Wenn der Mensch zur MenschIn wird - oder:

Wieviel »Gleichberechtigung« verträgt das Land?

How much »equality« the country can stand?

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Liste Femanzen Caroline Fetscher (Liste Femanzen)

Oberkellner @, Wednesday, 11.03.2015, 15:07 (vor 3340 Tagen)

F386 Caroline Fetscher geboren 1958 in Tübingen am Neckar - Studium der Literaturwissenschaft und Psychologie in Freiburg und Hamburg – von 1988 bis 1990 Mitglied des Leitungsgremiums der Greenpeace-Zentrale in Hamburg – journalistische Publikationen bei Spiegel, Geo, Süddeutsche Zeitung, taz und Frankfurter Rundschau - seit 1997 Redakteurin der Tageszeitung „der Tagesspiegel“ – Buchveröffentlichungen „die Tropfen als Text“ (Europäische Verlagsanstalt, 1993); „der Tropenkoffer“ (dtv, 1994); „Srebrenica – ein Prozess“ (Suhrkamp, 2002) - http://www.projekt-relations.de/pix/explore/docking_tour_01/protagonisten/protagonisten_motive/fetscher.jpg

Günther Jauch und seine Gäste befinden zur Sexismus-Debatte: Der „Herrenwitz“ ist weniger harmlos, als es scheint. Für alle, die nun unsicher sind, welche Witze sie noch machen dürfen, gibt es aber auch eine Hilfestellung.

Angekündigt war ein vermeintlich weiches Thema, pikant bis brisant vielleicht. Alles andere als Kriegseinsätze, Energiepreise, Arbeitslose. Die Ausgangsfrage der Talkshow von Günther Jauch am Sonntagabend (ARD) lautete: „Ein Herrenwitz mit Folgen – hat Deutschland ein Sexismus-Problem?“ Verschoben hatte die Redaktion dafür die Sendung „In Gottes Namen - wie gnadenlos ist der Konzern?“ Journalistisch bewiesen Jauch und Co Gespür – seit Tagen tobt im Internet die Diskussion um die Grenzen zwischen Flirt und Übergriff, Anzüglichkeit und Kompliment in der Kommunikation zwischen Mann und Frau in unserer spätindustriellen Gesellschaft.
Zehntausende bloggen und twittern zum Thema, in vielen privaten Runden tauschen Frauen einschlägige, teils haarsträubende Geschichten aus. Ganz so weich ist das Thema eben doch nicht.
Eingeladen zur Jauch-Runde war der Chefredakteur des „stern“, Thomas Osterkorn, denn sein Blatt hatte „die Lawine“, wie es hier oft hieß, ausgelöst. Eine stern-Reporterin hatte in einem Portrait des FDP-Politikers Brüderle von dessen anzüglichen Avancen zu später Stunde an einer Bar berichtet. „Sie können ein Dirndl auch ausfüllen“ soll der angeheiterte Politiker gestaunt haben. Osterkorn wehrte sich gegen die Unterstellung, die schlüpfrigen Szenen seien erst dann interessant für das Blatt geworden, als Brüderle zum Spitzenkandidaten seiner Partei erkoren wurde. Es sei an der Zeit, fand der Chefredakteur, dass Männer ihr Alltagsverhalten gegenüber Frauen besser reflektierten. Die Autorin selber hatte nicht bei Jauch erscheinen wollen, merkte dieser an.

Längst ist die Aufregung um Brüderle in den Hintergrund getreten, die Debatte hat sich vom Auslöser gelöst. Beweis dafür ist der Hashtag #Aufschrei auf Twitter der Kommunikationswissenschaftlerin Anne Wizorek, auf der bereits 60.000 Frauen von sexualisierten, paternalistischen oder frauenfeindlichen Belästigungen und Zumutungen am Arbeitsplatz, auf der Straße und an Schulen und Hochschulen Zeugnis abgelegt haben. Wizorek, die Jüngste im Sessel-Halbrund der Talkshow, war von der Explosion an Reaktionen so überrascht wie Osterkorn vom Echo des Artikels. Viele Männer, erklärte sie, „kennen einfach die Realität von Frauen nicht“. Es müsse sich radikal etwas ändern an der sexistischen Gesellschaft.
Günther Jauch und seine Gäste befinden zur Sexismus-Debatte: Der „Herrenwitz“ ist weniger harmlos, als es scheint. Für alle, die nun unsicher sind, welche Witze sie noch machen dürfen, gibt es aber auch eine Hilfestellung.

