Wenn der Mensch zur MenschIn wird - oder:

Wieviel »Gleichberechtigung« verträgt das Land?

How much »equality« the country can stand?

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Liste Femanzen Gisela Graupmann (Liste Femanzen)

Oberkellner @, Wednesday, 28.09.2016, 20:39 (vor 2761 Tagen)

F485 Gisela Graupmann – Gleichstellungs- und Integrationsbeauftragte Neustrelitz (Mecklenburg-Vorpommern) – ehrenamtliche Richterin - Beisitzerin im Landesfrauenrat Mecklenburg-Vorpommern - graupmann@neustrelitz.de – http://www.landesfrauenrat-mv.de/tl_files/landesfrauenrat/bilder/portraits/graupmann.gif


Vor 50 Jahren, am 3. Mai 1957, ist in der Bundesrepublik das erste Spezialgesetz zur Gleichstellung von Frauen und Männern in Kraft getreten. Wird Gleichstellungsarbeit nach einem halben Jahrhundert noch gebraucht?

Trotz der Gesetzgebung wartet noch eine Menge Gleichstellungsarbeit darauf, getan zu werden. Wirkliche Chancengleichheit gibt es noch immer nicht, weil es zu viele Vorurteile gibt. In meinem beruflichen Alltag habe ich mit Fällen direkter, aber mehr mit indirekter Diskriminierung zu tun. Einige Beispiele: Seit einigen Jahren ist die Arbeitslosenquote bei Männern und Frauen zahlenmäßig nahezu gleich. Trotzdem gibt es qualitative Unterschiede. Frauen sind durchschnittlich länger arbeitslos und erhalten geringere Bezüge auf Grund des herkömmlichen Arbeitsmarktes. Der Lohnabstand von Frauen und Männern beträgt in Deutschland 24 Prozent, womit wir uns in Europa sehr weit hinten befinden. Trotz einer relativ hohen Qualifizierung vieler Frauen gegenüber den arbeitslosen Männern spielt das Geschlecht bei der Besetzung von freien Stellen immer noch eine Rolle. Auch die Aufstiegschancen von Frauen sind schlechter. Obwohl 50 Prozent der Studierenden Frauen sind, sind nur neun Prozent der Professoren weiblich. Altersarmut ist weiblich, besagt ein Schlagwort, das man oft hört. Viele allein lebende Frauen haben trotz Arbeit, Kindererziehung und oder Pflegetätigkeiten keine ausreichende eigene Altersversorgung. Hier spielt die Entlohnung von typischen Frauenberufen, die Arbeit in Teilzeit, Pause für Kindererziehung und Pflege im Erwerbsleben eine wesentliche Rolle. Zur Beschäftigungssituation von Frauen ist zum Beispiel auch in der Stadtverwaltung Neustrelitz zu erkennen, dass Teilzeit- und befristete Arbeitsverhältnisse überwiegend von Frauen besetzt werden.

Seit 1991 gibt es die Stelle der Gleichstellungsbeauftragten bei der Stadt Neustrelitz. Sie ist seit 2005 als Stabsstelle dem Bürgermeister direkt unterstellt. Auf welcher Grundlage erfolgt Ihre Arbeit in der Kommune?

Die Rechtsgrundlage für meine Tätigkeit ist Artikel 3 des Grundgesetzes und § 41 der Gemeindeordnung in der Kommunalverfassung. Gleichstellungsbeauftragte sind ein Teil der Verwaltung und Thomas Deiters, der stellvertretende Geschäftsführer des Städte und Gemeindetages in Mecklenburg–Vorpommern, betonte anlässlich der konstituierenden Sitzung der Arbeitsgemeinschaft Gleichstellung unter dem Dach des Städte und Gemeindetages im Frühjahr diesen Jahres den hohen Stellenwert von Gleichstellungsarbeit mit Querschnittscharakter in den kommunalen Verwaltungen. Der Gründung dieser Arbeitsgemeinschaft war ein einstimmiger Beschluss des Vorstandes im September 2006 vorausgegangen.

Wofür steht die Arbeit der Gleichstellungsbeauftragten?

Schwerpunktaufgabe ist die Interessenvertretung von Frauen, ihre Information und Beratung in den verschiedensten Lebenssituationen und Problemlagen. Gleichstellungsbeauftragte sind Schnitt- und Vermittlungsstelle zwischen Einwohnerinnen und Einwohner der Kommune, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung, Politikerinnen und Politikern von Kommune, Land und Bund, zwischen Institutionen, Organisationen, Betrieben, Verbänden, Initiativen, Projekten und Vereinen. Außerdem erarbeiten sie Konzepte für frauen- und gleichstellungsfördernde Maßnahmen und deren Umsetzung.

