Wenn der Mensch zur MenschIn wird - oder:

Wieviel »Gleichberechtigung« verträgt das Land?

How much »equality« the country can stand?

Homepage - Archiv 1 - Archiv 2 -- Hilfe - Regeln für dieses Forum - Kontakt - Über uns

126133 Einträge in 30916 Threads, 293 registrierte Benutzer, 300 Benutzer online (0 registrierte, 300 Gäste)

Entweder bist Du ein aktiver Teil der Lösung, oder ein Teil des Problems.
Es gibt keine unbeteiligten Zuschauer!

    WikiMANNia
    Femokratieblog

Liste Femanzen Katrin Rönicke (Liste Femanzen)

Oberkellner @, Saturday, 25.05.2013, 09:33 (vor 4006 Tagen)

F7 Katrin Rönicke geboren 1982 in Wittenberg (Sachsen-Anhalt) – Studium der Sozi-alwissenschaften an der Humboldt-Universität Berlin – seit 2011 Mitglied der Grünen – Mit-glied des Landesvorstandes Baden-Württemberg, ab 2002 Mitglied des Bundesvorstandes der Grünen Jugend – an der HU Berlin arbeitet Rönicke als Hilfskraft am Lehrstuhl von Prof. Dr. Herfried Münkler – seit 2010 Mitglied des Frauenrates der Heinrich-Boell-Stiftung – seit 2011 Mitarbeit auf http://fraulila.de zusammen mit Barbara Streidl (F5) und Susanne Klingner (F6) und http://netzfeminismus.org – Anschrift: Helenenhof 8, 10245 Berlin - http://katrin-roenicke.de – mail@katrin-roenicke.de - http://blog.katrin-roenicke.nethttp://blog.katrin-roenicke.net/wp-content/uploads/2012/04/Margarine_Kaviar_3.jpg

Karriere Frauen sollen Karriere machen, emanzipiert leben und dabei ganz lässig Kinder kriegen. Aber wie kann man all das leben, wozu man nicht erzogen wurde?
Annette C. Anton schrieb mit ihrem Karriereratgeber für Frauen, Mädchen für alles, das für sie beste Modell der neuen Frauen nieder und sparte nicht an Hieben gegenüber Frauen, die sich dem nicht anpassen können. Da ist die Rede von Frauen, welche ihren Chef mit ihrem Papa verwechselten. Und die Prenzlauer-Berg-Muttis, welche die Erziehung ihres Kindes mit Selbstverwirklichung verwechselten. Thea Dorn stieß vor Jahren mit ihrer F-Klasse in ein ähnliches Horn: Nur wenige Frauen seien dazu wirklich in der Lage, Kind und Karriere unter einen Hut zu bekommen und nur diese Frauen waren es ihr wert, neben Kinderlosen in einem Buch zu erscheinen, welches „die“ neue Klassefrau portraitierte.
Sieben von acht jungen Deutschen wollten in der McKinsey-Studie von 2007 Kinder. Doch jede zweite Frau befürchtete Nachteile für ihr berufliches Fortkommen. Annette C. Anton will diesen Frauen gerne helfen – die Nachteile sollen ausbleiben. Mit ihren Tipps für eine steile weibliche Karriere vergisst sie völlig, die Väter in den Blickpunkt zu nehmen. Dass ein Mann sich genauso um die Kinder kümmern soll wie die Frau, das ist für sie Ehrensache. Die Probleme, die dabei entstehen können, sind ihr keine seitenlangen Auslassungen wert. Die spart sie sich für das Bashing jener Frauen auf, die sich ihrem vermeintlichen Schicksal fügen und unter ihrer Qualifikation arbeiten, um beim Kinderkriegen völlig aus dem Beruf auszusteigen. Warum diese das tun, warum sie glauben, dass es nicht anders geht – all das wird kaum thematisiert.
Man wird nicht als Frau geboren – das ist ein zentraler Wendepunkt im Feminismus von Simone de Beauvoir gewesen. Eine Frau wird zur Frau erzogen. Verhält sie sich anders, dann stellen sich ihr Barrieren in den Weg, dann wird sie es schwer haben. Wortschöpfungen wie „Mannweib“ illustrieren die Auswirkungen. Noch heute gehen Frauen den leichteren Weg, wenn sie nicht auf eine Karriere nach „männlichem“ Vorbild aus sind, sondern sich als Mädchen, als „Weibchen“ hübsch, süß und sexy einen Mann (oder mehrere, nacheinander) suchen, die ihren Lebensstandard mitfinanzieren.
Gingen sie einen anderen Weg, wären sie tatsächlich mit einer Menge anstrengender Auseinandersetzungen konfrontiert: Sie müssten Unternehmen angreifen für ihre miserable Familientauglichkeit, ihren Chefs bei diskriminierendem Verhalten Paroli bieten und der Politik ans Bein pinkeln, die nicht aufhört, steuerlich das Alleinernährer-Modell zu subventionieren, anstatt in Kinderbetreuung zu investieren… Der Weg einer Karrierefrau, die ohne auf Kinder verzichten zu wollen ihren Weg geht und in Netzwerken für das gemeinsame Anliegen aller Frauen und vor allem auch aller „neuen“ Männer in einen Kampf zieht, ist genau das Gegenteil des Weges, auf den wir unsere kleinen süßen Mädchen bis heute schicken, wenn wir sie in rosa Rüschen-kleidchen stecken und ihnen Püppchen schenken, deren Umsorgung das Größte in ihrem Kinderleben sein soll.
Diesem Stereotyp zu entkommen gelingt nicht, ohne ein Reflexionsvermögen und eine Wirkmächtigkeit an die nachwachsende (Mädchen-)Generation zu vermitteln, die Emanzipation und Kritikfähigkeit der bestehenden Strukturen erst ermöglicht. Doch genau darauf ist das heutige Bildungssystem nicht spezialisiert. Wirkmächtigkeit und Eigensinn haben in den meisten Schulen keinen Raum. Die Jungs rebellieren dagegen. Die Mädchen machen mit – und ernten brav ihr Lob. Weswegen es für sie auch nicht den geringsten Grund gibt, Annette C. Anton zu lesen.

http://www.freitag.de/autoren/katrin/madchen-2013-aber-nicht-fur-alles

Schämen sich Frauen mehr als Männer? Eine kleine Retrospektive der weiblichen Scham
Wenn ich diesen Begriff schreibe, dann fällt zuallererst ins Auge, dass „die weibliche Scham“ zwei unterschiedliche Bedeutungen annimmt. Einerseits verweist das Substantiv von „sich schämen“ auf einen Zustand – ein Gefühl. Andererseits verweist es auf eine Körperregion: Den sogenannten „Schambereich“. Hallo? Das ist unsere VULVA! Was hat denn das mit Scham zu tun? Bei Männern heißt das Gebamsel untenrum übrigens einfach „Genitalbereich“ – während selbst in etablierten Lexika, genauso wie in der freien Online-Enzyklopädie bei Frauen von der „Scham“ die Rede ist. Denken Sie mal darüber nach.
Um zu unterstreichen, welche Nervenbahnen ich mit meinen kleinen Einwürfen in dieser Kolumne gerne kitzeln würde, möchte ich ein sehr junges Beispiel aus meinem Alltag schildern. Dafür muss ich mich ganz schön zusammennehmen, denn das zentrale Thema dieser Kolumne – sich schämende Frauen – trifft mich natürlich auch. Aber was nützt es? Im Sinne des gesamtgesellschaftlichen Diskurses springe ich über meinen Schatten:
Es geht um einen Scheidenpilz. Oho! Ja, ich weiß, es ist Ostern, der Papst hält Ansprachen und das ist jetzt ein bisschen viel für Sie. Außerdem kennen Sie vielleicht den komischen Spruch aus ihrer Kindheit oder Jugend: „Wenn Mädchen pupsen, kommen Schmetterlinge raus“ ? Denn Kacken, pupsen, Urinieren und – ja: Genitalpilze – das sind halt doch nicht so die Dinge, die man gerne mit diesen reinen und schönen Wesen, den Frauen, in Zusammenhang bringen will.
Erröten in der Apotheke
Also ich eben so mit diesem Scheidenpilz. Arzt, Rezept, Apotheke – alles kein Ding. Da mein Arzt mir noch sogenannte Milchsäure-Zäpfchen empfohlen hatte, fragte ich auch danach bei der jungen und hübschen Apothekerin (ich weiß nicht, inwieweit die Information „jung und hübsch“ in diesem Zusammenhang relevant ist – entscheiden Sie bitte selbst; aber sie hatte ein sehr gepflegtes und irgendwie glattes Äußeres): „Haben Sie Milchsäure-Zäpfchen?“ – Erstaunter Blick. Leichtes Erröten. Nach einer kurzen Pause, in der sie offensichtlich nachdachte, wie sie es sagen soll, fragte sie: „Sie meinen, für die FRAU?!“ – damit machte sie mich ein wenig sprachlos. Ich meinte ja schließlich diese Zäpfchen, die man sich in die Vagina steckt, und nein – nicht für die Frau, sondern gegen Scheidenpilz Herrgott! Aber ich wollte die gute Frau nicht restlos im Boden versinken lassen, sagte also ja. Denn verstanden hatte ich sie ja.
Können Sie mir folgen? Oder finden Sie vielleicht, ich übertreibe?

http://www.freitag.de/alltag/1116-schaem-dich

Bitte kein Genderama!
Blogger Arne Hoffmann möchte mit seinem Zehn-Punkte-Plan "unsere Söhne retten". Leider fehlt ihm dabei das nötige Gender-Bewusstsein. Die Welt wird er so nicht verbessern
Das Buch „Rettet unsere Söhne – wie den Jungs die Zukunft verbaut wird und was wir dagegen tun können“ von Arne Hoffmann ist kurz zusammengefasst: Viel Halbwissen, das um eine gute Portion gefühlten Dreiviertelwissens ergänzt, zu einer ganz besonderen Melange aus guten Ge-danken und absurdem Mist wurde. Zum Beispiel das „Zehn-Punkte-Programm“ zur Rettung „un-serer“ Söhne, dessen erster Punkt fordert: „Unsere Kindergärten und Schulen müssen jungengerechter werden“:
Hoffmann schreibt: „Jungen entwickeln sich in bestimmten Bereichen später als Mädchen.“ Nach jetzigem Kenntnisstand der Neurobiologie werden Mädchen und Jungen in der Tat mit leichten Unterschieden in ihren Gehirnen geboren. Mädchen kommen oft – salopp gesagt – „stabiler“ auf die Welt. Ihre Gehirnhälften sind anders vernetzt. Jungen sind dagegen empfindlicher. Sie brau-chen mehr Nähe, Halt, Liebe. Möglich, dass mit der unterschiedlichen Struktur auch die unter-schiedliche Disposition zum Lesen und zum Sprechen einhergeht. Leider handeln viele Eltern verstärkend: Studien zufolge lesen sie kleinen Jungen weniger vor, als kleinen Mädchen.
Das Gegenteil wäre nötig, um – ich benutze ausnahmsweise einmal Hoffmanns Theatralik – die Jungen zu retten. Stattdessen werden Jungen bis heute mit den Geschlechtsrollenzuschreibungen ihrer Eltern und später ihrer Erzieher(innen) und Lehrer(innen), in ein Schema aus Mut, Härte, Wettkampf und Aggression gedrängt. „Jungen brauchen das.“ Oder „Bei Jungen ist das nor-mal.“ Niemand merkt neben diesem unbewussten Verstärken, welche Self-Fulfilling Prophecy hier greift. Aus seiner zunächst richtigen Einleitung erliegt der Autor genau dieser, wenn er – den Sozialwissenschaftler Klaus Hurrelmann zitierend – weiter schreibt:
„Eine wichtige Komponente wäre das Zulassen männlicher Eigenarten und Absonderlichkeiten im Unterricht um die Jungen ‚dort abzuholen, wo sie gerade stehen‘. Sie müssen Gelegenheit haben, als machtvoll und überlegen aufzutreten, den sozialen Raum um sich herum zu erobern und die besonderen Formen der männlichen Selbstbehauptung zu praktizieren.“ Der erste Satz ist nicht falsch. Der Rest dieses Zitats, das so völlig unkommentiert stehen bleibt, weswegen ich Hoffmanns uneingeschränkte Zustimmung unterstelle, ist eine Zumutung. Ein Autor, der sein Blog „Genderama“ nennt, sollte sich besser und intensiver mit dem aktuellen Forschungs-Stand der 30 Jahre alten Disziplin Gender Studies auseinandersetzen. Dann wüsste er: Die unreflektierten Erwartungshaltungen an Jungen und Mädchen sind des Pudels Kern.