Wibke Bruhns spricht von Kühen und Stieren
Freimütig und mit gutwilligem Humor erzählte der Autor Hellmuth Karasek von aktuellen Auseinandersetzungen in seiner eigenen Familie über das Thema, er lerne in diesen Tagen viel dazu. Als Vorschlag zur Güte wandte er ein, bei einigen Flirtsprüchen käme es für Frauen doch sehr darauf an, von wem sie sie zu hören bekämen. Der Gedanke verursachte einen Anflug von Einigkeit. Wenig Zustimmung erhielt die frühere Moderatorin Wibke Bruhns, die sich vorübergehend in Biologismen verrannte, indem sie etwa erklärte, Männer und Frauen seien „zwei verschiedene Spezies“, so wie „Kühe und Stiere“, und auch Araber, die Frauen nicht die Hand reichen wollten, seien nun mal anders.
Ursprünglich angetreten, um das Anliegen von Anne Wizorek zu unterstützten, fiel es Silvana Koch-Mehrin (FDP) schwer, konkret zu werden. Loyal gegenüber der eigenen Partei ließ sie wissen, mit Brüderle sei sie, trotz dessen „salopper Ausdrucksweise“, stets „gut klargekommen“. Mit sachte lächelndem Verständnis begegnete ihr da die feministische Publizistin Alice Schwarzer, die selbstverständlich davon ausging, dass sich vieles eben nicht so leicht vor laufender Kamera sagen lasse.
Sicher traf Alice Schwarzer den Kern der scheinbar so plötzlich über uns hereingebrochenen Problematik. Sie gibt zu bedenken, dass die zunehmende Qualifikation von Frauen in der Arbeitswelt neue Verteilungskämpfe zwischen den Geschlechtern hervorruft. Sexistische Bemerkungen und anzügliche Gesten aber gehörten zum männlichen Versuch der Machtsicherung, womit junge, professionelle Frauen nicht gerechnet hatten. Umso größer nun deren Erwachen und Empörung.
Einig waren sich fast alle darin, dass unangebrachte Bemerkungen und unerwünschte Flirtversuche vor allem dann völlig fehl am Platz sind, wo Machtgefälle und Abhängigkeitsverhältnisse herrschen. Koch-Mehrin macht darauf aufmerksam, dass etwa Angela Merkel jahrelang den Spott der Presse für ihre Kleidung und Frisur hinnehmen musste, wie das nie einem Mann in ihrer Position passiert wäre. Fazit: Für sexualisierte oder indirekt auf das Geschlecht eines Gegenübers bezogene Bemerkungen taugt ein guter Test: Wie würde derselbe Satz, dieselbe Frage wirken, wenn eine Frau das zu einem Mann sagen würde?

http://www.tagesspiegel.de/medien/sexismus-talk-bei-jauch-es-geht-um-verteilungskaempfe/7695574.html

Die Universität Leipzig will in ihrer Verfassung zukünftig nur noch von "Professorinnen" sprechen - um umständliche Formulierungen zu vermeiden. Männer sollen da mitgedacht werden. Feministinnen sind begeistert, doch die Realität wird das allein nicht ändern.

Ach, was? Was wird gewonnen, was verloren, sollten an der Universität Leipzig Lehrende beider Geschlechter nun kollektiv als „Professorinnen“ bezeichnet werden? Mit dieser sprachlichen Innovation, die in die Hochschulverfassung Eingang finden soll, werde sie, erklärt die Universität, der Tatsache gerecht, dass an den Universitäten Frauen heute in der Mehrheit seien (hier geht es zu einer Klarstellung der Universität, die einigen Medienberichten widerspricht, was die Reichweite der Änderung angeht).

