Wenn der Mensch zur MenschIn wird - oder:

Wieviel »Gleichberechtigung« verträgt das Land?

How much »equality« the country can stand?

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Liste Femanzen Dr. Erika Schläppi (Liste Femanzen)

Oberkellner @, Sunday, 15.03.2015, 13:18 (vor 3336 Tagen)

F388 Dr. Erika Schläppi CH – arbeitet u.a. im EDA (Eidegenössisches Department für Auswärtige Angelegenheiten) - es@ximpulse.ch – www.ximpulse.ch – erika.schlaeppi@bluewin.ch - http://www.ximpulse.ch/tl_files/Images/erika_schlaeppi.gif


«Mann und Frau sind gleichberechtigt.» So steht es seit 25 Jahren in der Bundesverfassung. Gleiche Rechte für alle – das ist eines der Kernanliegen der internationalen Menschenrechte. Aber die internationalen Instrumente und die Diskussion rund um Frauenrechte und Menschenrechte, um Gleichberechtigung und Diskriminierung haben in der schweizerischen Gleichstellungsdebatte wenig Resonanz gefunden, obwohl einige internationale Themen auch in der Schweiz diskutiert werden. Was könnte uns die internationale Dimension denn tatsächlich bringen?

www.ekf.admin.ch/dokumentation/00507/00528/index.html?.

Abstrakt, praxisfern, kein Handlungsbedarf in der Schweiz – das sind gängige Vorurteile, wenn es um die Menschenrechte
geht. Dieser Artikel zeigt die Aktualität und das Potenzial völkerrechtlicher Standards für die Gleichstellungspolitik auf und
präsentiert neue Aktionslinien für die Umsetzung der Menschenrechte in der Schweiz.


