Liste Femanzen Kerstin Zander (Liste Femanzen)
F470 Kerstin Zander – Studium der Informatik an der Universität Hamburg - Geschäftsführerin re-empowerment.de – www.re-empowerment.de – webinfo@re-empowerment.de - https://media.licdn.com/mpr/mpr/shrink_200_200/p/2/005/00a/37d/32ea0f2.jpg
Die Folgen seelischer Folter werden oft unterschätzt. Man hält die traumatsierten erniedrigten Frauen für hysterisch oder gar rachsüchtig. Jetzt haben sich die Opfer im Internet und in einem Verein zusammengetan.
Als ich über Kachelmanns Parallelwelten las – und über sein Dr. Jekyll-Mr. Hyde-Verhalten, haben bei mir sofort die Alarmglocken geschrillt“, sagt Paolina (42). Sie ist Mutter von vier Kindern und war 17 Jahre lang mit solch einem Jekyll/Hyde-Mann verheiratet. „Nach außen war er freundlich. Aber fiel die Tür hinter uns zu, war ich seinen Erniedrigungen ausgesetzt.“ Und die Liste dieser Demütigungen ist lang.
„Du kleidest und schminkst dich unvorteilhaft – schau dir mal die anderen Frauen an! Hör mit der Heulerei auf! Ich fand dich sexuell noch nie attraktiv – du hast viel zu wenig Oberweite! Telefonier mal weniger mit deinen Freundinnen, dann schaffst du auch mehr im Haushalt! Was machst du eigentlich den ganzen Tag zu Hause? Du bist ja komplett unzurechnungsfähig! Die Pornos hat mir mein Kollege überspielt – na und, das ist doch normal! In welchem Universum lebst du eigentlich!? Du kriegst doch gar nichts mehr mit!“ Und so weiter.
Paolina wollte nicht wahrhaben, dass gerade der Mann, der zu Anfang so verständnisvoll, der ihr Beschützer und Held war, jetzt so boshaft sein konnte. Es war unbegreiflich. Lag es vielleicht an ihr selber …?
Das Gefühl, selbst Schuld an ihrer Demütigung zu sein, haben viele Frauen, wenn sie das erste Mal www.re-empowerment.de anklicken – eine Frauen-Internetplattform für Opfer psychischer und physischer „Partnerschaftsgewalt“ (schon dieser Begriff signalisiert den Widerspruch). „Genau deshalb und weil die Frauen durch die permanent gegensätzlichen Botschaften und Handlungen des Täters verunsichert sind und den Glauben in ihre eigene Wahrnehmung verloren haben, fürchten sie oft, sie seien verrückt“, sagt re-empowerment-Betreiberin Kerstin Zander. „Deshalb sind sie so erstaunt und erleichtert, wenn sie bei uns andere Frauen treffen, denen es ebenso geht und die sie verstehen.“
Zander spricht aus eigener Erfahrung, denn die Hamburgerin hat bis vor fünf Jahren selbst schwere psychische Gewalt durch ihren Lebensgefährten erlitten. Damals suchte sie vergeblich nach einer Selbsthilfegruppe. „Denn Frauenhaus-Gewalt war nicht das, was ich erlebt hatte. Meine Verletzungen konnte niemand sehen.“
Als Kerstin Zander das Buch „Worte, die wie Schläge sind“ der Amerikanerin Patricia Evans in die Hände fiel, erkannte sie zahlreiche Parallelen zu ihrer Leidensgeschichte. Da beschloss sie, ihre Erkenntnisse auch anderen Betroffenen zugängig zu machen.
Bis heute haben sich über 2500 Frauen auf der Plattform angemeldet – 900 davon nehmen aktiv teil. Täglich rufen rund 400 Besucherinnen die Seite auf und schreiben dort etwa 200 Beiträge. Die Nachfrage nach Austausch und Unterstützung ist so groß, dass Kerstin Zander vor einem Jahr zusammen mit der Fachanwältin für Familienrecht, Birgitta Brunner, zusätzlich den Verein re-empowerment gründete, um künftig auch mit Behörden und anderen Vereinen zusammen zu arbeiten. Betroffene werden bei Bedarf zu Zivilprozessen begleitet – so wie es der Weiße Ring bei Strafprozessen anbietet.
Als Paolina die Seite von re-empowerment entdeckte, begann sie, die Leidensgeschichten der anderen Betroffenen zu lesen: an der so genannten „Klagemauer“, wo sie später auch über ihr eigenes Schicksal berichtete. Auch sie hatte ein Aha-Erlebnis: „Die Frauen gaben mir zum ersten Mal das unendlich erlösende und befreiende Gefühl, weder allein noch komplett verrückt zu sein. Der Erfahrungsaustausch im Forum, die vielen täglichen und nächtlichen Mails, das Aufbauen und Unterstützen, Motivieren, Informieren und Trösten haben mir enorm viel Kraft gegeben. Und so begleiteten mich die Frauen auf meinem Weg in ein freies, selbstbestimmtes Leben.“
Paolina lebt nun seit einem Jahr getrennt von ihrem Ex und hat sich ein schützendes Netzwerk aus Freundinnen und Freunden, Anwälten und Therapeuten aufgebaut. So fällt es der Bremer Grafikerin leichter, über Mittelsleute mit ihm über die gemeinsamen Kinder zu reden. Oder sich daran zu erinnern, wie seine Grausamkeiten im Laufe ihrer Ehe eskalierten. „Nach drei Jahren hat er mich zum ersten Mal betrogen, in unserem Ehebett. Wollte aber nicht mit mir darüber reden. Stattdessen ließ er mich im Unklaren, gab mir das Gefühl, dass ich die Schuld daran trug, weil ich nicht perfekt genug war. Er strafte mich mit Zurückweisung, Erniedrigung und Liebesentzug.“ Folge: Paolina bemühte sich noch mehr um die Liebe ihres Mannes. „Ich wollte meine Ehe retten, den Kindern den Vater erhalten. Ich wollte nicht versagen.“
Das paradoxe Phänomen, warum viele Opfer ihren Peiniger nicht verlassen, hat die französische Viktimologin, Familientherapeutin und Analytikerin Marie-France Hirigoyen untersucht. In ihrem Buch „Die Masken der Niedertracht“ beschreibt die Opferforscherin das Täter-Repertoire zur psychischen Demontage der Opfer: Anklagen und Schuldzuweisungen, Verurteilen und Kritisieren, Bagatellisieren, Unterminieren, Drohen, Beleidigen, Leugnen, Schikanieren. Hirigoyen: „Die perverse Gewalt konfrontiert das Opfer mit seinem Schwachpunkt, mit den vergessenen Traumata seiner Kindheit. Die Beziehung mit dem narzisstischen Perversen wirkt wie ein negativer Spiegel. Das gute Bild, das man von sich hatte, wird umgestaltet: Man kann es nicht mehr lieben.“
Dabei sind die meisten Opfer psychischer Gewalt keineswegs schwache Persönlichkeiten. „Auffallend häufig schreiben bei re-empowerment starke, reflektierte und gebildete Frauen. Klar – durch sie kann sich der Täter ja aufwerten“, erklärt Initiatorin Kerstin Zander. „Leider glauben gerade diese Frauen aber auch, dass sie stark und schlau genug sind, um den Täter verstandesmäßig zu durchdringen und ihm mit ihren Erkenntnissen und ihrer Liebe zu heilen.“ Ein gefährlicher Irrtum.
