sich nicht darauf fest, dass ein sexueller Übergriff immer dann strafbar ist, wenn Nein gesagt oder signalisiert worden ist. Er erweitert lediglich die Zahl der Fälle, in denen es eine Strafverfolgung geben kann, auch ohne dass Gewalt angewendet worden ist. Beispielsweise, wenn jemand aufgrund seines körperlichen oder psychischen Zustands nicht mehr in der Lage ist, sich zu wehren: also etwa, wenn eine Person sturzbetrunken in der Ecke liegt. Eine weitere wichtige Verbesserung ist, dass es künftig strafbar ist, wenn jemand für eine sexuelle Attacke ein Überraschungsmoment ausnutzt.

Was würde das für Vorfälle wie die in der Silvesternacht in Köln bedeuten?

Wir müssen vorsichtig sein, da ja noch immer nicht alles aufgeklärt ist. Nach allem, was man weiß, befürchte ich aber, dass nach derzeitiger Rechtslage dort Täter am Ende für Diebstähle belangt werden können, aber eben nicht für sexuelle Übergriffe. Das wäre, sollte der Entwurf von Maas Gesetz werden, in vergleichbarer Situation anders. Denn nach bisherigen Erkenntnissen haben die Täter eben genau auf den Überraschungsmoment gesetzt. Wenn jemand etwa künftig in der Bahn einer Frau zwischen die Beine packt, würde das im neuen Recht als sexueller Missbrauch gewertet.

Die CDU fordert in ihrer Mainzer Erklärung, „auch sexuelle Belästigungen wie Grapschen, die unterhalb der Schwelle sexueller Nötigung liegen“, unter Strafe zu stellen. Geht sie damit über den Gesetzentwurf von Maas hinaus?

Nein. Der Entwurf ist nicht perfekt, aber diesen Fall deckt er meines Erachtens ab.

Wie empfinden Sie es, dass jetzt etwa in der Union diejenigen Druck für eine Strafverschärfung aufbauen, die sie bislang abgelehnt und blockiert haben?

Der Verdacht liegt mehr als nahe, dass sich bei einigen nur etwas in Bewegung gesetzt hat, weil mit den Vorfällen von Köln Flüchtlinge und Migranten als Tätergruppe ins Zentrum der Debatte geraten sind. Ich hoffe sehr, das Thema sexuelle Gewalt gerät nach der neuen Aufmerksamkeit nicht wieder genauso schnell aus dem Blickfeld. Denn es muss sich etwas ändern: im Sinne der Opfer

Interview zum neuen Gesetzesvorhaben des Bundesjustizministers: „Es gibt gravierende Lücken im deutschen Sexualstrafrecht“ | Politik - Berliner Zeitung - Lesen Sie mehr auf:
http://www.berliner-zeitung.de/politik/interview-zum-neuen-gesetzesvorhaben-des-bundesjustizministers--es-gibt-gravierende-luecken-im-deutschen-sexualstrafrecht-,10808018,33498594.html#plx2033186411

http://www.berliner-zeitung.de/politik/interview-zum-neuen-gesetzesvorhaben-des-bundesjustizministers--es-gibt-gravierende-luecken-im-deutschen-sexualstrafrecht-,10808018,33498594.html

