Da wird untersucht, wie sich ein festgestellter Unterschied im Gehirn auswirkt. Männer und Frauen werden getestet - es geht um Geräuschbelästigung: Das Ergebnis: Frauen bewerten den selben Impuls stärker als Männer. Erst bei fortgesetzter Belästigung gleicht sich die Einschätzung eines Mannes der einer Frau an.
Also selbst in einem Fall, bei dem das Tabu, das es überhaupt Unterschiede gibt, gebrochen wird, kommt in der Interpretation dann doch noch die "Frauen sind aber besser"-Platte.
Ja, ich muss Dir Recht geben. Besonders deswegen, weil die Auswertung im Text von Spreng falsch ist. Wenigstens wenn diese mit den Werten in der Tabelle vergleicht:
Es wird die Unterscheidungsfähigkeit für Konsonanten, die im Störgeräusch erkannt und nachgesprochen werden sollen untersucht. Männer machen im "Weißen Rauschen, Straßenlärm und Schienenverkehr" weniger Fehler. Zum Teil sind die Differenzen erheblich zugunsten der Männer. Im "Sprachgebabbel" (O-Ton) sind die "Frauen besser!" (ebenfalls O-Ton). Später heißt es im Text party-noise, wie insgesamt das Phänomen auch "party-effect" genannt wird. Interessant ist nun, dass Spreng behauptet, dass Frauen um "Faktor 2" im Sprachgebabbel besser seien und daraus folgert, dass dies auf "besondere neurophysiologische Eigenschaften von Frauen bezüglich Perzeption menschlicher Stimmen" hinweise und überhaupt auf die besondere Bedeutung, die Frauen der menschlichen Kommunikation bemäßen. Aha!
Was sagt uns nun die Tabelle? Männer machen im Weißen Rauschen 161 Fehler (ich schreib das einfach mal so, Einheiten oder Definitionen werden keine angegeben), Frauen 403. Männer machen im Sprachgebabbel 438 und Frauen 285 Fehler. Die anderen Prüfungen "gewinnen" die Männer deutlich; sie machen nur 30-40% der Fehler, die Frauen machen. Wo ist Faktor 2? Subtrahiert man die Werte, die ich eingangs nannte, machen Frauen im WR 242 Fehler mehr als Männer, Männer im SG aber nur 153 mehr als Frauen. Wo ist da die Überlegenheit von Faktor 2? Sie gibt es schlicht nicht, wenigstens nicht nach dieser Tabelle.
Schaut man sich die Kurven der Lärmbelästigungssituation an, vermisst man wieder die Einheiten in denen die Belästigung gemessen wurde. Was aber viel wichtiger ist: Ab der zweiten Minute unterscheiden sich junge Männer von jungen Frauen praktisch nicht. Okay, die Mädels fühlen sich schneller belästigt, kann man so sagen. Bei den Alten (48-50) misst die Versuchanordnung offensichtlich aber einen ganz anderen Effekt. Nämlich den der Schwerhörigkeit der Männer, was im Text in eckigen Klammern dann auch verschämt zugegeben wird. Allerdings so formuliert, dass die Anbetung von Frauen ("weit überlegenes intuitives Einschätzen von Belastungen") keinesfalls angetastet wird.
Schlimm wird es auf Seite 47. Ich zitiere das komplett, dann kommt es am besten rüber: "Häufig kennen Frauen nicht die Wirksamkeit dieser "Waffe" [gemeint ist das "Trommelfeuer wütender Worte"], welche sie damit besitzen und gegen die der Mann so gut wie keine Abwehrmöglichkeit hat, so dass es gelegentlich nicht erstaunt, dass dieser bei mangelnder Beherrschung bedauerlichweise glaubt, nur noch mit körperlicher Gewalt mithalten zu können." Alles klar? Weil Männer angeblich schlecht hören, zu doof zur akustischen Perzeption und Verarbeitung sind, schlagen sie zu. Haben wir das nicht schon immer irgendwie gewusst? Und so jemand ist habilitiert und nennt sich bekennender Christ. Da legt man die Ohren mit Schwung an!
Insgesamt verstört dieser wenigstens wissenschaftsangelehnte Text durch seine Selektivität und Unausgewogenheit. Männliche Befunde werden dargestellt, aber eher am Rande und kaum bewertet, schon gar nicht positiv. Weibliche Befunde werden in epischer Breite berichtet, soweit möglich ausführlich gewürdigt und teilweise zu Hymnischem verdichtet. Fazit: Männer haben ein Gehirn, es funktioniert sogar. Ach was? Aber schaut euch mal das weibliche Superhirn an. Da werdet ihr staunen!
Wegen des Interesses an den Befunden, ist mir das beim ersten Lesen wohl entgangen.