Ein Riesenschritt in Richtung Gleichberechtigung sei damit getan.
Frauen bekleiden derzeit 19 Prozent der Professuren an deutschen Universitäten. Wie viele zusätzliche, hohe akademische Ämter erhalten Frauen von dem Moment an, wo auch die 81 Prozent der männlichen Lehrstuhlinhaber „Professorin“ genannt werden? Mit der forcierten Umbenennung ändert sich strukturell und statistisch erst einmal gar nichts. Vielmehr beleuchtet das lustige Vorhaben eine performative Hilflosigkeit, wie sie für Übergangsphasen typisch scheint. 1995 betrug die Frauenquote bei Professuren acht Prozent. Mehr als verdoppelt hat sie sich seither weniger durch Bezeichnungs-Erlasse, als durch das bewusste Fördern von Mädchen und Frauen im Bildungssystem. Da hat sich einiges verändert, seit Julius Möbius 1901 den Aufsatz „Über den physiologischen Schwachsinn des Weibes“ veröffentlichte, eine Streitschrift wider das Weib im Bildungsbetrieb.

Die "Professorin" für alle wird die Professorinnenquote nicht ändern
Geschlechtersensitive Sprache soll mit dazu beitragen, dass die Frau nicht länger als „mitgemeinte Männin“ rangiert, wie eine feministische Linguistin es in den 70er Jahren formulierte, sondern sprachlich sichtbar wird. Im Sozialismus, wo „Frau Ingenieur“ oder „Frau Traktorist“ übliche Phänomene waren, traten Theoreme zur Geschlechtlichkeit hinter Fragen der Gerechtigkeit und Produktivität zurück. Allerdings zierten bei Paraden geschlossene Riegen regierender alter Herren aus der Nomenklatura die Balkone. Inzwischen regiert die aus der DDR stammende Angela Merkel über Ost und West, an den von westlicher Reform beeinflussten Begriff „Kanzlerin“ haben sich Teile des Ostens und sogar Merkels Partei, die CDU, gewöhnt. Ohne eine Frau im Amt gäbe es den Begriff nicht: Praxis und Reflexion haben einander beeinflusst und gemeinsam die Bezeichnung „Kanzlerin“ selbstverständlich werden lassen. So geschieht das.

Alle Kultur ist Konstruktion, das gilt auch für sämtliche gesellschaftlichen Vorstellungen von Kindern, Frauen, Männern. Sie wandeln sich, wie Moden und Technologien, ununterbrochen. Die kreativste aller Konstruktionen, die den Menschen zentral vom Tier unterscheidet, ist die Sprache. Sie ist Spiegel wie Produkt dessen, was wir von der Welt denken, behaupten – was wir gedacht haben, behauptet haben.
So bilden sich, bis hinein in die Grammatik, auch Machtstrukturen in der Sprache ab. Bereits der Satzbau europäischer Sprachen basiert auf der Idee einer Hierarchie von Subjekt und Objekt. In zahllosen Wörtern wie „Herrschaft“, „herrlich“ oder „dämlich“, die veraltete Konzepte konservieren, stecken implizite Aussagen, die den Sprechenden selten bewusst sind. Außerdem ist in unserer Sprache nahezu jeder Gegenstand geschlechtlich konnotiert: Die Sonne „ist“ weiblich, der Mond „ist“ männlich – all das ist nur ausgedacht und basiert auf Mythen oder anderen Konstrukten.

Sprache und Sprachgebrauch zu diskutieren, infrage zu stellen, neu zu erfinden, ist also spannend und weist sehr oft weiter. Doch löst sich mit „Ja, Herr Professorin!“ der statistische Status quo an den Hochschulen auf? Ach wo.

http://www.tagesspiegel.de/meinung/herr-professorin-die-universitaet-leipzig-kann-die-sprache-aendern-die-statistik-nicht/8311868.html