www.ekf.admin.ch/dokumentation/00442/index.html?lang=de

Im Auftrag der Eidgenössischen Kommission für Frauenfragen (EKF) erarbeitete Dr. iur. Erika Schläppi im Jahr 2007 eine Studie mit dem Ziel, die für die schweizerische Gleichstellungspolitik relevanten internationalen menschenrechtlichen Instrumente und Mechanismen darzu-stellen, Herausforderungen für die Umsetzung internationaler Standards in der Schweiz zu identifizieren und das Potenzial für eine systematischere Nutzung der internationalen Dimen-sion in der EKF auszuloten. Die Studie wurde kommissionsintern an einer Plenarsitzung Ende März 2007 vorgestellt und diskutiert. Sie ist in der November-Ausgabe der Fachzeitschrift «Frauenfragen» Nr. 2.2007 publiziert.
Die Ergebnisse der Studie wurden an einem halbtägigen Workshop am 11. September 2007 in Bern einem weiteren Kreis interessierter Fachpersonen vorgestellt. Ziel des Workshops war es, die in der Studie enthaltenen Empfehlungen zu diskutieren und zu reflektieren, wie sich diese in der Realität der schweizerischen Gleichstellungspolitik umsetzen lassen. Der EKF dient der Workshops dazu, ihre eigene Rolle in diesem Zusammenhang zu klären, ihr Engagement zu definieren und weitere Schritte zu planen.
Teilnehmende
Neben den eigenen Mitgliedern hatte die EKF Vertreterinnen und Vertreter interessierter Organisationen sowie einzelne Spezialistinnen für internationale Fragen persönlich eingeladen. Rund 50 Personen nahmen am Workshop teil. Vertreten waren zudem die Bundesverwaltung (vor allem Mitarbeitende des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten EDA und des Eidgenössischen Büros für die Gleichstellung von Frau und Mann EBG), die Eidgenössische Kommission gegen Rassismus, kantonale Gleichstellungsinstitutionen (Kanton Genf, Stadt Zürich, Kanton Zürich, Aargau, Wallis, Luzern, St. Gallen, Obwalden/Nidwalden), zahlreiche Frauenorganisationen, Menschenrechtsorganisationen, Gewerkschaften (travail.suisse) und Parteien (SP, FDP) sowie universitäre Institutionen.
Programm
Der erste Teil des Programms bestand aus einer Reihe von Inputs. Die Studie wurde präsen-tiert und aus der Sicht von drei Akteurinnen mit unterschiedlichen Rollen und Aufgaben in der schweizerischen Gleichstellungspolitik kommentiert und ergänzt. Im zweiten Teil hatten die Teilnehmenden Gelegenheit, über Chancen, Risiken und Probleme in diesem Zusammenhang zu diskutieren und eigene Ansatzpunkte zu entwickeln, wie die internationale Dimension in Zukunft besser genutzt werden könnte.
Die Studie «Frauenrechte und Menschenrechte» ist auf www.frauenkommission.ch (Rubrik Publikationen) verfügbar: Integralfassung (deutsch und Anfang 2008 auch französisch) und Kurzfassungen (deutsch, französisch, italienisch). Das Heft Frauenfragen Nr. 2.2007 mit der Integralfassung (deutsch) und den Kurzfassungen (deutsch, französisch, italienisch) kann beim Sekretariat der EKF, Schwarztorstr. 51,
3003 Bern bezogen werden (Tel. 031 322 92 75, E-Mail: ekf@ebg.admin.ch). Eidgenössische Kommission für Frauenfragen, Workshop „Frauenrechte und Menschenrechte“ 2007 2
Inputs
Nach einer Einführung durch Elisabeth Keller, Leiterin des Sekretariates EKF, präsentierte Erika Schläppi die wesentlichen Ergebnisse ihrer Studie, welche die Teilnehmenden zur Vor-bereitung des Workshops bereits in einer Kurzfassung erhalten hatten. Sie stellte dar, wo ihrer Meinung nach das Potenzial einer stärkeren und systematischeren Nutzung internationaler Instrumente und Mechanismen in der Schweiz liegt und was dies für die Gleichstellungspolitik verschiedener Akteurinnen und Akteure bedeuten könnte. Sie skizzierte im Wesentlichen fünf Aktionslinien, die für die Akteurinnen und Akteure der schweizerischen Gleichstellungspolitik in Berücksichtigung ihrer spezifischen Rollen und Aufgaben präzisiert werden müssen:
1. Die Staatenberichtssysteme stärken und systematisch für die innenpolitische Bestan- desaufnahme nutzen
2. Die Verantwortlichkeit der verschiedenen Behörden für die Umsetzung der völkerrecht-lichen Verpflichtungen einfordern
3. Die internationalen Standards und Mechanismen für die eigenen Arbeitsschwerpunkte und -methoden nutzen
4. Die Nutzung völkerrechtlicher Standards im innerstaatlichen Recht und in der Rechts- praxis sowie die Nutzung internationaler Kontrollmechanismen fördern
5. Den Austausch mit Gleichstellungsinstitutionen international und in andern Ländern pflegen