Mit welchen Problemen kommen Frauen aus Neustrelitz zu Ihnen?

Das Hauptproblem ist eine eigene Existenz sichernde Erwerbstätigkeit zu erlangen.

Aus der individuellen Beratung, die einen großen Teil meiner Arbeit einnimmt, kann ich an dieser Stelle nur Themen grob umreißen: Da geht es um Fragen der Elternzeit, um die Kürzung von Arbeitslosengeld nach der Elternzeit, Kindergeld für über 18-Jährige, Mutterschutzfristen, Kündigung nach der Elternzeit, Arbeitszeitverkürzung bei der Betreuung von Kindern, Inhalte von – manchmal auch sittenwidrigen - Arbeitsverträgen, Entlohnung, Mobbing, finanzielle Folgen von Krankheit und Möglichkeiten des Wiedereinstiegs nach langer Krankheit, Gleichstellung für Schwerbehinderte und die Rente. Frauen suchen auch Rat, wenn Sie Gewalt in der Beziehung erfahren, bei Scheidung, Trennung, Umgangsrecht und Unterhalt. Häufig führe ich Erstgespräche für Existenzgründerinnen und versuche Tipps für Bewerbungen zu geben.

Wie können Sie helfen?

Meist sind die Probleme komplex. Oft muss man über gezielte Fragestellung an den Kern des Problems heran kommen. Mein Anspruch für die individuelle Beratung ist, dass die Personen mit dem notwendigen Wissen ausgestattet werden und den richtigen Ansprechpartner für ihr Problem benannt bekommen, um dann allein eine Lösung anstreben können. In einigen Fällen hilft es, emotional hochgespielte Sachverhalte auf die Sachebene herunter zu holen und gemeinsam im Gespräch eine Vorgehensweise zu entwickeln. Manchmal kann man helfen, indem man eine Problemlage an die Öffentlichkeit bringt. Das hatte beim Begrüßungsgeld für Neugeborene Erfolg. Durchschnittlich führe ich sechs individuelle Beratungsgespräche pro Woche durch. Dazu kommen nicht gezählte telefonische Anfragen und unangemeldete Besuche in meiner Sprechstunde. Die Frauen und Männer kommen auf Anraten von anderen Beratungsstellen, von Ämtern oder Behörden.

Sie beraten also nicht nur Frauen?

Nein, denn ein allein erziehender Vater hat doch die gleichen Probleme wie eine allein erziehende Mutter, Ein behinderter Mann benötigt ebenso Rat und Hilfe wie eine behinderte Frau. Es geht um die Gleichstellung der Geschlechter.

Welche Projekte konnten Sie in letzter Zeit unterstützen?


Zum einen versuche ich als Referentin zu den unterschiedlichsten Themen in Frauengruppen Informationen weiter zu geben und bin gern bei der Umsetzung von Projekten behilflich. So konnte ich z. B. dem Projekt des Landfrauenverbandes „Frauenpower“ eine Raum für monatliche Angebote beschaffen, habe mir bekannte und geeignete Frauen in das Projekt vermittelt und mich an der Auftaktveranstaltung beteiligt. Die Redakteurin der Zeitschrift „Frauenbündel“ vom Demokratischen Frauenbund holt sich oft von mir Hintergrundinformationen oder Literatur zu geplanten Themen. An der IGS „Walter Karbe“ habe ich mich zweimal an einem Bewerbertraining in den Klassenstufe 9 und 10 beteiligt, bei der es um die Qualität der schriftlichen Bewerbungen von Mädchen und Jungen ging. Auch eine Wanderausstellung „Berufe haben (k)ein Geschlecht“ mit pädagogischem Begleitprogramm hat drei Wochen Station in der IGS gemacht. Neben den Projekttagen in den achten Klassen fand eine Weiterbildung für Lehrerinnen und Lehrer statt, es gab eine Elternversammlung und einen Wettbewerb über die Darstellung der Inhalte der Projekttage. Andere Projekte bezogen sich auf EDV- und Internetschulungen für Frauen.

Oft werde ich auch um Stellungnahmen zu GAP–Projekten, Integrations- und Kleinprojekten unterschiedlicher Träger gebeten.

Welche Unterstützung haben Sie vor Ort?