Alphamädchen und Feuchtgebiete: Wo beginnt der hedonistische Feminismus?
Wo in den Bergen Nord-Albaniens einer Familie der männliche Erbe fehlt, löst man das Problem auf einzigartige Weise. Kurzerhand erklären Eltern eines der Mädchen zum Jungen, oder eine Erwachsene wird durch ihre eigene Deklaration zum Mann. Sie nimmt einen männlichen Vornamen an, aus einer Zhire wird ein Sokol, aus einer Mire ein Kajtaz. In Männerkleidung steht sie dem Haushalt vor, ihr gehört der Hof, sie regelt Vermögensverhältnisse und Familienfehden und darf eine Waffe tragen. Die Verwandlung hat einen Preis: Ewige Jungfernschaft muss sie schwören. So geschieht das nach dem traditionellen Gesetz, dem „Kanun“, seit Hunderten von Jahren, wie die britische Sozialanthropologin Antonia Young in ihrem Buch „Women who become men“ beschreibt. Bei ihrer Feldforschung hatte Young es nicht einfach. „Ich bin ein Mann, und damit hat sich“s. Ich besitze dieses Land und arbeite hart“, reagierte die 66-jährige Haki unwirsch. „Warum stellen Sie mir solche Fragen?“
Diese Vignette aus einem traditionellen Patriarchat illustriert das Dilemma einer Gesellschaft, in der eine Frau als Erbin und Haushaltsvorstand derart undenkbar ist, dass sie eben „ein Mann werden“ muss, um diese Funktionen erfüllen zu können. Sie scheint zugleich zu illustrieren, was die modernen Gender-Studies etwa der radikalen, kalifornischen Philosophin Judith Butler behaupten. „Männlich“ oder „weiblich“, sagt Butler, zentrale Kultfigur des akademischen Postfeminismus, seien soziale Zuschreibungen, nichts weiter als soziale Konstruktionen, auf die sich die Mehrheit in einer Gesellschaft geeinigt hat.
Klassische Feministinnen sehen die Sache eher so: Nicht die Existenz zweier Geschlechter ist das Problem, sondern die Rollen, die ihnen jeweils zugeschrieben werden, auch jetzt noch, wo im modernen Rechtsstaat Mann und Frau vor dem Gesetz gleich sind. Auch in hochentwickelten Rechtsstaaten und Industrienationen wie unserer wird die Frage der Gleichberechtigung heftig weiterverhandelt, etwa in der Debatte um Krippenkinder und Rabenmütter oder um Lohngleichheit und Quoten für Frauen. Symptom für einen nicht abgeschlossenen Prozess ist die Existenz von „Gleichstellungsbeauftragten“ an Behörden oder Hochschulen. Ein weiteres Symptom ist etwa das aktuelle Scharmützel um die Deutungshoheit in der Frage zur Lage der Frauen. Ausgetragen zwischen dem „klassischen Feminismus“ einer Galionsfigur wie Alice Schwarzer und einer neuen Generation, für die sich das Etikett der neuen, selbstbewussten „Alphamädchen“ eingebürgert hat, bewegt diese Debatte die Gemüter der beteiligten Frauen, während manche männliche Zeitgenossen den „Zickenkrieg“ mit Amüsement beobachten. Nein, die Geschichte ist keineswegs zu Ende.
Mann und Frau: Die große, archaische Matrix, auf der Gesellschaften ihre symbolischen und ästhetischen Systeme aufgebaut haben, von der Arbeitsteilung der Geschlechter bis hin zum Arsenal an Göttern oder Geistern, diese alte Matrix löst sich zusehends auf. Seit mit der Französischen Revolution die Menschenrechte erfunden wurden, die zunächst einmal Männerrechte waren, ist die Architektur der Hierarchien und Asymmetrien erschüttert. „Im Namen der Mütter, Töchter und Schwestern“ forderte Olympe de Gouges in Paris 1791 „die Rechte der Frau und Bürgerin“, worauf Männer und Bürger den weiblichen Kopf, der solches erdacht hatte, per Guillotine vom Rumpf trennen ließen. Doch die Frage war in der Welt, und ebenso wie die Standesunterschiede wurden auch die Geschlechterunterschiede nach und nach zur Disposition gestellt. Der Weg zur Frau als Grundrechtsträgerin war auch in den Demokratien danach noch lang – in Dutzenden anderer Staaten und Regionen hat er eben erst begonnen.