Anschliessend berichteten drei Akteurinnen schweizerischer Gleichstellungspolitik anhand von konkreten Beispielen aus ihrem Tätigkeitsbereich über positive und negative Erfahrungen mit der Nutzung internationaler Normen und Mechanismen.
Patricia Schulz, Direktorin des Eidgenössischen Büros für die Gleichstellung von Frau und Mann, zog eine vorwiegend negative Bilanz zum Gender Mainstreaming in der Bundesver-waltung – ein Konzept, das aus der internationalen Debatte zur Gleichstellung stammt. Die Hauptschwierigkeit bestand in der mangelnden Unterstützung von Seiten der Entscheidungs-träger, was für eine Top-down-Strategie fatal ist. Hingegen unterstrich sie die positiven Aspekte ihrer Erfahrungen mit dem Staatenberichtsverfahren. Der Dialog zwischen Ausschuss und staatlichen Behörden und die Bemerkungen des Ausschusses ermöglichen es, die wichtigen Themen und die nicht gelösten Probleme auf der politischen Agenda zu behalten, auch wenn sich die grundsätzliche Frage stellt, ob der grosse Aufwand in der Verwaltung den Ertrag lohnt. Es wird auch in Zukunft wichtig sein, sich immer wieder explizit auf internationale Normen zu stützen und diese Referenz hartnäckig auch gegenüber dem Bundesgericht zu wiederholen, um zu einer Rechtsprechung zu gelangen, die vorübergehende positive Massnahmen erlaubt und damit zu einer effektiveren Umsetzung der Gleichstellung beiträgt (zum Beispiel durch Quotenregelungen). Allerdings wird jeweils abzuschätzen sein, wo der Bezug zur inter-nationalen Dimension sich wirklich lohnt. Hauptproblem ist das Fehlen von Wissen, Information und Ausbildung, die für eine systematischere Nutzung nötig wären.
Stella Jegher, Bereichsleitung Kampagnen Amnesty International Schweiz, betonte, dass der internationale Bezugsrahmen für die Arbeit von NGOs von massgeblicher Bedeutung ist. Sie illustrierte dies anhand der AI-Kampagne zur häuslichen Gewalt und der Aktivitäten zum Thema Frauenhandel. Er gibt – ob wir uns dessen bewusst sind oder nicht – wesentliche inhaltliche Impulse und ist wichtig für das Lobbying, für das Standard-Setting und für das (internationale und interkantonale) Benchmarking. Allerdings kann die Orientierung an internationalen Menschenrechten in der Schweiz auch provozieren und es hängt vom Ziel-publikum ab, ob der Bezug zu internationalen Menschenrechten einem bestimmten Anliegen auch tatsächlich mehr Legitimität verschafft. Stella Jegher empfiehlt, in Zukunft die Schatten-berichte noch breiter abzustützen und Individualbeschwerdeverfahren gezielt zu nutzen. Dies bedeutet, dass JuristInnen und PolitikerInnen, aber vor allem auch die Medienschaffenden für die Bedeutung der internationalen Mechanismen besser sensibilisiert werden müssen. Die internationalen Normen sollten auch mehr für gemeinsame Aktionen und für gemeinsame Prioritäten verschiedener Akteurinnen und Akteure genutzt werden. Zusammenarbeit ist wichtig, im Bewusstsein der unterschiedlichen Rollen von NGOs, Verwaltung und Politik und der daraus folgenden Arbeitsteilung. Eidgenössische Kommission für Frauenfragen, Workshop „Frauenrechte und Menschenrechte“ 2007 3
Maria Roth-Bernasconi, Nationalrätin aus Genf, schätzt die Bedeutung internationaler Normen in der Politik als hoch ein: Es ist wichtig und wirksam, sich in politischen Vorstössen auf internationale Normen stützen und sich von internationalen Initiativen inspirieren zu lassen. Die Gesetzgebung im Bereich der Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen hat sich stark auf internationale Impulse gestützt. Auf Initiative aus dem Parlament hin hat der Bundesrat nun dem Parlament die Ratifizierung des Zusatzprotokolls CEDAW vorgeschlagen, das den Schweizer Frauen eine internationale Individualbeschwerdemöglichkeit eröffnet. Internationale Verpflichtungen lösen das Gleichstellungsthema aus der Aura gesellschaftspolitischen Luxus: Es kann nicht mehr als Anliegen bornierter Feministinnen abgetan werden. Die internationale Dimension (im Besonderen auch der rechtliche Rahmen der EU) ist nötig, um die Gleichstellungspolitik voranzubringen und das bereits Erreichte zu bewahren. Auch in Zukunft wird es wichtig sein, die internationalen Instrumente heranzuziehen, um von der formellen zur materiellen Gleichheit der Geschlechter zu kommen. Die Internationale Arbeitsorganisation ILO und ihre arbeitsrechtlichen Standards werden nützlich sein, um die Lohngleichheit voranzu-bringen. Leider sind die internationalen Debatten in der Schweiz zu wenig sichtbar. Der Beitritt der Schweiz zur EU mit ihrer aktiven Gleichstellungspolitik wäre ein wichtiges Instrument, um die Debatte auch hier zu beschleunigen.
Die Diskussion über Chancen, Risiken und Probleme
Die Teilnehmenden diskutierten nach der Kaffeepause in drei Gruppen sehr angeregt über ihre eigenen Perspektiven. Sie befassten sich zuerst mit der Frage, welche Chancen und Risiken sie in einer systematischeren Nutzung der internationalen Dimension sehen. Die drei Gruppen identifizierten eine Reihe von Chancen, die sich in diesem Zusammenhang zeigen.
● Die internationalen Normen sind oft konkreter und detaillierter als die schweizerischen Normen: Sie können beispielsweise bei der Umschreibung der Diskriminierung und bei der Erarbeitung von (positiven) Massnahmen helfen. Sie dienen als Referenzrahmen für Gesetzgebung, Politik und Praxis und als Argumentationshilfen bzw. als Argumentations-verstärker.
● Die schweizerische Gleichstellungspolitik kann von der internationalen Dynamik profitieren: Verschiedene Themen werden in internationalen Gremien grundlegend und oft zu einem früheren Zeitpunkt als in der Schweiz diskutiert. Neue Ideen tauchen auf, Erfahrungen anderer Länder werden zugänglich und auch hier nutzbar.
● Die internationale Dimension (Menschenrechte und die EU-Regelungen) bietet wichtige Benchmarks für die schweizerische Gleichstellungspolitik. Sie bringt mehr Tempo in die traditionell langsamen gesellschaftlichen Veränderungsprozesse.
● Das Denken über die Grenzen hinweg lässt Gemeinsamkeiten mit Frauen in anderen Ländern erkennen, stärkt die Solidarität und die eigene Motivation.
● Internationale Normen machen bewusst, dass es Pflicht der Behörden ist, für die faktische Gleichstellung zu sorgen. Gleichstellungspolitik dient der Realisierung von rechtlichen Ansprüchen und ist kein gesellschaftspolitischer Luxus.
● Die internationalen Normen können die in der Schweiz vorherrschende Sicht bezüglich positiver Massnahmen (Quoten) herausfordern: Entgegen der Praxis des Bundesgerichtes zum (symmetrisch verstandenen) schweizerischen Gleichstellungsartikel schützt das internationale Diskriminierungsverbot grundsätzlich die Frauen als traditionell benachteiligte Gruppe (und nicht die Männer in ihren geschlechtsspezifischen Privilegien).
● Die Überwachungsmechanismen nehmen die schweizerischen Behörden (auf eidgenös-sischer, kantonaler und kommunaler Ebene) in die Verantwortung für die Realisierung der Gleichstellung. Gerade die Staatenberichte etablieren ein gesamtschweizerisches Moni-toring, welches Erkenntnisse zur Situation der Geschlechtergleichstellung besonders auch in den Kantonen bringt.
● Der Bezug zu den Menschenrechten löst die Gleichstellungspolitik aus der Isolation und spricht ein breiteres Publikum an als die ausschliessliche Referenz auf die spezifische Frauenförderung, die häufig nur als Nebensache und als wenig relevant für die allgemeine Politik eingeschätzt wird.
Eidgenössische Kommission für Frauenfragen, Workshop „Frauenrechte und Menschenrechte“ 2007 4