Dennoch spricht Hoffmann einen wunden Punkt deutscher Erziehungsinstitutionen an: ein Aggressions- und Lärm-Tabu. „Wilde“ Kinder werden geradezu stigmatisiert, weil ihr Verhalten im frontalunterrichtbasierten Lehr-Lern-Alltag „unpassend“ ist. Am Unterricht muss also gearbeitet werden – ebenso wie an der Einstellung der Lehrer und Lehrerinnen. Zum Beispiel durch die „Synthetic Phonetics“-Technik, bei der zuerst die Buchstaben und deren Laute erlernt werden, um die Fähigkeit des selbstständigen Schreibens und erst im letzten Schritt des Lesens zu erwerben. Hoffmann führt sie auch an. Doch irgendwie sonderbar, in einem Buch, das „unsere Söhne zu retten“ soll, von einer didaktischen Methode zu lesen, die seit gut 30 Jahren bei beiden Geschlechtern gleich gute Erfolge erzielt und schon von meiner Schwiegermutter vor Jahrzehnten in der Grundschule angewandt wurde.
Punkt eins des Sofortprogramms ist symptomatisch für Hoffmanns Dilemma: Der Genderama-Blogger hat tatsächlich einige progressive Denkansätze – was erstaunlich ist, da ihm der Blick für das „Gesamtkonzept Gender“ insgesamt abgeht. So kommt er leider nicht zur Wurzel des Problems. Er müsste ein Bewusstsein für die immer noch konstitutiven Geschlechtsrollen-Erwartungen und ihren –Entsprechungen entwickeln. Ohne ein Reflektieren dieser Kategorien in Eltern-, Erzieher- und Lehrer-Köpfen wird es nicht gehen.
Was Hoffmann tatsächlich helfen könnte, nicht nur die Söhne, sondern auch die Töchter zu „ret-ten“, ist eine Herangehensweise an Kinder, wie sie schon seit 1906 – seit über hundert Jahren – in der Montessori-Pädagogik zu finden ist: Erziehung vom Kinde aus – und nicht von den eigenen (Geschlechtsrollen-)Erwartungen. Deswegen bleibt es sinnvoller, Autorinnen wie Hannelore Faulstich-Wieland zurate zu ziehen, wenn man wirklich wissen will, was man „dagegen“ tun kann.

http://www.freitag.de/alltag/0915-arne-hoffmann-gender-zukunft-jungs

was die Ursache des "Problems" und was die Wirkung ist - das wird mir wohl kaum ein Feuerwehrmann erklären können. Da vertrau ich meinem eigenen Kopf und meinen eigenen Erfahrungen. Aus ureigenstem, egoistischem Mutter-Interesse. Dass ich dazu mein Wissen aus dem Studium der Erziehungswissenschaften und ein Basiswissen der Biologie (Studium) nutzen kann hilft sehr. Denken hilft sowieso ungemein. Und ausprobieren.
Was meinen Sie denn, was das "Problem" lösen wird?? Jungen zu aggressiven, mutigen, harten und vor allem: richtigen Männern erziehen? Egal, was sie selbst gerne wollen? Aha. Na wie gesagt: Viel Erfolg - aber ich fürchte, der wird sich bei dieser Methode nicht wirklich einstellen. Lesen Sie kleinen Jungen lieber ein bisschen mehr vor.

http://www.freitag.de/autoren/katrin/bitte-kein-genderama

dieser Kommentar ging an Mustrum.
Herr Losehand scheint heute milde ;)
und dennoch kritisch.
Da die Forschung in diesem Bereich jedes Jahr ein anderes Bild der Geschlechter-Konstruktionen und der biologischen Grundlagen liefert, ist ein kritischer Blick sicherlich das A & O. Ein kritischer Geist ist ohnehin sehr zu begrüßen.
Joachim Losehand scheint einer zu sein - im Gegensatz zu Mustrum.

http://www.freitag.de/autoren/katrin/bitte-kein-genderama

Hallo goofos, schön dich zu lesen,
ich glaube, deine Ängste kenne ich mittlerweile ganz gut und sie sind verständlich. Nein - ich bin überzeugt, dass sie auf "beiden Seiten" existieren und ich denke, diese Ängste sind nicht zu unterschätzen, denn Angst kann in ihrer Wirkung sehr zerstörerisch und unversöhnlich wirken. Auch wenn ich Herrn Hoffmann inhaltlich scharf(züngig) angreife, so finde ich sein Verlangen, etwas zu verändern und auf einen Missstand hinzuweisen sehr verständlich. Nur gibt auch er sich zu sehr der Angst hin und sieht zu wenig die Möglichkeiten - so mein Eindruck. Viele gute Dinge stehen in seinem Buch - das schreibe ich auch - aber sie sind nicht "rund" - für mich nicht und für viele andere - nicht nur Feministinnen - nicht.
Was Faulstich-Wieland zu bieten hat? ein Konzept, das einfach klingt, aber unglaublich schwer umzusetzen ist, wenn es an die Praxis geht: Eine Balance von a) Dramatisieren und b) Entdramatisieren der Kategorie Geschlecht. Beides zum "richtigen" Zeitpunkt, versteht sich ;) Das versucht Hoffmann im Grunde - zumindest in Ansätzen - auch, bleibt aber allzu oft bei der Dramatisierung stehen und vergisst, dass die Entdramatisierung nötig wäre. Was heißt das Konkret?
Nun, weil die Quoten immer sehr heftige Reaktionen hervorrufen, nehme ich ein anderes Beispiel: Den 'Girls' Day' - und auch den 'Boys' Day': Was gemacht wird ist zu erkennen: Die Geschlechter erleben Nachteile aufgrund von Geschlecht. Man geht davon aus, dass dies ungerecht ist, dass es mit einer unterschiedlichen Sozialisation zu tun hat, dass man irgend einen Ausgleich schaffen sollte - so weit, so gut und bisher 1 zu 1 Arne Hoffmann. Man kann das für allerhand andere "Aktionen" durchdenken. Jungen mehr vorlesen, als bislang, Mädchen auch zu Aggression ermuntern und Jungen zu Gefühlen und Weinen etc... das bedeutet alles, das Geschlecht ein Stück weit zu "dramatisieren" und dieser Schritt wird sehr gerne kritisiert - von ALLEN Seiten. Von den Gender Studies-Leuten, die meinen, man würde damit die überkommenen Rollen nur reproduzieren, von den Maskus von den Feministen, von ALLEN. Aber es bleibt in meinen Augen nötig. Wenn dieser Schritt getan ist, darf man nicht stehen bleiben, sondern sollte dann das Geschlecht auch wieder entdramatisieren, indem man Jungen und Mädchen nicht anders behandelt, oder Männer und Frauen. Das kann zeitgleich mit dem Dramatisieren passieren oder danach. Wie auch immer: Eine harte Balance und während Hoffmann das eine ein bisschen vernachlässigt, so kenne ich es von manchen Gender Studies-Leuten, dass sie das Dramatisieren ganz schlimm finden...
Ähm, weiß nicht, ob das deine Frage beantwortet, aber das wollte ich eigentlich auch in dem Artikel schon ein bisschen beleuchten, nur wie gesagt: Er kann auch nicht ewig lang werden und deswegen reiße ich manches nur an.

http://www.freitag.de/autoren/katrin/bitte-kein-genderama

und noch ein Nachtrag: "Dramatisieren" kann auch heißen, zu erkennen, dass die Aggression von Jungen tabuisiert wird und gegen dieses Tabu aktiv vorzugehen. Aggression und Lärm sind tabu - dabei gehören sie zu Kindern und zum Menschen dazu. Man muss sich eben überlegen, wie man das kanalysiert und zulässt.
Ein ganz witziges Beispiel aus der Kita meines Sohnes: Die Kinder (+/- zwei Jahre alt) verbündeten sich und schrien alle vor dem Mittagessen gleichzeitig los. Die Erzieherinnen hatten keine Chance durchzudringen (wenn 14 Kinder gleichzeitig brüllen hat man keine Chance). Anstatt dieses Verhalten zu tadeln haben sie überlegt, wie sie dem offensichtlich bestehendem Bedürfnis nach lautem Brüllen einen Raum geben können. Seit dem lassen sie immer vor dem Mittagessen gemeinsam "eine Rakete steigen" - also eine imaginäre - aber eine sehr laute ;) - solche Methoden fordert auch Hoffmann und an dem Punkt ist er wieder sehr gut. Wie gesagt: Es steht viel kluges drin, aber leider auch zu viel Problematisches, als dass ich das Buch so loben könnte, wie Walter Hollsteins "Was vom Manne übrig blieb" - den ich sowohl in der Analyse, als auch in den Forderungen wesentlich differenzierter und realitätstauglicher/erfolgsversprechender fand.

http://www.freitag.de/autoren/katrin/bitte-kein-genderama

es tut mir leid, dass ich in der Kürze des Artikels den Sachverhalt mit den Gehirnen nur so kurz angerissen habe, dass man dies so interpretieren kann, wie sie es taten.
"Ihre Zuschreibung in diesem Zusammenhang liegt in den kleinen Wörtern 1. "stabiler" und 2. "vernetzt". Eine andere Zuschreibung hier wäre 1. "unveränderbarer" und 2. "kurzschlüssig" "
- zu 1. - nein. Dass das Gegenteil der Fall ist, das ist mir bewusst und darauf möchte ich ja auch hinaus, wenn ich schreibe, dass man Jungen sogar mehr vorlesen sollte. Ich beziehe meine Informationen auf einen Aufsatz des Neurobiologen Gerhard Hüther, der 2008 in einem Aufsatz genau dieses Thema behandelte und schrieb: Kein Gehirn "weiß", wenn es auf die Welt kommt, dass es mal männlich oder weiblich zu sein hat - es "weiß" gar nicht, was dies jeweils bedeuten soll. Das Gehirn - so Hüther im Allgemeinen (ich beziehe das jetzt auf ein Video von ihm über ADS) - entwickelt sich insgesamt nur sehr wenig aufgrund genetischer Vorprogrammierung, dafür aber sehr sehr viel über "use it or lose it"-Mechanismen. Anders ausgedrückt: Auch wenn Jungen und Mädchen unterschiedlich auf die Welt kommen - und das scheint der momentane Wissensstand zu sein - was aus ihnen wird ist völlig offen. Und an diesem "völlig offen" wiederum orientiert sich der Gender-Ansatz - und eben nicht an einer sonstwie gestalteten weiblichen Überlegenheit. Weshalb solchen Büchern und Artikeln, wie jüngst wieder bei Spiegel Online erschienen, die "die armen Jungen" zelebrieren immer genauestens auf den Grund gegangen werden sollte. Denn meistens versteckt sich dahinter tatsächlich ein Glaube an die "weibliche Überlegenheit" in bestimmten Bereichen, die man dann auf genetische Unterschiede zurückführen will und die Erziehung/Sozialisation völlig ignoriert.

http://www.freitag.de/autoren/katrin/bitte-kein-genderama

sie können das nicht wissen, aber ich bin keine Männerfeindin oder sonst etwas. Im Gegenteil! Ich möchte mehr als sie mir offensichtlich zutrauen können "in Frieden" mit Männern leben. Aus ganz persönlichen Gründen, denn ich liebe zwei. Und sie sind mir genauso wichtig, wie ich selbst.
Also, das können Sie nicht wissen und mich deswegen in eine Ecke stellen, die sie mal eben aufmachen, weil ich einen Mann kritisiere, den sie cool finden. Sehr normale menschliche Reaktion. Meine Scharfzüngigkeit im Artikel können Sie ja gerne kritisieren - warum Sie persönlich werden müssen - keine Ahnung. Werde ich persönlich? Nö.
Ich habe mit großem Respekt das Buch Walter Hollsteins "Was vom Manne übrig blieb" rezensiert. Das können Sie hier: short.to/23vl nachlesen.
Und ich verteidige Männer auch lieber gegen unhaltbare Unterstellung der Biologisten, wie sie hier: short.to/4oxf nachlesen können.
Weswegen ich ganz selbstbewusst diesen meinen Antwortskommentar beende und verbleibe mit: Stellen Sie ihre dreckigen Schuhe jemand anderem hin - ich werde sie mir nicht anziehen.

