Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

Archiv 1 - 20.06.2001 - 20.05.2006

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Entschuldigung

Rotstift, Tuesday, 04.02.2003, 00:59 (vor 7769 Tagen)

Da sieht man, was dabei rauskommt, wenn man angesoffen schreibt. Eigentlich sollte das hier nämlich nicht als Antwort auf Ferdi erscheinen, sondern als eigener Beitrag. Und das beim ersten Posting - sehr peinlich.

Hi!

Ich bin gerade von einer Feierlichkeit nach Hause gekommen und einigermaßen angesäuselt. Ich hoffe daher, nicht allzu viel Unsinn zu schreiben.
Nachdem ich hier zum ersten Mal poste, sollte ich mich vielleicht vorstellen: Ich bin seit rund zehn Jahren Korrektor bei verschiedenen österreichischen Zeitungen und für Veröffentlichungen der steirischen Volkspartei (also der Konservativen, was ich allerdings selbst nicht unbedingt bin). In diesen zehn Jahren habe ich schon allerhand feministischen Wahnsinn gelesen, den ich jedoch leider nicht aufgehoben habe, und erst kürzlich folgenden Artikel in einem Buch eines steirischen Insttituts für Sozialforschung. Die Autorin - ebenfalls aus der ÖVP-Richtung kommend - ist Leiterin des Referats "Frau - Familie - Gesellschaft" (der Name sagt schon alles) der Steirischen Landesregierung und Nationalratsabgeordnete (entspricht einer Bundestagsabgeordneten in Deutschland). Ich bin gespannt auf die Reaktionen. Teilweise hat er mich geradezu belustigt, obwohl er von einer Einstellung zeugt, die alles andere als witzig ist (etwaige Fehler sollten übersehehen werden, da es sich um die unkorrigierte Version handelt).

Ridi Steibl
Frauen - im Aufstieg

Frauen wollen unabhängig sein.

Diese Motivation hat in den letzten Jahrzehnten eine Lawine gesellschafts- und arbeitsmarktpolitischer Veränderungen los getreten. Frauen haben sich stark emanzipiert und wollen nicht mehr als das “schwache” Geschlecht betrachtet werden. Ein breiter Umdenkprozess hat – zugegebenermassen – bereits eingesetzt. Aber wir sind noch lange nicht am Ziel.

Ökonomisch betrachtet liegt in Österreich die Erwerbsquote der Frauen mit 67% über dem europäischen Durchschnitt. Frauen erwirtschaften einen Großteil des Steueraufkommens und leisten Sozialversicherungsbeiträge in Milliardenhöhe.
Frauen und Mütter sind heute erwerbstätig, weil das steigende Bildungsniveau der Frauen einen Anspruch auf berufliche Chancen ausgeprägt hat. Frauen können und wollen sich auf eine lebenslange Versorgung durch eine Ehe nicht mehr verlassen. Auch ist die Erwerbstätigkeit von Müttern oft notwendig geworden, um das finanzielle Wohlergehen der Familie zu sichern.
Qualifiziert ausgebildeten Frauen gelingt es heutzutage, über die sogenannte Erwerbstätigkeit hinaus, einen eigenen, selbstbestimmten Weg zu gehen, unabhängig und erfolgreich zu werden. Frauen erobern zunehmend Spitzenpositionen in der Arbeitswelt, und ein Gleichziehen zumindest auf der zweiten und dritten Führungsebene ist in nächster Zeit zu erwarten. Dieser Trend läßt sich nicht nur im Bildungs- oder Dienstleistungswesen beobachten, auch in “traditionellen Männerdomänen”, wie der Industrie und der Wirtschaft, haben weibliche Führungskräfte ihren Fuß in der Tür.

Im gesamten EU-Raum, so auch in Österreich, herrscht ein Mangel an gut ausgebildeten Fachkräften, der sich durch demografische Entwicklungen und technologische Herausforderungen weiter verstärken wird. Daher fördert beispielsweise die Industriellenvereinigung in zunehmendem Maße die Karrieremöglichkeiten weiblicher Fach- und Führungskräfte in technischen und naturwissenschaftlichen Bereichen. Es gibt zahlreiche wissenschaftliche Studien die eindeutig belegen, dass Frauen nicht nur ausgezeichnete Managerinnen sind, sondern überdies Teamfähigkeit, Sozialkompetenz und Nervenstärke aufzuweisen haben. Es sind genau diese Fähigkeiten, die in der modernen Arbeitswelt gefragter denn je sind.