● Der Föderalismus ermöglicht praxisnahe und angepasste Massnahmen und Lösungen, die Bottom-up mitgetragen werden. Wenn es gelingt, die Kantone in einen gewissen gleich-stellungspolitischen Wettbewerb zueinander zu bringen, bietet das internationale Recht einen guten Referenzrahmen für interkantonales Benchmarking und stimuliert den Wandel.
● Der Ländervergleich bietet viele wichtige Anregungen und fördert auch die Solidarität.
● Die offiziellen Staatenberichte über die Situation in der Schweiz sind qualitativ gut und bieten eine Grundlage für eine fundierte und informierte Gleichstellungspolitik auf allen Ebenen. Der Dialog zwischen staatlichen Behörden und internationalen Kontrollgremien (in der Form von regelmässigen Staatenberichten und entsprechenden Kommentaren) verhin-dert, dass Probleme unter den Tisch fallen: Sie bleiben sichtbar und müssen regelmässig analysiert werden, auch wenn die Empfehlungen kurzfristig oft wenig bewirken.
● Die Menschenrechte stärken den Bezug zur Verfassung und zu den Grundrechten, welche den Frauen einen Anspruch auf gleiche Rechte (z.B. auf Parität in der politischen Partizi-pation und nicht nur auf eine «angemessene Vertretung») geben und die in der praktischen Arbeit oft zu wenig berücksichtigt werden.
● Das Zusatzprotokoll zum UN-Übereinkommen CEDAW, welches ein internationales Indi-vidualbeschwerdeverfahren etabliert, kann ein wesentliches Instrument für die Beschleu-nigung der Gleichstellung in der Schweiz werden. Der Bundesrat hat dem Parlament Ende 2006 die Ratifizierung des Zusatzprotokolls vorgeschlagen. Die Vorlage wird demnächst im Parlament behandelt.