Justizminister Heiko Maas wagt sich an eine heikle Reform: Er will den Vergewaltigungsparagrafen ausweiten und die Opfer besser schützen. Doch hilft der Plan Frauen wirklich?
Die Mail, die einiges ins Rollen brachte, ging am 1. August 2013 raus. "Liebe Mitglieder, wir möchten Euch heute über ein schönes Projekt informieren", schrieb Katja Grieger, Geschäftsführerin des Bundesverbands Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe (bff). Grieger ahnte nicht, dass ihr Vorhaben das erfolgreichste ihrer damals achtjährigen Arbeit als Aktivistin werden sollte.
"Es geht um das Sexualstrafrecht, vor allem den Paragrafen 177 (Vergewaltigung, sexuelle Nötigung)", schrieb Grieger den rund 170 Beratungsstellen ihres Verbands. Der Paragraf gegen Vergewaltigungen sei viel zu eng gefasst. Aber jetzt gebe es eine neue internationale Konvention über Gewalt gegen Frauen, die auch Deutschland ratifizieren müsse. "Gemeinsam mit dem Deutschen Institut für Menschenrechte möchten wir dieses politisch günstige Fenster nutzen und dem neu gewählten Bundestag eine Reform des Sexualstrafrechts näherbringen." Grieger rief ihre Mitstreiter dazu auf, Fälle aus der Beratungspraxis zu schicken, in denen Vergewaltiger straflos davonkamen, weil sie durch die Lücken des Rechts rutschten. Ein Jahr nach ihrer Rundmail präsentierte der Verband eine Sammlung von 107 Fällen sexueller Gewalt, die die Justiz nie geahndet hatte.
Obwohl alle anonym geschildert wurden und sich somit einer Überprüfung entzogen, zeigte die Sammlung enorme Wirkung. Wohl auch wegen Griegers Papier macht sich nun Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) daran, den Paragrafen 177 Strafgesetzbuch zu reformieren.
Bisher kann ein Täter wegen Vergewaltigung verurteilt werden, wenn er Sex mit Gewalt oder Drohungen für Leib und Leben erzwingt oder dabei die schutzlose Lage des Opfers ausnutzt. Künftig soll der Wille des Opfers eine viel größere Rolle spielen - eine Vergewaltigung könnte vorliegen, wenn eine Frau nur klar "Nein" zum Geschlechtsverkehr gesagt hatte.
Die juristische Fachwelt ist tief gespalten. Deutscher Richterbund, Deutscher Anwaltverein und viele Professoren halten die Reform für unnötig - Frauen in Deutschland seien umfassend geschützt. Der Deutsche Juristinnenbund und mehrere Frauenrechtsverbände sehen es genau umgekehrt.
Die Debatte ist so schwierig, weil der Vergewaltigungsparagraf in der Rechtspraxis schon jetzt große Probleme aufwirft. Denn entgegen dem Klischee sind Vergewaltiger meistens keine Unbekannten, die sich aus dem Gebüsch auf ihre Opfer stürzen. Oft sind die Täter Bekannte oder Kollegen, nicht selten auch Ehemänner. Eine Reform des Sexualstrafrechts dringt deshalb in den intimsten Lebensbereich der Bürger ein. Im Schlafzimmer gibt es
meist keine weiteren Zeugen, dafür viele Zweideutigkeiten und Missverständnisse. Es gibt Streit um Sex, Versöhnung durch Sex, Trennung wegen Sex - und danach vielleicht Rachegelüste.
Der Vergewaltigungsparagraf muss das Unmögliche möglich machen, nämlich in diesem Intimbereich Grenzen ziehen und Verletzungen sanktionieren - ohne falsche Verdächtigungen zu erleichtern. Es steht zu befürchten, dass Maas dieses Reformversprechen nicht einlösen kann und stattdessen die Justiz vor noch gravierendere Beweisprobleme stellt als bisher.
Wie schwierig die Rechtspraxis bereits heute ist, zeigt der Fall von Thomas Ewers. 2002 verurteilte das Landgericht Dortmund den arbeitslosen, vorbestraften Lagerarbeiter wegen Freiheitsberaubung und zweifacher Vergewaltigung seiner Exfreundin Claudia zu mehr als sieben Jahren Gefängnis. Ewers habe die Frau eines Abends aus einer Kneipe in ihre Wohnung geschleift, sie dort bedroht und gedemütigt, indem er sie unter eine kalte Dusche stellte und minutenlang nackt aus ihrer Wohnung aussperrte. Dann habe er sie auf ihr Bett geworfen und sie vergewaltigt. Die Richter fanden Claudias Aussage so "detailreich und konstant", dass sie sicher waren: "Die Zeugin hat diese Taten wirklich erlebt."
Hatte sie aber nicht. Claudia hatte die Vergewaltigungen erfunden, auf Druck ihres neuen Lebensgefährten. Beide hatten Angst vor dem gewalttätigen Ewers und wollten ihn loswerden. Doch das gestand Claudia erst, nachdem ihr Exfreund seine Strafe abgesessen hatte.
Wie viele Falschbeschuldigungen es gibt, wie viele verurteilte Vergewaltiger in Wirklichkeit selbst Opfer sind, ist unbekannt. Der Kriminologe Christian Pfeiffer schätzt den Anteil erfundener Vergewaltigungen auf bundesweit zehn Prozent, regionale Studien kommen teils auf deutlich höhere Werte - allerdings bei oft sehr viel kleineren Fallzahlen.
Dirk Bosse glaubt nach 37 Jahren bei der Kriminalpolizei Braunschweig nur seiner privaten Statistik. Mindestens 20 Prozent falsche Vergewaltigungsanzeigen gebe es jedes Jahr, schätzt der Fachkommissariatsleiter für Sexualdelikte. In schlechten Jahren seien es bis zu 30 Prozent. "Ich weiß, keine Frau erfindet spontan und böswillig eine Vergewaltigung", sagt Bosse. Viele Zeuginnen seien aufgelöst und fühlten sich wirklich als Opfer. Aber dann widersprächen sie sich, verhedderten sich in ihren Schilderungen.