http://www.freitag.de/autoren/katrin/bitte-kein-genderama

Hilfe, ein Junge im Rock!
Genderkolumne Schon Kinder werden pathologisiert, wenn sie sich nicht an normative Geschlechterrollen halten. Von einer Störung der Geschlechteridentität kann da aber keine Rede sein
Im Sammelband Gehirn und Geschlecht (Hrsg. Lautenbacher, Güntürkin, Hausmann) las ich kürzlich den Beitrag „Das transsexuelle Gehirn“ von den AutorInnen Peggy T. Cohen-Kettenis, Stephanie H. M. Van Goozen und Michael A. A. Van Trotsenburg. Die Kurzzusammenfassung lautet: Schlimm!
Die AutorInnen beziehen sich durchweg auf internationale und meistens anerkannte Studien zum komplexen Gesamtthema der Geschlechtsidentitätsstörung (GIS). Was ist das: Eine Störung der Geschlechtsidenti-tät? Wie prägt sie sich aus, wie diagnostiziert man sie? So habe zum Beispiel KJ Zucker 1999 herausgefunden, dass Kinder mit einer GIS die Geschlechter mit einer geringeren Wahrscheinlichkeit richtig benennen als Kinder ohne GIS. Ich zucke mit den Schultern. Na und? Ist das schlimm? Ich zum Beispiel achte darauf, fremde Kinder auf dem Spielplatz nicht mit „das Mädchen“ oder „der Junge“ zu bezeichnen. Denn kleinen Kindern sieht man das nicht an und „das Kind“ reicht völlig. Vielleicht hat das dazu geführt, dass mein Sohn sehr lange die Begriffe „Mann“ und „Frau“ komplett willkürlich benutzte – was mir total egal war. Ich wusste ja nicht, dass so etwas ein Hinweis auf eine Störung sein könnte. Zum Glück!
Die AutorInnen sind aber mit ihren Ausführungen zur Erkennung dieser gestörten Kinder längst nicht am Ende, sie differenzieren nach Geschlecht: Jungen mit GIS interessierten sich normalerweise dafür, „mit Spielsachen für Mädchen zu spielen“ und fänden „die Spiele und Aktivitäten für Mädchen (z.B. Seilsprin-gen) viel reizvoller, als die Spiele und Aktivitäten für Jungen (z.B. Fußball).“ Zudem zeigten sie eine „Präferenz für Mädchen als Spielkameraden (sic!)“ und bewegten und kleideten sich häufig „auf eine weibliche Art“.
Anti-Barbie-Girls
Wer meine Kolumne über den Rock meines Sohnes gelesen hat, kann sich meine Empörung vielleicht vorstellen: In einem wissenschaftlichen Artikel, geschrieben von sogenannten „renommierten“ ExpertInnen, veröffentlicht in einem Buch, das explizit auch dazu dienen soll, Laien an das Thema heranzuführen, werden Menschen auf die Idee gebracht: Kinder, die kein Geschlecht herstellen, könnten gestört sein. (Der Begriff „Doing Gender“ beschreibt die soziale Praxis, Geschlechterrollen performativ zu schaffen. Das ist völlig losgelöst von der Betrachtung des biologischen Geschlechts). Diese Herangehensweise zieht sich durch den gesamten Artikel: „Mädchen mit GIS spielen bevorzugt mit Jungen und interessieren sich für die Spielsachen von Jungen; außerdem mögen sie Sport und wildere Spiele.“ Guten Tag, Sie wussten es vielleicht noch nicht – ich wusste es bis dahin auch nicht – aber: Ich bin geschlechtsidentitätsgestört!
In meiner eigenen Kindheit spielte ich eigentlich fast nur mit Jungen – andere gleichaltrige Kinder gab es nämlich in meinem kleinen Dorf nicht. Ich hatte immer kurze Haare und trug meistens bequeme Kleidung. Ich wurde nicht selten für einen Jungen gehalten (alles „Indikatoren“, die bei Cohen-Kettis et. al. aufge-führt werden). In meiner Sozialisation gab es 1989 dann einen Bruch – auch darüber schrieb ich bereits in meiner Kolumne „Wie ich zum Barbiegirl wurde“. Das war nicht einfach für mich und ich erinnere mich, dass ich mit ungefähr elf oder zwölf Jahren zum Anti-Barbiegirl wurde. Mit mädchenhaftem Doing Gender kam ich nicht mehr klar. Schlussendlich sehnte ich mich sehr danach, ich wäre ein Junge. Dann nämlich hätte ich einfach so sein dürfen, wie ich eben war. Das alles ist zusammengenommen eine Überindikation auf meine bislang unerkannte „Störung“.

Angst vor Junge im Rock

Ja, ich scherze! Aber das tun andere nicht und die Angst, ein Junge mit Rock könnte gestört sein, die ist in unserer Gesellschaft ganz real und ganz präsent. Nicht nur in diesem Buch wird dabei ein eigentlich unzu-lässiges Vermischen biologischer Tatsachen und Fakten und eine Psychopathologisierung von gesunden Menschen betrieben. Völlig ungeachtet der Effekte auf die Betroffenen.
Betrachte ich mein Leben als Kind und Jugendliche, als Studentin, als Frau, als Arbeitnehmerin und auch als Mutter, so sehe ich viele Situationen, in denen ich mich nicht wohl fühlte – allein aufgrund meines Geschlechts und die daran geknüpften Erwartungen an mich. Meist schnitt ich mir als Reaktion die Haare ratzeputzekurz, oder ich setzte einen Zylinder auf; als 14-Jährige zog ich mir die alten Pullover meines Vaters an (das Gegenteil von kurvenbetonend!). Später verweigerte ich eine Zeit lang die Rasur meiner Beine... Das mag jetzt witzig klingen und ich will es auch nicht künstlich dramatisieren. Aber wenn Doing Gender als Indikator für eine nichtgestörte Identität benutzt wird, kann plötzlich viel an solchen symboli-schen Kleinstrebellionen hängen.
Auch gegen dieses Buch möchte ich nun am liebsten rebellieren. Aber sechs Kapitel lang hatte ich mich bis dahin recht gut informiert gefühlt. Vielleicht war ich nicht an allen Stellen restlos überzeugt von den scheinbar „wissenschaftlichen Fakten“, insgesamt aber hatte ich viel gelernt. Der Aufsatz von Markus Hausmann „Kognitive Geschlechtsunterschiede“ war durchaus differenziert und entsprach vollkommen meiner Haltung, mit der ich an das Buch herangegangen war: Ich wollte mehr über die Biologie der Ge-schlechterunterschiede wissen. Wollte mir ein eigenes Bild davon machen, was wirklich genetisch und neurologisch „feststand“, wollte selbst ergründen, welche Mechanismen untersucht wurden, welche Fragen offen blieben. Denn das ist auch wichtig – und deswegen lese ich trotzdem weiter.

http://www.freitag.de/autoren/katrin/hilfe-ein-junge-im-rock

Mann wird gemacht

Genderkolumne Sexismus muss sich nicht nur gegen Frauen richten, sondern bedeutet, dass sich ein Ge-schlecht über das andere erhebt. Soziale Stereotype entstehen schon im Kinderzimmer

Ich habe ziemlich lange an einer für mich passenden Definition gearbeitet, die wiedergibt, was Sexismus für mich ist. Angefangen hat alles einmal damit, dass ich im Jahr 2010 für die Grüne Bundestagsfraktion zum Netzpolitischen Kongress den Leuten etwas über Sexismus im Netz erzählen sollte.
Die meiste Arbeit machte bei der Vorbereitung der Erklär-Teil: Was ist eigentlich Sexismus? Recht schnell merkte ich, dass es dazu überhaupt keine eindeutige Definition gab und ich sah, dass sich der Begriff über die Jahrzehnte hinweg steter Wandlung unterworfen hatte. Die Definition von Sexismus, das kann als erstes festgestellt werden, ist damit nie an einem Ende.
Das Männliche als Norm
Doch die Geschichte des Feminismus, der den Sexismus als solchen überhaupt erst thematisiert hat, ist dabei nicht unwichtig. Käthe Schirmacher sagte etwa: „Mit der dem Menschen eigenen Subjektivität hat der Mann sich, seine Vorzüge, Fehler und Leistungen als die Norm, das Normale, das „Seinsollende“, das Ideal gesetzt: das Männliche war, in der Sprache wie anderswo, das Massgebende. [...]“ und trifft damit einen Kern dessen, woher der Begriff ursprünglich kommt, warum er notwendig geworden ist und warum es bis heute viele Menschen, gerade auch FeminstInnen, gibt, die meinen: Es gibt Sexismus nur gegen Frauen. Damit hadere haderte ich, da wollte ich nicht stehen bleiben. So kam es schlussendlich dazu, dass ich die Sexismus-Definition, die in der Studie „Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“ der Universität Bielefeld verwendet wurde nahm, und einfach umschrieb in: „Sexismus betont die Unterschiede zwischen den Geschlechtern im Sinne einer Demonstration der Überlegenheit des einen Geschlechts über das andere und fixierter Rollenzuweisungen an beide.”
So definierte ich nach einem kurzen geschichtlichen Rückblick in meinem Vortrag also Sexismus. Das war 2010 und das war einigermaßen naiv von mir. Denn ich habe es nicht für notwendig gehalten, zu rechtfertigen, wie ich dazu kam, es so abzuändern.
Bereits im Jahr 2007 schrieb ich eine Hausarbeit über Männerbildung und stellte mir die Frage, in wieweit sie dazu geeignet sein könnte, einen Beitrag zur Geschlechterdemokratie zu leisten. Männerbildung ist deswegen interessant, weil sie zu einem übergroßen Teil darauf ausgelegt ist, Männer (noch) professioneller zu machen und ihre (berufliche) Macht zu erweitern. An Familienbildung nahmen Männer zumindest damals in einem verschwindend geringen Umfang teil.
Zentrales Ergebnis meiner Arbeit war es, dass die Männerbildung genau deswegen ein Schattendasein in der Erwachsenenbildung führte, weil stereotypes Handeln und sehr stereotype Angebote (Kurse zu „weichen“ Themen richteten sich auch bildlich vor allem an Frauen etc...) dem im Weg standen. Die Geschlechter konnten in dieser Aufteilung in einer Art zwei-Säulen-Modell beschrieben werden: Menschen sind Wesen, die einerseits ein „Erwerbs- und Berufs-Ich“ haben und andererseits ein „Soziales Ich“. Die traditionelle Geschlechterrollen-Aufteilung hat aber dazu geführt und sich teilweise in absurder Weise darin „perfektioniert“, diese beiden „Ichs“ auf die beiden Geschlechter zu verteilen. Der „Erwerbs (Arbeits-)Mann“ und der „Macht-Mann“ stemmen dabei die eine Säule. Das wird von Peter Döge als „hegemoniale Männlichkeit“ bezeichnet. Die andere Säule ist die „Hausfrau und Mutter“, die aber darüber hinaus auch alle sozialen Kontakte der Ehe, Partnerschaft oder Familie „managed“. Diese lange tradierte Verteilung von Aufgaben wirkt, so die These von Feminismus, Pädagogik und Soziologie, bis heute nach. Auch wenn sich vieles bereits gelockert hat: Heterosexualität als Norm gerät ins Wanken, Frauen gehen arbeiten und Männer nehmen Elternzeit (die einen mehr, die anderen weniger). Und so weiter.
Jahrtausendealte Tradition
Doch aus der Vogelperspektive betrachtet bleiben Unterschiede bestehen, die stereotypen Rollenzuweisungen nehmen nur langsam ab. Die Soziologen nennen dies die Makro-Ebene. Änderungen auf der Marko-Ebene brauchen nicht selten mehrere Generationen, vor allem, wenn die Tradition, die sich ändern soll, Jahrtausende zum Wachsen hatte. Auf der einen Seite stehen die wirtschaftlichen Realitäten, die offenkundig auch im Jahr 2012 Frauen noch benachteiligen. Der Gender Pay Gap ist bekannt. Die geringe Frauenquote in Führungspositionen ist bekannt. Der große Frauenanteil in den Niedriglohnjobs ist bekannt. Seltener thematisiert: Die andere Seite. Das Göttinger Institut für Männerbildung und Persönlichkeitsentwicklung, ein Pionier auf diesem Gebiet, hat die Dokumentation einer Tagung zu Männerbildung veröffentlicht, die beschreibt, dass ein häufiges Problem von Männern sei, „nicht mit ihrem Innern verbunden“ zu sein.
Und auch die Neurobiologie und die Bildungsforschung weisen darauf hin, dass kleine Jungen von Anfang an anderen Herausforderungen unterliegen, als Mädchen. Jungen haben weniger Kinderbücher und Hörkassetten (CDs) und Eltern lesen Jungen weniger vor. Gerald Hüther wies darauf hin, dass Jungen aufgrund ihrer neurologischen Disposition bei der Geburt mehr Liebe und Halt-bietende Orientierungsangebote benötigten, als Mädchen. Genau das aber wird Jungen eher verwehrt als Mädchen. Er stellt gleichzeitig als einer der wenigen Neurobiologen die biologische Determiniertheit von Geschlecht geschickt und überaus klug in Frage, wenn er nachbohrt: „Wie wird aus dem, was ein Mann werden könnte, schließlich das, wofür sich der Betreffende aufgrund seines Geschlechts hält?“ Hüther hebt damit das soziale Umfeld der Kinder als starken Einflussfaktor hervor und dass dieses ausschlaggebend für die spätere Entwicklung des Gehirnes sei. Doch stereotypes Denken und Handeln stehen dem diametral entgegen – wer es nicht glaubt, werfe einen Blick in einen typischen Spielwarenladen.
Diabolisierung des Anderen
Vor bereits vier Jahren, es war 2008, brachte Walter Hollstein eine lange und ausführliche rein männliche Sicht auf die Probleme mit den Geschlechterrollen-Stereotypen in einem Buch heraus, das ich damals auch rezensierte: Rückblickend betrachtet ist klar, warum es für mich in der Vorbereitung meines Vortrags über Sexismus im Netz keine Frage mehr sein konnte, die Definition auch auf Männer auszuweiten: Es ist auch hier genauso, wie mit dem *sehen* der Stereotype und der Abwertung gegenüber Frauen. Wenn man einmal diese „Brille“ aufgesetzt hat, kann man sie nicht mehr nicht sehen. Vor allem habe ich merklich folgenden Satz gefressen und werde ihn auch nie mehr los: „Die Idealisierung des eigenen Geschlechts und die Diabolisierung des je fremden [...] verhindert den wahren Blick auf das Andere. Das gilt für Männer wie für Frauen.[...]“. Der Feminismus, wie ich ihn vertrete, setzt hier an.
Ein starker Schub für diesen Ansatz kommt jüngst aus den USA, wo im The Guys Guide to Feminism von Michael Kaufman und Michael Kimmel unter Sexismus frei übersetzt steht: „Wie alle anderen „Ismen“ ist Sexismus eine Sammlung von Einstellungen – es ist ein Set von Vermutungen die beinhalten, dass ein Geschlecht besser und übergeordnet über das andere ist.“
Die beiden fokussieren auf die starke Institutionalisierung von Sexismus, die sich in Rechten und unterschiedlichen Möglichkeiten manifestieren, welche aufgebrochen werden müssen und sagen dazu: „Diesen Teil können Frauen nicht tun (ebenso wie es Schwarze nicht in einer Weißen-dominierten Gesellschaft tun können).“ Aber an diesem Punkt bleiben die Autoren nicht stehen, sie gehen noch einen Schritt weiter: „Es gibt einen weiteren Teil von Sexismus, er besteht in Vorurteilen über das (andere) Geschlecht, die auf Stereotypen basieren – selbst wenn man nicht glaubt, dass das eine Geschlecht dem anderen überlegen ist. Und auch wenn geschichtlich diese Stereotype vor allem Frauen betroffen haben, sollten wir betonen: Wir sind keine Fans von Stereotypen gegen Männer – dass wir natürlicher Weise gewalttätig(er) seien, nur Sex wöllten und dass wir inkompetent sind, wenn wir auf Babies aufpassen sollen. (…) All sexism sucks.“