Einige Aspekte wurden als Probleme und Risiken erkannt:
● Die Schweiz hat wesentliche Aspekte der internationalen Normierung (noch) nicht anerkannt (fehlende Anerkennung der relevanten Individualbeschwerden zu Pakt II und CEDAW, keine Ratifizierung des 12. Zusatzprotokolls zur Europäischen Menschenrechtskonvention EMRK zur Rechtsgleichheit) oder hat wesentliche Vorbehalte (z.B. zur Rechtsgleichheit in Art. 26 des Paktes II) formuliert.

● Fehlende Information und Ausbildung erschwert es Frauenorganisationen und anderen NGOs, die internationalen Normen und Mechanismen wirksam zu nützen. Es fehlt an Ressourcen, um den interessierten Kreisen einen effizienten Zugang zu Informationen und konkretem Fachwissen zu verschaffen. Zwar gibt es einige Informationsangebote (z.B. das Themendossier von Menschenrechte Schweiz MERS1, die Staatenberichte der Schweiz und die Empfehlungen der internationalen Gremien auf der Website des EDA2, den universellen Menschenrechtsindex des UNO-Hochkommissariats für Menschenrechte3, welcher vom Institut für öffentliches Recht der Universität Bern entwickelt und von der Schweiz mitfinanziert wurde, das Diskussionsforum zu Gender Mainstreaming von Swisspeace, das ABC International der NGO-Koordination Post Beijing), aber es fehlt an Knowhow, wie diese Informationen für die praktische Arbeit genutzt werden können.
● Es gibt in der Schweiz ein generelles Misstrauen gegen internationales Recht, ein Beharren auf einem vermeintlichen «Sonderfall Schweiz», eine Ablehnung «fremder Richter», eine Angst vor dem Verlust nationaler Unabhängigkeit. Allerdings waren die Meinungen geteilt, wie stark diese Ablehnung in der Schweiz wirklich ist. Einige vermuten, dass hier die «Volksmeinung» instrumentalisiert und von den Medien dramatisiert wird. Es kann aber auch kontraproduktiv sein, sich explizit auf die internationalen Menschenrechte zu berufen: Menschenrechte gelten in manchen Kreisen als ebenso wenig «sexy» wie die Gleich-stellung.
● Die Qualität der internationalen Berichte (Staatenberichte und Schattenberichte) und ihrer Umsetzung hängt von der nur beschränkt verfügbaren Fachkompetenz und dem Engage-ment einzelner Personen ab.
● Der Föderalismus mit seiner komplexen Verteilung von Zuständigkeiten und Aufgaben erschwert in zentralen Lebensbereichen (z.B. Gesundheit) die Umsetzung über die