"Zum Glück ist es sehr schwierig, einen Tatablauf konsequent und schlüssig zu erfinden", sagt Bosse. Unter dem geltenden Paragrafen sucht der Kripo-Beamte bei seinen Ermittlungen nach objektiven Hinweisen: Spuren von Gewalt, Anzeichen für eine Drohung, Schutzlosigkeit eines Opfers. Künftig könnte es vermehrt Bosses Aufgabe sein, die Gefühle und den Willen der Opfer zu ergründen. Gerade deshalb macht ihm die Reform Sorgen. "Ich bin doch keine Gedankenpolizei", knurrt er. Die vermeintlichen Täter und Opfer müssten im Ermittlungsverfahren gleiche Chancen haben. "Der Staat darf nicht einer Seite ermöglichen, nur durch behauptete Gefühle die Übermacht zu erlangen."
Heiko Maas will mit seiner Reform vor allem dem Vorwurf begegnen, das deutsche Recht lasse Täter davonkommen, die das Nein einer Frau zum Sex einfach ignorieren. Die ungestraft bleiben, bloß weil ihre Opfer sich gefügt haben und sie keinen Zwang ausüben mussten.
Bis zum Sommer wolle der Minister ein erstes Reformkonzept vorlegen, heißt es aus seinem Haus. Man habe vier Fallgruppen identifiziert, auf die der Vergewaltigungsparagraf ausgeweitet werden soll:
‣ auf Opfer, die aus Angst vor dem Täter keinen Widerstand gegen sexuelle Übergriffe leisten;
‣ auf Opfer, die in Schockstarre verfallen, weil der Täter sie überrumpelt hat;
‣ auf Fälle, in denen kein direkter Zusammenhang zwischen Gewalt und Sex bestand;
‣ auf Fälle, in denen das Opfer nur dachte, es sei in einer schutzlosen Lage, tatsächlich aber Hilfe erreichbar war.
Auf den ersten Blick wirkt Maas' Reform sinnvoll. Denn die deutsche Justiz hat in den vergangenen Jahren tatsächlich unerträgliche Entscheidungen getroffen.
Die Verkäuferin Diana Limbach(*) war 22 Jahre alt und seit einem halben Jahr mit ihrem Freund Marco liiert, als er sie, so erzählt sie, vergewaltigte. Die Beziehung war von Anfang an schwierig gewesen, einmal stieß Marco Diana nieder, weil ihm das Essen nicht schmeckte.
Im August 2012 kam Marco eines Tages schlecht gelaunt von der Arbeit und verlangte Sex, aber Diana wollte nicht. Da packte Marco seine schwangere Freundin, zerrte sie von der Couch durch den Flur ins Schlafzimmer und schubste sie dort auf den Boden. Er forderte Diana auf, sich auszuziehen. Sie gehorchte. Aus Angst vor ihm und um das ungeborene Kind kniete sie sich sogar aufs Bett und ließ den Sex über sich ergehen, unter Tränen und Schmerzensschreien.
Andere Frauen hätten Marco vielleicht einen gezielten Tritt verpasst, sein Gesicht zerkratzt, sich mit Händen und Füßen gewehrt. Aber Diana ist keine Kämpferin. Sie erzählt einsilbig, mit leiser Stimme, am liebsten lässt sie ihre Mutter erklären, wie das alles ablief damals. Auch die erfuhr erst Monate später von der Tat. Bis dahin lebte Diana weiter mit Marco zusammen, kochte für ihn, wusch die Bettwäsche und ließ ihre blauen Flecken verheilen. "Ich habe mich so geschämt, irgendwem etwas zu sagen."
Erst nachdem ihr Sohn geboren und die Beziehung endgültig zerbrochen war, vertraute sich Diana ihrer Mutter an. Beide wollten Marco nun doch bestraft sehen. Aber die Staatsanwaltschaft Koblenz stellte das Verfahren ein. "Den Angaben Ihrer Mandantin zufolge hat der Beschuldigte weder Gewalt angewendet ... noch hat er ihr in irgendeiner Form gedroht", schrieb der Staatsanwalt Dianas Anwältin.
Der Brief klingt fast bedauernd. Auch wenn Marco gezerrt und geschubst habe, sei das ja passiert, bevor sich Diana selbst ausgezogen habe. Ein Vergewaltiger im Sinne des Gesetzes müsse gezielt Gewalt anwenden, um den Sex zu erzwingen.
Eine Beschwerde ihrer Anwältin scheiterte, jetzt ist die Akte geschlossen. "Ich kann nicht fassen, dass der damit durchgekommen ist", sagt Diana. Und wie konnten die Staatsanwälte ihren Fall einstellen? "Sie haben doch gesagt, dass sie mir glauben."
Anhänger einer Reform sehen diesen Fall als Beleg dafür, welche Schutzlücken im Vergewaltigungsparagrafen klaffen. Dass der Rechtsstaat eher von der schüchternen Diana verlangt zu kämpfen, als vom rabiaten Marco, ein Nein zu akzeptieren, erscheint ihnen skandalös. "Das Rechtsgut der sexuellen Selbstbestimmung wird von unserer Rechtsordnung nicht als grundsätzlich schützenswert angesehen", klagt der Juristinnenbund.
Die Reformgegner sehen Diana freilich ganz anders: als Opfer tragischer Fehlentscheidungen. Das Problem sei nicht der Paragraf 177, sagen sie, sondern es seien die Menschen, die ihn anwendeten. Staatsanwälte könnten irren, sogar Bundesrichter fällten Fehlurteile. "Ich hätte diesen Fall angeklagt, ganz klar", sagt Anke Benrath, seit 23 Jahren Staatsanwältin in Berlin, seit acht Jahren zuständig für Sexualdelikte. "In meiner Dienstzeit habe ich keine einzige Vergewaltigung gesehen, die ich nicht vor Gericht bringen konnte", sagt Benrath. "Es gibt keine Schutzlücken."