Drei Wellen des Feminismus gab es. Während der ersten, Mitte des 19. bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts, erstritten Suffragetten das Wahlrecht des bis dahin gesellschaftlich minderwertigen Wesens Weib. Nach 1968 rollte, und das weltweit, eine neue, Zweite Welle des Feminismus heran. Dabei ging es um sexuelle Selbstbestimmung, das Austragen oder Abbrechen von Schwangerschaften sowie um formale Chancengleichheiten auf dem Arbeitsmarkt – das Anerkennen von Frauen auf Augenhöhe. Eine neue, die dritte Welle des Feminismus begann, als durch die erste und zweite Woge viele Forderungen eingelöst worden waren. Jetzt scheint alles auf dem besten Weg, unser Land hat Frauen, Macht und Einfluss kompatibel werden lassen.
Überall existieren dafür lebende Beweise in der Politik, im Sport, in Kunst, Kirche und Medien: Angela Merkel, Gesine Schwan, Ursula von der Leyen, Ulla Schmidt, Jutta Limbach, Rita Süßmuth, Margot Kässmann, Alice Schwarzer, Claudia Roth, Andrea Nahles, Pina Bausch, Carla Bley, Rosemarie Trockel, Rebecca Horn, Anne Will, Sandra Maischberger, Maybrit Illner und, und, und. Tausende Frauen sind an Hochschulen, in Verlagen, Industrie und Forschung aktiv. Kickende Frauen gewinnen Titel und werden – auch von Männern – umjubelt. Frauen steuern Lufthansajets und erforschen Tropenwälder oder arktisches Eis. Frauen sind eingewandert bis in die oberen Zonen gesellschaftlicher Sichtbarkeit.
Endlich alles in Ordnung? Keineswegs, dekretiert nicht allein Alice Schwarzer. In den Aufsichtsräten der Konzerne, auf den bestdotierten Lehrstühlen, in den Chefredaktionen finden sich allemal noch an die neunzig Prozent Männer an den Hebeln, um die es geht, wo jemand wie der „Bahnchef Mehdorn“ die Weichen stellt. Noch immer, so weisen nicht nur die Redakteurinnen von Emma, der vor dreißig und einem Jahr von Schwarzer gegründeten Zeitschrift, nach, geht auf die Konten der Frauen bei gleichrangiger Tätigkeit im Durchschnitt weniger Gehalt ein. Vieles sei besser geworden, ja, ist auch in der Emma zu lesen, doch ihre Hintergrundberichte etwa zur wirtschaftlichen Situation des weiblichen Bevölkerungsanteils bieten keinen Anlass, die Alarmglocke als dekoratives Souvenir ins lila Regal zu legen.
Selbst wenn sie die Faktenbasis dieser Fraktion nicht negieren wollen, formieren sich seit einigen Jahren Gruppen jüngerer Frauen, die sich mit der klassischen Polarisierung zwischen Frau und Mann und dem Dauerhinweis auf die Unterdrückung der Frauen nicht identifizieren mögen. „Neofeministische Abwehr des Opferfeminismus“, tauften zwei Autorinnen des Magazins Freitag dieses Strategem, für das etwa die „Alphamädchen“ eitreten, die nicht nur erklären, dass Alice Schwarzer nun mal so alt wie ihre Mutter und die Zeit für einen Generationenwechsel an der Frauenfront reif sei. Drei Journalistinnen zwischen Mitte zwanzig und Mitte dreißig, Meredith Haaf, Susanne Klinger und Barbara Streidl, erfanden das Wortspiel „Alphamädchen“ für ihren Buchtitel als Antwort auf den Begriff „Alphamännchen“ – dass die jungen Frauen sich dabei in die Kategorie „Mädchen“ einlassen, verstehen sie ironisch, und Ironie gehört zu ihrem Programm. Sie wollen einen Feminismus, aber einen ohne Klagesound.
So radikal wie Judith Butler, die „Geschlecht“ (Gender) nicht als anatomische Gegebenheit auffassen will, wollen diese Frauen gar nicht sein, vielleicht, weil ihr inspirierender, produktiver Ansatz eine gewisse Weltferne aufweist, und im Extremfall zur Sache der Chirurgen oder der Reproduktionstechnologen, die an Umbau oder Befruchtung von Körpern verdienen.
Nein, die „Alphamädchen“ wollen, wie Gitte einst sang, alles. Sie wollen weiblich sein, Sexualität mit Männern leben, Erfolg im Beruf haben, Mutter werden. „Viele halten Feminismus für hässlich, spaß- und männerfeindlich, ironiefrei und unsexy“, erklärte Meredith Haaf in einem Radiointerview. Das alles wollen wir uns natürlich nicht nachsagen lassen, und deswegen streiten die meisten von uns lieber ab, irgendetwas mit ,den Emanzen“ zu tun zu haben.“ Kind und Karriere, Männer und Sexualität, alles ist möglich, rufen die „Girlies“, wichtig sei, sich durchzusetzen anstatt sich aus der Position der Schwäche heraus in der Repression befindlich zu definieren. Ähnlich positioniert sich die junge Erfolgsautorin Charlotte Roche, deren Roman „Feuchtgebiete“ eine halbe Million Mal verkauft wurde. Auf nahezu anrührende Weise oszilliert ihr Werk zwischen infantiler Erkundung der eigenen Körperöffnungen und großspuriger Bekenntnis zur Lust der Protagonistin an männlich besetzten Subkulturdomänen wie Pornographie.