1 www.humanrights.ch/home/de/Themendossiers/Gleichstellung/content.html
2 www.eda.admin.ch/eda/de/home/topics/human/humri/humrtr/humrep/women.html
3 www.universalhumanrightsindex.org/Eidgenössische Kommission für Frauenfragen, Workshop „Frauenrechte und Menschenrechte“ 2007 5

verschiedenen Ebenen des Bundesstaates hinweg. In den Zuständigkeitsbereichen der Kantone ist eine einheitliche Umsetzung der Empfehlungen nicht möglich.
● Eine gewisse Frustration über die mangelnde Wirkung dieser Empfehlungen ist gerade auch in den Kantonen festzustellen: Zwar tragen heute viele Kantone (meist via ihre Gleichstellungsgremien) einiges zur Erarbeitung und damit zur Qualität der Staatenberichte bei, aber es fehlt an der politischen Rückkoppelung der Empfehlungen. Die kantonalen Gleichstellungsgremien können ohne expliziten Auftrag ihrer Regierungen wenig ausrichten. Im Besonderen in den Kantonen (aber auch beim Bund) gibt es bisher noch keine etablierten und institutionalisierten Verfahren und Kenntnisse, wie mit den Empfehlungen des Ausschusses umzugehen ist.
● «Bremser» in der Gleichstellungspolitik lassen sich auch mit internationalen menschen-rechtlichen Argumenten nicht überzeugen. Menschenrechte können die Marginalisierung des Gleichstellungsthemas sogar noch verstärken.
● Die internationalen Normen und Mechanismen sind nur ein wenig attraktiver Umweg und dienen letztlich dazu, den tatsächlichen nationalen Problemen (z.B. dem fehlenden poli-tischen Willen und Ressourcen) auszuweichen.

Konkrete Ansatzpunkte für eine systematischere Nutzung der internationalen Dimension
Die drei Arbeitsgruppen diskutierten ebenfalls über konkrete Ansatzpunkte, die die Teilneh-menden in ihrem eigenen Tätigkeitsbereich identifizieren können. Sie hielten auch fest, was sie für die Nutzung dieser Möglichkeiten in Zukunft brauchen.
● Viele Teilnehmende betonten, dass Anstrengungen zur Sensibilisierung, zum Wissen über internationale Normen und Mechanismen, zur Vernetzung von Information, zur Bildung von Fachkompetenz nötig sind. Dabei geht es nicht primär um die rohe Information, sondern um die «Übersetzungsarbeit», die die Information für die verschiedenen Adressatinnen und Adressaten tatsächlich zugänglich macht. Notwendig dafür sind zusätzliche fachliche und finanzielle Ressourcen. Es gab konkrete Vorschläge, welche sich auf unterschiedliche Adressatenkreise beziehen:
• Die Vernetzung von bestehenden Angeboten zur Information und zum Informations-austausch (z.B. Newsletter/Website von humanrights.ch) sollte es den NGOs ermög-lichen, Aktivitäten besser zu koordinieren und von Synergien zu profitieren.
• Eine systematische Datenbank könnte die internationalen Standards, die Empfehlungen internationaler Gremien (UNO und Europarat) einfacher zugänglich machen. Sie sollte auch wichtige Kommentare, Artikel, Beispiele von Best Practice enthalten und so den Austausch fördern.
• Die Informationen über Normen und Mechanismen, aber auch über die Umsetzung in der Schweiz sollten für die Akteurinnen und Akteure der Gleichstellungspolitik praxis-gerecht aufgearbeitet werden (z.B. Handbuch, Factsheets, Core Reports), damit die nötigen Informationen schnell gefunden und richtig eingeordnet werden können.
• Informationen über die internationalen Standards und Mechanismen im Bereich der Gleichstellung sollten unbedingt auch in die universitäre Lehre (Rechtswissenschaften u.a.) und damit indirekt auch wieder in die Gesetzgebung einfliessen. Dafür braucht es motivierte Professorinnen und Professoren.
• Für die Sensibilisierung und Bildung an den Schulen im Bereich Menschenrechte und Frauenrechte sollte Material erarbeitet werden, welches das Bestehende ergänzt (z.B. Ausbildungskoffer, den das EDA produzieren könnte).
• Basis und FunktionärInnen der Gewerkschaften sollten geschult werden.
• Menschenrechte können als Impulsthemen für künftige Tagungen und Basisausbil-dungen der Frauenorganisationen dienen.
• Die internationale Dimension (Standards und Mechanismen, Ländervergleiche, Best Practice aus anderen Ländern) soll mehr Raum erhalten in den Publikationen der Frauenorganisationen.
• In der Bundesverwaltung und den kantonalen Verwaltungen braucht es unbedingt Weiterbildung zu menschenrechtlichen und internationalen Verpflichtungen.
Eidgenössische Kommission für Frauenfragen, Workshop „Frauenrechte und Menschenrechte“ 2007 6