http://www.freitag.de/autoren/katrin/auch-der-mann-wird-gemacht

Genderkolumne Feminismus leicht verständlich zu erklären, ist nicht so einfach. Nun stellen sich auch ein paar Männer dieser Aufgabe. Gut so!

Feminismus ist überaus kompliziert. Das kommt nicht nur daher, dass es unzählige feministische Strömungen und Ansichten gibt (die einander teilweise ergänzen, teilweise widersprechen). Sondern bereits der gemeinsame Nenner dieser Strömungen wird ausufernd. Denn was FeministInnen antreibt, umfasst nahezu alle gesellschaftlichen Bereiche.
Manchmal ist das schwer zu vermitteln. Denn der gemeine Mensch sehnt sich nach Komplexitätsreduktion. Das Gehirn ist so konstruiert, dass es in einer überkomplexen Welt nicht permanent reizüberflutet und überfordert ist: Es schafft sich Schubladen und reduziert die Komplexität damit so, dass das Leben mög-lichst einfach und die Dinge möglichst schnell erfasst sind. Schubladendenken hat also einen Sinn. Es bring aber auch einen Nachteil mit sich: stereotypes Denken. Und davon können FeministInnen wahrlich ein Lied singen.
Die Vorurteile gegen Feminismus kennen keine Grenzen. Manche finden das so mühsam, dass sie nach jahrelanger aufreibender Arbeit aufgeben und den Begriff fallen lassen. Sie finden es einfacher so. Die meisten aber glauben: Feminismus ist ein international bekannter und damit verbindender Begriff mit einer langen Tradition und Geschichte. Diesen Begriff aufzugeben, wäre ein zu schmerzhafter Verlust. Daher machen sie die Erklärbären. In Deutschland taten dies zum Beispiel die Autorinnen Meredith Haaf, Susanne Klingner und Barbara Streidl, die im Jahr 2008 das Buch Wir Alphamädchen – Warum Feminismus das Leben schöner macht herausgaben. Es war locker geschrieben, in der Wir-Form – aber: Es sprach vor allem junge (heterosexuelle) Frauen an.
Für Männer erklärt
Michael Kimmel, Michael Kaufmann und ein Blogger namens „Leptos“ legen jetzt nach: Feminismus für Männer erklärt – von Grund auf. Bislang leider nur auf Englisch, aber schauen wir es uns einmal an:
Da gibt es zum einen den Guys Guide to Feminism. Die beiden Autoren Michael Kimmel und Michael Kaufman haben sichtlich Spaß daran, die Erklärbären zu machen. Sie sagen klar: Egal, was andere unter dem Label verstehen, Feminismus ist relevant und zwar für Männer. Es sei ein Mythos, dass FeministInnen in Männern ihre Feinde sähen, nein: FeministInnen mögen Männer! Denn, so Kaufman/Kimmel: "Frauen, die vom Feminismus angesteckt sind, erwarten nicht nur von Männern, dass sie sich anständig benehmen, sie haben gleichzeitig ein tiefes Vertrauen in unsere Fähigkeit, dies zu tun."
Das klingt nett, aber das Buch ist nicht nur nett und heititei. Einerseits ist es berührend, wenn sie darlegen: "Feminismus ermuntert Frauen, durchsetzungsfähiger und selbstbewusster zu sein. Und Feminismus er-muntert Männer, mehr Gefühle zuzulassen und auszudrücken. Und je selbstsicherer Frauen werden, und je mehr Männer ihre Gefühle ausdrücken, tja – umso gleicher werden Männer und Frauen werden. Und umso fähiger werden sie, echte Freunde zu sein." Doch sie schweben nicht auf rosa Wölkchen durch den Femi-nismus, nein, sie beziehen zum Beispiel klar Stellung zu häuslicher Gewalt: "In Studien sehen wir: Wenn man breit auslegbar nach Gewalt fragt – wurden sie jemals von einem Partner geschlagen geschubst etc. – dann sind die Zahlen etwa gleich hoch bei beiden Geschlechtern. Aber wenn man fragt, ob die Gewalt dazu führte, dass die Person zu einem Arzt musste, auf Arbeit fehlte oder physischen Schaden nahm, dann gibt es in überwältigender Weise viel mehr Gewalt von Männern gegen Frauen.“
Sie thematisieren Rassismus, Intersektionalität, Pornografie, Sex, Biologismen. Sie entzaubern auch das Testosteron: "Nehmen wir zwei Typen mit unterschiedlichen T-Levels [Testosteron] (alle anderen Merk-male sind gleich). Der mit dem höheren T-Level wird den anderen im Wettkampf schlagen. Aber nimm’ zwei Kerle, die gleiche T-Prüfmaße haben und dann einen Wettkampf führen: Der T-Level des Siegers wird hoch gehen und der des Verlierers runter." Kaufman und Kimmel bestätigen die Vermutung, dass bei den Hormonen der Ursache-Wirkungs-Zusammenhang bislang von den meisten Biologen nicht wirklich genau untersucht wurde.
Bei den beiden Erklärbären mit den gleichen Initialen (die sich im Buch deswegen häufig MK² nennen) ist Respekt der Rote Faden. "Hört respektvoll zu, aber erwartet auch Respekt für eure eigene Integrität und eure Ideen." Mit dem Guy's Guide to Feminism haben sie einen kleinen Meilenstein gelegt: Liebevoll, rücksichtsvoll und humorvoll machen die Beiden die Erklärbären.
Nicht konsequent respektvoll
Der Blogbeitrag Feminism for Dudes (from a dude) von „Leptos“ in seinem Blog Player vs. Frustration begeisterte viele FeministInnen auf Anhieb und fand recht große Verbreitung zum Beispiel auf Twitter. Sinngemäß geht der Text in etwa so: "Jeder Junge, der sich für Feminismus interessiert, geht ungefähr durch den gleichen Prozess der Erkenntnis und stellt auf jeder Stufe dabei Fragen, die FeministInnen ner-ven. Und weil wirklich JEDER nette Junge, der sich für Feminismus interessiert, diese Stufen durchmacht, habe ich sie mal hier aufgeschrieben und bitte euch, vorher nachzudenken, bevor ihr fragt.“
Dann zählt Leptos die Stufen auf: Erstens lerne jeder dieser Jungs, dass es Privilegien gäbe und dann däch-ten sie: Privilegien sind doch nicht wirklich der Punkt. Frauen haben doch auch Vorteile. Seine Antwort: Privilegien spielen eine große Rolle und das muss man akzeptieren. Zweitens würden Jungs dann irgendwann akzeptieren, dass es zwar Privilegien gibt und sie eine Rolle spielen, würden dann aber ihre Wirkungskraft herunterspielen. Oder relativieren. Dazu sagt er klar: Akzeptiert, dass es weiterhin ein sehr großes Problem ist und noch viel daran gearbeitet werden muss.
Die dritte Stufe sei dann, die Frage nach den Männern zu stellen und ob der Feminismus diese nicht benachteiligen wolle. Oder unter Generalverdacht stelle. Dazu sagt er: Wenn Frauen kritisieren, was viele Männer tun – dann bitte sag dir immer wieder: ES GEHT HIER NICHT UM DICH. Viertens sei der Feminismus nicht dazu da, Männer happy zu machen. Sich nicht immer wohlzufühlen, wenn FeministInnen Sexismen ansprächen, sei normal. Das müsse man akzeptieren. Zum Schluss spricht er das „Ton-Argument“ an. Also das Kritisieren eines rauen oder angreifenden Tons von FeministInnen. Wieder erklärt er: „ES GEHT NICHT UM DICH“ und besteht darauf, dass zwar manchmal ein diplomatischer Ton besser sei, doch dass es nicht den Jungs zustünde für die FeministInnen zu entscheiden, wann diese Zeit sei.
Je weiter er schreibt, desto weniger respektvoll bleibt er gegenüber den Jungs, die gerade in das Verständnis des Feminismus einsteigen wollen. Problematisch ist zum Beispiel die Aussage: "Wenn deine Wut dazu führt, dass du dich unwohl fühlst, frag dich selbst: Fühlst du dich unwohl, weil du denkst: worüber sie redet, das gibt es gar nicht. Oder weil du denkst: sie spricht über dich und ärgert sich über dich? Wenn es das erste ist, liegst du vermutlich falsch. Wenn es das zweite ist, dann hör auf, das zu tun, was du getan hast und was sie kritisiert!"
Potentiell wird damit Kritik unmöglich. Außerdem ist es so verallgemeinernd formuliert, dass es Femins-tInnen wirklich auf ein Podest der Weisheit stellt, das kaum zulässt, kritisiert oder hinterfragt zu werden. Das kann schlimmstenfalls eher abschreckend als einladend wirken. Schade eigentlich, denn die Idee ist ja prima. Kaufman und Kimmel sind mit ihrem Respekt konsequenter, das ist der große Gewinn am Guy's Guide. Als Einstieg oder Weiterbildung für Männer daher ohne Abstriche zu empfehlen.
Oder Moment: Ein kleines Manko hat es vielleicht: Man(n) erfährt hier überhaupt nichts über innerfeministische Spaltungen und Differenzen. Es geht um das große Ganze und die gemeinsame Basis von allen. Aber mal ehrlich: Das ist eigentlich kein Manko – sondern nur ein weiteres großes Plus an diesem Buch.