Hedonistisch und attraktiv wollen die Alphamädchen sein, reflektiert aber nicht zergrübelt, „gegen Schlankheitswahn und für Kondome, gegen Alice Schwarzer und für enthaarte Beine, gegen die Entscheidung ,Kind oder Karriere“ und für die Hälfte der Macht.“ Unverkennbar ist das halbe Emma- Programm – besonders bei der Hälfte der Macht – hier lesbar, Streitzone scheint auf den ersten Blick eine Stilfrage zu sein, der inhaltlicher Dissens mit ein wenig Mühe aufgepfropft wird. Mit der Mutter von „Emma“ haben die „Girls“ ein Problem, wie es etwa typisch ist für die Pubertät linksgerichteter Sprösslinge progressiver Eltern, und dessen Formel so lautet: Was Mama sagt ist im Prinzip okay, aber wie sie es rüberbringt, das nervt voll. Mit anderen Worten, hier geht es um Abgrenzung und Identitätspolitik, wie es schon bei dem Programm Punkfrisur statt Hennahaarschopf oder Techno-Töne statt Joan-Baez- Songs aussah. In eine weitere Alpha-Kategorie gehört die Rapperin Rehan Sahin alias „Lady Bitch Ray“, auch Doktorandin an der Uni Bremen. Ihr Label nennt sie „Vagina Style“, Rap sei ihr Leben, sagt sie, „ich möchte die türkische Frau sichtbar machen (…) wir sind echt noch nicht emanzipiert, so, fuck it – ich muss Aufklärungsarbeit leisten, dass alle Arten von Frauen aufhören als Opfer zu leben.“ Ihre als vulgär und pornographisch bezeichneten Texte seien „hundert Prozent innerste Botschaft und null Prozent Provokation“, beteuert Lady Bitch Ray, die sich für ein Cover in schwarzem Lederdress fotografieren ließ.
Nun, Alice Schwarzer, die sich eben erst mit der designierten Emma-Nachfolgerin Lisa Ortgies überwarf, nimmt das nicht gelassen. Ihre Rede beim Erhalt des Börnepreises Anfang Mai in der Frankfurter Paulskirche wurde zu eben der Standpauke, die Pubertierende sich von der Autoritätsfigur insgeheim erhoffen, um ihre Abgrenzung auch als echte erfahren zu können. „So erleben wir gerade die zweite, medial lancierte Girlie- Welle“, sagte Schwarzer dem Publikum, „diese späten Mädchen und Propagandistinnen eines Wellness-Feminismus sind für ,Fair- trade-Puffs“ und finden, die so genannte ,Sexarbeit“ sei ein Job wie jeder andere, ja, sogar ein vergnüglicher und gut bezahlter. Und sie lieben ,geile Pornos““ Für die Emma-Gründerin steht fest: „Sie stehen in der direkten Tradition gewisser Linker, von den 68ern bis zu den Grünen.“ Die wiederum hätten „zur Verluderung des Feminismus“ beigetragen.
Am meisten empört Schwarzer der unpolitische bis antipolitische, unempathische Haltung der abtrünnigen „Töchter“: „Wie ganz und gar ungeil es den zwangsverschleierten Musliminnen und den meist aus dem Elend oder gar aus dem Frauenhandel rekrutierten Prostituierten und Porno-Darstellerinnen dabei geht – an diesen Gedanken scheinen die Post-Girlies noch keine Sekunde verschwendet zu haben.“ Sie interessierten sich, moniert Schwarzer, vor allem für ihre ganz persönlichen Belange, sprich: für Karriere und Männer. Hier trifft Schwarzers Kritik komplett ins Schwarze. Was die „Girlies“ für sich propagieren, Experimentieren mit Lust, mit oder ohne Mann und Kind, findet, ob man es für witzig, skandalös oder unappetitlich hält, in genau der Sphäre statt, in der sich eine allgemeine Tendenz zur Entsolidarisierung spiegelt.
Weitaus problematischer aber als die halbintellektuellen „Girlies“ auf diesem Sektor scheinen kulturrelativistische Ansätze, die durch manche Hochschule vermittelt werden, wo Akademikerinnen wie Christina von Braun an der Humboldt-Universität von der Schönheit des orientalischen Schleiers schwärmt, der die zarte Weiblichkeit schütze, während westliche Männer und Frauen in ihrer Skepsis gegen den Schleier schlicht ihr eigenes Fremdes und Anderes auf verschleierte Frauen projizierten.
Werden die „Girlies“ einmal politisch wacher und die alte Mutter Alice gelassener, hätten sie vermutlich mehr gemeinsames Terrain, als sie alle sich im Augenblick träumen lassen.

