Eine Vorzeige-Unternehmensgründerin (Frauen)
Gentili Signori,
reden wir mal über eine Vorzeige-Unternehmensgründerin.
Laut englischer Wikipedia ist Elizabeth Holmes "number 110 on the Forbes 400 in 2014, and topped the list of America's Self-Made Women in 2015 with a net worth of $4.7 billion", d.h. sie ist die Nr. 110 der reichsten Amerikaner, und mit 4,7 Milliarden Dollar die Nr. 1 unter jenen Frauen, die ihr Geld ausnahmsweise mal nicht geerbt oder erheiratet, sondern selbst erwirtschaftet haben.
Sie erreichte dieses respektable Ergebnis als Gründerin der Biotechnik-Firma Theranos, deren Kernprodukt ein innovatives Gerät namens "Edison" ist, das Bluttests mit einer minimalen Blutmenge des Patienten durchführt, und zwar angeblich zu geringeren Kosten und mit höherer Zuverlässigkeit als konventionelle Geräte. Die Firma konnte aufgrund dieser innovativen Technik Investorengelder im hohen dreistelligen Millionenbereich anlocken, und hatte in der Spitze einen Marktwert von ca. 9 Milliarden US-Dollar.
So weit, so gut; die Erfolgsgeschichte hat aber den ein oder anderen kleinen Haken, wie Wallstreet Online am gestrigen Dienstag berichtete. Zunächst einmal hatte Ms. Holmes niemandem, nicht einmal den soeben erwähnten Investoren gestattet, dieses wundersame Edison-Gerät genauer unter die Lupe zu nehmen, und zwar "zum Schutz ihres geistigen Eigentums". Letzteres war wohl eher eine Schutzbehauptung, denn wie inzwischen klar ist: Während die Firma über zweihundert verschiedene Bluttests anbietet, "habe Theranos-Gründerin Elizabeth Holmes eingeräumt, nur noch einen einzigen Bluttropfen-Test durchzuführen. Alle anderen Tests basierten auf herkömmlichen Verfahren".
Laut englischer Wikipedia handelt es sich hierbei offenbar um den Herpes-Test, alle anderen Tests werden also auf herkömmliche Art und Weise durchgeführt. Das könnte ja ein durchaus solides Geschäft sein; innovativ ist es aber nicht und neun Milliarden Dollar wert schon gleich gar nicht; man mag sich fragen, warum gestandene Investoren hunderte von Millionen Dollar in ein Unternehmen pumpen ohne dabei zu überprüfen, ob sie nicht wie dumme Jungs hinters Licht geführt werden, aber das wäre wieder eine andere Geschichte (und zwar wahrscheinlich eine Geschichte unter dem Titel "Gier frisst Hirn").
War das schon alles, was es über Elizabeth Holmes und ihr Vorzeige-Unternehmen zu erzählen gibt? Nun, nicht ganz. Wallstreet Online deutet nur an, dass es da gewisse, äh, Qualitätsprobleme gibt; die englische Wikipedia wird im Abschnitt "Controversies" wesentlich deutlicher. Zum Beispiel:
A report from the U.S. government's Centers for Medicare and Medicaid Services released in 2016 detailed a number of deficiencies with Theranos procedures and testing results. The inspection report indicates that 29% of the quality control checks performed on the Edison devices produced results outside an acceptable range. In addition, federal inspectors also cited Theranos for "doing tests with unqualified personnel, for long delays in notifying patients of flawed test results and for storing blood samples at the wrong temperatures."
Heißt also: Der im Jahr 2016 veröffentlichte Bericht einer US-amerikanischen Bundesbehörde zählte eine Reihe von Mängeln auf, hinsichtlich der Theranos-Verfahren und Testergebnisse. Aus dem Bericht geht hervor, dass 29% der Qualitätskontrollen für die Edison-Geräte ein Ergebnis lieferten, das außerhalb des zulässigen Bereichs lag. Außerdem gaben die Inspektoren an, Theranos habe "Tests durch unqualifiziertes Personal durchführen lassen; habe die Benachrichtigung der Patienten über fehlerhafte Testergebnisse lange hinausgezögert; und Blutproben bei falscher Temperatur gelagert".
Und weiter:
On January 27, 2016, the Centers for Medicare and Medicaid Services (CMS) said that Theranos's Newark, California location posed "immediate jeopardy to patient safety,"and required a response in 10 days or it would pull its certification of the lab. It was later revealed that the "immediate jeopardy" specifically related to Theranos’s test for the clotting ability of blood, which is used to help determine the correct dose of the blood-thinning drug warfarin.
Also: Die besagte Behörde hat dem Theranos-Labor in Newark (Kalifornien) vorgeworfen, eine "unmittelbare Gefahr für die Sicherheit der Patienten zu sein", und hat eine Stellungnahme der Firma binnen 10 Tagen verlangt, sonst werde diesem Labor die Zulassung entzogen. Später wurde offengelegt, dass es bei der "unmittelbaren Gefahr" konkret um den Theranos-Test für die Blutgerinnung ging, dessen Ergebnis verwendet wird, um die Dosierung des blutgerinnungshemmenden Medikaments Warfarin festzulegen.
Fast überflüssig zu erwähnen, dass die deutsche Wikipedia von alledem nichts weiß, sondern nur ein Loblied auf die wunderbare Unternehmersgründerin Elizabeth Holmes singt.
Geradezu rührend weiblich ist hingegen die Stellungnahme der Firmengründerin zu ihren eigenen Machenschaften. Wallstreet Online zitiert sie mit den Worten: "Ich fühle mich schrecklich, dass wir dieses Problem nicht schneller in den Griff bekommen haben."
Cordiali saluti,
Marc' Antonio Varano
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Der Unterschied zwischen Merkeldeutschland und einer Bananenrepublik besteht darin, dass wir die Bananen importieren müssen.
Elizabeth Holmes - eine Vorzeige-Unternehmensgründerin
Danke für Deinen tollen Beitrag Varano. Dieser ist aus meiner Sicht würdig für einen WikiMANNia Artikel.
Christine
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Es ist kein Merkmal von Gesundheit, wohl angepasstes Mitglied einer zutiefst kranken Gesellschaft zu sein