Auch das Justizministerium hielt eine Reform zunächst für verzichtbar. Als Maas seinen Entwurf zur Kinderpornografie vorlegte, hieß es, damit sei zudem die Istanbul-Konvention des Europarats umgesetzt, die sich gegen Gewalt gegen Frauen richtet. In ihr steht, dass alle sexuellen Übergriffe ohne Einverständnis des Opfers geahndet werden müssen. Doch dann durfte der Justizminister erleben, dass auch das Sexualstrafrecht ein Einsatzgebiet für professionelle Lobbyisten ist. So wie Stromkonzerne im Wirtschaftsministerium vorbeischauen und Pharmafirmen um den Gesundheitsminister herumstreichen, wurde auch Minister Maas bearbeitet.
Das Deutsche Institut für Menschenrechte lieferte Expertisen für die Reform des Paragrafen 177, der Deutsche Juristinnenbund legte ein Konzept vor, Terre des Femmes startete eine Onlinepetition und überreichte Maas' Staatssekretär 30 000 Unterschriften für stärkeren Schutz der sexuellen Selbstbestimmung. Und natürlich waren da die Fälle von Katja Grieger. "Wenn es um die Interessen gewaltbetroffener Frauen geht, können Sie mich getrost als Lobbyistin bezeichnen", sagt Grieger. Die Istanbul-Konvention sei der "juristische Hebel" gewesen, um einer teils jahrzehntealten Kritik mehr Wirkung zu geben.
Dass der Justizminister selbst die Reform des Vergewaltigungsparagrafen anfangs skeptisch sah, zeigt sich auch daran, dass er bei den Länderjustizministerien erfragte, welche "konkreten Beispiele aus der strafrechtlichen Praxis" sie denn als Beleg für den Reformbedarf hätten. Nur das Saarland, Sachsen-Anhalt und Thüringen lieferten konkrete Beispiele - insgesamt fünf. Eine winzige Zahl angesichts der Polizeilichen Kriminalstatistik, die für 2013 mehr als 10 000 Tatverdächtige zu Paragraf 177 zählte. Verurteilt wurden zwar nur 1200 Beschuldigte. Doch solche niedrigen Quoten gibt es auch bei anderen Delikten wie Mord.
Sogar die Befürworter eines strengeren Vergewaltigungsparagrafen warnen davor, sich von der Reform mehr verurteilte Vergewaltiger zu erwarten: Staatsanwälte müssten schließlich immer noch die "widersprechenden Narrative" von Täter und Opfer auswerten. Lässt sich Widerspruch zwischen ihren Schilderungen nicht auflösen, darf der Beschuldigte gehen.
Staatsanwältin Benrath hört diese Narrative regelmäßig, und selten erscheint ihr das Bild einer Vergewaltigung so klar und eindeutig wie in den Fallstudien der Frauenrechtsverbände. Bei fast keinem Delikt ist die Beweisführung so schwierig, denn meist sind nur zwei Menschen beteiligt. Gibt es keine blauen Flecken, keine ausgerissenen Haare, dreht sich alles um die Frage, wie glaubhaft die Aussagen sind.
Staatsanwälte und Kripo-Beamte hören Zeuginnen, die nach einem Discobesuch nahezu unbekannte Männer ins Hotelzimmer begleitet haben. Aber Sex hätten sie nicht gewollt, beteuern die Frauen. Benrath hat auch junge Mädchen erlebt, die ihren Eltern lieber eine angebliche Vergewaltigung auftischen, als zu beichten, dass sie einen Freund haben.
"Ich habe mir längst abgewöhnt, an anderer Leute Beziehungen meine privaten Maßstäbe anzulegen", sagt die Staatsanwältin. Künftig wird ihre Zunft aber noch intensiver erforschen müssen, was im Kopf dieser Frauen im Moment der Tat vorging, was ihr "Wille" war und ob die Täter ihn erkennen konnten.
Der Deutsche Juristinnenbund hofft, dass die Reform viele entwürdigende Vernehmungen überflüssig macht: Die Opfer würden dann nicht mehr "penibel danach gefragt, mit welcher Kraftentfaltung die Beine auseinandergedrückt wurden und in welcher Weise sie Gegenwehr geleistet haben". Viele Frauen empfinden die Beweisaufnahme im Vergewaltigungsprozess als demütigend. Der ehemalige Berliner Generalstaatsanwalt Hansjürgen Karge sagte im Jahr 2010 in einer Talkshow, er würde seiner Tochter nicht empfehlen, nach einem sexuellen Übergriff zur Polizei zu gehen. Karges Worte lösten eine heftige Debatte um die Frage aus, wie sensibel Polizei und Justiz mit Vergewaltigungen umgehen.
Staatsanwältin Benrath fürchtet, dass mit der Reform die Fragen an die Frauen noch peinlicher werden. Denn wenn der Wille des Opfers zählt, kommt alles auf dessen Glaubwürdigkeit an. "Dann könnten die ganzen alten Fragen wieder auftauchen", sagt Benrath. Wie kurz war Ihr Rock an dem Abend? Haben Sie aufreizend getanzt? Wie laut haben Sie Nein gesagt? Warum konnten Sie sich nicht durchsetzen?
Am Ende könnten die quälenden Vernehmungen doch vergebens sein. Der neue Vergewaltigungsparagraf hätte große Hoffnungen geweckt, aber letztlich nur Kripo-Beamten wie Bosse und Staatsanwälten wie Benrath das Leben schwer gemacht. Sie müssten die Träume der Reformer ausbaden, in denen das Strafrecht eine Welt gewaltfreier Sexualbeziehungen schafft.
* Name von der Redaktion geändert.
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-133262093.html