http://www.pnn.de/meinung/63365/

Sie setzen unbekannte Orte auf unsere Landkarte. Sie sorgen für ungewohnte Nachrichten und bereiten Machthabern unbequeme Sorgen. Vermehrt mischen sich weibliche Akteure da ein, wo sie bis vor 100, 200 Jahren noch gar nichts zu suchen hatten – in Machtpolitik und Deutungssphären. Als einsame Ikone stellt sich Aung San Suu Kyi den gesichtslosen Militärherrschern Birmas entgegen, die sie abwechselnd in ihr Haus (dahin gehört die Frau an sich) oder ins Gefängnis (dorthin gehört das unbotmäßige Weib) einsperren. Einen neuen Schub an Berühmtheit erlangte sie, als der Generalsekretär der UN bei seinem Besuch vergebens eine Audienz mit der Inhaftierten verlangte.
Wer eine Frau so behandelt, der verliert das Gesicht.
Im äußersten Westen Chinas, in der Provinz Xinjiang, brachten es jetzt hunderte demonstrierende Frauen mit Babys auf dem Arm so weit, dass Medienkonsumenten erfahren, wo sie leben, dass sie Uiguren sind und dass diese Minderheit von der Mehrheit der Han-Chinesen diskriminiert wird. Im Zentrum der Stadt Urumqi stellten sich Mütter der knüppelnden Staatspolizei entgegen – wer so auf Frauen eindrischt, steht nicht gut da vor der Welt.
In Teheran erliegt Ende Juni eine junge Demonstrantin den Verletzungen, die ihr von Polizisten oder Paramilitärs des iranischen Machthabers Ahmadinedschad zugefügt wurden. Über Nacht wird aus Neda Agha-Soltan, die nur 26 Jahre alt wurde, die Märtyrerin einer ganzen Bewegung. Bilder der schönen Lächelnden, die Gesangsstunden genommen haben und gern gereist sein soll, finden in Windeseile ihren Weg um die Welt, und entlarven das Regime mehr als dutzende Berichte von Amnesty International, oder selbst die antisemitischen Hetzreden, die der Herrscher so freimütig hören lässt.
Ja, Frauen sind eine Gefahr. Besonders für autoritäre Regime und ganz besonders in der elektronischen Epoche von Handycams, Youtube-Filmen, Facebook, Bloggern und globalen Nachrichtenkanälen. So sehr autoritäre Regime am Erhalt patriarchaler Hierarchie interessiert sind, so sehr müssen sie, zumindest nach außen hin, den Schutz der Frauen vorgeben. Auch wenn sie ihnen Schulbildung verweigern, sie von der Partizipation abhalten, muss doch der Anschein wohlmeinender Kontrolle über Weib und Weiblichkeit gewahrt werden. Wozu sonst bräuchte es Landesväter und Wächterräte?
Seit Olympe de Gouges 1791 in Frankreich „ihre Erklärung der Rechte der Frau und Bürgerin“ publizierte, um die Robespierres der Revolution davon zu überzeugen, dass auch für die Frau Menschenrechte infrage kommen – wofür sie unter der Guillotine endete – hat sich vieles verändert auf der Welt. In immer mehr Staaten erhalten Frauen, zumindest in der zweiten Reihe, ihre Stellen, sie werden Assistentinnen, sogar Ministerinnen. Hierzulande mussten Koch, Merz, Wulff & Co. sogar erleben, dass sich aus einer Kanzlerin nicht im Handumdrehen eine Marionette für eigene Zwecke fabrizieren lässt. Das hat mit der Demokratie zu tun, vor der es Diktatoren graust. Sie ist aber unaufhaltsam, nicht zuletzt dank der technischen Datenträger und Geräte, die fast alle von Männern erfunden wurden. Danke.

http://www.tagesspiegel.de/meinung/kommentare/machtpolitik-buergerinnen-an-der-front/1553484.html

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