http://www.freitag.de/autoren/katrin/die-erklaerbaeren

Wenn Deutschland gegen Italien spielt, werden viele Menschen vor dem Fernseher sitzen, von denen ich weiß, dass sie Fußball eigentlich uninteressant finden. Für mich ist das ein Hinweis darauf, dass der Hype sehr sehr groß ist: Während des Spiels wird es vermutlich wieder Feuerwerk über meiner Stadt geben. Vuvuzelas werden erklingen (und das Wort „Vuvuzela“ wird nicht einmal von meiner Rechtschreibkorrektur moniert – im Gegensatz zu „Hype“). Die Menschen über meiner Wohnung werden wieder laut auf-springen und brüllen. Menschen, die ich sonst nur durch Klavierspielen höre. Alle schauen Fußball. Män-nerfußball. Selbst ich habe mir drei Spiele angesehen, obwohl ich eigentlich keine bin, die Sport gerne im Fernsehen schaut.
Was mich aber interessiert, ist die Gender-Frage hinter diesem Phänomen. Denn Feminismus, wie er in der Encyclopedia Britannica definiert wird, ist: "the belief in the social, economic, and political equality of the sexes", also "der Glaube an die soziale, ökonomische und politische Gleichheit der Geschlechter". Ungleicher als beim Fußball geht nur schwer.
Davo leben kann keine
Ökonomisch ist der Frauenfußball jenseits der WM kaum interessant, während die Kassen nicht nur zur "Männer-EM" klingeln, klingeln, klingeln. Sportpolitisch wird in Sachen Frauenfußball kein dringender Handlungsbedarf formuliert – obwohl er besteht. Zudem gibt es einen eklatanten Geschlechter-Bias in der Frage der Inszenierung. Was ich dieser Tage beobachte ist ein stark männlich orientiertes Fan-Verhalten. Knallen, saufen, gröhlen. Ist nicht böse gemeint Jungs: Aber ich kenne nicht wenige Frauen, die beim Stadion-Besuch während der Frauen-WM 2011 irre überrascht waren – und zwar im positiven Sinn – wie angenehm und zivilisiert dort gefeiert wurde. Eben anders.
Nach der WM ist vor der WM – zumindest im Frauenfußball, wie der Film Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer, den die Band Maiden Monsters für das Gunda-Werner-Institut gedreht hat, zeigt.
Dort berichten Frauen, wie schwierig es für „Bundesliga-Profis“ ist, Fußball und Leben zu vereinen. Denn davon leben kann eigentlich keine. Am besten vergleichen sich die Damen erst gar nicht mit ihren männlichen Kollegen – denn das würde wohl extrem verbittern. Kaum auszudenken, was für einen Fußball die spielen könnten, wenn sie nur das tun bräuchten!
Die Misere des Frauenfußballs verläuft auf drei verschiedenen Ebenen: Erstens fördern die Sportvereine, wie zum Beispiel der Dortmunder Bundesliga-Meister, den Frauenfußball so gut wie gar nicht. Das ist den deutschen Medien aber keinen Skandal wert. Womit wir bei Problem Nummer zwei wären: Es hapert deutlich an der Inszenierung. 2011 ist diese wunderbar geglückt. Alle haben mitgemacht und an einem Strang gezogen.
Denn man roch das winkende Geld – und die Investitionen haben sich auch tatsächlich gelohnt. Die Quoten waren ein Traum: 17,01 Millionen Zuschauer hingen beim Spiel gegen Japan vor der Glotze. Das Eröffnungsspiel gegen Kanada erreichte mit 60,1 Prozent den höchsten Marktwert – unglaublich! Von solch einer gelungenen Inszenierung hängt viel ab. Sie fortzusetzen wäre unabdingbar für einen Fortschritt im Frauenfußball.
Männliche Hegemonie
Doch wer inszeniert denn so einen Sport? Es ist ein Vielklang aus DFB, Medien, teilweise auch Politik und letztendlich auch der Wirtschaft mit ihrem Marketing. Dass es beispielsweise während der WM 2011 ein Panini-Album gab war das erste Mal bei einer Frauen-Meisterschaft und darf in seiner Auswirkung und Kraft nicht unterschätzt werden. Ein gelungener Hype setzt nämlich im Gehirn der Menschen, höchstwahrscheinlich im Belohnungszentrum an: Je mehr kleine Belohnungsmomente rund um das Event geschaffen werden (und auch wenn es lächerlich klingt, aber Sammelerfolg ist ein großer Belohnungsmoment), desto größer wird der Hype.
Aber jetzt, ein Jahr später, sind wir leider im gleichen Schneckentempo angekommen, das wir schon zuvor hatten. Da stellt sich für mich eigentlich nur die Frage: Na und? Warum sollten wir Frauen, wir FeministInnen, wir GesellschaftskritikerInnen, Fußball wichtig nehmen? Wir könnten doch einfach ganz verächtlich schauen – Gründe werden uns dieser Tage doch genug geliefert: Man führt uns zum wiederholten Male die männliche Hegemonie vor. Die Politik nutzt das Event, um sich gesund zu stoßen. Immer wieder tauchen Skandale um Wetten auf. Unkritische Betrachtungen und Berichte sind die Regel – inklusive des Outing-Verbots für schwule Spieler. Muss man sich dieses „System Fußball“ wirklich antun? Kommerz, Heteronormativität, Krawall und Intrigen?
Ich finde: Ja – aber dabei muss man ja nicht unkritisch werden, wie verschiedene Einwürfe zur WM 2011 gezeigt haben. Professor Dr. Claudia Kugelmann ist Sportpädagogin und leidenschaftliche Befürworterin des Ernstnehmens des Frauenfußballs als Chance: Sichtbarkeit. Macht. Teilhabe. Das sind die drei zentra-len Gewinne, die ihrer Ansicht nach hier zu holen sind. Für mich ein Déjà-Vu: Das sind ja die gleichen Gründe, aus denen ich dafür plädiere, dass Frauen sich diese Digitale Gesellschaft zur Heimat machen sollen!
Eingerostete Akteure
Oder Frauen in diese ekelhafte Politik – die gleichen Gründe! Was aber tun? Wie soll das gehen? - Vorbilder! Sagt Kugelmann und ja genau: Das sage ich ja auch immer. Denn letztendlich liegt der politische, der ökonomische und auch der soziale Hund beim Frauenfußball genau da begraben, wo er immer liegt: Bei schrecklichen Stereotypen. Das Ringen um Anerkennung gelingt durch Vorbilder. Wir haben Jahrzehnte lang eingeübt, als „richtigen, echten Fußball, wie er sich gehört“ den Männerfußball zu sehen. „Es rührt sich einiges in Deutschland,“ hört man. Und erste Vorbilder erscheinen am Horizont, zum Beispiel Steffi Jones. Doch ich bleibe bei meiner eher verhaltenen Diagnose von vor einem Jahr: Die Akteure die wir brauchen sind noch zu starr und eingerostet, als dass sich wirklich, und nachhaltig, auf absehbare Zeit etwas ändern könnte. Ich lasse mich natürlich gerne vom Gegenteil überraschen.

http://www.freitag.de/autoren/katrin/kickt-und-inszeniert-euch-frauen


Männerrechtler ernst nehmen und handeln
Männer haben es sehr schwer. Und der Feminismus geht langsam zu weit. So könnte man knapp und kurz die Aussagen diverser Männer-Rechtsgruppen und -vereine zusammenfassen, die mehr und mehr ihre Perspektiven auf die Geschlechter-Konflikte in den öffentlichen Me-dien zu platzieren wissen. Auch im feministischen Blog maedchenmannschaft.net treten die Männerstimmen, die dem Feminismus Männerfeindlichkeit unterstellen, seit Anfang an immer wieder lauthals zutage. Als ich im Jahr 2008 anfing, dort mit zu schreiben und zu bloggen, wusste ich anfangs nicht ganz genau, wie ich mit diesen Menschen umgehen sollte. Als Studentin der Pädagogik und mit einem eher positiven Menschenbild ausgestattet, war und ist es mir prinzipiell stets ein Anliegen, zunächst alle Menschen und ihre Sorgen ernst zu nehmen. Auch wenn andere Blogger_innen das anders sehen, so hat sich für mich an dieser Grundüberzeugung bis heute nichts geändert: Die Männerrechtler sollten ernst genommen werden. Die von ihnen aufgeworfene Kritik am Feminismus ebenso. Sie sollte in die tägliche Arbeit von feministischen Politiker_innen und von Meinungsmacher_innen eingebunden werden – so gut das eben geht, ohne die eigenen Ziele zu verlassen. Ich finde es grundsätzlich mehr als schwierig, an andere die Erwartung zu richten ernst genommen zu werden, wenn ich selbst nicht ernst nehme. Wer die Probleme heutiger Jungen, die in der Tat auf den ersten Blick in unserem Bildungssystem strukturell benachteiligt werden, klein redet und wer nicht erkennt, dass es menschenrechtswidrig ist, wenn Vätern ohne triftige Gründe der Umgang mit ihren Kindern verwehrt wird – beides Hauptthemen heutiger Männerrechtler – der kann von ande-ren nicht erwarten, dass sie sich für die strukturelle Benachteiligung von Frauen in der heuti-gen Gesellschaft interessieren.
Das Grüne Männermanifest, das für viel Furore sorgte, geht daher absolut in die richtige Richtung. Es zeigt, dass es einen Feminismus geben kann, der nicht blind für die Belange von Männern ist.
Im Jahr 2000 veröffentlichten der Stern unter dem Aufmacher „Jungs – das schwache Geschlecht“ und zwei Jahre später der Spiegel mit dem Titel „Schlaue Mädchen, dumme Jungen“ als die ersten beiden großen Wochenzeitschriften Artikel mit der These, dass Jungen in der Schule von den Mädchen überholt würden. Diese These wird seither in den Medien stetig reproduziert, auch der Bundestag beschäftigte sich mit der „Verbesserung der Zukunftsperspektiven von Jungen“, wie eine kleine Anfrage der CDU-Fraktion im Jahre 2004 lautete. Und die seit 2009 amtierende Bundesfamilienministerin Kristina Schröder trat mit der Ankündigung an, endlich auch einmal eine gesonderte Jungen- und Männerpolitik machen zu wollen. Dabei gibt es gerade in Hinsicht auf die Bildungsbenachteiligung qua Geschlecht im-mer noch mehr offene Fragen als Antworten. Wie verstärkt das Schulsystem die missliche Lage der Geschlechter in der Schule? Wie verändern negative Verhaltens- und Leistungser-wartungen das Selbstkonzept von Jungen und Mädchen? Wie kann ein Unterricht aussehen, der sich an den Interessen der Jungen orientiert, ohne aber die der Mädchen zu vernachlässigen und umgekehrt? Was könnte eine Reform des Schulsystems zur Veränderung der Lage von Jungen und Mädchen in den Schulen beitragen? Wie sollen Lehrer_innen in der Schule Geschlecht thematisieren, ohne es zu dramatisieren? Das sind die bildungspolitisch drängenden Fragen. Sie werden von den Journalisten und Autoren der medienwirksamen Panik-Artikel jedoch sehr selten gestellt. Und noch viel weniger beantwortet.
Stattdessen werden immer wieder die alten Rollen-Stereotype Jungen / Mädchen – Männer / Frauen ungefragt reproduziert. Jungen werden von den meist weiblichen Erzieher_innen zu sehr gebremst – heißt es da oft. Dass Mädchen und Jungen sich innerhalb ihrer eigenen Geschlechtsgruppen deutlich stärker in ihren Charaktereigenschaften und Verhaltensweisen un-terscheiden als die Geschlechter sich unterscheiden, das wird bis heute von den meisten Jour-nalisten und Politikern nicht berücksichtigt.
Auch Veranstaltungen wie der Männerkongress 2009 in Düsseldorf, die in ihrem Titel die Frage stellen, ob neue Männer sein müssen (oder nicht?) und wie Männer mit Gefühlen umgehen, zeigen nur, dass die Männer ratlos sind. Was für ein Bild von Männlichkeit soll man heute leben? Die starren Rollen sind teilweise aufgebrochen und wirken für viele nicht mehr lukrativ. Doch belohnt wird man als Mann doch immer noch, wenn man kämpferisch und rücksichtslos, aggressiv und hart ist – oder? Gibt es eine „testosterongesteuerte Natur“ des Mannes? Immer mehr Männer stellen diese hegemoniale Männlichkeit selbst in Frage. Sie wollen anders leben. Mehr Life, weniger Work zum Beispiel. Sie wollen ebenbürtige Frauen.
In der Wissenschaft nimmt die Frage nach der tatsächlichen Unterschiedlichkeit der Geschlechter Einzug. Die Gender Studies haben es sich auf die Fahne geschrieben, zu untersu-chen, was konstruiert ist und was tatsächliche natürliche Unterschiede sind. Leider gelten Gender Studies bei vielen als typisches Fach von realitätsfernen Extremisten. Kaum ein Me-dium oder Politiker nimmt es wirklich ernst, was hier in harter wissenschaftlicher Auseinandersetzung herausgefunden wird. Zum Beispiel, dass viel stärker als bislang angenommen, die Sozialisation und nicht die Gene beeinflussen wie stark Kinder zu typischen Mädchen oder typischen Jungen werden. Die Studien dieser interdisziplinären Wissenschaft ernst zu nehmen und in der täglichen Politik zu berücksichtigen wäre ein erster wichtiger Schritt. Daraus folgen müssten eine neue Arbeitsteilung der Geschlechter in Politik, Wirtschaft, Familie und Sozialleben. Robert Habeck hat als prominenter Grüner Vater die Väterthematik in einer brei-ten Medienöffentlichkeit auf den Tisch gebracht. Walter Hollstein, der mit seinen Büchern „Geschlechterdemokratie“ und „was vom Manne übrig blieb“ . von Männerrechtlern und Feminist_innen gleichermaßen beachtet und respektiert, nimmt das Miteinander der Geschlechter in der Gesellschaft unter die Lupe – vor allem auch die Männer. Familienministerin Schröder liegt auch richtig mit ihrer grundsätzlichen Orientierung an den Belangen von modernen Männern. Das Problem ist leider, dass sie sonst für eine sehr konservative Politik steht. Progressive feministische Forderungen wie die nach einer Frauen-Quote in der Wirtschaft, sind ihr ein Graus. Auch sieht sie Frauen nach wie vor zuvorderst in der Mutter-Rolle denn in einer eigenständigen beruflichen Karriere. Doch sie und ihre Vorgängerin Ursula von der Leyen stehen dennoch für einen Paradigmenwechsel auch in konservativen Köpfen.
All diese Entwicklungen sind Anfänge. Anfänge, die auch dazu führen können, dass die ins Stocken geratene Frauenbewegung neuen Schwung aufnehmen kann. Denn seien wir ehrlich: Es ist immer noch mit sehr vielen Nachteilen verbunden, eine Frau zu sein – auch wenn dar-über nicht mehr so viel geredet wird wie über arme Jungen. Und es ist gerade die fehlende Emanzipation der Männer, die uns einen nötigen Schub verpassen könnte. Vorausgesetzt, man schafft es die Debatte so zu führen, dass das eine nicht gegen das andere ausgespielt wird.
Katrin Rönicke ist Autorin des Freitag. Sie vertritt in der Redaktion der ‘Mädchenmannschaft’ den sogenannten “Alphamädchen-Feminismus”. Eines ihrer Lieblingsthemen ist dabei die Rolle der Männer in der Geschlechterdemokratie. Katrin ist Stipendiatin der Heinrich-Böll-Stiftung und war jahrelang aktiv in der Grünen Jugend, zuletzt im Bundesvorstand.

