Deutsches Kulturgut, heute: Die Denunzianten (Bildung)
DENUNZIANTEN
"Der größte Schuft im ganzen Land,
das ist und bleibt der Denunziant."
Der Spruch ist jedem wohlbekannt,
häufig zitiert, sehr oft genannt.
Und dass ein Mensch, der danach strebt,
ja selbst zuweilen davon lebt,
anderer Leute Worte, Taten
gewissen Stellen zu verraten,
verhasst ist und nicht gern geseh'n,
das kann man nur zu gut versteh'n.
Doch manch' Diktator und Tyrann,
der zog sich ganz bewusst heran
ein Großheer von Achtgroschen-Strichern,
um seine Herrschaft abzusichern.
Und dies Gesocks – höchst dienstbeflissen
und ohne jegliches Gewissen –
war pausenlos bei Tag und Nacht
mit Feuereifer drauf bedacht,
recht viele Feinde anzuschwärzen,
stets mit dem Ziel, sie auszumerzen,
sie zu befördern noch und noch
nach Bautzen, in das dunkle Loch,
von dem Wolf Biermann unverzagt
vor vielen Jahren hat gesagt,
dass es gewiss – so wahr er lebe -
schönere Löcher als dies gebe. - -
War dies vollbracht, dann winkte schon
von oben der Verräterlohn:
in Form von öffentlichem Jubel,
in Mark, in Zloty oder Rubel,
vielleicht ein Lada oder Trabbi,
'ne Konkubine für den Pappi...
Die Firma, die bekannt war quasi
unter dem Markennamen "Stasi",
belohnte die, die treu ihr dienten,
mit Zuckerbrot von vorn bis hinten.
Doch gab's auch and're, nicht so "gute",
die griffen lieber gleich zur Knute:
"Mein Freund, hör zu: es wäre besser,
du lieferst alle uns ans Messer,
sonst weißt du, was dir selber droht:
erst Folter und danach der Tod !"
Die spanische Inquisition,
Chinas Kulturrevolution,
Hitlers und Stalins Mörderwahn,
die Roten Khmer, die Taliban,
Saddams blutrünstige Sadisten,
die Ayatollah-Islamisten -
sie alle stützten jahrelang
sich nur auf Terror, Folter, Zwang.
Oft hat der Apparat indessen
die eig'nen Kinder aufgefressen:
Manch einer, der noch vor'n paar Tagen
dem Staatsschutz hatte zugetragen,
was Nachbarn, Freunde und Kollegen
so sagen, welch' Kontakt sie pflegen,
kurz: der genüsslich denunzierte,
war bass erstaunt, als man ihn führte
an eine graue Häuserwand,
wo man die Augen ihm verband,
draufhin ein Drei-Mann-Standgericht
ein kurzes, knappes Urteil spricht:
"Für die Verräter – so wie diesen –
gibt es nur eins: Tod durch Erschießen !"
Doch wachsen Denunzianten nur
im düst'ren Mief der Diktatur ?
Die Antwort ist: Ich fürchte, nein !
Bedarf wird stets vorhanden sein !
Auch in Gesellschaften und Staaten,
in denen wahre Demokraten
das Steuerrad in Händen halten,
gibt es erbärmliche Gestalten,
die sich erst richtig sauwohl fühlen,
wenn sie bei and'ren Leuten wühlen
in dem, was sie selbst "schmutzig" finden,
worauf sie lauthals dann verkünden:
"Was der Verfasser da geschrieben,
wär' besser ungedacht geblieben,
denn seht nur her – ich hab entdeckt:
Das ist politisch nicht korrekt !
Das geht zu weit ! Das darf nicht sein !"
So hört man diese Typen schrei'n.
Ob Martin Walser, Böll und Grass –
sie alle wurden mit 'nem Fass
übelster Jauche übergossen
von diesen miesen Zeitgenossen.
Dagegen sind die Hätschelhunde,
die ihnen willig nach dem Munde,
nein: nach dem Arsche reden, ihnen
stets überaus genehm erschienen.
Man sieht: Politische Korrektheit
ist schwere innere Verdrecktheit !
Auch in Behörden und Betrieben
gibt's Individuen, die es lieben,
dem anderen eins reinzudrehen,
um selbst dann besser dazustehen.
Sie scheißen wegen der Karriere
glattweg auf Anstand und auf Ehre.
Und ihre Gründe und Motive
sind ganz banale, primitive:
ein Minderwertigkeitskomplex,
zu wenig richtig guter Sex,
stets Kleinkrieg mit dem Eheweib,
Funkstille südlich Unterleib...
Ich glaub', die Sorte Denunziant
ist niemandem hier unbekannt !
Da fällt mir dieses Sprichwort ein:
"Erklären heißt noch nicht verzeih'n !" - http://www.bremis.de/denunzianten.htm