Paolina blieb noch viele Jahre bei ihrem Mann, der sie weiter demütigte. Heute erkennt sie darin eine Art Stockholm-Syndrom: „Ich war aus Angst zu seiner Verbündeten geworden. Redete schön, was er mir antat. Nahm ihn vor Freunden und Familie in Schutz. Und hielt die Fassade nach außen hin aufrecht.“
Ein immenser Kraftaufwand, der wirkungslos blieb, so dass sich Paolina immer mehr verlor. Sie betäubte ihren seelischen Schmerz mit Alkohol, wurde abhängig. Magerte ab. Litt unter Panikattacken. Für ihre vier Kinder, die immer verstörter auf die Gewalt zu Hause reagierten, entschloss sie sich schließlich zum Entzug. In dem Glauben, dass sie die Schuldige an allem war. Bis der Therapeut ihr behutsam aufzeigte, wie ihr Mann ihr kontinuierlich das Selbstwertgefühl geraubt hatte. Paolina fing langsam an zu begreifen. Und sie schaffte zusammen mit den re-empowerment-Frauen den Schritt heraus aus der zerstörerischen Beziehung. „Wäre ich bei ihm geblieben, hätte ich mich endgültig aufgelöst. Meine vier Kinder hätten heute wohl keine Mutter mehr.“
Die Engländerin Pat Craven unterscheidet acht Typen des „Dominators“: Vom „Kopfarbeiter“, der das Opfer herabsetzt und schrittweise demontiert, über den „König“, der jederzeit seine Wünsche befriedigt haben möchte, bis hin zum bedrohenden Schlägertyp oder zum sexuellen Kontrolleur.
Tatsächlich ist sexualisierte und körperliche Gewalt häufig die konsequente Fortsetzung seelischen Quälens. Wie bei Eliza (32) aus Weimar, deren Geschichte symptomatisch für eine Misshandlungs-Beziehung begann: mit einem hyperlativen Honeymoon. „Alles, was wir erlebten, war besonders. Ich fühlte mich vergöttert, auf einen Thron gehoben“, erinnert sich die Software-Entwicklerin, die fast fünf Jahre in der Gewalt-Beziehung ausharrte. „Obwohl ich doch eine starke, selbstbewusste Frau bin, rutschte ich in eine Art Abhängigkeit.“
Denn die vermeintliche Unvergleichlichkeit ihrer Liebe war wie eine Droge für Eliza. So reizvoll, dass sie sich dafür belügen, betrügen, quälen und demütigen ließ, bis sich ihr ganzes Leben nur noch um den Mann kreiste, der sie mit Liebeserklärungen überhäufte und gleichzeitig brutaler Psychofolter aussetzte.
Er isolierte mich nach und nach, war krankhaft eifersüchtig, machte mich schlecht, verschwand oft für Tage, tauchte wieder auf, stalkte mich, wollte mich besitzen.“ Als Eliza schwanger wurde, zwang er sie immer öfter zum Sex. „Selbst, als ich schon in den Wehen lag, weinte und ihn anflehte, mich wenigstens einen Tag in Ruhe zu lassen.“
Mit der Geburt von Elizas Sohn wurde das Martyrium noch ärger. Denn ihr Mann lehnte das Kind ab. „Dabei hatte vor allem er das Kind gewollt.“ Gehen konnte Eliza trotzdem nicht. „Auch, wenn mich meine Eltern anflehten, diesen gewalttätigen Mann zu verlassen.“ Auch dann noch nicht, als die Frauen von re-empowerment, die Eliza inzwischen kennen gelernt hatte, sie darin bestärkten, ihrer Wahrnehmung zu vertrauen und zu erkennen, welche Gewalt er ihr antat. „Jedes Mal, wenn ich mit meinem Sohn fliehen wollte, drohte er, mich wegen Kindesentführung anzuzeigen. Oder mit Selbstmord. Oder er ließ mein Handy orten und rief 60 Mal am Tag an, um mich wieder mit Liebesbezeugungen zu überschütten und anzuflehen, dass ich zurückkehrte.“
Doch während immer mehr Freunde und Kollegen genervt aufgaben, Eliza zur Trennung zu bewegen, hielten die Frauen von re-empowerment weiter zu ihr. Trösteten sie, wenn sie rückfällig wurde. Aber bestärkten sie auch stets darin, dass sie den Absprung schaffen würde.