http://www.freitag.de/autoren/katrin/manner-emanzipiert-euch

--
Die ultimative Dienstleistungsoffensive des Antifeminismus

Ein bisschen Frauenhass steht jedem Mann!

wikimannia statt femipedia

Liste Femanzen Katrin Rönicke b.

Oberkellner @, Saturday, 25.05.2013, 09:35 (vor 4006 Tagen) @ Oberkellner

Wenn ich diesen Begriff schreibe, dann fällt zuallererst ins Auge, dass „die weibliche Scham“ zwei unter-schiedliche Bedeutungen annimmt. Einerseits verweist das Substantiv von „sich schämen“ auf einen Zu-stand – ein Gefühl. Andererseits verweist es auf eine Körperregion: Den sogenannten „Schambereich“. Hallo? Das ist unsere VULVA! Was hat denn das mit Scham zu tun? Bei Männern heißt das Gebamsel untenrum übrigens einfach „Genitalbereich“ – während selbst in etablierten Lexika, genauso wie in der freien Online-Enzyklopädie bei Frauen von der „Scham“ die Rede ist. Denken Sie mal darüber nach.
Um zu unterstreichen, welche Nervenbahnen ich mit meinen kleinen Einwürfen in dieser Kolumne gerne kitzeln würde, möchte ich ein sehr junges Beispiel aus meinem Alltag schildern. Dafür muss ich mich ganz schön zusammennehmen, denn das zentrale Thema dieser Kolumne – sich schämende Frauen – trifft mich natürlich auch. Aber was nützt es? Im Sinne des gesamtgesellschaftlichen Diskurses springe ich über mei-nen Schatten:
Es geht um einen Scheidenpilz. Oho! Ja, ich weiß, es ist Ostern, der Papst hält Ansprachen und das ist jetzt ein bisschen viel für Sie. Außerdem kennen Sie vielleicht den komischen Spruch aus ihrer Kindheit oder Jugend: „Wenn Mädchen pupsen, kommen Schmetterlinge raus“ ? Denn Kacken, pupsen, Urinieren und – ja: Genitalpilze – das sind halt doch nicht so die Dinge, die man gerne mit diesen reinen und schönen Wesen, den Frauen, in Zusammenhang bringen will.
Erröten in der Apotheke
Also ich eben so mit diesem Scheidenpilz. Arzt, Rezept, Apotheke – alles kein Ding. Da mein Arzt mir noch sogenannte Milchsäure-Zäpfchen empfohlen hatte, fragte ich auch danach bei der jungen und hüb-schen Apothekerin (ich weiß nicht, inwieweit die Information „jung und hübsch“ in diesem Zusammen-hang relevant ist – entscheiden Sie bitte selbst; aber sie hatte ein sehr gepflegtes und irgendwie glattes Äußeres): „Haben Sie Milchsäure-Zäpfchen?“ – Erstaunter Blick. Leichtes Erröten. Nach einer kurzen Pause, in der sie offensichtlich nachdachte, wie sie es sagen soll, fragte sie: „Sie meinen, für die FRAU?!“ – damit machte sie mich ein wenig sprachlos. Ich meinte ja schließlich diese Zäpfchen, die man sich in die Vagina steckt, und nein – nicht für die Frau, sondern gegen Scheidenpilz Herrgott! Aber ich wollte die gute Frau nicht restlos im Boden versinken lassen, sagte also ja. Denn verstanden hatte ich sie ja.
Können Sie mir folgen? Oder finden Sie vielleicht, ich übertreibe?
Tracy Clark-Flory greift das Thema in Salon auf und betrachtet den Effekt, den es hat, wenn die Sexspielzeuge von Frauen unbeabsichtigt in die Öffentlichkeit gelangen – so klein diese auch sein mag. Da ist zum einen der Hund, der einen Dildo im Garten versteckt. Oder der Vibrator, der bei einem Notfall von Feuerwehrleuten entdeckt wird – solcherlei Geschichten sind bei Salon zu lesen. Clark-Flory hält fest: „Vibrators, like tampons, stand out among women's most-dreaded scenarios of public humiliation.” Ist das bei Männern auch so? Ich frage ganz offen. Weil mich das wirklich interessiert.
Das Handtuch des Balthazar
Lassen Sie mich ein letztes Beispiel anführen, und dann mache ich auch wirklich Schluss: In meiner Jugend gab es einen Jungen, Balthazar. Der war unglaublich wild und seine Hormone gingen ziemlich mit ihm durch. Für meinen Geschmack kam er sich selbst ein bisschen zu geil vor – aber eine nicht unerhebliche Zahl von Mädchen schwärmte sehr für ihn, und die meisten Jungs nahmen ihn sich als Vorbild, was die Perfektion von Vulgärsprache angeht. Balthazar wusste genau, wie er die Schmetterlinge-pupsenden Mädchen zum quieken bringen konnte: er holte sein Handtuch. Ja genau: DAS Handtuch. Es war eigentlich kein Handtuch mehr – eher so ein Prügel, als hätte man ein Handtuch in Beton gebadet. Ich habe nie wieder jemanden seine Selbstbefriedigung so zelebrieren sehen, wie ihn. Während Balthazar sich damit das Maximum an Respekt verschaffte, sah die Lage bei uns Mädchen ganz anders aus. Zufällig war ich mit Balthazars damaliger Freundin eng befreundet, Franzi. Sie war wunderschön, unglaublich stylisch und so trendsicher wie keine sonst. Genauso wie die junge hübsche Apothekerin war Franzi glatt. In einem dieser intimen Gespräche zwischen 13-jährigen Mädchen kam es auf das Thema Selbstbefriedigung. Es war eine dieser „Etwa-Fragen“, und sie ging aus von Franzi: „Ihr befriedigt euch doch nicht etwa selbst?!“ – verstehen Sie: Etwa. Keine andere Antwort außer einem entrüsteten „nein! Um Gottes Willen!“ kam in Frage. Das ist so eines dieser inkludierenden Rituale gewesen.
Emma, eine andere Klassenkameradin, wurde sodenn auch radikal exkludiert und zur persona non grata erklärt, als Franzi und ihre Schleppenträgerinnen das Gerücht in die Welt hauten, im Schullandheim habe Emma sich heimlich selbstbefriedigt.
Ich steige jetzt einmal auf mein „feministisches Hohes Ross“ – wie Tracy Clark-Flory es am Ende ihrer Kolumne auch so wunderbar ausdrückt – und behaupte, dass all das kein Zufall sein kann! Dass die Vulva „Scham“ genannt wird; dass Labien „Schamlippen“ sind; dass ein Mittel gegen Scheidenpilz mir in der Apotheke als ein Medikament für die Frau feilgeboten wird; dass Sextoys von Frauen diesen „Busted!“-Effekt haben; dass Jungen vor 15 Jahren ihre Onanie zelebrierten, während Mädchen sich damit gegenseitig diskreditierten.
Her mit allen Sinnen!
Umso wichtiger sind solche Bücher wie Sex – so machen’s die Frauen von Melinda Gallagher und Emily Kramer, das Tabus auf liebe- und lustvolle Art und Weise bricht. Indem Frauen von ihren ersten Masturbationserfahrungen und -techniken erzählen, wird scheinbar "Verbotenes" normalisiert und entdramatisiert. Diese Philosophie zieht sich durch das gesamte Buch. Weg mit der Scham, her mit der Lust! Weg mit den drei Affen (nichts sehen, nichts hören, nichts sagen), her mit allen Sinnen und her mit den richtigen Worten, um dem Partner zu sagen, was einem gefällt (und was nicht)!