Ich freue mich, dass ich in Neustrelitz und überregional gute Partnerinnen und Partner habe. Das sind zuallererst meine Kolleginnen in anderen Städten und im Landkreis. 2005 haben wir zum Beispiel als Gemeinschaftsaktion der Gleichstellungsbeauftragten der Städte Neubrandenburg und Neustrelitz, des Landkreises Mecklenburg–Strelitz und der Arbeitsagentur im Speicher in Woggersin einen Unternehmerinnentag als Messe mit Rahmenprogramm organisiert. Daraus haben sich Folgeveranstaltungen ergeben. Zur Fachtagung „Familienpolitik ist nicht gleich Gleichstellungspolitik“ mit Referentinnen vom Sozialministerium, aus der Staatskanzlei und vom Kompetenzzentrum „Vereinbarkeit Leben in MV“ wurde 2006 eingeladen. Gemeinsam mit dem ressourcen center Stavenhagen wurde ein 1. Unternehmerinnenfrühstück durchgeführt, wo in lockerer Runde Kontakte und Informationen ausgetauscht werden konnten. Jedes Jahr gibt es auch die gemeinsam mit dem Landkreis organisierte Frauenaktionswoche. „Frauengesundheit“ hieß das Thema 2007.

Gemeinsam mit dem Projekt Provil wurde eine Vereinsrunde angeschoben, in der es um Möglichkeiten von Projektfinanzierung ging, aber auch um die Erfahrungen, die die Mitarbeiter/innen bei der Antragstellung gemacht haben. Daraus hat es zwei weitere Treffen gegeben zu GAP – Projekten und Kleinprojekte zur Unterstützung bürgerschaftlichen Engagements.


Vor zwei Jahren wurden Sie in den Vorstand des Landesfrauenrates Mecklenburg-Vorpommern gewählt. Auch andere Gremienarbeit nimmt breiten Raum in Ihrer Arbeit ein. Was können Sie dort bewirken?


Die Arbeit in den Gremien bietet die Möglichkeit, Netzwerke zu nutzen und frauenpolitische Fragen in die Landespolitik zu bringen. Der Landesfrauenrat steht als Dachverband für 43 Verbände und Vereinigungen mit rund 200 000 Mitgliedern. Im Rahmen dieser Tätigkeit war und bin ich beteiligt an Stellungnahmen zu Gesetzentwürfen, an der Vorbereitung und Durchführung von Gesprächen z. B. mit Landespolitikern und – politikerinnen, an Workshops und anderem. Vor wenigen Wochen fand jährliche Delegiertenkonferenz des Landesfrauenrates übrigens erstmalig in Neustrelitz statt. Ich vertrete im Landesfrauenrat die Landesarbeitsgemeinschaft der kommunalen Gleichstellungsbeauftragten, die in unserem Land das Netzwerk der Gleichstellungsbeauftragten bildet. Außerdem arbeite ich in der Bundesarbeitsgemeinschaft der kommunalen Gleichstellungsbeauftragten zum Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst mit. Auf regionaler Ebene bin ich stellvertretendes Mitglied in dem seit Ende Januar 2007 existierenden Beirat der ARGE MST.


Welche Vorhaben gibt es für die nächste Zeit?

2007 ist das Jahr der Chancengleichheit. Gemeinsam mit der Friedrich-Ebert-Stiftung plane ich für den Herbst eine Veranstaltung mit Dr. Barbara Stiegler, einer hervorragenden Wissenschaftlerin für frauen – und gleichstellungsrelevante Themen. Einen engen Kontakt trotz der räumliche Entfernung pflege ich zur Frauenbeauftragten in Schwäbisch Hall Frau Dr. Karin Eißerle – Kraft. Ich konnte für meine Amtskollegin und ihre Mitarbeiterin Kontakte zu Frauen aus Vereinen der Stadt herstellen und hoffe, dass sich weitere interessante Begegnungen ergeben. Ein zweiter Gedenkgottesdienst zur jährlich stattfindenden Woche gegen Gewalt gegen Frauen und Kinder ist im November wieder geplant. Hier gibt es inzwischen gute Erfahrung in der Zusammenarbeit mit der Stadtkirchgemeinde und dem Familienzentrum. Gern möchte ich einige Vorhaben in Gang bringen, die bisher nicht geklappt haben. Dazu gehört das Konzept einer Stadtführung und über Frauen.


(Das Gespräch führte Petra Ludewig)

http://www.neustrelitz.de/1815-presse_details-1823-941-1-127-129.html

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