Und tatsächlich kam vor zwei Jahren der Punkt, als es auch Eliza zu viel wurde: „Er stellte mich vor die Wahl: Entweder wir bekämen noch ein gemeinsames Kind oder es sei Schluss. Da musste ich nur noch lachen.“ Jetzt konnte Eliza gehen.
Später klagte sie ihren Ex vor Gericht an, weil er sie auch finanziell zugrunde gerichtet hatte. Zwar ohne Erfolg. „Aber für mich war wichtig, dass ich ihm das erste Mal die Stirn geboten hatte.“ Ein wichtiger Schritt für Eliza. Dennoch leidet sie noch heute unter posttraumatischen Symptomen, die auftauchen können, wenn sie sich ohnmächtig oder bedrängt fühlt.
Auch das ein weit verbreitetes Phänomen unter Opfern aus Gewaltbeziehungen. Deshalb gibt es bei re-empowerment einen virtuellen „Quarantäne-Raum“ – für Beiträge, die Rückfälle oder das Verbleiben in der Gewaltbeziehung gestehen. Doch der enge Zusammenhalt der Frauen und die Freundschaften, die sich über den virtuellen Rahmen hinaus entwickeln, schützen so manche vorm Schwachwerden. Die Frauen helfen sich – zum Beispiel auch bei der detektivischen Suche nach Exgeliebten oder anderen Opfern, die die Aussagen der Frauen über den Täter bestätigen können. Sie unterstützen einander aber auch bei Gerichtsverfahren.
Wie im Fall von Julia, die von der Familienanwältin Birgitta Brunner beraten wurde. Brunner setzt sich seit langem für in Not geratene Frauen ein und stellt auf www.re-empowerment.de aktuelle Rechtsinfos zur Verfügung oder berät Vereinsfrauen kostenlos. Wie Kerstin Zander möchte auch sie erreichen, dass psychischer Gewalt künftig bei Prozessen stärkere Beachtung geschenkt wird.
„Denn zu oft werden die betroffenen Frauen vor Gericht leichtfertig als hysterisch, rachsüchtig und unglaubwürdig abgetan“, klagt die Anwältin. Gerne würden Brunner und Zander künftig auch Kongresse abhalten, um die Öffentlichkeit stärker für das Thema zu sensibilisieren.
Als positives Beispiel nennt Birgitta Brunner die französische Rechtsprechung, die psychische Gewalt durch den „Partner“ seit Juni diesen Jahres unter Strafe stellt. Ein großer Verdienst der Viktimologin Marie-France Hirigoyen, die mit ihren aufrüttelnden Büchern die parlamentarischen Ausschussmitglieder zu dem Gesetz inspirierte. Laut Artikel 17 des Opferschutzgesetzes kann ein Täter nun mit bis zu drei Jahren Haft und 75000 Euro bestraft werden, „wenn das wiederholte Verhalten und die Worte darauf abzielen, das Opfer herabzusetzen, indem dessen Rechte und Würde verletzt oder dessen physische oder geistige Gesundheit beeinträchtigt wird“.
In Deutschland sind wir davon trotz des Gewaltschutzgesetzes noch weit entfernt. „Hier wird Frauen zum Beispiel eher unterstellt, dass sie ihren Männern ein Kind gewaltsam entziehen wollen, statt zu sehen, dass sie dies auch als Schutzmaßnahme vor einem seelischen Gewalttäter machen könnten“, sagt Birgitta Brunner. Und Frauen werden rasch als rachsüchtig oder unzurechnungsfähig abgestempelt, als dass man einen perfiden Gewalttäter für denkbar hält.
Das erlebte auch Julia (32) aus Berlin. Sie verlor den Sorgerechtsprozess um ihre Tochter zwei Mal, weil man ihrem Mann mehr Glauben schenkte – einem Taxifahrer und späteren Psychologie-Studenten. „Er hat mich mit dem Stigma gebrandmarkt, ich sei psychisch krank. Und beim Jugendamt behauptete er, ich sei eine Gefahr für ihn, unsere gemeinsame Tochter und mich selbst!“
Niemand schien sich unterdessen dafür zu interessieren, wer hinter der Fassade des netten Taxifahrers steckte. „So wusste nur ich, dass er extrem gewalttätig war – vor allem, wenn er trank.
Dass er gerne Pornos im Internet sah und kleine Mädchen sexuell anziehend fand“, erzählt Julia. Sie fürchtete um ihre sechsjährige Tochter, aber sie hatte keine Freunde mehr, denen sie sich anvertrauen konnte. Und sobald Nachbarn mitbekamen, dass ihr Mann sie schlug, zog die Familie um. Eines Tages wollte Julia ihrer Mutter alles erzählen, doch sie bekam zur Antwort: „Ach Julia – du kannst froh sein, dass du so einen Mann hast.“ Denn selbst ihre Mutter hatte der Mann davon überzeugt, dass Julia psychisch krank sei. „Und sein Status wuchs dadurch noch. Nun war er der tolle Typ, der seiner labilen Frau half und sich quasi als allein erziehender Vater um die Tochter kümmerte“, erinnert sich Julia bitter.