http://www.freitag.de/autoren/katrin/scham-dich

Das Y-Chromosom hat nicht die Ho-sen an

Kindeserziehung Der Sohn unser Kolumnistin hat sich einen Rock ausgesucht. Als Feministin sollte sie das freuen. Aber so einfach ist das nicht mit der geschlechtersensiblen Erziehung
Tatsächlich wächst Leo seit eh und je zumindest von unserer Seite ohne geschlechtsspezifische soziale Vorgaben auf. Ich kenne viele Menschen, die fest glauben, dass Jungen von Natur aus am liebsten mit Autos spielen, aggressiver sind und nicht so gerne malen, wohingegen Mädchen sich gerne kümmern, sozialer sind und rosa brauchen. "Alles in den Genen." Für mich sind das Märchen.
Deswegen lasse ich beiden Kindern ihre Freiräume, in denen sie sich einfach entwickeln können, wie es ihnen passt. Das Gute ist, dass ich mit einem Jungen und einem Mädchen gesegnet bin. "Du und dein kleines Gender-Experiment", sagt mein Mann immer schmunzelnd, wenn ich mich darüber freue, weil ich so an den beiden ausprobieren kann, ob und wie geschlechtersensible oder "-neutrale" Erziehung funktioniert.
Die gläserne Grundschul-Wand
Trotzdem war mir extrem mulmig zumute, als sich mein Sohn zum Geburtstag diesen Rock wünschte. Ein schöner Rock, den er sich in einem Katalog ausgesucht hatte. Er hat kräftige Farben, lila und pink, schöne Orient-Verzierungen und schicke Stufen. Eine wirklich gute Wahl. Doch ich hatte tatsächlich richtig Angst. Sätze wie "und was, wenn die anderen Kinder lachen?" sausten durch meinen Kopf und ich hatte den inneren Drang, mein geliebtes Kind vor der Bosheit anderer Kinder zu schützen, indem ich seinen Wusch vielleicht am besten ignorierte. Und das mir! Wo ich doch jetzt mit meinem "kleinen Genderexperiment" an eine entscheidende Stelle gekommen war: Der "Sieg" könnte mein sein! Auf dem Y-Chromosom sind keine Anti-Röcke- und keine Dunkelblau-Gene.
Manchmal aber ist auch die überzeugteste Feministin einfach nur eine Mutter, die ihr Kind vor der Schlechtheit der Welt bewahren will. Oder anders gesagt: So skrupellos bin ich nicht, dass ich nur wegen meiner Überzeugungen mein Kind in sein seelisches Unglück und in eine Außenseiterrolle stürzen würde.
Was mir wohl sehr im Nacken sitzt, wenn ich mich so feige verhalte, ist eine Kindheitserinnerung aus der Grundschulzeit: In meiner Klasse gab es einen Jungen, der hieß Stephan (Kindernamen geändert). In dem konservativen Dorf, in dem ich lebte, galten rigide Geschlechternormen. Eine für mich bis dahin unbekannte gläserne Wand (ich hatte bis zum Grundschuleintritt in einem Dorf in der DDR gelebt und nur mit Jungen gespielt) trennte sauber die Sphären der Weiblichkeit und der Männlichkeit und legte entsprechend unverrückbare Codes fest.
Wir waren grausam
Stephans Eltern hielten sich aber nicht an die Codes. Sie zogen ihm rosa Pullover an und er spielte mit Puppen. Er hatte in seinem Wesen so gar nichts gemein mit den anderen wilden, wetteifernden und teils aggressiven Jungen in der Klasse. Alles an ihm war "falsch" codiert, zumindest in den Kategorien der dortigen Geschlechterordnung. Natürlich war er ein absoluter Außenseiter. Nicht einen Freund hatte er in der Klasse. Mich natürlich auch nicht, denn ich gierte in dieser Zeit nahezu nach sozialer Integration und kam nicht auf die Idee, mich mit dem Underdog gleichzustellen. Ich passte mich mühevoll in die geschlechtergetrennte Welt ein, was mir mal mehr, mal weniger gut gelang.
Irgendwann kam ein Gerücht auf, an dem auch einige Eltern mitstrickten: Stephans Eltern hätten sich eigentlich ein Mädchen gewünscht und deswegen ihren Sohn wie eines ange- und erzogen. Allgemeines Kopfschütteln über so wenig elterliche Kompetenz war die Folge. Wie konnten sie ihr Kind nur so missbrauchen? Sahen sie denn nicht, wie schlecht es ihm damit ging? Auf die Idee, dass es Stephan nicht wegen seines Verhaltens und seiner Anziehsachen schlecht ging, sondern wegen unserer ausgrenzenden und diskriminierenden – ja: totalitären Ideologie, kamen wir und unsere Eltern natürlich nicht.
Bis heute muss ich oft daran denken, wie wir Kinder mit Stephan umgegangen sind, wie grausam wir waren und dass ich nichts davon infrage gestellt hatte. Das Beispiel dieses Jungen ist für mich der Beweis, dass es in der Kindererziehung manchmal nicht darum geht, moralisch Recht zu haben, sondern um ein sensibles Gleichgewicht zwischen den eigenen Überzeugungen und der sozialen Integration der Kinder. Anders gesagt: Ich würde nie zulassen, dass es meinem Sohn so ergeht, wie es Stephan in unserer Grund-schulklasse erging.
Kompliment!
"Den finde ich so schön!", hatte Leo aber gesagt, als er den Rock im Katalog erblickte. Seine Augen leuchteten ein bisschen. Ja, er war wirklich schön. Und ich würde das schon geregelt bekommen, dass er auch mit eventuellen Hänseleien zurecht käme. Also bestellte ich den Rock und letzte Woche trug er ihn dann auch zum ersten Mal in der Kita. Alle empfingen ihn fröhlich und machten ihm Komplimente. Und ich beruhigte mich ein wenig.
Am selben Abend fand ein Elternabend statt. Eine andere Mutter nahm mich zur Seite: "Ich wollte mal was wegen Leos Rock sagen", begann sie, und ich spannte mich innerlich an, bereit ihr einen Vortrag über Geschlechtersozialisation zu halten und sie ernsthaft zu fragen, wie sie es sich eigentlich anmaßen könne, so kleine Kinder schon in derart blöde Rollenschubladen zu stecken. "Ich war wirklich total froh, als er heute damit ankam", fuhr sie fort. "Der Martin zieht auch so gerne Kleider von seiner großen Schwester an und liebt Glitzerspängchen und rosa Anziehsachen. Ich finde das total toll, dass der Leo auch so etwas anzieht."

http://www.freitag.de/autoren/katrin/das-y-chromosom-hat-nicht-die-hosen-an

Wir mögen Männer!
Männerfeindinnen Angeblich verachten und hassen Feministinnen Männer. Genau das Gegenteil ist der Fall: Die wahren Männerfeindinnen verstecken sich in guten alten Geschlechterstereotypen
Ja, auch eine Feministin kann Männer ganz schön lieben. Mehr noch: eine Studie der University of Hou-ston hat herausgefunden: „Contrary to popular beliefs, feminists reported lower levels of hostility toward men than did nonfeminists.” Ha! Feministinnen wie Jessica Valenti, ‚Stadtpiratin‘ Eva Ricarda und die Mädchenmannschaft freut so eine Bestätigung natürlich sehr! Denn die Vorurteile gegenüber feministisch eingestellten Menschen sind gerade in Bezug auf Männerfeindlichkeit unerschöpflich. Das "Feindbild Mann" als ewiger und nicht überwindbarer Bestandteil wird dem Feminismus bis heute in jeder einzelnen Debatte immer wieder unterstellt – nicht darauf achtend, dass es gerade FeministInnen waren und sind, die sich vehement gegen Geschlechtsrollen-Stereotype stellen und damit gegen jegliche Deklassierung von Menschen qua Geschlecht. Tatsächlich finden sich männerfeindliche Tendenzen vor allem in Köpfen und Denkmustern, die von traditionellen Männerbildern geprägt sind: Der aggressive, testosterongesteuerte Mann, der wenig einfühlsam oder zärtlich ist etc..
Ein schönes Beispiel ist das Buch 111 Gründe, Männer zu lieben, das mir vor einiger Zeit in die Hände kam (ich hatte es zur Besprechung beim Verlag Schwarzkopf bestellt) und mit dem ich seit Monaten hadere, was daraus zu machen sei. Der Titel und die Werbung dafür hatten meine Aufmerksamkeit erregt, denn mir ist es immer wichtig, als Feministin nicht einseitig gegen ein Feindbild Mann zu kämpfen, sondern zur Überwindung des Kampfes der Geschlechter einen Beitrag zu leisten. Denn leider leben wir immer noch in einer Gesellschaft, die sich an der Geschlechter-Kategorie spaltet wie eh und je: Starke Normierung von Geschlechterrollen und Geschlechtscharakteren und daraus resultierende strukturelle Unterschiede und Nachteile bleiben ein umkämpftes Dauerthema.
Autor und Männerforscher Walter Hollstein geht in seinem Buch Was vom Manne übrig blieb sogar so weit, zu behaupten, der Grund, warum 2/3 aller Scheidungen von Frauen eingereicht würden sei der, dass es in den meisten Ehen immer noch kein Zusammen der Geschlechter gäbe und keine gerechte und gleich-würdige Aufteilung von (reproduktionsbedingter und anderer) Arbeit. Hollstein - ein Männerforscher, der den deutschen Feminismus der letzten 20 bis 30 Jahre sicherlich zu Recht auch scharf angreift - sieht in alten Geschlechterstereotypen die Ursache für unnötige Kämpfe zwischen den Geschlechtern und für eine Krise „der Männer“.
Zurück zu den 111 Gründen, Männer zu „lieben“: Die Kapitel-Übersicht am Anfang des Buches ließ mich ratlos dastehen, das vereinzelte Reinlesen in manche Kapitel zu der Überzeugung kommen, dass es besser für die Welt sei, so ein Buch einfach zu ignorieren. Doch es kann demonstrieren, wie männerfeindlich scheinbar „männerliebende“ Autorinnen wie Victoria B. Robinson sein können, wenn sie einfach unreflektiert ganz tief in die Klischeeschublade greifen. In Kapitel 1, in dem es um den Mann als „Lover“ geht, klingt es nett und lieb, warum wir die Männer lieben sollten: „Weil Männer nach Mann riechen“ (aha), „Weil Männer unsere Muschi mehr lieben, als wir selbst“ (soso – na wenn das mal kein Grund ist!), „weil Männer falsche Brüste und Haare nicht von den natürlichen unterscheiden können“ (Hä?) und als krönender Abschluss: „Weil Männer sich total lächerlich machen, um uns ins Bett zu kriegen.“ Sehr liebenswert - nicht wahr?
Die detailierten Ausführungen sind entsprechend „nett“: Ausflüge in die persönlichen Erfahrungen der Autorin, welche männliches Verhalten schlicht und ergreifend als lächerlich darstellen und dann mit Zita-ten enden wie: „Männliche Dummheit bereitet mir größtes Vergnügen. Gott sei Dank ist das eine schier unerschöpfliche Quelle der Unterhaltung.“ (Marc Wortley Montagu)
Nein, ich habe dieses Buch nicht komplett gelesen und muss es auch nicht. Sicherlich stehen auch tatsäch-lich „liebe“-volle Würdigungen des männlichen Geschlechts und Verhaltens darin. Doch Gründe, Männer zu „lieben“ wie „Weil Männer Beziehungskrisen gar nicht mitbekommen“ oder „Weil Männer uns den Hintern versohlen“ oder „Weil Männer lieber uns entscheiden lassen“ sind wirklich alles andere als liebe-voll, anerkennend oder einladend, dieses Buch zu lesen und auch noch zu würdigen.
111 Gründe Männer zu lieben ist aber keine einzelne Ausnahme unter einer Fülle männerliebender Frauen und Männer, die an Geschlechtsstereotype glauben: MännerrechtlerInnen kritisieren scharf und zurecht, dass das Sorgerecht für Kinder in den meisten Fällen immer noch unhinterfragt den Müttern zugesprochen wird – meistens, weil diese als besser geeignet für die Kindersorge gelten – qua Geschlecht natürlich. Der Film, Der entsorgte Vater thematisiert dieses Problem und portraitiert Männer, denen es so erging. Ein Thema, das viele Gemüter stark erhitzt und vor einem Abdriften in wiederum pauschal frauenfeindliche Attitüden nicht gefeit ist. Das kriegen vor allem Frauen und Männer ab, die sich öffentlich und offen feministisch äußern. Doch nicht erst seit der Studie aus Houston sollte sich die Frage aufdrängen: Sind es nicht gerade Frauen wie Eva Herman, die in „Eva Prinzip“ auf 263 Seiten darlegte, warum Frauen die besseren Eltern sind, die es Männern erschweren als gleichwürdige Partner anerkannt zu werden?

http://www.freitag.de/autoren/katrin/wir-mogen-manner

Weiß und unbedruckt
Das Bild zeigt "unsere Kronprinzessin" mit ihren Söhnen. Besagte Söhne tragen weiße Kleidchen und stünde nicht auf der Karte, dass es Söhne sind - nicht Töchter - wer käme heute schon auf die Idee, dass dies Jungen sind. Auf eine sehr anschauliche Weise zeigt uns dieses Bild, dass die heute unglaublich star-ren Kleider-Codierungen für Jungen und Mädchen, die schon in der Babyzeit einsetzen und sich mit jedem weiteren Jahr der Kindheit verschlimmern, eine junge Entwicklung sind. Sind Kinder heute strikt in rosa und hellblau (Babys), beziehungsweise in Pferdchen/Prinzessin und Hubschrauber/Dinosaurier getrennt, so waren sie früher einfach weiß und unbedruckt. Während alle Welt feiert, dass sich die Ungleichheiten der Geschlechter doch längst aufzuheben begännen, dass wir in einer Welt lebten, in der Jungen und Mädchen gleichermaßen alle Türen offenstünden, so zeigt sich an diesem Bild: Auch wenn Frauen um die Jahrhun-dertwende 1900 mit wesenlich weniger Rechten und Möglichkeiten ausgestattet waren, als Frauen es heute sind, so bleiben die Grenzen zwischen den Geschlechtern erhalten. Fallen die Alten weg, werden Neue konstruiert. Mittels sogenannter "Softskills" zum Beispiel, denn Frauen sind ja viel gefühlvoller und emotionaler, als Männer. Oder eben durch die Kleidung. Eine Anmerkung, die im Kontext eines Muttiblog-Beitrags von Adele in der Mädchenmannschaft alles gut auf einen Punkt brachte, kam von Hannah:
Die Mädchenklamotten musst Du ständig waschen und Dich arg zusammen reißen, Deiner Tochter neben der farblichen Konditionierung nicht auch noch eine Mach-Dich-nicht-schmutzig-Erziehung anzugedeien. Die Jungsklamotten sind hingegen hochgradig gefährlich im Straßenverkehr, auch schon auf Radwegen. So bleibt alles wie es ist: Mädchen lernen sich gesittet zu benehmen und Jungs leben gefährlich.
Denn es wäre naiv, zu denken, dass das bisschen verschiedene Kleidung keinen Effekt auf die psychosozia-le Geschlechtsentwicklung hätte. Ganz zu schweigen von der Sozialauslese, die hier betrieben wird: Schöne Unisex-Kleidung für Kinder findet sich nicht bei den Discountern. Die bezahlbare Kinder-Kleidung ist stets codiert, und seien es nur die Puff-Ärmelchen, die einem sonst unauffälligem Shirt noch aufgezwungen wurden. Somit wird gerade jene Klasse der Gesellschaft, die auf bezahlbare Kleidung besonders angewiesen ist, in besonderem Maße von den Discountern, der Werbeindustrie und der Eltern-Medien-Landschaft in die rosa-hellblau-Falle gelockt. Wieder einmal bleibt festzuhalten: Geschlechterdemokratie muss man sich leisten können.
Dieser Beitrag erschien ursprünglich im privaten Blog von Katrin Rönicke.