Frauen wollen beides - Beruf und Familie.

Wie viel Karriere wollen Frauen wirklich? Viele begnügen sich nach wie vor mit Teilzeit-Dienstverhältnissen oder Positionen im mittleren Management, um noch Ressourcen für Familie, Freizeit oder persönliche Interessen übrig zu haben. Andere wiederum wollen alles. Manche schaffen das auch.
Die Erfahrungen in dem ersten Gründerinnenzentrum Steiermark zeigen, mit wieviel Engagement, Kompetenz und vor allem Mut junge, gut ausgebildete Frauen den Schritt in die Selbstständigkeit wagen. Beachtenswert ist dabei die enorme Zielstrebigkeit und Überlegtheit, mit der Ideen und Strategien entwickelt und auch erfolgreich umgesetzt werden. Geschlechtsspezifische Unterschiede oder Vorurteile sind hier kein Thema mehr. Durch modernes und durchdachtes Zeitmanagement schaffen diese jungen Frauen auch die Vereinbarkeit von Beruf und Familie.

Dieser Punkt ist jedoch im Berufsleben vieler Frauen nach wie vor mit großen Schwierigkeiten behaftet.
Die Schaffung einer Bundesinformations- und –koordinationsstelle für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie (Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen in Kooperation mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit) steht bevor. Die zentrale Aufgabe hierbei wird es sein, die Thematik „Beruf und Familie„ auf EU-, Bundes- und Länderebene zu koordinieren und zu vernetzen.

Frauen wollen gleichen Lohn für gleiche Arbeit.

Formal und von Gesetzes wegen gibt es die Chancengleichheit in Österreich. Die Wirklichkeit sieht aber anders aus. Die Einkommensschere klafft deutlich auseinander – Frauen verdienen in Österreich rund ein Drittel weniger als Männer in gleichen Positionen (ausgenommen im öffentlichen Dienst) -, niedrige Tariflöhne in unterbewerteten sogenannten Frauenberufen sind keine Seltenheit, und trotz steigender Erwerbstätigkeit sind es die Frauen, die nach wie vor überwiegend für Haus- und Familienarbeit zuständig sind. Es braucht also in vielen Bereichen noch immer eines Umdenkens im Rollenverständnis „Mann – Frau„.

Frauen wollen ein Umdenken – besonders seitens der Wirtschaft.

Auch seitens der Wirtschaft bedarf es nach wie vor einer starken Forcierung der betrieblichen Frauen- und Familienförderung. Ein positives Betriebsklima bewirkt unbestritten motivierte Mitarbeiterinnen, höheres Leistungsniveau und Einsatzbereitschaft und verringert gleichzeitig Fluktuation. Dienstgeber sollen dieses Potential erkennen, danach handeln und davon profitierten.
Einen diesbezüglichen Anreiz für Groß- und Kleinbetriebe schafft das Projekt „Taten statt Worte„. Diese Initiative wurde vor Jahren aus der Schweiz übernommen und erfolgreich in Österreich umgesetzt. Bereits zum elften Mal wird der Wettbewerb „frauen- und familienfreundlichste Betriebe„ in der Steiermark und in vier weiteren Bundesländern ausgeschrieben. Bewertet werden Kriterien wie flexible Arbeitszeitmodelle, familienfreundliche Einrichtungen, Wiedereinstiegshilfen, Weiterbildungsangebote oder spezielle Betriebsvereinbarungen. Die jeweiligen Siegerbetriebe nehmen anschließend an der Wahl zum „frauen- und familienfreundlichsten Betrieb Österreichs„ teil. Als langfristiges Ziel dieser Aktion gilt es, über den Bereich einiger beispielhafter Betriebe hinaus, die gesamte Wirtschaft zugunsten a l l e r frauen- und familienfreundlicher zu gestalten. - Frauen- und familienfreundlicher soll allerdings nicht heißen, dass Frauen als geringfügig Beschäftige – ca 150.000 in Österreich - auf Abruf dem jeweiligen Dienstgeber zur Verfügung stehen, ohne über ein existenzsicherndes Einkommen zu verfügen!

Frauen wollen innerfamiliäre Arbeitsteilung und ein gleichberechtigtes Partnerverhältnis.