Sie schaffte den Absprung aus der Gewaltbeziehung durch einen tragischen Vorfall: „Er hat mich vor den Augen unserer Tochter auf den Boden gezwungen, geschlagen, gewürgt und geschrieen ‚Ich bring dich um!‘ Da sah ich meine verängstigte Tochter und wusste: Das kann ich ihr nicht weiter antun.“
Die herbei gerufene Polizei glaubte nicht ihm, sondern ihr und der Tochter. So wurde der Mann der Wohnung verwiesen. „Aber er zog das Jugendamt auf seine Seite. Behauptete, ich sei depressiv und plane einen erweiterten Suizid. Und er schaffte es, dass mir meine Tochter weggenommen wurde. Ich war völlig machtlos. Keiner glaubte mir.“
In dieser Zeit lernte Julia die Frauen von re-empowerment kennen. Sie erhielt von ihnen psychischen Beistand und von Birgitta Brunner juristische Unterstützung im Verfahren gegen ihren Exmann. Julia überzeugte im Glaubhaftigkeitsgutachten. Und errang schließlich einen Schuldspruch gegen ihn. „Ich habe nur noch geheult. Endlich wurde ich gehört. Endlich glaubte man mir vor Gericht!“
Ob sie auch das Sorgerecht für ihre Tochter zurück erhält, wird die kommende Gerichtsverhandlung zeigen. Doch Julia ist zuversichtlich.
Kerstin Zander und Birgitta Brunner sind es nicht minder. „Das wäre eine Erfolgsgeschichte, die vielen anderen Frauen Mut machen würde.“ Und ein toller Sieg für den „Trophy-Room“ von re-empowerment.
http://www.emma.de/artikel/re-empowerment-paolina-will-nicht-laenger-opfer-sein-265243
Erst sind sie ein Traumpaar, dann werden seine Sprüche immer verletzender. Psychische Gewalt gegen Frauen ist oft nicht leicht erkennbar.
BERLIN taz | Es beginnt als ganz große Liebesgeschichte. Ein strahlender Mann, charmant und klug, Geld hat er auch noch. Ein Zahnarzt, der mit in die Praxis einsteigen kann und gleich das Management übernimmt. Anke hat das große Los gezogen.
Vorher war Anke mit Ernst verheiratet, mit dem sie auch die Praxis teilte. Eine langweilige Ehe, die auseinanderdriftete. Aber jetzt kommt Frank, zahlt Ernst aus und möbelt die Praxis auf. Die älteren Semester unter den Arzthelferinnen ersetzt er durch junge und hübsche. Anke überschüttet er mit Aufmerksamkeit, alles, alles möchte er von ihr wissen. Er erfüllt ihr ihre Lust auf kleine Reisen: Immer wieder überrascht er sie mit Flugtickets. Er vermittelt ihr: „Wir sind ein unschlagbares Team. Niemand von den anderen Idioten kommt an uns beide heran.“
Honeymoon nennen die Fachleute jene Endorphinwolke, auf der diese beiden schweben. Kerstin Zander aber, die diese Geschichte erzählt, bezeichnet es anders: „Sucht“, sagt sie und: „Enthirnung“. Kerstin Zander hat ein Selbsthilfeforum für die Opfer psychischer Gewalt gegründet, sie kennt viele solche Geschichten.
Der Honeymoon ist ein typischer Anfang einer Misshandlerbeziehung. „Man wird von den Endorphinkicks abhängig: Zusammen sind wir grandios. Das heißt auch: Allein ist man nicht mehr grandios und auch nicht mehr happy.“
Er nennt sie frigide
Die Glückseligkeit bekommt Risse. Frank lacht mit den jungen Angestellten. Wenn Anke in den Raum kommt, sagt er: „Oh, jetzt müssen wir aber wieder arbeiten.“ Seiner Freundin ruft er ins Behandlungszimmer hinterher: „Aber nicht wieder den falschen Zahn ziehen!“ Die Helferinnen lachen. Wird Anke sauer, finden er und seine Entourage das humorlos. Beschwert sie sich, erklärt er, das sei ja neurotisch.
Dann verschwindet ihr Schlüssel. Plötzlich ist er wieder in der Tasche. Frank richtet Anrufe nicht aus: vergessen. „Crazy-making“ nennt das Zander. Anke wird ängstlich und depressiv. Im Bett ist es schon lange nicht mehr toll, er nennt sie „frigide“. Anke traut ihrer eigenen Wahrnehmung nicht mehr. Ist sie humorlos, neurotisch und frigide?
42 Prozent aller befragten Frauen haben laut einer Studie des Frauenministeriums schon einmal psychische Gewalt erfahren. Die reicht von Einschüchterung oder Anschreien über Verleumdungen, Drohungen und Demütigungen bis hin zu Psychoterror. Vier von zehn Frauen, das klingt erschreckend. Aber wo ist die Grenze zum normalen Beziehungskrach, den es unter Partnern eben gibt? „Wir üben alle mal psychische Gewalt aus“, sagt Zander, „aber nicht systematisch“.
Julia Schellong ist Oberärztin an der Dresdner Uniklinik für Psychotherapie und Psychosomatik. Sie ist auf Gewalt spezialisiert und meint, dass man durchaus Grenzen erkennen kann: „Die Angegriffene wird als Mensch nicht ernst genommen. Ihre Meinung ist nichtig und wird nicht anerkannt. Es geht immer um Macht.“ Der Partner sendet doppelte Botschaften, meint Zander. „Es ist wie mit Dr Jekyll und Mr Hyde: Das Opfer ist süchtig nach der strahlenden Jekyll-Figur, aber es bekommt immer öfter den monströsen Dr Hyde“.
AkademikerInnen sind überrepräsentiert
Auch Frauen üben psychische Gewalt aus, wenn auch nicht so oft wie Männer, sagt eine Studie aus Österreich, die Frauen- und Männergewalt vergleicht. So berichten 51 Prozent der Frauen, sie seien schon auf verletzende Weise gehänselt und gedemütigt worden, gegenüber 37 Prozent der Männer. 27 Prozent der Frauen fühlten sich durch Eifersucht unter Druck gesetzt – und 17 Prozent der Männer. TäterInnen und Opfer kommen aus allen Schichten, AkademikerInnen sind überrepräsentiert.