● Der Austausch und die Vernetzung zwischen Frauen- und Menschenrechtsorganisationen soll mit konkreten Aktionen verbessert werden. Das internationale Recht bietet eine gute gemeinsame Grundlage, um dieses nicht immer einfache Unterfangen gelingen zu lassen.
● Die Empfehlungen der internationalen Gremien (meist in Englisch und/oder Französisch) sollten sofort übersetzt werden, damit die nichtgouvernementalen Organisationen diese für ihre Arbeit nutzen können.
● Verschiedene NGOs wollen sich für die Redaktion der Schattenberichte besser abstimmen und vernetzen. Dies bedingt allerdings eine breitere Sensibilisierung der Frauenorganisa-tionen und menschenrechtlichen NGOs für die Bedeutung des internationalen Berichts-systems.
● Die kantonalen Gleichstellungsbüros finden es wesentlich, dass die Kantone (vom Bund) einen Auftrag zur Umsetzung der internationalen Empfehlungen erhalten. Nur so gibt es auch kantonsintern klare Aufträge für konkrete Massnahmen. Die menschenrechtliche/ frauenrechtliche Berichterstattung, die Empfehlungen der internationalen Gremien und deren Umsetzung sollten in der Konferenz der Kantonsregierungen thematisiert werden. Das neue «Haus der Kantone» könnte als Kompetenzzentrum interkantonaler Zusammen-arbeit hier allenfalls eine Rolle spielen.
● Für die Kantone sollte ein Raster entwickelt werden, der ein systematisches Monitoring der Situation, den interkantonalen Vergleich und einen Gesamtüberblick über die getroffenen Massnahmen erlaubt.
● Ein Monitoring-Instrument (eine Art Geschäftsprüfungskommission, «observatoire») sollte geschaffen werden, um die Umsetzung der Empfehlungen zu überwachen.
● Die verschiedenen Akteurinnen und Akteure sollten sich, gestützt auf internationale Standards, gemeinsame Schwerpunkte, Prioritäten und Jahresthemen setzen.
● Das Eidgenössische Büro für die Gleichstellung von Frau und Mann und die kantonalen Gleichstellungsgremien sollen weiterhin und verstärkt die internationale Perspektive in ihren verwaltungsinternen Stellungnahmen einbringen.
● Auch die Frauenverbände können das internationale Recht explizit in ihre Arbeit einbe-ziehen und in ihre Informationen ans breitere Publikum integrieren.
● Die kantonalen Gleichstellungsbüros sollen in ihrer Politik die internationalen und inter-kantonalen Gemeinsamkeiten mit Bezug auf die Gleichstellung betonen und den inter-nationalen Austausch pflegen.