BERLIN taz | Er schlägt sie. Aber sie geht nicht zur Polizei. Sie belügt den Arzt, wenn der ihre Verletzungen behandelt. Sie vertuscht die Gewalt ihres Mannes vor den Freundinnen, vor den Kollegen und vor allem vor den Kindern. Warum?
Seit das Gewaltschutzgesetz in Deutschland vor zehn Jahren in Kraft trat, können sich Frauen erfolgreich gegen häusliche Gewalt wehren. Sie können den Schläger aus der Wohnung weisen und ihm verbieten lassen, sich ihr zu nähern, sie anzurufen, ihr Mails zu schreiben. Laut einer Studie des Familienministeriums geht häusliche Gewalt überwiegend von Männern aus.
„Das Gewaltschutzgesetz ist ein Erfolg“, sagt die Berliner Psychologin Katja Grieger. Und schränkt sogleich ein: „Kinderlose Frauen sind heute gut geschützt, Mütter sind es nicht.“ Die Leiterin des Bundesverbands Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe kennt viele Fälle, bei denen Frauen aus Angst um ihre Kinder die Gewalt ertragen oder – wenn sie den Täter angezeigt haben – der Brutalität dennoch nicht entkommen können.

Wenn nicht eindeutig nachgewiesen ist, dass sich der prügelnde Mann nicht auch an seinen Kindern vergreift, muss die Mutter den Umgang des Vaters mit seinen Kindern zulassen. Es gilt das Credo: Ein prügelnder Mann muss noch lange kein schlechter Vater sein.