Wie kann man Opfern psychischer Gewalt helfen? Der schwierigste Teil ist, ihnen Einsicht in die Dynamik ihrer Beziehung zu vermitteln, sagt Schellong. Das sei schwer für Polizei und Beratungsstellen. „Er meint das nicht so.“ – „Sie ist doch hilflos, und meistens läuft es ja auch gut.“ So lauten die Leugnungen. Was tun? Die Opfer stärken, sagt Kerstin Zander.
Nicht umsonst heißt ihr Forum „Re-Empowerment“. Sie dazu bringen, dass sie wieder ihrer eigenen Wahrnehmung trauen. Ihnen helfen, Grenzen zu setzen. TäterInnen dagegen reagieren in einigen Fällen auf direkte Ansprache, berichtet Psychologin Julia Schellong. Die Polizei habe gute Erfahrungen damit gemacht, Stalkern zu erklären, was sie da eigentlich tun und dass das strafbar ist. 90 Prozent der Stalker hörten daraufhin damit auf.
Anke hat bisher kein Happy End erlebt. Frank verließ sie, zog mit einer anderen Frau zusammen. Und Anke floh – aus ihrer eigenen Praxis, aus ihrer Heimat. In eine andere Stadt, in eine Gemeinschaftspraxis. Die Endorphine, die muss sie nun wieder selbst produzieren. Noch weiß sie nicht, wie das geht.
Psychische Gewalt – Emotionale Misshandlung
Dieser Text ist eine teilweise ergänzte Übersetzung des Artikels Emotional Abusers von Natalie P, erschienen in den Manipulator Files von www.heartlessbitches.com.
Psychische Gewalt ist heimtückisch. Körperliche Gewalt ist eindeutig, psychische Gewalt ist es nicht, niemand sieht die Verletzungen. Psychische Gewalt wird verdeckt ausgeübt. Die Täter manipulieren, handeln offen oder passiv-aggressiv.
Nur wenige Frauen werden von ihrem Partner in der Öffentlichkeit beleidigt und vor Zeugen abgewertet, fertiggemacht oder tyrannisiert.
Wer psychische Gewalt ausübt, geht meist strategisch vor. Die Partnerin erkennt zu spät, dass Sie Opfer häuslicher Gewalt ist. Meist dauert es Jahre, bis die Betroffenen begreifen, dass ein Großteil ihres Leidens durch das feindselige Verhalten des Menschen verursacht wird, der vorgibt, sie zu lieben.
Psychische Gewalt ist ein feindseliger Angriff auf das Denken, die Psyche, die Wahrnehmung und das Sein des Opfers. Je länger man dieser Gewalt ausgesetzt ist, desto größer werden die Selbstzweifel: Botschaften und Verhalten des Täters führen dazu, dass Betroffene an der eigenen Wahrnehmung und dem eigenen Verstand zweifeln. Es gehört zur Strategie des „Partners“, dem Opfer einzureden, dass die Grausamkeiten verdient, dass es an ihr liegt; dass die Beziehung ihretwegen in der Schieflage ist und es daher auch ihre alleinige Verantwortung ist, dass die Partnerschaft für ihn zufriedenstellender und befriedigender läuft. Dann – und nur dann – könnte er sie anders behandeln. SIE muss ihr Verhalten verändern. Es gehört zur Strategie des „Partners“, ihr das Gefühl zu vermitteln, sie sei schuld daran, dass er sie so behandelt, wie er es tut: sein Verhalten sei nur eine Reaktion auf IHRE (fehlerhafte) Person.
Daher habe die Partnerin zu akzeptieren:
• vom Partner belogen zu werden
• vom Partner stehengelassen zu werden
• vor anderen lächerlich gemacht zu werden
• dass ihr Partner mit anderen Frauen flirtet
• dass ihr Partner sich über sie lustig macht
• dass ihr Partner sich über sie beschwert und schlecht über sie spricht
• dass ihre Gefühle immer wieder verletzt werden
• dass sie wie ein Putzlappen behandelt wird
• dass er sie betrügt
• dass sie den gemeinsamen Lebensunterhalt zu finanzieren und den Haushalt zu schmeißen hat
• … und vieles mehr
Warum tut er das?
Destruktive Partner, egal ob sie zuschlagen oder „nur“ psychisch/emotional/seelische oder verbal, missbrauchen, misshandeln, quälen, manipulieren, etc. – tun dies aufgrund von Selbsthass. Manche leiden unter psychischen Störungen, andere nicht. Psychische Gewalt hat aber nur äußerst selten eine Ursache im tatsächlichen Verhalten der Partnerin. Nichts hält diese Menschen davon ab, ihre Partnerin zu misshandeln.
Ein Partner, der psychische Gewalt ausübt und damit WIRKLICH aufzuhören will, kann sich nur ändern, wenn er sich seiner eigenen Themen annimmt und an ihnen arbeitet. Nur dann kann er aufhören, diejenigen, die ihm am nächsten stehen zu misshandeln.
Aber er liebt mich doch?!
„… aber ich weiß, dass er mich liebt!“, dieser Satz hält zahlreiche Betroffene gefangen in einer Konstellation, in der die Misshandlungen immer weiter zunehmen.
Emotionaler Missbraucht bedeutet nicht zwangsläufig, dass der Täter nie Reue empfindet. ABER: Reue ist etwas anderes als Scham. Wer bereut, wird seine Tat nicht wiederholen. Wer sich schämt, bereut v.a., erwischt worden zu sein und möchte gerne, dass alles unter den Teppich gekehrt wird. Scham bedeutet nicht, Mitgefühl für die Person zu empfinden, die verletzt wurde.
Erwarten Sie niemals Mitgefühl von einem solchen Partner, dazu ist es nicht willens und nicht fähig: Würde er sich auf Ihren Schmerz und Ihre Verletzung einlassen, müsste er seine Schuld anerkennen. Er müsste aushalten wie es sich anfühlt, erlebt zu haben, was er Ihnen zugefügt hat. Die Schuldgefühle wären nicht auszuhalten, es käme zu Selbstanklage und Selbstentwertung.