http://www.freitag.de/autoren/katrin/wie-unmannlich

Während Feministinnen heute mehrheitlich für Geschlechterdemokratie eintreten, führen einige Männer - so genannte Maskulisten - einen Kampf gegen das andere Geschlecht
Der heute recht verbreitete Begriff der „Geschlechterdemokratie“, der ein neues Verhältnis von Männern und Frauen in der Gesellschaft sucht, impliziert mehr, als nur die Emanzipation der Frauen. Vielmehr werden beide Geschlechter, ihre Beteiligung an den gesellschaftlichen Bereichen Politik, Wirtschaft und ihre Rolle im Privaten ins Visier genommen, sowie die jeweiligen Probleme beider Geschlechter behandelt. Wichtig ist dabei der Erfinderin des Begriffes, Halina Bendkowski, die Trennung in männliche Gesellschaftsphäre (Öffentlichkeit) und weibliche Gesellschaftsphäre (Haus) aufzuheben und zu durchmischen.
Das der Heinrich-Böll-Stiftung angeschlossene Gunda-Werner-Institut trägt vielleicht gerade deswegen in seinem Namen die Schlagworte „Feminismus und Geschlechterdemokratie“. Es existiert erst seit 2007 und ging aus dem ehemaligen Feministischen Institut der Stiftung hervor. Die Erweiterung des Namens um den Aspekt der Geschlechterdemokratie zeigt bereits an, was diesem Institut am Herzen liegt: Jede zweite Publikation der Schriftenreihe, die es heraus gibt, befasst sich mit der Männerseite. Auch eine mehrtägige Veranstaltung im Herbst 2008 behandelte intensiv die Probleme von Jungen, die heute als „Bildungsverlierer“ gelten.
Feminismus hingegen klingt in den Ohren vieler noch als totaler Gegenbegriff zu solch einem Konzept: Er wird bis heute als Kampf gegen Männer wahrgenommen. Zwar zeigte kürzlich eine Studie, dass diese Wahrnehmung mehrheitlich nicht mehr stimmt, und die Encyclopaedia Britannica schreibt, der Feminismus sei „the belief in the social, economic, and political equality of the sexes“ – also letztendlich nichts anderes, als Geschlechterdemokratie, nur im Gegensatz zu diesem Begriff international verwendet. Aber Vereine wie MANNdat e.V. und auch zahlreiche KommentatorInnen in feministischen Online-Medien tragen nach wie vor das alte Bild der gegen Männer kämpfenden, sich nur und einseitig für Frauen- und Mädchen-Belange einsetzenden „Emanzen“ herum und reagieren entsprechend abweisend. Manche meinen nun, als Männer gegen eine Verbreitung „des“ Feminismus ankämpfen zu müssen.
ANZEIGE
"Unseren Söhnen schwerer machen"
Es kann dabei nicht geleugnet werden, dass in der deutschen Frauenbewegung der 70er und 80er der Kampf für mehr Geschlechtergerechtigkeit für manche vor allem ein Kampf gegen die männliche Hälfte der Bevölkerung war. So stand 1986 in der Zeitschrift EMMA: „Wenn wir wirklich wollen, dass unsere Töchter es einmal einfacher haben, dann müssen wir es unseren Söhnen schwerer machen“ (EMMA 6, 1986). Auch wurden Männer als kriegerisch, zerstörerisch und Frauen als per se friedlich und bewahrend empfunden (diese Meinungen traten als sogenannter Differenzfeminismus auf).
Es ist dieser feministische Kampf, der über die Medien Einzug in die Debatten hielt und bis heute nachhallt. Dass aber auch schon damals etliche Gleichheitsfeministinnen die Männer mit einbeziehen wollten, in ihnen nicht „die Feinde“ sahen sondern manche sogar ein „betrogenes Geschlecht“ (wie Susan Faludi in den 90er Jahren es formulierte – wohlgemerkt: Eine Vollblutfeministin!), wurde weniger wahrgenommen.
„Der“ Feminismus ist also seit jeher ein bunter und die diversen Abspaltungen und Untergruppierungen haben eigene Namen wie Anarcho-Feminismus, Sex-positiver Feminismus, Gleichheitsfeminismus und viele viele andere mehr. (In der Wikipedia gibt es eine recht runde Zusammenstellung über alle Feminismen.) Wie sieht aber es mit der Gegenbewegung aus: Dem Maskulismus? Dieser konstatiert – und das sicherlich in den meisten Fällen zu Recht – eine starke Benachteiligung und Diskriminierung von Männern in vielen gesellschaftlichen Bereichen. Einer der weltweit bekannten Vertreter ist Warren Farrell. Dieser kam aus der amerikanischen Frauenbewegung und man kann fast sagen, er emanzipierte sich von dieser, indem er bewusst die Männer in den Blick nahm.
Farrel kritisierte im Zuge dessen auch die oft zu einseitige feministische Sichtweise, die nur Frauenprobleme fokussierte und erntete damit in seiner früheren weltanschaulichen „Heimat“, der Frauenbewegung nicht gerade Applaus. Doch ein Geschlechterkämpfer war Farrell bei weitem nicht. Er prägte den Begriff der „bisexistischen Rollenverteilung“, die beide Geschlechter in der Vergangenheit unterdrückt und in ihrer vollen Entfaltung als Menschen behindert habe.
Anders sieht es in Deutschland aus: Hier formiert sich, vor allem im Internet, eine Front, die eher in den Geschlechterkampf eintreten will, als in eine Geschlechterdemokratie. Ein Beispiel dafür ist die Internet-Seite „Was ist Sexismus“, die von einem deutschen Maskulisten erstellt wurde. Dieser sieht Männer als „in einer natürlichen Weise als der Frau übergeordnet“. Auch der Autor der Seite Der Maskulist drückt sich unmissverständlich aus, wenn er schreibt: „Der Autor dieser Seiten betrachtet den hier beschriebenen Feminismus als einen ernstzunehmenden (sic!) evolutionären Defekt. Deswegen diese Webseite.“
Die Maskulisten und der Geschlechterkampf
Im Netz gibt es mittlerweile zahlreiche Foren, in denen Maskulisten sich sammeln, miteinander austauschen und auch immer wieder zu Störaktionen gegen feministische Seiten aufrufen. In der Wikipedia gab es eine rege Auseinandersetzung um den Eintrag zum Artikel „Maskulismus“, in dem sich bis heute kein kritischer Satz zu dieser Bewegung findet, außer der Nebenbemerkung, dass es auch „konservative Maskulisten“ gäbe. Der Geschlechterkampf einer Vielzahl von Vertretern des Maskulismus hierzulande wird nicht thematisiert – man geriert sich selbst lieber als Wolf im Schafspelz.
Interessant ist die Rolle, welche der Verein MANNdat in dieser Gemengelage spielt. Hatte ich in meiner letzten Kolumne noch zum „vorsichtigen Genuss“ dieser Männerrechtler gemahnt, da auf der Internetseite des Vereins Feminismus- und Frauen-feindliche Texte zu finden sind, versuchte sich Eugen Maus, Vorstandsmitglied von MANNdat, gegen so eine Darstellung zu wehren. Auffällig jedoch, wie er vermied, inhaltlich Stellung zu diesem Vorwurf und auch zu den von MANNdat eingestellten Literaturtipps, die in großen Teilen antifeministisch sind, zu beziehen.
Und ebenso anti-feministisch sind die Bemerkungen im aktuellen MANNdat-Spendenratgeber: „Wer für die Welthungerhilfe spendet, spendet für den Export des Feminismus in fremde Länder“, heißt es dort. Oder: „Wer hier [bei Brot für die Welt] als Mann Geld spendet, tut vielleicht etwas gegen den Hunger in der Welt. Auf jeden Fall aber fördert er den Feminismus und dessen weltweite Ausbreitung.“ – beides Gründe für MANNdat, davor zu warnen, hier zu spenden. Kampf oder Demokratie – gemeinsam oder gegeneinander? Diese Frage zu beantworten steht MANNdat offenbar noch bevor. Es bleibt Hoffnung – für beide Seiten.

http://www.freitag.de/autoren/katrin/gemeinsam-oder-gegeneinander

Auf Einladung von Monika Lazar, Sprecherin für Frauenpolitik der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen diskutierten etwa 20 TeilnehmerInnen des Kongresses über das Thema Sexismus in Netz. Als Referentinnen konnten Katrin Rönicke und Leena Simon gewonnen werden. Katrin Rönicke schreibt für den Blog maedchenmannschaft.de sowie für den Freitag, die taz und NEON. Leena Simon ist aktiv in der Piratenpartei und beim FoeBud e.V., einem Verein für mehr Bürgerrechte und Datenschutz. Sie bloggt, twittert und ist auch sonst viel im Netz unterwegs.


Leena Simon, Monika Lazar und Katrin Rönicke leiteten den Workshop "Sexismus im Netz"

Kernfrage war: Was ist Sexismus und wo zeigt er sich im Netz? Die Gruppe definierte Sexismus als die Abwertung von Menschen aufgrund ihres Geschlechts mit stereotypen Merkmalszuschreibungen. Dabei ist Sexismus eine Sonderform der Diskriminierung, weil hier keine Minderheit, sondern die Hälfte der Menschheit abgewertet wird.
Katrin Rönicke führte aus, dass die Suchmaschine Google bei der Abfrage „Frauen“ Seiten zu Mode oder Partnervermittlung anbietet. Auch bei „Männer“ werden Klischees bedient, sie kommen aber weitaus besser weg als Frauen.
Internetnutzende sind zur Hälfte Frauen, aber die Machenden sind zu 90 Prozent Männer. Der Mann ist die Norm. Zum Beispiel werden geschlechtsneutrale Nicknames als männlich wahrgenommen. Frauen müssen sich als Frau erklären.
Für die TeilnehmerInnen wurde schnell klar: Wir brauchen im Internet und offline eine frauenfreundlichere Umgebung. Frauen müssen sich ihren Teil vom Kuchen aber auch selbst abholen. Gerade hier bei Bündnis 90/Die Grünen wissen wir: Man darf nicht beim Formulieren von Forderungen stehenbleiben, sondern muss auf Rechten und Freiräumen bestehen.
Doch wo genau sind eigentlich die Unterscheide zwischen online und offline? Im Internet kann man sein Geschlecht aufgeben, Identitäten können gewechselt werden. Das ist offline so kaum möglich. Sexismus wird durch die Anonymität und Schnelligkeit des Mediums verstärkt. Wünschenswert wäre stattdessen ein Reflexionsvermögen über die eigene Geschlechterkonstruktion, welches nicht allzu weit verbreitet ist. Das belegen auch Studien über die Selbstdarstellung von Jugendlichen im Internet.
Wie gehen wir am besten mit offener oder verdeckter Diskriminierung um? Sinnvoll kann es sein, Herabsetzungen sichtbar zu machen, sich an geeigneten Stellen zu beschweren, rechtliche Schritte zu einleiten.
Welche Strategie ist gegen sexistische Kommentare von ,Trollen’ sinnvoll? Eine Möglichkeit ist, sie nicht frei zu schalten, so macht es beispielsweise Maedchenmannschaft.de. Aber ist das nicht zu defensiv, wurde kritisch nachgefragt? Als sinnvoll wurde auch das Internet-Kommunikationsmittel Liquid Democracy bezeichnet, es hat einen eingebauten Minderheitenschutz, der unsinnige Kommentare ausblendet.
Zum Schluss zog Monika Lazar ein Resümee zur Veranstaltung: On- und offline ist noch einiges zu tun in Sachen Gleichstellung. Wichtig ist, dass wir aktiv bleiben und uns vernetzen. Die Themen ließen sich während des Workshops nur andiskutieren. Weitere Gespräche sind in Planung.

http://web.archive.org/web/20110322142639/http://www.gruenes-blog.de/netzpolitik/tag/teilhabe

--
Die ultimative Dienstleistungsoffensive des Antifeminismus

Ein bisschen Frauenhass steht jedem Mann!

wikimannia statt femipedia

powered by my little forum