Eine Beschäftigung von Frauen über die Geringfügigkeitsgrenze hinaus benötigt innerfamiliärer Arbeitsteilung, die den wachsenden Anforderungen an Frauen und Müttern gerecht wird. Dabei sind verschiedene Strategien, die Frauen entwickeln, um die Doppelbelastung von Beruf und Familie zu bewältigen, maßgeblich durch soziale Unterschiede bedingt. Ob die ungleiche Arbeitsverteilung im Haushalt als Problem thematisiert wird, hängt von den Ansprüchen ab, die Frauen im Hinblick auf ein gleichberechtigtes Verhältnis mit ihrem Partner haben. Unzufriedenheit diesbezüglich wird am stärksten von Müttern mit qualifizierter Ausbildung signalisiert. Mehr und mehr nutzen erwerbstätige Mütter über öffentliche Kinderbetreuungseinrichtungen sowie die Einbeziehung ihrer Partner hinaus private Dienstleistungen, um Job, Familie und Haushalt unter einen Hut bringen zu können. Dabei sind das Familieneinkommen sowie das gesellschaftliche Umfeld ausschlaggebende Faktoren, ob und in welcher Form Hausarbeiten nach außen verlagert werden. Meine Forderung diesbezüglich lautet: Steuerliche Absetzbarkeit privater Kinderbetreuungs- und Haushaltshilfen. Auch seitens der EU-Kommission werden häusliche Dienstleistungen explizit zu jenen Bereichen gerechnet, in denen ein deutliches Aufstocken an Arbeitsplätzen möglich ist. Überdies bedarf es dringend einer Förderung des international bewährten Modells eines sogenannten „Dienstleistungsschecks„. Das derzeitige Angebot in Österreich an Initiativen, Unterstützungen und Forcierungen lässt noch zu wünschen übrig.

Frauen wollen Bildung – das Fundament jeder Karriere.

Das Freispielen aus häuslichen und familiären Belastungen allein kann eine angestrebte Karriere noch nicht verwirklichen. Das Erfolgsrezept lautet nach wie vor „Bildung„! Und da sind die Österreicherinnen auf recht gutem Kurs:
Der Frauenanteil an den Schülern der AHS-Oberstufe stieg in den letzten drei Jahrzehnten von knapp der Hälfte (48%) auf stolze 57%. Seit den frühen neunziger Jahren beginnen mehr Frauen ein Studium an den österreichischen Universitäten als Männer. Es zeigt sich allerdings, dass sich, nach Studienbereichen betrachtet, geschlechtsspezifische Unterschiede nach wie vor erhalten haben.
Im Bereich der Fachhochschulen, die im Studienjahr 1994/95 eingeführt wurden, halten sich die weiblichen Studierenden im rein technischen Bereich auffallend zurück. Deutlich höher liegt der Frauenanteil im technisch orientierten Zweig der Neuen Medien (1997/98: 29%) und dieser Trend scheint sogar noch im Steigen begriffen.
In den Fachhochschulstudiengängen des wirtschaftlichen Zweigs zeigt sich ein relativ ausgeglichener Frauen- und Männeranteil, im Tourismus-Zweig überwiegen die Frauen mit rund zwei Drittel.
Bei den Lehrberufen gibt es nach wie vor eine starke Konzentration der weiblichen Lehrlinge auf wenige traditionelle Lehrberufe.
Allerdings dominieren bei Mädchen die wirtschaftsberuflichen, sozialberuflichen oder kaufmännischen mittleren Schulen. Auch in den land- und forstwirtschaftlichen mittleren Schulen erhöhte sich der Frauenanteil während der letzten drei Jahrzehnte auf rund 50%.
Sehr gering ist nach wie vor das Interesse der Mädchen an technischen und gewerblichen höheren Schulen: weiblicher Anteil nur knapp 9%.

Österreichs Frauen scheuen nachweislich keine Art von Weiterbildung, Umschulung oder Zusatzqualifikation. Hinzu kommt das steigende Selbstwertgefühl, die Offenheit und Begeisterungsfähigkeit für Neues. Diese Aspekte schaffen die besten Voraussetzungen für Frauen-Karrieren in Spitzenpositionen, die nach meinen Vorstellungen künftig in Österreich nicht die Ausnahme, sondern die Regel sein sollten.


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