Die Ergebnisse zusammengefasst
Zum Abschluss der Veranstaltung zog Elisabeth Freivogel, Vizepräsidentin der EKF, erste Schlussfolgerungen aus der Debatte. Sie stellte ein grosses Interesse am Workshop fest und freute sich, dass die zahlreichen Teilnehmenden so lebhaft und substanziell über das Thema diskutiert hatten: Sie zeigten damit ihr praktisches Interesse an der Nutzung internationaler Normen und Mechanismen und entwickelten in kurzer Zeit eine breite Palette von Ideen und möglichen Ansatzpunkten für die verschiedenen Akteurinnen und Akteure der schweizerischen Gleichstellungspolitik. Die EKF wird sich von der gehaltvollen Diskussion für ihre eigene Arbeit inspirieren lassen können.
Elisabeth Freivogel fasste die zentralen Punkte der Diskussion zusammen:
Eine systematischere Nutzung der internationalen Dimension birgt nach Auffassung der Teilnehmenden einige Chancen. Die wichtigsten sind die Beschleunigung der schweizerischen Debatte, die rechtliche und politische Legitimierung sowie die verstärkte Präsenz des Themas in der politischen Landschaft von Bund und Kantonen.
Die Diskussion hat auch einige Risiken und Probleme aufgezeigt: Genannt wurden vor allem die schweizerischen Abwehrreflexe, die Überforderung der Akteurinnen und Akteure mit dem komplexen Thema (Fehlen von personellen, fachlichen, finanziellen Ressourcen) sowie das Ungleichgewicht von Aufwand und Ertrag. Verstärkte Zusammenarbeit, Austausch von

Informationen und Erfahrungen sowie Vernetzung von Organisationen und Aktivitäten sind Möglichkeiten, den Aufwand möglichst gering zu halten.
Aus der Diskussion um konkrete Ansatzpunkte hob Elisabeth Freivogel im Besonderen die Herausforderungen hervor, die mit dem föderalistischen System der Schweiz verbunden sind. Obwohl die internationalen Normen auch die Kantone in ihren Zuständigkeitsbereichen in die Pflicht nehmen, sind viele Kantone noch zu wenig für ihre Verantwortlichkeiten sensibilisiert. Sie tragen zwar heute zur Erarbeitung der Staatenberichte bei, nehmen aber in der Folge die (auch) an sie gerichteten internationalen Empfehlungen nicht oder kaum wahr. Im Weiteren unterstrich Elisabeth Freivogel, wie grundlegend der Zugang zu adäquater Information und Ausbildung ist: Sensibilisierung, Information und Ausbildung auf verschiedenen Ebenen und in verschiedenen Bereichen sind zentrale Voraussetzungen, um die internationale Dimension besser zu nützen. Schliesslich betonte sie auch das Element des Monitoring, das für eine wirksame Gleichstellungspolitik unverzichtbar ist. Die internationalen Normen und Mechanismen bieten den Rahmen für eine systematische Überwachung der Gleichstellungssituation und für die kritische Begleitung der Massnahmen von Bund, Kantonen und Gemeinden.
Auskünfte
Elisabeth Keller, Leiterin Sekretariat der Eidgenössischen Kommission für Frauenfragen, Schwarztorstr. 51, 3003 Bern, elisabeth.keller@ebg.admin.ch / Tel. 031 322 92 76
Fax 031 322 92 81
Erika Schläppi, Dr. iur., Autorin der Studie «Frauenrechte und Menschenrechte: Wie kann die schweizerische Gleichstellungspolitik die internationale Dynamik besser nutzen?

www.ekf.admin.ch/dokumentation/00442/index.html?lang=de

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Liste Femanzen Dr. Erika Schläppi

WilhelmTell @, Schweiz, Sunday, 15.03.2015, 14:23 (vor 3336 Tagen) @ Oberkellner

... mit dieser Prinzessin hatte ich beruflich schon zu tun ... :-|


Erika Schläppi
Rabbentalstrasse 55
3013 Bern

+41 (0)31 333 38 23
geb. 17. Juli 1956

:-P

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Wenn ich so bin, wie ich bin, bin ich ich.

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