Katrin Hille, Psychotherapeutin und Fachberaterin beim Frauennotruf Göttingen, kritisiert das: „Solange die gängige Praxis die Rechte aus dem Gewaltschutzgesetz dem Umgangsrecht der Eltern unterordnet, wird die Wirkung der Schutzmaßnahmen gewaltbetroffener Frauen und deren Kindern laufend unterhöhlt.“ Der Anteil der Mütter macht mit rund siebzig Prozent den größten Teil der Gewaltbetroffenen aus.
Es ist ein Fall bekannt, bei dem ein gewalttätiger Vater Umgang mit seinen Kindern haben durfte. Bei einem seiner Besuche vergewaltigte er die Mutter im Beisein des Kleinkindes. Danach ordneten die Richter begleiteten Umgang an – jetzt sieht der Vater das Kind, wenn jemand vom Jugendamt dabei ist.
m stößt das Gesetz hier an seine Grenzen? Manche Beraterinnen der Frauenhäuser und -notrufe vermuten, dass etliche Jugendämter sehr vorsichtig geworden sind im Umgang mit gewalttätigen Männern. Seit Väter in Deutschland mehr Rechte an ihren Kindern bekommen und Gerichte das gemeinsame Sorgerecht als Regelfall angemahnt haben, drängen RichterInnen vielfach auf „Einvernehmlichkeit und Mediation“: Eltern sollen sich um jeden Preis einigen. „Das ist bei häuslicher Gewalt der falsche Trend“, sagt Grieger.