Schamgefühle führen nicht zu einer Abnahme von Partnerschaftsgewalt. Vielmehr lösen Sie Abwehr aus und führen dazu, dass Ihr Partner Ihnen gegenüber noch kälter, gemeiner, grausamer wird.
Sie sind schuld!
Glauben Sie nicht, dass es helfen wird, Ihren Partner darauf hinzuweisen, wie sehr er sie verletzt. Oder zu benennen, dass er sich gewalttätig verhält. Wagen Sie bloß nicht, ihn als Gewalttäter zu „outen“, auch nicht unter vier Augen. In mehr als neun von zehn Fällen geht der Schuss nach hinten los: Egal welchen Sachverhalt Sie ihm egal wie sanft darlegen: Rechnen Sie damit, dass er Ihnen die Schuld für sein Verhalten zuschreibt oder den Sachverhalt so zurechtbiegt, dass Sie am Ende die Täterin sind. Viele Täter führen an dieser Stelle den Umstand an, dass sie selber während seiner Kindheit missbraucht wurden, und somit, damals wie heute, selber in der Rolle des Opfers sind. Es ist wahr, dass viele Täter früher selber Opfer oder Zeuge von Gewalt und Missbrauch waren.
Natürlich ist es möglich, dass weibliche Missbrauchs-Überlebende zu Täterinnen werden, meist werden jedoch Frauen ohne ausreichende therapeutische Interventionen eher zu Opfern und männliche Überlebende eher zu Tätern.
Um sein Verhalten effektiv zu ändern, müsste der Gefühlstäter, wie der Suchtkranke, zu seinem unangepassten Verhalten stehen, sich ihm stellen und Hilfe suchen. WARNUNG: „Er hat eine Psychotherapie begonnen“ verheißt i.d.R. keine Besserung sondern das genaue Gegenteil! Psychotherapie macht aus einem Gefühlstäter noch lange keinen „sicheren“ oder liebevollen Partner. Es wird Jahre dauern, den Schaden und die Zerstörung, die den Gefühlstäter in sein Verhalten treiben aufzudecken und zu heilen. Während dieses Prozesses ist es durchaus wahrscheinlich, dass sich psychische Gewalt verschlimmert; sofern sich überhaupt etwas ändert. Es ist wahrscheinlich, dass ein Täter, der eine Therapie beginnt, die erworbenen Fähigkeiten nutzen wird, um seine Probleme auf sein Umfeld zu projizieren. Er wird die Fehler von anderen (das heißt: IHRE Fehler) hervorheben, anstatt sich seinen eigenen Dämonen zu stellen. Erst, wenn er sich selber und dem Therapeuten mit absoluter Ehrlichkeit begegnet, kann er anfangen, etwas zu ändern. Wenn ein Mensch allerdings bereits einen Großteil seines Lebens auf Lügen und Selbsthass aufgebaut hat, ist Ehrlichkeit schwierig zu erreichen.
Etliche Gefühlstäter nehmen zwar professionelle Hilfe in Anspruch nehmen; nutzen diese aber als Selbstzweck. Entweder, um ihre manipulativen Tricks zu verfeinern, oder ganz einfach um den Anschein zu erwecken, als würden sie Verantwortung für ihr Verhalten übernehmen und daran arbeiten. Er bewaffnet sich förmlich mit pervertierten Aussagen und Mitteln seines Therapeuten – und setzt sie gegen seine Partnerin ein.
Ein Gefühlstäter ist ebenso vertrauenswürdig wie ein verheirateter Mann, der seiner Geliebten seit Monaten und/oder Jahren erzählt, er würde seine Frau verlassen.
Warum tut sie nichts dagegen
Emotionale Gewalt tritt in verschiedenen Farben, Formen und Intensitäten auf.
Die subtileren Akte sind am schwierigsten zu erkennen, da die Zeitabstände zwischen liebevollem, umsorgendem Verhalten und emotionaler Grausamkeit Wochen, teilweise sogar Monate betragen können. Trotzdem ist jemand, auch wenn er zwei bis drei Monate am Stück liebevoll und umsorgend ist, dann aber plötzlich Akte emotionaler Gewalt vollbringt, nicht besser als ein Partner, der seine Frau nur einmal alle paar Monate schlägt. Die Schmerzen, Unsicherheit, Zweifel und Traurigkeit auf Seiten seines Opfers sind die gleichen, mit dem Unterschied, dass die entstanden Blessuren im Inneren des Opfers entstehen, langsamer heilen, und oft keinerlei Anerkennung finden.
Die subtilen Formen der emotionalen Gewalt, wie z. B. ständiges Kritisieren und/oder Isolation werden von den Betroffenen häufig übersehen. Dies kann daran liegen, dass die Partnerin das Verhalten nicht als emotionale Gewalt identifiziert, oder es als Teil der Beziehung in Kauf nimmt.
Vielleicht fragt sie sich, ob die vermeintlichen schönen Momente und guten Zeiten sie für den Schmerz entschädigen, vielleicht fragt sie sich auch, ob das, was sie lebt, wirklich das Maximum des Erreichbaren ist. Vielleicht glaubt sie, dass es keine bessere Beziehung für sie gäbe.
Viel häufiger kommt es allerdings vor, dass der Gefühlstäter die Darstellung der Ereignisse und Vergangenheit insofern „modifiziert“, dass die Partnerin die vermeintliche Verantwortung für jegliche Beziehungsprobleme trägt. Dies stiftet erhebliche Verwirrung bei der Partnerin, – und es ist sein Ziel die Dinge so darzustellen, als sei sie verwirrt und/oder verrückt. Sollte sie es „wagen“, sich gegen sein Verhalten zu wehren oder es gar als missbräuchlich zu bezeichnen, wird er diese Wahrheit abwehren, indem er sie als überreagierend und/oder hypersensibel darstellt. Dies trägt zu der empfundenen Verwirrung und dem Schmerz der Partnerin bei.