Sie berichtet von Frauen, die bei der Übergabe der Kinder erneut dem Druck des Schlägers ausgesetzt sind. Darüber hinaus würden zum Schutz der Frauen und Kinder geheim gehaltene neue Wohnorte bekannt. „Damit ist jeder Schutz hinfällig“, sagt sie.
Zahlreiche Studien belegen zudem, dass Männer, die ihre Partnerinnen misshandeln, auch ihren Kindern gegenüber Gewalt ausüben. Einer Untersuchung des Kriminologischen Forschungsinstuts Niedersachsen zufolge erleben nur rund fünf Prozent der Jugendlichen in Haushalten mit Gewalt diese nicht unmittelbar.
Was passieren kann, wenn Kinder regelmäßig Gewalt mitbekommen, berichten Mitarbeiterinnen von Frauenhäusern: Da packt ein kleiner Junge seine Mutter am Hals, ein Mädchen schlägt in die Luft und schreit: „Dir werd ich's zeigen.“ Ein anderes Kind nässt ein und ruft im Schlaf: „Bitte nicht ins Gesicht.“

Auf die Gefahr, dass das Gewaltschutzgesetz zum „Zweiklassenschutz“ mutieren könnte, wie Katja Grieger es nennt, haben schon vor seinem Inkrafttreten die Gewalt-Expertinnen Birgit Schweikert und Gesa Schirrmacher hingewiesen. Kinderschutz und Frauenschutz sollten „nicht mehr als zwei getrennte Wege angesehen“ werden, sondern „als zwei Seiten ein und derselben Medaille“, schreiben sie in einer Expertise für das Familienministerium.
Jetzt hat die Lobbyorganisation Deutscher Frauenrat die Bundesregierung aufgefordert, das Gewaltschutzgesetz nachzubessern: Gewalt und Nachstellung gegen eine Mutter müssten als Gefährdung des Kindeswohls anerkannt werden – auch in Fällen, in denen die Kinder nicht selbst von Gewalt betroffen sind.
Die Losung „Wer schlägt, der geht!“ müsse ergänzt werden durch den Satz: „Und kann seine Kinder erst dann wiedersehen, wenn er nachweislich gefährdendes Verhalten geändert hat.“

http://www.taz.de/!5073272/

Caroline Criado-Perez war es nur um Bilder gegangen. Die britische Feministin hatte durchgesetzt, dass auf Pfundnoten künftig nicht ausschließlich Männerköpfe prangen werden. Im Netz wurde sie dafür mit Vergewaltigung und Tod bedroht. Ähnliches hat die amerikanische Journalistin Amanda Hess erlebt, die im vergangenen Jahr einen Text mit dem Titel veröffentlichte, warum Frauen im Internet nicht willkommen seien.
Der "digitale Graben" war in der Demokratiedebatte bislang vor allem eine Umschreibung dafür, dass ärmere, weniger gebildete, technikscheue und alte Menschen in einer zunehmend von Online-Angeboten dominierten Welt von Information und Beteiligung abgehängt sein könnten. Doch während immer mehr Bürger Zugang zum Netz haben, sich die eine Kluft also gerade ein wenig schließt, entsteht ein neuer digitaler Graben: Vor allem Frauen sind in sozialen Netzwerken derart von Cybermobbing betroffen, dass sich viele aus der digitalen Öffentlichkeit zurückziehen oder sich nicht mehr dort hineinwagen. Dies wurde kürzlich auf der Veranstaltung "Wessen Internet?" der Friedrich-Ebert-Stiftung deutlich.

Droh-Tweets gegen Feministin Wie zehn Pfund auf Twitter Hass schüren
Caroline Criado-Perez setzt sich für mehr Frauen auf britischen Geldscheinen ein. Für ihren Erfolg wurde die Aktivistin bei Twitter aufs Übelste beschimpft. Längst geht es nicht mehr um die Zehn-Pfund-Note. Sondern um die Freiheit aller in sozialen Medien.
Und das ist nicht trivial. Für die Generation, die mit dem Netz aufgewachsen ist, kann sich das so anfühlen, als würde sie aus dem öffentlichen Leben verbannt. Das trifft Einzelne besonders hart, denn die Betroffenen sind oft traumatisiert. Es entwickelt sich aber auch ein strukturelles Problem, weil sich andere dann gar nicht mehr vorwagen mit Meinungen, die anecken könnten. Aus Furcht, zum Opfer zu werden, bleiben sie stumm. "Frauen werden online zum Schweigen gebracht - wie im richtigen Leben", betitelte der Guardian vergangene Woche einen Text von Fiona Martin von der Universität Sidney.
Natürlich richtet sich Cybermobbing auch gegen Männer. Fachleute sehen aber einen Unterschied: Männer würden meist als Person, also wegen ihrer Meinungen oder Taten attackiert und nicht als Gruppe, also weil sie Männer seien. Auch werde ihnen seltener Gewalt angedroht.
Rufschädigung aus Rache
Frauen sind einerseits dem verbalen Missbrauch auf Twitter oder Facebook überproportional ausgesetzt, bei dem sich Täter und Opfer gar nicht kennen. Selbst die Bundesfamilienministerin erhält sexistische Kommentare. Andererseits sind Frauen auch verstärkt Ziel von Rachefeldzügen, die ihren Ursprung in der realen Welt haben, im Internet aber eine besondere Wucht bekommen. Katja Grieger vom Bundesverband Frauenberatungsstellen sprach von einer "explosionsartigen Zunahme" in den vergangenen Jahren. Was am häufigsten passiere: Männer stellten nach einer Trennung Nacktbilder ihrer Ex-Freundinnen ins Netz oder erpressten sie damit, verschmähte Bewunderer stalkten Frauen oder versuchten gezielt, ihren Ruf zu schädigen. Gruppen junger Männer attackierten junge Frauen sexuell und posteten Videos davon wie Trophäen.

Tugendfuror oder netzfeministisches Meisterstück? Die Twitterkampagne #Aufschrei führte zur Renaissance eines unterschätzten Gefühls.
Hier zeigt sich ein Dilemma der Demokratie im Umgang mit dem Netz. Natürlich gelten in der digitalen Welt die gleichen Gesetze und juristischen Maßstäbe wie in der realen; ein Großteil solcher Taten ist verboten und wird verfolgt. Nur ist Demokratie von Natur aus langsam. Es dauert also, bis alle Wirkungsweisen verstanden und die nötigen Mittel gegen Missbrauch gefunden worden sind. Das Netz aber ist schnell, das digitale Gedächtnis mächtig.
Und es gibt ein zweites Dilemma: Die großen Aggregatoren im Netz, Unternehmen wie Facebook, Google oder Twitter, folgen einer technologischen Logik, sie geben sich weitgehend wertfrei und unpolitisch. Das ist bei Wirtschaftsunternehmen nicht ungewöhnlich. Aber die Kommunikationskanäle des Internets sind mittlerweile so wichtig wie das öffentliche Straßennetz, in diesem Fall eines, in dem es - um im Bild zu bleiben - kaum Verkehrsregeln und keine Führerscheinpflicht gibt. Dadurch gilt das Recht des Schnelleren, des Lauteren.

http://www.sueddeutsche.de/digital/internet-der-neue-digitale-graben-1.2458879

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Die ultimative Dienstleistungsoffensive des Antifeminismus

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