Die Wahrheit ist: Es gibt bessere Beziehungen. Kein Mensch hat es nötig, in einer Beziehung auszuharren, in der er/sie mit Respektlosigkeit oder emotionaler Grausamkeit behandelt und traktiert wird, völlig egal wie selten derartige Akte an ihn/ihr verübt werden.
Zeichen und Symptome emotionalem Missbrauchs
Es ist ein weit verbreiteter Irrglaube, dass emotionaler Missbrauch nur in Form von Wutausbrüchen und ständigem Geschrei, Abwertung und Dauerkritik auftritt. Diese Darreichungsformen sind lediglich die am einfachsten erkennbaren. Andere Formen emotionalen Missbrauchs sind zwar weniger offenkundig, aber ebenso verheerend. Hierzu gehören u.a.: Respektlosigkeit, Unhöflichkeit, Herablassung, Bevormundung, ständige Kritik, Verurteilung, beleidigende „Witze“, Lügen, „Vergessen“, Vertrauensbrüche, Fallen und Verzerrungen der Vergangenheit.
Außenstehende erleben den Gefühlstäter meist als anständigen, erfolgreichen, sensiblen, ruhigen und bestenfalls unauffälligen Menschen. Gegenüber seiner Partnerin ist er jedoch häufig kontrollierend, egozentrisch, überkritisch, zwanghaft, kindisch und bösartig. Gefühlstäter sind oft beides. Es ist dieser ewige Gegensatz zwischen dem Menschen, den sie liebt und dem Menschen, der ihr schadet, der die Partnerin zutiefst verwirrt.
Seine emotionalen Gewaltakte sind sogar häufig selbst durchsetzt mit Beteuerungen seiner Liebe, dass sie „das Beste, was ihm jemals passiert“ ist, dass er endlich anfangen will, sie entsprechend zu behandeln. Dies führt zu weiterer Verwirrung. Sie hofft und hofft, dass, wenn sie genug „tut“, wenn sie ihm genug gibt, er aufhören wird, sie zu verletzen, und dass seine liebevolle, umsorgende Seite wieder auftaucht. Diese falsche Hoffnung ist ein häufiger Grund dafür, dass misshandelte Frauen sich nicht trennen.
Warum ist emotionaler Missbrauch innerhalb einer Paarbeziehung so schwer zu erkennen?
Eines der größten Hindernisse, einen Gefühlstäter zu entlarven liegt darin, dass ein „erfolgreicher“ Gefühlstäter i.d.R. hochintelligent und in der Lage ist, seine missbräuchlichen Akte zu verdecken. Viele Misshandler besitzen eine umfangreiche Sammlung von Selbsthilfebüchern und -Ratgebern. Oft sind sie belesen und eloquent. Sie wissen, wie sie Menschen und Sprache verbiegen und manipulieren können. Ihr Äußeres wirkt gelassen, sie strahlen eine rationale Selbstkontrolle aus, obwohl sie in Wirklichkeit keinerlei Kontrolle über ihren Schmerz und ihren chaotischen Selbsthass ausüben können. Aus diesem Grund streben sie danach, andere zu kontrollieren und dazu zu bringen, die Kontrolle zu verlieren.
Ein Gefühlstäter kann DICH dazu bringen, auszurasten, um zu beweisen, wie gesund ER ist, und er kann Dir implizit (Augenrollen ist hier sehr effektiv) oder explizit eine Nachricht wie die folgende vermitteln: „Siehst Du, Du rastest schon wieder aus, heulst und schreist. Ich brauche keine professionelle Hilfe, Du brauchst sie.“
In der Regel sind es genau diese Interaktionen, die öffentlich stattfinden. Er ist geschickt: Außenstehende sehen, wenn sie überhaupt etwas mitbekommen, nur Deine Reaktion, und nicht die Misshandlung, durch die sie ausgelöst wurde.
Häufig fühlt es sich für die Betroffene so an, als wären ihr alle Rettungsleinen entzogen worden, als würde sie langsam verrückt, weil keiner Ihr glaubt, dass dieser charmante, „nette“, hilfsbereite, erfolgreiche Mann so unglaublich psychologisch grausam und absichtlich verletzend ist.
Jede dritte Frau erfährt körperliche oder sexuelle Gewalt. 12% der Befragten wurden als Kinder Opfer sexualisierter Gewalt. 59 Prozent der Frauen sind von verbaler und psychischer Gewalt betroffen.
Forderung I: Öffentliche Aufklärung über häusliche Gewalt zum Abbau fataler Klischees und Präventionsarbeit in Schulen.
Forderung II: Opferschutz in der Gesetzgebung verankern, Täter zur Verantwortung ziehen.
"re-empowerment": Die Informations- und Austauschplattform gegen häusliche Gewalt betont seit 2005 die Relevanz psychischer Gewalt und ermöglicht Betroffenen, ihr Erleben als Gewalt zu identifizieren. Diese Erkenntnis ist oft der Impulsgeber zum Einstieg in den Ausstieg. Der geförderte Austausch dient als Begleitung und Unterstützung der Beendigung von Gewaltbeziehungen. Die Privatinitiative wurde 2005 gegründet, seitdem haben sich 7000 hilfsbedürftige und ratsuchende Frauen angemeldet. 1500 Frauen nutzen die Plattform aktiv.
Hamburg, 06. März 2014. Die von der Europäischen Grundrechteagentur (FRA) publizierte Studie über geschlechtsspezifische Gewalt gegen Frauen zeigt, dass jede dritte Frau in Europa von Gewalt betroffen ist. Die Übergriffe gehen von körperlicher Misshandlung bis hin zu sexuellen Übergriffen. Die Studie ergab auch, dass 59 Prozent der Frauen unter verbaler und psychischer Gewalt leiden.
"Diese Frauen merken oft lange nicht, dass sie von Gewalt betroffen sind", betont Kerstin Zander, Gründerin von re-empowerment, "denn unter häuslicher Gewalt stellen sich die meisten schwerste körperliche Misshandlungen vor." Dies sei ein gefährlicher Irrglaube, so Zander. Denn verbale und psychische Gewalt sind nicht nur wegbereitende Vorboten körperlicher Gewalt, ihre Folgen sind ebenso gravierend: "Man kann einen Menschen mit Worten und Schweigen quälen und brechen." Wie eine kürzlich veröffentlichte Studie zeigt, lösen soziale Verletzungen wie Beleidigungen oder absichtliches Ignorieren die gleichen chemischen Reaktionen im Gehirn aus wie körperliche Angriffe. Betroffene erdulden jahrelang Demütigungen, Erniedrigungen und Beleidigungen durch den Partner, leben in ständiger Angst und werden von Familie und Freunden isoliert.
Informations- und Austauschplattform im Internet für betroffene Frauen
2005 gründete Zander re-empowerment den größten deutschsprachigen Zusammenschluss von Frauen, die häusliche Gewalt erleben oder erlebt haben. Herzstück des Projekts ist eine netzbasierte, zeit- und ortsunabhängige Selbsthilfegruppe. Die Anonymität ermöglicht die Überwindung von Angst und Schamgefühlen, das oft über Jahrzehnte aufrecht erhaltenes Schweigen wird gebrochen. Solidarität, Zuspruch und Miterleben von Erfolgsgeschichten anderer Frauen spenden Mut und motivieren zum Ausstieg aus Gewaltbeziehungen. Konkrete Tipps und emotionale Unterstützung begleiten die Einzelne auf dem Weg aus der Gewalt in ein selbstbestimmtes Leben.
"Steigende E-Mail-Anfragen, Anmeldezahlen und Seitenaufrufe unseres öffentlichen Informationsangebots, v.a. aber der seit Jahren fast täglich zu lesende Satz ‚Ich hätte nie gedacht, dass andere das auch erleben!‘, zeigen uns, dass es dringenden Handlungsbedarf gibt", so Zander. "Viele Betroffene begreifen sich zunächst nicht als Gewaltopfer und billigen sich keinen Anspruch auf Hilfe zu. Während körperliche Gewalt meist verheimlicht wird, sprechen Frauen, die psychische Gewalt erleben, oft über die ‚Schwierigkeiten‘ in ihrer Partnerschaft. Selbst wenn Übergriffe vor Zeugen stattfinden, sind diese jedoch eher peinlich berührt, als dass sie erkennen, dass sich häusliche Gewalt direkt unter ihren Augen abspielt."
Gewaltspirale: Gewalt beginnt mit Liebesrausch
"Häusliche Gewalt ist mehr als Schläge und beginnt nie mit Schlägen, sondern vielmehr als große Liebe", betont die Hamburgerin, und spricht von einem "hyperlativer Honeymoon". Der häufig angeführte Gewaltkreislauf sei tatsächlich das Ende einer spiralförmigen Entwicklung. Die ersten Gewalthandlungen sind meist mehrdeutig, die Steigerung zu offener Feinseligkeit erfolgt sukzessive. Doch bereits bei den ersten Übergriffen bildet sich das Verhaltensmuster aus, das auch dann noch anzutreffen ist, wenn Frauen halb totgeprügelt werden: sie übernehmen die Verantwortung für die Tat.
"Es ist wichtig, Ausmaß, Erscheinungsformen und Entwicklungsverläufe häuslicher Gewalt so darzustellen, dass Betroffene und Zeugen Gewalt erkennen können. Basierend auf über 2000 Gewaltbiographien, Fach- und Ratgeberliteratur, haben wir ein Modell entwickelt, anhand dessen das Hereingeraten und Verweilen in einer Misshandlungsbeziehung für Betroffene und Außenstehende hoffentlich verständlicher wird; - damit Betroffenen mehr Verständnis entgegen gebracht wird.". --> HÄUSLICHE GEWALT BEGINNT MIT LIEBE - GEWALTMODELL
Während körperliche Übergriffe oft aus Scham verschwierigen werden, "man will ja nicht in einen Topf mit der 'prügelnden Unterschichte' geworfen werden", sprechen Frauen, die psychische Gewalt erleben, oft über die ‚Schwierigkeiten‘ in ihrer Partnerschaft. Selbst wenn Übergriffe vor Zeugen stattfinden, sind diese vielmehr peinlich berührt, als dass sie erkennen, dass sich häusliche Gewalt direkt unter ihren Augen abspielt."
Dabei zeigt die Studie, dass auch Akademikerinnen hoch gefährdet sind, Partnerschaftsgewalt zu erleben. Dennoch suchen sie, wie zwei Drittel der 62 Millionen weiblichen Gewaltopfer, keine Hilfsangebote auf.
Aufklärung zur Prävention und Gesetzgebung gefordert
Kerstin Zander schließt sich den auf der Konferenz mehrfach geäußerten Forderungen an: breit angelegte Aufklärungskampagnen, früh ansetzende Präventionsarbeit in Schulen und mit Jugendlichen und eine Mobilisierung der Gesamtbevölkerung. Doch auch die Politik ist gefordert, Gesetze zu erlassen, die Opferschutz gewährleisten und Täter zur Verantwortung ziehen.
"Es kann nicht sein, dass ein Mittelfinger im Straßenverkehr höhere Strafen nach sich zieht als gefährliche Körperverletzung der Partnerin; dass zuständige Ministerien sich nicht deutlich positionieren und dass Gewalt gegen Frauen im Koalitionsvertrag nur eine halbe Seite einnimmt", sagt Zander.
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Die ultimative Dienstleistungsoffensive des Antifeminismus
Ein bisschen Frauenhass steht jedem Mann!
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